Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsrat Dr. Hanel, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. August 1995, Zl. III 193-3/95, betreffend
1. Nichtstattgebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und 2. Zurückweisung einer Berufung als verspätet, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 16. September 1994 (zugestellt am 22. September 1994) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 i.V.m. §§ 18 Abs. 2 Z. 1 und § 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Innerhalb der Berufungsfrist (am 6. Oktober 1994) erhob der Beschwerdeführer eine "Berufung" mit bloß folgendem Wortlaut:
"Zur Wahrung der Frist berufe ich hiemit gegen den im Betreff erwähnten Bescheid. Die Begründung erfolgt nach inhaltlicher Prüfung." Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1994 reichte der Beschwerdeführer eine Begründung seiner am 6. Oktober 1994 eingebrachten "Berufung" nach. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Mai 1995 wurde die "Berufung" des Beschwerdeführers wegen Fehlens einer erkennbaren Begründung als unzulässig zurückgewiesen, welcher Bescheid am 24. Mai 1995 zugestellt wurde. Mit Antrag vom 7. Juni 1995 begehrte der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und begründete dies damit, daß er juristischer Laie sei und sich bei der Abfassung seiner "Berufung" vom 6. Oktober 1994 durch eine Ausländerberatungsstelle in Innsbruck habe beraten lassen, welcher er vertraut habe, daß der ursprünglich eingereichte Schriftsatz zur Wahrung der Berufungsfrist ausreiche. Es liege ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor, durch welches der Beschwerdeführer die Frist für die Einbringung seiner Berufung insoferne versäumt habe, als er nicht innerhalb offener Frist eine begründete Berufung eingebracht habe. Daher liege der Wiedereinsetzungsgrund des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG vor, über welchen der Beschwerdeführer erst am 31. Mai 1995, an welchem Tage er seinen Rechtsvertreter aufgesucht habe, informiert worden sei. Zugleich erhob der Beschwerdeführer nunmehr eine weitere Berufung gegen das gegen ihn mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 16. September 1994 erlassene Aufenthaltsverbot. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 26. Juni 1995 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben sowie die Berufung des Beschwerdeführers gegen das am 16. September 1994 erlassene Aufenthaltsverbot wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dagegen wurden vom Beschwerdeführer jeweils Berufungen erhoben.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. August 1995 wurde 1. die Berufung gegen die Nichtstattgebung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen, 2. die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 26. Juni 1995 erfolgte Zurückweisung seiner neuerlichen Berufung aufgehoben und 3. die mit 7. Juni 1995 datierte Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 16. September 1994 als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Diese Entscheidungen wurden im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer - entgegen seinen Behauptungen - die ihm offenstehende Berufungsfrist nicht versäumt habe, sondern rechtzeitig Berufung erhoben habe; die Berufung habe jedoch an einem nicht behebbaren Mangel gelitten. Die primäre Voraussetzung für einen Wiedereinsetzungsantrag, nämlich das Versäumen einer Frist, hier der in Rede stehenden Berufungsfrist, sei daher nicht vorgelegen und dem Wiedereinsetzungsantrag habe schon aus diesem Grund nicht stattgegeben werden können. Das verspätete Nachreichen einer Berufungsbegründung gehe zu Lasten der Partei und sei durch einen Wiedereinsetzungsantrag nicht sanierbar. Hinsichtlich des Spruchpunktes 3. wurde der angefochtene Bescheid damit begründet, daß die Berufungsfrist im Verwaltungsverfahren gemäß § 63 Abs. 5 AVG zwei Wochen betrage; es handle sich um eine gesetzliche und unabänderliche Ausschlußfrist, welche von der Behörde nicht geändert werden könne und mit deren Ablauf ein Rechtsanspruch erlösche. Der mit der Berufung bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sei am Donnerstag, dem 22. September 1994, beim Postamt W hinterlegt worden und dort ab diesem Tage zur Abholung durch den Berufungswerber bereitgehalten worden; der Beschwerdeführer habe den Bescheid am 26. September 1994 behoben. Die Berufungsfrist habe mit dem Ablauf des 6. Oktober 1994 geendet, weshalb die Berufung vom 7. Juni 1995 verspätet eingebracht worden sei.
Gegen die Spruchpunkte 1. und 3. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer sehr wohl insoferne eine Frist versäumt habe, als er erst mit Eingabe vom 10. Oktober 1994, sohin nach Ablauf der Berufungsfrist eine den Bestimmungen des § 63 AVG entsprechende Berufung eingebracht habe. Bei der "Berufung" vom 6. Oktober 1994 habe es sich im wesentlichen bloß um eine Berufungsanmeldung ohne rechtliche Wirkung gehandelt. Berufungsanmeldung und begründeter Berufungsantrag bildeten eine Einheit. Werde eine Berufungsanmeldung rechtzeitig, der begründete Berufungsantrag aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingebracht, so liege sehr wohl eine Fristversäumnis vor. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer die Berufungsfrist gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 16. September 1994 nicht versäumt habe, stelle daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dar. Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht habe sich die belangte Behörde mit den vorgebrachten Wiedereinsetzungsgründen inhaltlich gar nicht auseinandergesetzt.
Hinsichtlich des Spruchpunktes 3. des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, daß dieser im Falle der Stattgebung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufzuheben wäre.
Der Beschwerde ist zwar insoferne Recht zu geben, als die bloße Einbringung eines nicht begründeten Berufungsantrages innerhalb der Berufungsfrist grundsätzlich als Versäumung dieser Frist im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG qualifiziert werden kann.
Die Beschwerde ist aber im Ergebnis aus folgenden Gründen nicht im Recht:
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob mangelnde Rechtskenntnisse oder unterlaufene Rechtsirrtümer als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse zu werten sind, welche grundsätzlich die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnten (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/15/0238 bis 0241, vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0257, 0258, und vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/20/0319, 0318, aber auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1992, Zl. 91/10/0251).
Jedenfalls wäre der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall verhalten gewesen, im Wiedereinsetzungsantrag darzulegen, bloß aus einem minderen Grad des Versehens gehandelt zu haben. Dieser Obliegenheit ist er nicht nachgekommen, zumal er nicht vorbrachte, aus welchen Gründen er von der Annahme ausging, daß er erst nach Ablauf der Berufungsfrist einen begründeten Berufungsantrag hätte nachreichen können. Insbesondere hat der Beschwerdeführer weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der Beschwerde dargelegt, aus welchen Gründen er der von ihm befaßten Ausländerberatungsstelle in dieser Hinsicht hätte besonders vertrauen können, er hat nicht einmal ausgeführt, eine juristisch geschulte Person befragt zu haben. Es ist ihm daher als ein nicht bloß minderer Grad des Versehens anzulasten, wenn er diesbezüglich keinen juristischen Rat einholte.
Hinsichtlich des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer somit in Rechten nicht verletzt.
Somit wurde der Beschwerdeführer auch durch den Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides in Rechten nicht verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995210926.X00Im RIS seit
20.11.2000