TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W155 2236345-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W155 2236345-1/9E

W155 2236346-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerden von 1. XXXX , geboren am XXXX und 2. XXXX , geboren am XXXX , beide Staatsangehörige der Republik Georgien, beide vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahlen 1. XXXX und 2. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II. Die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung vor.

III. Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

IV. Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von je € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer (BF) stellten am 08.12.2018 nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet mit dem Flugzeug Anträge auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers (BF2).

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) vom 18.05.2020, 1. XXXX und 2. XXXX , wurde die Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig ist. Gleichzeitig wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 03.08.2020 wurden die Beschwerden gegen die Bescheide der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen und die ordentliche Revision nicht zugelassen. Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses wurde beantragt.

Die BF verblieben in Österreich.

Eine Charterrückführung nach XXXX war für den 17.09.2020 geplant.

Der am 11.09.2020 von der belangten Behörde angeordnete Festaufnahmeauftrag (§ 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG), die Information über die bevorstehende Abschiebung sowie der angeordnete Durchsuchungsauftrag konnten nicht durchgeführt werden. Die BF hielten sich nicht an Ihrer ZMR-Adresse auf und haben auch dort nicht genächtigt. Mehrere Festnahmeversuche an dieser Adresse blieben erfolglos.

Am 09.10.2020 wurde von der belangten Behörde abermals ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG – Vorliegen der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen – angeordnet.

Am 20.10.2020 06.45 Uhr, wurden die BF festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände überstellt. Dabei wurde Ihnen ein Informationsblatt in deutscher und georgischer Sprache übergeben, welches Sie über den Abschiebetermin am 05.11.2020 informierte.

Am 21.10.2020 wurden die BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Mit Mandatsbescheiden vom 21.10.2020 ordnete die belangte Behörde gemäß § 76 Abs. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über die BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

Gegen diese Bescheide erhoben die BF durch den Verein Menschenrechte Österreich Beschwerde an das BVwG.

Die belangte Behörde legte dem BVwG am 23.10. 2020 die Akten vor.

Am 29.10.2020 wurde die Haftfähigkeit des BF2 ärztlich bestätigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Person der Beschwerdeführer und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die BF sind Staatsangehöriger der Republik Georgien, ihre Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen sie nicht.

Die BF sind weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte.

Sie halten sich in Österreich illegal auf.

Die BF werden seit 20.10.2020 in Schubhaft angehalten.

Die BF1 ist gesund und haftfähig.

Der BF2 erkrankte an einem Hirntumor und wurde sowohl in Georgien als auch in Österreich operiert. Er ist haftfähig und nimmt regelmäßig Medikamente. Er hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

Die BF sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert und verfügen über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung Sie haben Familienmitglieder in Georgien.

Sie sprechen nicht Deutsch und haben auch sonst keine Bindungen an Österreich. Sie können keine Integrationsleistungen nachweisen.

Die Abschiebung ist für 05.11.2020 organisiert. Ein Heimreisezertifikat wurde vom 19.08.2020 bis 17.11.2020 erteilt.

Die BF sind unbescholten.

Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

Die BF haben ihre Ausreiseverpflichtung missachtet und halten sich in Österreichillegal auf. Sie haben sich einem Abschiebetermin am 17.09.2020 entzogen, indem sie sich nicht an ihren gemeldeten Adresse aufhältig waren und auch dort nachweislich nicht nächtigten. Mehrere Festnahmeversuche an ihrer ZMR - Adresse bleiben erfolglos. Die BF haben durch dieses Veralten ihre Abschiebung erschwert bzw. verhindert. Sie haben sich nicht rechtskonform verhalten, indem sie einer Ausreise nicht nachkamen bzw. diese verhinderten.

Eine relevante Änderung der Umstände seit Anordnung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des behördlichen Verfahrens sowie die Akten des BVwG zur Zahl XXXX bzw. XXXX , in die Einvernahmeprotokolle, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Zur Person der Beschwerdeführer und den Voraussetzungen der Schubhaft:

Aus dem Verwaltungsakt sowie den Akten des BVwG ergibt sich, dass die BF über Reisepässe verfügen, die ihre Identität nachweisen. Im bisherigen Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die BF auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Da die Asylanträge in Österreich abgewiesen wurden, handelt es sich bei den BF weder um Asylberechtigte noch um subsidiär Schutzberechtigte.

Dass die BF seit 20.10.2020 in Schubhaft angehalten werden, ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Aus den Verfahrensakten ergibt sich, dass der BF2 regelmäßig Medikamente einnimmt, eine Haftunfähigkeit ergibt sich daraus jedoch nicht, wie sich aus dem aktuell vorgelegten ärztlichen Gutachten vom 29.10.2020 eindeutig ergibt. Der Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung ist unzweifelhaft.

Die Feststellung, dass in Österreich keine Familienangehörigen der BF leben, dass die BF in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen, über kein Einkommen und über kein zur Sicherung ihrer Existenz ausreichendes Vermögen verfügen, beruht auf den diesbezüglichen Angaben in ihren Verwaltungsverfahren.

Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

Dass die BF ihre Ausreiseverpflichtung missachteten und sich illegal im Bundesgebiet aufhalten, wird von ihnen nicht bestritten, vielmehr bestätigen sie die Durchsetzbarkeit der negativen Asylentscheidung. Sie begründen ihren weiteren Aufenthalt in Österreich damit, dass sie die Entscheidung des BVwG (die beantragte schriftliche Ausfertigung der mündlichen Verkündung) leichter im Inland bekämpfen können und der Gesundheitszustand des BF2 sowie die Coronapandemie eine freiwillige Ausreise der BF erschweren würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Erhebung eines Rechtsmittels nicht an die Anwesenheit der Rechtsmittelwerber im Inland gebunden ist und schon im mündlich verkündeten Erkenntnis des BVwG die Erkrankung des BF2 nicht als Abschiebehindernis erkannt wurde. Dass Charterflüge auch in Covid-19 Zeiten möglich sind, ergibt sich aus schon allein daraus, dass eine Charterrückführung der BF zunächst für den 17.09.2020, nunmehr für den 05.11.2020 vorgesehen ist. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung der BF ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Dass sich die BF unmittelbar vor ihrer geplanten Abschiebung nicht an der zuletzt gemeldeten Adresse in 1020 Wien aufgehalten haben und dort auch nicht nächtigten, ergibt sich aus dem Erhebungsbericht der LPD und den Aussagen der BF in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.10.2020. Gemäß Erhebungsbericht gab ein Mitbewohner gegenüber den Beamten an, dass die BF am 14.09.2020 gegen 18:00 Uhr die Wohnung verlassen hätten. Auch der Betreuer bzw. Verantwortliche der Flüchtlingsunterkunft gab an, täglich Anwesenheitskontrollen durchzuführen und bestätigte, dass die BF „normalerweise“ immer anwesend wären. Er konnte den Aufenthaltsort der BF nicht nennen. Dass eine Absprache der BF mit dem Verantwortlichen der Unterkunft über deren Verbleib bei einer georgischen Freundin stattgefunden hätte – wie in der Beschwerde behauptet - geht aus dem Erhebungsbericht nicht hervor. Dass die BF zufällig bzw. ungeplant gerade zu dem Zeitpunkt, wo eine Abschiebung im Raum stand, bei einer georgischen Freundin übernachteten, weil der BF2 einen Anfall hatte, erscheint dem Gericht unglaubwürdig. Die BF konnten in ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde am 21.10 2020 weder den Namen noch die Adresse der Personen, bei der sie untergebracht waren nennen oder konkretisieren. Es wäre außerdem ein Leichtes gewesen, den Betreuer der Unterkunft oder den Mitbewohner über ihren „ungeplanten bzw. unvorhergesehenen“ Verbleib zu verständigen.

Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen. Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) I

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

„(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Zum vorliegenden Fall:

Die BF besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und sind daher Fremder im Sinne des FPG. Sie sind weder Asylberechtigte noch subsidiär Schutzberechtigte, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

Voraussetzung für die Anordnung einer Schubhaft gemäß der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG sind Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und das Nichtvorliegen eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG. Diese drei Voraussetzungen sind im Folgenden zu prüfen.

Fluchtgefahr/Sicherungsbedarf:

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens sieht das Gericht in Übereinstimmung mit der Beurteilung der belangten Behörde Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG, näherhin im Sinne der Z. 1, 3 und 9 dieses Absatzes, für gegeben an.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hielten sich die BF an der zuletzt gemeldeten Adresse nicht auf und haben dort auch nicht genächtigt. Sie waren für die Behörde zum Zwecke der festgelegten Abschiebung auf dem Luftweg nicht greifbar und haben über ihren Aufenthalt nicht Bescheid gegeben und sich damit einer Abschiebung entzogen bzw. diese erschwert. Die BF mussten jederzeit damit rechnen, Österreich verlassen zu müssen. Die Tatsache, dass die BF nicht greifbar waren, erfüllt nach Ansicht des Gerichts die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Satz 1 FPG.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen die BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall der BF Umstände vorliegen, die wegen ihrer Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Sie verfügen im Inland über keinerlei enge soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte und sind auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches sie vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten der BF vor Verhängung der Schubhaft sowie die familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Zum einen liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, andererseits versuchen die BF ihren illegalen Aufenthalt weiter in die Länge zu ziehen, um dem BF 2 ärztliche Behandlungen bzw. Kontrollen weiter zu ermöglichen. Die Abwesenheit vom Wohnort erschwert die Aufenthaltsbeendigung. Und ist davon auszugehen, dass sich die BF auf freiem Fuß nicht einer Abschiebung stellen werden. In Österreich befinden sich weder Familienangehörige der BF noch sind sie sonst sozial verankert. Die BF verfügen in Österreich über keine ausreichenden Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung gingen sie in Österreich bisher nicht nach. Der BF2 krankheitshalber bedingt, die BF2, weil sie sich um ihren Sohn kümmern musste.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

Verhältnismäßigkeit:

Die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen der BF an den Rechten ihrer persönlichen Freiheit in Bezug auf die familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass die BF keine familiären Bindungen und keine beruflichen und sozialen Kontakte vorweisen konnten, die geeignet wären, im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen. Die BF sind zwar unbescholten, sie sind mittellos. Sie haben keinen Anspruch auf Grundversorgung und nicht die finanziellen Mittel Unterkunft und Verpflegung zu finanzieren. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Interessensabwägung miteinzubeziehen und erhöht das Interesse der Öffentlichkeit an der Außerlandesbringung der BF. Im vorliegenden Fall besteht ein erhöhtes Interesse an der Außerlandesbringung der BF auch im Hinblick darauf, dass sich die BF bereits einer geplanten Abschiebung entzogen haben. Ebenso wie die belangte Behörde geht das Gericht davon aus, dass die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben ist; vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine baldige Abschiebung in Aussicht steht und ein HRZ erteilt worden ist. Das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung der Abschiebung der BF überwiegt das Interesse der BF am Schutz ihrer persönlichen Freiheit.

Gelindere Mittel

Aufgrund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden. Die BF haben ihre ZMR Adresse verlassen, sich an einem anderen Ort aufgehalten und dort genächtigt, obwohl ihnen bewusst war, dass eine Abschiebung jederzeit möglich ist und eine Festnahme zum Zwecke der Abschiebung jederzeit bevorsteht. Eine Abmeldung bzw. ein Anruf beim Verwalter der Unterkunft, der jeden Tag eine Anwesenheitskontrolle durchführt, war den BF zuzumuten. Eine periodische Meldeverpflichtung bzw. eine Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten beurteilte die belangte Behörde mit der Begründung als nicht ausreichend, weil die BF den Willen, sich einer Abschiebung zu entziehen mit ihrem Verhalten gezeigt hätten. Ein derartiger Entzug wäre erneut denkbar, alleine, um den Aufenthalt in Österreich zu verlängern.

Da eine durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und sich die BF einer Charterrückführung entzogen, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung der Abschiebung ausreichend ist. Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung der BF zu gewährleisten.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen bekämpften Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation der BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt, gelangt die gerichtliche Überprüfung nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verhängung der Schubhaft. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil A) II

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das BVwG, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Aufgrund obiger Erwägungen - Vorliegen eines gültigen Schubhaftgrundes, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit - war die Schubhaft fortzusetzen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchteil A) III und IV

Die belangte Behörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den Bestimmungen des § 35 VwGVG dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV.

Im vorliegenden Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufwandersatz Außerlandesbringung Ausreiseverpflichtung Familienverfahren Fluchtgefahr Kooperation Mandatsbescheid Meldeadresse Mittellosigkeit Obsiegen öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W155.2236345.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten