TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 W171 2165024-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
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Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W171 2165024-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , StA Kosovo, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX sowie gegen die Festnahme am XXXX und die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von insgesamt € 852,40 (bestehend aus € 426,20 im Zusammenhang mit der Festnahme und € 426,20 hinsichtlich der Bescheidbeschwerde und der nachfolgenden Anhaltung) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Kostenersatz der beschwerdeführenden Partei wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

Gegen den Beschwerdeführer (in Folge auch BF) wurde erstmals mit Bescheid vom 10.11.2014 eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot erlassen. Grund hierfür war seinerzeit eine rechtskräftige Verurteilung.

Die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot erwuchsen nach einer eingebrachten Beschwerde mit 15.09.2015 in Rechtskraft.

Auf einen Ladungstermin am 28.10.2015 erschien der BF unentschuldigt nicht und wurde er schließlich am 09.11.2015 niederschriftlich einvernommen. Es wurde ihm die Gelegenheit geboten selbstständig in den Kosovo zurückzukehren. Eine freiwillige Ausreise (mit Hilfe der Caritas) fand nicht statt und wurde er sodann am 03.10.2016 in Wien betreten. Eine Festnahme erfolgte damals nicht.

Da der BF weiterhin nicht selbstständig ausreiste, wurde am 16.03.2017 ein Festnahmeauftrag gegen ihn erlassen. Im Zuge des Versuchs der Vollziehung des Festnahmeauftrages am 20.03.2017 an der Adresse der Mutter des BF, konnte dieser dort jedoch nicht angetroffen werden. Seine Mutter behauptete dabei, dass der BF kein Handy besitzen würde. Eine geplante Abschiebung musste in der Folge storniert werden.

Ein weiterer Festnahmeauftrag wurde am 21.03.2017 erlassen.

Am 12.05.2017 wurde der BF in Wien erneut angetroffen und festgenommen. Am 13.05.2017, während einer Einvernahme, stellte der BF einen unbegründeten Asylantrag, welchen er in weiterer Folge wieder zurückzog. Nach einer erfolgten Wohnsitzüberprüfung wurde er aus der fremdenrechtlichen Anhaltung entlassen.

Neuerlich wurde eine Abschiebung geplant und versucht den BF mittels Festnahmeauftrag zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen. Die Vollziehung des Festnahmeauftrages an zwei verschiedenen Adressen konnte nicht vollzogen werden, zumal der BF an keiner der beiden möglichen Adressen aufhältig war.

Mit 19.05.2017 wurde neuerlich ein bundesweiter Festnahmeauftrag erlassen.

Am 11.07.2017 konnte der bestehende Festnahmeauftrag vollzogen werden. Eine Abschiebung/ freiwillige Ausreise wurde für den 12.07.2017 geplant.

Noch am 11.07.2017 wurde der BF niederschriftlich einvernommen und stellte im Zuge der Niederschrift abermals einen Asylantrag. Zur Sicherung des Verfahrens über diesen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung wurde über den BF nunmehr erstmals mit Bescheid vom 11.07.2017 eine Schubhaft verhängt. Die geplante Abschiebung für den 12.07.2017 musste jedoch storniert werden. Eine neuerliche Abschiebung wurde für den 29.08.2017 organisiert. Am 17.07.2017 gab der BF vor, freiwillig ausreisen zu wollen, doch wurde dies im Hinblick auf das vergangene Verfahren nicht gewährt.

Mit Bescheid vom 19.07.2017 wurde der bis dahin offene Asylantrag, gemäß §§ 3 und 8, negativ beschieden. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Mit der Rückkehrentscheidung wurde gegen den BF auch neuerlich ein Einreiseverbot (rechtskräftige Verurteilungen) erlassen. Diese Entscheidungen sind seit dem 19.07.2017 durchsetzbar und seit dem 02.08.2017 rechtskräftig.

Gegen die Verhängung der damaligen Schubhaft brachte der BF am 20.07.2017 eine Beschwerde ein. Er wurde am 25.07.2017 wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

Mit Ladung vom 09.08.2017 wurde der BF für den 25.08.2017 vor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch Behörde oder BFA) geladen. Als Zustelladresse wurde die Adresse der Mutter herangezogen. Zum angesetzten Termin wurde der BF sodann niederschriftlich einvernommen. Zur Sicherung der Abschiebung wurde gegen ihn ein gelinderes Mittel verhängt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes wurden er am 31.08.2017 wegen § 27 (1) Zif. 1 1. Und 2.Fall SMG; § 27 (2) SMG und § 241e (3) StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt.

Für den 04.10.2017 wurde abermals eine Abschiebung geplant und wurde ein Festnahmeauftrag an der Adresse der Mutter des BF erlassen. Eine Rücksprache mit der dortigen PI ergab, dass der BF seiner Meldeverpflichtung seit dem 25.09.2017 nicht mehr nachgekommen ist. Am 02.10.2017 wurde ein weiterer bundesweiter Festnahmeauftrag den BF betreffend erlassen.

Am 10.10.2017 wurden für vier verschiedene Adressen Durchsuchungsaufträge im Hinblick auf den bestehenden Festnahmeauftrag erlassen.

Am 24.10.2017 konnte der BF in Wien zufällig angetroffen und festgenommen werden. Am 25.10.2017 wurde dieser jedoch abermals als haftunfähig aus der Anhaltung entlassen.

Eine neuerliche Abschiebung wurde für den 12.12.2017 geplant. Auch diese Festnahme konnte an der Adresse seiner Mutter nicht erfolgen.

Mit Beschluss vom 27.12.2017 des BVwG wurde das Beschwerdeverfahren eingestellt, da die Beschwerde zurückgezogen wurde.

Nach einem Aufgriff des BF am 17.01.2018 wurde dieser in Verwaltungsstrafhaft überstellt. Am 18.01.2018 wurde gegen ihn ein neuer Festnahmeauftrag – nach Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft – erlassen. Noch am selben Tag musste er jedoch aus der Anhaltung entlassen werden und wurde er für haftunfähig erklärt.

Am 03.05.2018 wurde gegen den BF neuerlich ein Festnahmeauftrag erlassen, zumal sich dieser damals in Untersuchungshaft befand.

Mit Urteil eines Landesgerichts wurde er am 28.05.2018 wegen mehrerer Suchtgiftdelikte zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 22.06.2018 wurde dem BF ein Strafaufschub bis einschließlich 31.05.2020 gewährt. Aufgrund dessen wurde der gegen ihn bestehende Festnahmeauftrag widerrufen.

Am 15.05.2020 wurde er in Wien von Beamten angetroffen und zur Anzeige gebracht.

Am 07.07.2020 wurde der BF u.a. wegen fortgesetzter Gewaltausübung, Hausfriedensbruch und gefährlicher Drohung zum Nachteil seiner Exfreundin und nunmehrigen Verlobten angezeigt.

In weiterer Folge wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats gestartet und seine Abschiebung für den 25.08.2020 organisiert.

Am 11.08.2020 wurde gegen ihn neuerlich ein Festnahmeauftrag zur Abschiebung, an die Adresse der Mutter des BF, erlassen. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine behördliche Meldung des BF. Auch diese Abschiebung musste storniert werden, zumal der BF an der Adresse wieder nicht angetroffen werden konnten.

Am 18.10.2020 wurde der BF in Wien von Beamten angetroffen, nachdem die Polizei im Hinblick auf eine Lärmerregung verständigt wurde und wurde der illegale Aufenthalt festgestellt. Der BF wurde festgenommen, in weiterer Folge in ein PAZ überstellt und zur Schubhaftverhängung einvernommen. Dabei führte der BF aus, dass er sich der Behörde nie entzogen habe und er an den besagten Adressen auch nie gewohnt habe. Er sei bisher nicht ausgereist, da er seine Familie und seine Freundin nicht verlassen habe wollen. Er sei noch nicht für eine Abschiebung bereit gewesen. In den vorangegangenen Monaten sei er an verschiedenen Adressen aufhältig gewesen, da er immer Angst gehabt habe, abgeschoben zu werden. Er sei bei der Mutter, der Schwester oder aber zumeist bei der Freundin gewesen. Er habe keine eigenen Mittel und werde von seinen Angehörigen finanziell unterstützt. Seine Kinder sehe er ein- bis zweimal im Monat. Er habe von 2017 bis 2020 eine Therapie absolviert und wären auch seine psychischen Probleme Thema bei der Therapie gewesen. Er würde bei einer Abschiebung, aber auch bei einer freiwilligen Ausreise, keine Probleme machen. Vom BF wurden keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht und gab es keinerlei Anzeichen für eine allfällige Haftunfähigkeit.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 18.10.2020 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt und ausgeführt, der BF habe durch sein bisheriges Verhalten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Zi. 1, 3, 5 u. 9 FPG erfüllt. Es bestehe daher Fluchtgefahr. Die Anhaltung in Schubhaft sei jedoch auch verhältnismäßig und käme ein neuerliches gelinderes Mittel nicht in Frage.

Mit Beschwerdeschrift vom 26.10.2020, dem Gericht erstmals vollständig übermittelt am 27.10.2020, wurde die Rechtswidrigkeit der Festnahme vom 18.10.2020 und der laufenden Schubhaft vorgebracht. Der BF leide an psychischen Problemen und sei daher nicht haftfähig. Seit dem 21.04.2019 lebe er bei seiner Verlobten, habe sich allerdings bisher noch nicht an dieser Adresse angemeldet. Sie sei Polin und als solche daueraufenthaltsberechtigt. Eine Heirat sei geplant. Er sei durchgehend an der Adresse seiner Mutter gemeldet gewesen. Die laufende Haft mache ihn völlig fertig und leide er psychische Qualen. Eine freiwillige Rückkehr am 23.10.2020 habe nicht geklappt und gelobe er, sich nunmehr an ein allfällig verhängtes gelinderes Mittel zu halten. Nach seiner bevorstehenden baldigen Eheschließung dürfe er sich ohnehin weiter in Österreich aufhalten.

Er beantragte die zeugenschaftliche Einvernahme seiner Verlobten, dessen Mutter und des Ehemannes der Mutter. Ein konkretes Beweisthema wurde nicht angeführt. Rechtlich finden sich Ausführungen zu begünstigten Drittstaatsangehörigen und ein Hinweis auf ein Judikat zum Salzburger Mindestsicherungsgesetz. Beantragt wurde die Festnahme vom 18.10.2020, den Schubhaftbescheid vom 18.10.2020 und die darauf gestützte Haft als rechtswidrig festzustellen und Aufwandersatz zuzusprechen. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 27.10.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen wie nachstehend gekürzt nach Wiederholung des bisherigen Sachverhaltes ausgeführt:

„Am 15.05.2020 wurde der Bf. von der LPD aufgegriffen und gab er an, sich wieder an der Meldeanschrift seiner Mutter aufzuhalten. Es wurde ihm die Aufenthaltsermittlung der Staatsanwaltschaft Wien wegen § 27 ff SMG zur Kenntnis gebracht und wurde sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet zur Anzeige gebracht. Gleichzeitig wurde die ID-Card des Bf. sichergestellt und an das BFA übermittelt.

Mit Abschlussbericht der LPD vom 07.07.2020 wurde die Behörde darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Bf. wegen fortgesetzter Gewaltausübung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und gefährlicher Drohung, alles zum Nachteil seiner Ex-Freundin XXXX , im Zeitraum vom 01.12.2019 bis zum 15.05.2020 bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht wurde. In diesem Bericht war u.a.a. angeführt, dass Frau XXXX die Beziehung zum Bf. am 01.05.2020 beendet hat.

Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats wurde eingeleitet und wurde die begleitete Abschiebung des Bf. für den 25.08.2020 organisiert. Da der Bf. abermals nicht an der Wohnanschrift seiner Mutter festgenommen werden konnte, musste auch diese Abschiebung storniert werden.

Am 18.10.2020 wurde der Bf. im Zuge einer Amtshandlung der LPD XXXX , die wegen Lärmerregung in Wien XXXX verständigt wurde, aufgegriffen werden und wurde sein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt. Der Bf. wurde nach Rücksprache mit dem zuständigen BFA-JD ins PAZ verbracht.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.10.2020 gab der Bf. im Wesentlichen an, sich nie den Behörden entzogen zu haben, und wäre er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen, weil er es nicht übers Herz gebracht habe, er wäre noch nicht bereit gewesen zu gehen. In den letzten Monaten habe er sich an verschiedenen Anschriften aufgehalten, u.a. bei seiner Mutter, seiner Schwester, seiner Freundin, da er eine Abschiebung befürchtete. Er habe von 2017 bis 2020 eine Therapie absolviert und wären auch seine psychischen Probleme Thema bei der Therapie gewesen. Vor ca. 6 Monaten habe er sich neue Dokumente ausstellen lassen (Reisepass, Geburtsurkunde, ID-Card). Der Reisepass befinde sich entweder bei seiner Mutter oder bei seiner Freundin. Er verfüge über keinerlei Geldmittel und finanziere seinen Lebensunterhalt durch finanzielle Unterstützung seiner Mutter, seiner Schwester und seines Onkels. Er wäre ledig und habe 2 Kinder, die bei Pflegefamilien leben, und zahle er keine Alimente. Die Kinder sehe er 3 Mal in 2 Monaten über Termine des Jugendamtes und wäre seiner Freundin nicht die Kindesmutter.

Die Freundin des Bf. wurde telefonisch kontaktiert und erklärte sich bereit, den Reisepass, Kleidung und Geldmittel für den Bf. zu bringen.

Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme wurde gegen den Bf. zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Mangels ausreichend vorhandener Geldmittel zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung kam die Hinterlegung eines Sicherstellungsbetrages nicht in Betracht.

Eine freiwillige Ausreise in den Kosovo kam zu einem nicht in Betracht, da der Bf. nicht über genügend Barmittel verfügte um sich den Aufenthalt in Österreich bis zur Ausreise und auch die Ausreise selbst aus eigenem zu finanzieren, und ist er auch bisher seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern hat seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt.

Die Verhängung des Gelinderen Mittels kam für den Bf. ebenfalls nicht in Betracht, da er sich bereits am 25.09.2017 dem Gelinderen Mittel entzogen, ist seiner Meldeverpflichtung nicht mehr nachgekommen und hat seinen Aufenthalt teils trotz aufrechter Meldung, teils ohne Meldung im Verborgenen fortgesetzt. Somit hätte ihn auch ein zugewiesenes Quartier nicht vom neuerlichen Untertauchen abgehalten, insbesondere da ihm nun bewusst sein muss, dass seine Abschiebung in den Kosovo unmittelbar bevorsteht.

Daher musste von einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen werden und wurde als ultimo ratio über den Bf. zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Von der Bf. wurden keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht, es gab keinerlei Anzeichen für eine allfällige Haftunfähigkeit, und kann ihm auch im Stande der Schubhaft adäquate medizinische Hilfe geboten werden, sollte sich sein Gesundheitszustand verschlechtern. Zudem ist im PAZ HG eine Sanitätsstelle eingerichtet, jeder Häftling wird dem Amtsarzt vorgeführt und besteht für den Bf. auch die Möglichkeit zusätzlich auf eigenen Wunsch nochmals dem Amtsarzt vorgeführt zu werden.

Es wurde für den Bf. eine begleitete Abschiebung für den 08.11.2020 organisiert und wurde dem Bf. der Abschiebetermin bereits zur Kenntnis gebracht.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht Wien möge

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2.       gemäß § 83 Abs. 4 FPG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,

3.       den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten verpflichten.“

Der BF wurde am 30.10.2020 auf gerichtlichen Auftrag hin dem Amtsarzt vorgeführt und ein Befund und Gutachten über den gesundheitlichen Zustand des BF erstattet. Dabei wurde befundet, dass der BF aktuell an einer Anpassungsstörung leide und fachärztlich entsprechend behandelt werde. Es werde eine medikamentöse Therapie verabreicht und sei der BF stabil. Sonstige Beschwerden seien nicht gegeben und sei der BF nach wie vor haftfähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste vor vielen Jahren in das Bundesgebiet ein, hat jedoch bisher die österreichische Staatsbürgerschaft nicht erhalten. Er ist kosovarischer Staatsangehöriger und somit Fremder i.S.d. Diktion des FPG. Er gibt an, mit einer in Österreich lebenden Polin verlobt zu sein.

1.2. Er stellte in Österreich mehrere Anträge auf internationalen Schutz. Der BF hat seit 2015 keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich mehr und wurden Rückkehrentscheidungen i.V.m. einem Einreiseverbot rechtskräftig erlassen.

1.3. Der BF leidet aktuell an einer Anpassungsstörung und wird diesbezüglich fachärztlich betreut.

1.4. Der BF ist in Österreich mehrfach wie folgt vorbestraft:

01)LG F.STRAFS.WIEN 143 HV 135/2012i vom 19.12.2012 RK 19.12.2012
§§ 142 (1), 143 2. Fall StGB
§ 164 (1) StGB
Datum der (letzten) Tat 06.09.2012
Freiheitsstrafe 30 Monate, davon Freiheitsstrafe 20 Monate, bedingt, Probezeit
3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
Jugendstraftat
Vollzugsdatum 05.07.2013

02) BG JOSEFSTADT 019 U 51/2017h vom 31.08.2017 RK 04.09.2017
§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall SMG
§ 27 (2) SMG
§ 241e (3) StGB
Datum der (letzten) Tat 06.01.2017
Freiheitsstrafe 6 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

03) LG F.STRAFS.WIEN 082 HV 50/2018z vom 28.05.2018 RK 28.05.2018
§§ 27 (1) 8. Fall, 27 (4) Z 1 SMG
§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG
§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall SMG
Datum der (letzten) Tat 30.04.2018
Freiheitsstrafe 10 Monate

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Seit dem 19.07.2017 besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

2.2. Der BF hat einen gültigen kosovarischen Reisepass vorgelegt.

2.3. Der BF ist haftfähig.

2.4. Die Abschiebung ist für den 08.11.2020 geplant.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF konnte an seiner Meldeadresse, sowie an drei anderen von der Behörde ermittelten möglichen Aufenthaltsadressen bei Verwandten mehrfach nicht angetroffen werden, sodass in der Vergangenheit eine jederzeitige Greifbarkeit des BF über längere Zeit nicht gewährleistet war.

3.3. Im September 2017 hat sich der BF einem über ihn verhängten gelinderen Mittel (Meldeverpflichtung) entzogen und ist untergetaucht.

Von Oktober 2019 bis Oktober 2020 war der BF im Melderegister nicht eingetragen und daher für die Behörde nicht greifbar.

3.4. Er ist nicht vertrauenswürdig.

3.5. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.

3.6. Der BF stellte am 13.05.2017 und am 11.07.2017 je einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesen Zeitpunkten bestanden gegen den BF bereits durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. In Österreich bestehen familiäre Beziehungen. Die Mutter, die Schwester, Nichten, die Verlobte und zwei Kinder des BF, für die er keine Obsorge hat, leben in Österreich. Die Familienangehörigen und die Verlobte haben den BF bisher in keiner Weise davon abgehalten, unterzutauchen. Die Mutter des BF erklärte explizit, den Aufenthaltsort des BF nicht bekannt geben zu wollen und unterstützte daher in der Vergangenheit das rechtswidrige Verhalten des BF ausdrücklich.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln.

4.3. Er verfügt über mögliche Wohnsitze in Österreich.

5. Zur Festnahme:

5.1. Der BF wurde am 18.10.2020 aufgrund des Festnahmeauftrags des BFA festgenommen und über ihn sodann die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

5.2. Zum Zeitpunkt der Festnahme bestand gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem gerichtlichen Vorakt sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Der BF gab im laufenden Verfahren glaubhaft an, mit einer in Österreich lebenden Polin verlobt zu sein (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich der Asylanträge, des Bestehens der durchsetzbaren Rückkehrentscheidungen und des Einreiseverbotes ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die vorliegende Anpassungsstörung wurde auf Basis eines aktuellen Befundes des Amtsarztes vom 30.10.2020, der ins gerichtliche Verfahren einbezogen wurde, festgestellt. Darüber hinaus wurden ärztlicherseits im Verfahren keine weiteren krankheitswerten Zustände des BF festgestellt (1.3.). Die strafgerichtlichen Verurteilungen waren dem Strafregister zu entnehmen (1.4.).

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):

Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers auch nicht in Zweifel gezogen (2.1.).

Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus den Angaben im Akt woraus hervorgeht, dass die Verlobte, bzw. die Mutter des BF den gültigen Reisepass zur Behörde gebracht hat (AS 307). Daraus ergibt sich, dass einem Grenzübertritt des BF in den Kosovo an sich nichts im Wege stehen dürfte. Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den konkreten Angaben im Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 30.10.2020. Die einfache Behauptung, der BF sein haftunfähig, da er in der Vergangenheit haftunfähig gewesen sei, reicht nicht hin, das vorliegende aktuelle Gutachten in Zweifel zu ziehen. Darüber hinaus hat der BF selbst bei seiner Einvernahme unmittelbar vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft am 18.10.2020 auch keinerlei gesundheitliche Beschwerden vorgebracht und dem entgegengesetzt angegeben von 2017 bis 2020 wegen seiner psychischen Beschwerden in Behandlung gewesen zu sein. Aufgrund der konkreten Prüfung durch den Amtsarzt war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen (2.3.). Die für den 08.11.2020 geplante Abschiebung des BF ergibt sich konkret aus der vorliegenden Stellungnahmen des BFA vom 27.10.2020 (2.4.).

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):

Das Vorliegen einer seit 19.07.2017 durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: Rückkehrentscheidung) ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Aus dem Behördenakt ergibt sich, dass der BF im Zuge geplanter Charterabschiebungen mehrfach an seiner Meldeadresse bzw. an der von ihm angegebenen Adresse seiner Mutter und Schwester nicht aufgefunden werden konnte. Er hat in der Vernehmung vom 18.10.2020 selbst angeführt, an mehreren verschiedenen Adressen unangemeldet gewohnt zu haben. Der BF hat daher durch sein Untertauchen mehrfach bereits angesetzte Abschiebungen erfolgreich vereitelt (3.2.).

Aus dem Behördenakt ist ersichtlich, dass über den BF im Sommer 2017 das gelindere Mittel der Meldeverpflichtung verhängt wurde, dieser jedoch bereits nach einem Monat untergetaucht ist und die periodisch angeordnete Meldung unterließ. Darüber hinaus ergibt sich nach Einsicht in das ZMR, dass der BF in der Zeit von Oktober 2019 bis 18.10.2020 über keine Meldeadresse verfügte und sohin für die Behörde nicht greifbar gewesen ist (3.3.).

Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigt sich auch dadurch, dass der BF bereits mehrere Asylanträge gestellt hat, seit 2015 nicht freiwillig ausgereist ist, mehrmals untergetaucht ist und gegen ein gelinderes Mittel verstoßen hat. Er hat durch dieses Verhalten das bisher in ihn gesetzte Vertrauen der Behörde mehrmals missbraucht und wurde auch wiederholt straffällig. Er ist daher nicht als vertrauenswürdige Person einzustufen (3.4.). Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF ebenso klar entnehmen, da der BF bisher bereits zwei Asylanträge gestellt hat und trotz aufrechter Rückkehrentscheidungen und einem Einreiseverbot bisher keinerlei Anstrengungen unternommen hat, von sich aus Schritte zur Ausreise zu setzen. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Gerichtes nicht nur um schlichte Ausreiseunwilligkeit, da der BF auch bereits seit 2015 seiner Abschiebung aktiv entgegenwirkt und so seine Mitwirkungspflichten ebenso verletzt hat. Der BF kann daher auch nicht als kooperativ bezeichnet werden, zumal er die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll vom 18.10.2020 verweigerte (3.5.).

Aus der Chronologie der Asylverfahren ergibt sich, dass zum Zeitpunkt des ersten Asylantrages am 13.05.2017 bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und kurz nach seiner zweiten Antragstellung am 11.07.2017 eine weitere durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorgelegen ist (3.6.).

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.3.):

Die familiären Anknüpfungspunkte wurden bereits im Zuge des behördlichen Verfahrens festgehalten und festgestellt. Aus dem Akt ergibt sich, dass der BF auch in der Schubhaft von seiner Verlobten und seiner Mutter besucht wurde (Auszug aus der Besucherkartei des PAZ). Die aufrechten familiären Kontakte sind daher nicht zweifelhaft. Feststeht jedoch auch, dass die Mutter im Zuge des behördlichen Verfahrens verbal gegenüber der Polizei unverhohlen angab, dass sie nicht sagen würde, wo sich der Sohn aufhalten würde (AS 101). Daraus war in weiterer Folge klar abzuleiten, dass das wesentliche familiäre Netzwerk (in der Vergangenheit kam auch von anderen Familienmitgliedern keine Information) den BF bei seiner Bestrebung für die Behörde ungreifbar zu sein, jedenfalls unterstützte (4.1.).

Eine Erwerbstätigkeit ist nicht aktenkundig und wurde diese auch vom BF bisher nicht behauptet bzw. vorgebracht. Aufgrund der Anhaltedatei ergibt sich, dass der BF aktuell (Stand 27.10.2020) über kein Barvermögen verfügte (4.2.).

Aufgrund der Tatsache, dass der BF über ein Jahr in Österreich untertauchen konnte und glaubhaft angab, an verschiedenen Adressen, zumeist jedoch bei seiner Verlobten gewohnt zu haben, geht das Gericht in diesem Punkt davon aus, dass der BF zumindest bei seiner Mutter oder aber bei seiner Verlobten wohnen könnte (4.3.).

2.5. Zur Festnahme (5.1. – 5.2.):

Hinsichtlich der behaupteten Rechtswidrigkeit der Festnahme findet sich lediglich die Behauptung, dass bei der Festnahme und Schubhaft der tatsächliche familiäre Status (Lebensgemeinschaft mit einer Unsionsbürgerin) entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre. Das Gericht hat darüber hinaus die formale Richtigkeit und die Voraussetzungen für die Festnahme zu überprüfen. Der unter (5.1.) dargestellte und festgestellte Sachverhalt ergibt sich klar aus dem Verwaltungsakt (AS 131). Hinsichtlich der Feststellung zu (5.2). darf auf die Ausführungen zur Feststellung (3.1. bzw. 2.1.) verwiesen werden. Daraus ergibt sich, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Festnahmeauftrages vorgelegen sind und daher auch die Festnahme auf gesetzlicher Basis durchgeführt wurde.

3.0. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.
Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Festnahmeauftrag

§ 34 BFA-VG

(1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.“

Festnahme

§ 40 Abs. 1 BFA-VG

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.“

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Die Behörde konnte den BF in den vergangenen fünf Jahren vor geplanten Abschiebung an den von ihm angegebenen Adressen und an seiner Meldeadresse nicht auffinden und mussten daher mehrere Abschiebungen storniert werden. Auch die Mutter deckte dabei das Untertauchen und verweigerte die Auskunft nach dem Verbleib ihres Sohnes. Der BF hat daher mehrere Abschiebungen erfolgreich verhindert und ist über längere Zeit abgetaucht. Nachdem er zufällig aufgegriffen und festgenommen worden ist, hat er insgesamt zwei Asylanträge gestellt, um die nahende Abschiebung zumindest erheblich zu verzögern.

Er kann sohin nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ bzw. vertrauenswürdig angesehen werden, zumal er auch bisher keinerlei Bemühungen zur freiwilligen Ausreise anstellte. Auch hat er gegen ein über ihn verhängtes gelinderes Mittel verstoßen und seine ihm aufgetragenen Meldepflicht verletzt. Seine fehlende Ausreisewilligkeit zeigte sich schon durch die wiederholte Asylantragstellung, durch die Verhinderung der bisherigen Abschiebeversuche und das Untertauchen. Einzig und alleine einen möglichen gesicherten Wohnsitz hat das Beschwerdeverfahren ergeben. Die festgestellten familiären Beziehungen waren in der Vergangenheit überhaupt nicht in der Lage, den BF vom Untertauchen abzuhalten. Eher das Gegenteil war der Fall. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist der BF weder selbsterhaltungsfähig, noch war er bisher legal erwerbstätig. Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso die Tatbestandsmerkmale der Zif. 1, 3, 5 und 9 als erfüllt an.

Wenn in der Beschwerdeschrift behauptet wird, der BF sei stets an der Adresse der Mutter gemeldet gewesen, hätte eine einfache Abfrage im ZMR durch die Rechtsvertretung genügt, die Unrichtigkeit hervorzubringen.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar durchaus über nennenswerte familiäre/soziale Kontakte im Inland verfügt, diese jedoch im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung nicht zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit beeinflussen konnten. Der BF hat durch seine über Jahre gehende Ignoranz seiner Ausreiseverpflichtung und das erfolgreiche Versteckspiel mit der Fremdenbehörde sowie das Stellen von zwei Asylanträgen einerseits gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und andererseits damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich erfolglos mehrere Anträge auf internationalen Schutz gestellt und wurden über ihn mittlerweile zwei Mal aufenthaltsbeendende Entscheidungen getroffen. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland derzeit rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF bekundet. Daran ändert sich auch nichts, wenn der BF eine mögliche Heirat mit einer aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ins Treffen zu bringen versucht. Eine Berücksichtigung dieses rechtlich nicht bindenden Eheversprechens im Rahmen der Vollziehung einer rechtmäßigen Abschiebung ist nicht zwingend und im vorliegenden Fall aus oben angeführten Gründen auch nicht tunlich. Es wiegen daher die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF.

Aufgrund des Befundes des Amtsarztes vom 30.10.2020 zeigte sich, dass der BF lediglich an einer Anpassungsstörung leidet. Ein konkreter Zusammenhang der Anpassungsstörung mit der aktuellen Haftsituation geht zwar nicht direkt aus dem Gutachten hervor, kann jedoch aufgrund des Beschwerdevorbringens angenommen werden. Im konkreten Fall ist bereits für den 08.11.2020 eine Abschiebung in den Kosovo angesetzt und bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Abschiebung nicht stattfinden könnte. Da jedoch eine freiwillige Ausreise aufgrund des Verhaltens des BF in der Vergangenheit bedauerlicherweise ausgeschlossen ist, muss daher dem BF das Zuwarten auf die nahende Abschiebung daher zugemutet werden.

3.1.5. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen unter Umständen wieder zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Derzeit ist das jedoch in concreto nicht der Fall. Aus heutiger Sicht besteht aber jedenfalls die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat, zumal im Verfahren die behördliche Absicht hervorgekommen ist, den BF bereits mit dem nächsten Abschiebeflug am 08.11.2020 in seinen Herkunftsstaat rückführen zu können. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – sohin mit wenigen Tagen einzustufen.

Wie oben unter 3.1.5. angeführt, hat der BF über viele Jahre die ihn treffende Ausreiseverpflichtung geradezu ignoriert und stellte im Ergebnis unberechtigte Asylanträge. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist daher im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.

3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ganz offenbar ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland verbleiben kann, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und den behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidungen gemäß das Land zu verlassen. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde, zumal der BF bereits gegen ein gelinderes Mittel verstoßen hat. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängten Schubhaft.

3.1.9. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist. Der BF hat im Verfahren übereinstimmend und glaubhaft angegeben, auch bei seiner Verlobten gewohnt zu haben. Da er allerdings dort nicht gemeldet war, konnte er dort auch von den Beamten nicht aufgesucht werden, zumal die anderen Familienmitglieder keine Hinweise auf den Verbleib des BF an die Behörde gaben. Eine Einvernahme von Zeugen wurde zwar beantragt, doch wurde hiezu kein Beweisthema angegeben, weshalb von einer Einvernahme abgesehen werden konnte.

Eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung konnte aufgrund der aktenkundigen guten Deutschkenntnisse des BF unterbleiben.

3.2.0. Zur Festnahme:

Die Festnahme gründet sich auf eine im Akt befindlichen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Der BF befand sich, wie bereits festgestellt, zum Zeitpunkt der Festnahme am 18.10.2020 nicht rechtmäßig in Österreich und war sohin die Festnahme seiner Person auch rechtskonform. Die Festnahme dauerte nicht länger als 72 Stunden und war daher auch diesbezüglich rechtskonform. In der Beschwerde finden sich zur behaupteten Rechtswidrigkeit der Festnahme auch keine schlüssigen Ausführungen.

Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Eine Haftunfähigkeit konnte nicht festgestellt werden.

Zu Spruchpunkt III. – Kostenbegehren

Die Behörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da diese vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen, sowie auf die aktuelle Rechtsprechung zum getrennten Kostenersatzanspruch für die Schubhaft und die Festnahmen (VwGH, 05.10.2017, Ra 2017/21/0161, Ro 2016/21/0014). Die beschwerdeführende Partei erhält aufgrund des vollständigen Obsiegens der Behörde keinen Kostenersatz.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Außerlandesbringung Ausreisewilligkeit Festnahme Festnahmeauftrag Fluchtgefahr Folgeantrag Kooperation Kostenersatz Meldeadresse Obsiegen öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2165024.2.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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