TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/23 G301 2236400-1

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Entscheidungsdatum

23.11.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2

Spruch


G301 2236400-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Peru, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 17.09.2020, Zl. XXXX , betreffend Einreiseverbot, zu Recht:

A)       

I.       Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides betreffend Einreiseverbot wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt aufgehoben.

II.      Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und diese Spruchpunkte werden aufgehoben.

Gleichzeitig wird gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung festgelegt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien – Außenstelle Wien, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 18.09.2020, wurde der im Stande der Schubhaft am 10.09.2020 gestellte Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Peru gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Peru zulässig ist (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Shcutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Mit dem am 14.10.2020 beim BFA, Regionaldirektion Wien – Außenstelle Wien, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides. Die übrigen Spruchpunkte blieben unangefochten.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 28.10.2020 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Peru.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Prozessgegenstand und Prüfungsumfang:

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurden ausdrücklich nur die Spruchpunkte VI., VII. und VIII. des im Spruch angeführten Bescheides betreffend Nichtfestlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und Erlassung eines Einreiseverbotes angefochten. Die übrigen unangefochten gebliebenen Spruchpunkte sind somit in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 27 VwGVG beschränkt sich die Prüfung der vorliegenden Beschwerde somit auf die Spruchpunkte VI., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides.

3.2. Zum Einreiseverbot:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche und auf die Dauer von zehn Jahren befristete Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gestützt und im Wesentlichen nur damit begründet, dass der BF zweimal wegen gerichtlich strafbarer Handlungen verurteilt worden sei und daher, unter anderem wegen einer anzunehmenden Wiederholungsgefahr und seiner „beträchlichen kriminellen Energie“ und seines „schwerwiegenden persönlichen Fehlverhaltens“, eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliege.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1).

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Begründung des angeordneten Einreiseverbots fast ausschließlich auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und auf modulhaft gehaltene Formulierungen beschränkt hat, aber fallbezogene Erwägungen zur Frage, inwieweit die öffentliche Ordnung und Sicherheit tatsächlich konkret und auch schwerwiegend gefährdet wäre, nicht getroffen hat.

Die belangte Behörde stützte das Einreiseverbot einzig auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG und beschränkte sich dabei auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, ohne jedoch konkrete Feststellungen zu den den zwei strafgerichtlichen Verurteilungen des BF zugrundeliegenden Straftaten zu treffen und ohne eine auf das konkrete Fehlverhalten des BF abgestellte Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG anzustellen. Eine fallbezogene Würdigung lässt die Begründung gänzlich vermissen. So beschränkte sich die belangte Behörde nur auf die wörtliche Wiedergabe des Auszuges aus dem Strafregister der Republik Österreich, ohne jedoch auch die einzelnen Straftaten fallbezogen einzugehen.

Insoweit die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung des Bescheides (S. 79) ausführte, dass aus den Gerichtsurteilen und den fortgesetzten Verstößen gegen die Rechtsordnung eine beträchliche kriminelle Energie und ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten festgestellt werden könne, ist entgegenzuhalten, dass im vorgelegten Verwaltungsakt kein einziges strafgerichtliches Urteil einliegt. Worauf die belangte Behörde ihren Hinweis auf die „Gerichtsurteile“ somit stützte, ist nicht ersichtlich und für das erkennende Gericht in keiner Weise nachvollziehbar.

Der belangten Behörde ist somit vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des „Gesamtverhaltens“ des BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht hinreichend dargelegt. Insoweit die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung ausführte, dass der BF eine „schwerwiegende Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ darstellen würde, ist einzuwenden, dass eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Verhalten des BF, das für die konkrete Annahme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF sprechen würde, nicht erfolgt ist. Konkrete Umstände, weshalb davon auszugehen wäre, dass der Aufenthalt des BF in Österreich bzw. im Schengen-Raum eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen würde, zeigte die belangte Behörde nicht auf. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt überdies auch jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden, und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Höchstausmaß von zehn Jahren (!) ausschlaggebend waren.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde somit vorzuwerfen, dass sie hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer abweisenden behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Da sich das Einreiseverbot als rechtswidrig erweist, war in Stattgebung der Beschwerde Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG aufzuheben (Spruchpunkt A.I.).

3.3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG (schwerwiegende Gründe, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt) die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Konkrete Umstände, weshalb derart „schwerwiegende Gründe“ vorliegen würden, die eine sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich machen würden, wurden von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch nicht näher dargelegt. Überdies war das Einreiseverbot aufzuheben (siehe oben 3.2.).

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Besondere Umstände, welche einen längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage zu Ausreise erforderlich gemacht hätten, wurden im Verlauf des gesamten Verfahrens weder vorgebracht noch nachgewiesen und sind auch sonst nicht hervorgekommen.

Da die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und für die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise nicht vorliegen, waren die Spruchpunkte VI. und VII. gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG aufzuheben und gleichzeitig gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung (somit mit Eintritt der Rechtskraft) festzulegen (Spruchpunkt A.II.).

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.5. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Einreiseverbot freiwillige Ausreise Frist Gefährdungsprognose öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2236400.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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