Entscheidungsdatum
03.12.2020Norm
AVG §57 Abs3Spruch
L527 2229425-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fabian MASCHKE, Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts Wels vom 03.02.2020, Zahl XXXX , betreffend Einbringung einer Geldstrafe nach dem Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG), zu Recht:
A)
I. Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Unter Berufung auf die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Wels vom 09.07.20219, XXXX bewilligte das Bezirksgericht Wels mit Beschluss vom 30.08.2019, XXXX , die Exekution gemäß § 355 EO gegen den Beschwerdeführer zur Erwirkung der Unterlassung, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in der Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellen und/oder Zugänglichmachen solcher Geräte, insbesondere in einem näher bezeichneten Lokal, solange er oder Dritte, denen er die Durchführung in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Wegen des im Exekutionsantrag behaupteten Zuwiderhandelns gegen das soeben genannte Verbot am 20.08.2019 verhängte das Bezirksgericht mit seinem Beschluss vom 30.08.2019 ferner eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,00 über den Beschwerdeführer.
2. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 06.12.2019 schrieb eine Kostenbeamtin für die Präsidentin des Landesgerichts Wels dem Beschwerdeführer die mit dem unter Punkt 1. genannten Beschluss verhängte Geldstrafe in Höhe von EUR 5.000,00 zuzüglich EUR 8,00 Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG zur Zahlung vor.
3. Infolge der gegen den Mandatsbescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung leitete die Präsidentin des Landesgerichts Wels (in der Folge: [belangte] Behörde) ein Ermittlungsverfahren ein und erließ schließlich den angefochtenen Bescheid. Damit sprach die Behörde unter Spruchpunkt I aus, dass der Mandatsbescheid außer Kraft getreten sei. Unter Spruchpunkt II verpflichtete sie den Beschwerdeführer zur Zahlung der mit dem unter Punkt 1. genannten Beschluss verhängten Geldstrafe in Höhe von EUR 5.000,00 sowie der Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00, somit von einem Betrag von insgesamt EUR 5.008,00, binnen 14 Tagen bei sonstiger Einleitung eines Exekutionsverfahrens.
4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer die „aufgrund plötzlicher EDV-Probleme“ auf dem Postweg eingebrachte gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er im Wesentlichen vorbringt: Es sei kein ordentliches Verfahren durchgeführt worden. Das Recht auf Parteiengehör sei missachtet worden, da der Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht nur auf die Ausführungen in der Beschwerde, sondern auch auf das Vorbringen in erster Instanz Bedacht zu nehmen, weshalb das gesamte bisherige Vorbringen sowie die gestellten Anträge zum Inhalt dieser Beschwerde erhoben werden. Die Begründung des Bescheids sei in mehrfacher Hinsicht mangelhaft; eine Sachverhaltsfeststellung sei der Begründung nicht in ausreichendem Ausmaß zu entnehmen. Da das „über die Vorstellung erkennende Gericht“ nicht innerhalb von 14 Tagen nach Einbringung der Vorstellung Ermittlungstätigkeiten aufgenommen habe, sei der Mandatsbescheid ex lege außer Kraft getreten. Wegen der, wie der Beschwerdeführer unter Verweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 30.04.2014, C 390/12, behauptet, geänderten Rechtsprechung sei die Erlassung des Mandatsbescheids unzulässig gewesen. Die belangte Behörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht hätten die – vom Beschwerdeführer behauptete – Unionsrechtswidrigkeit im Grundverfahren aufzugreifen (gehabt). Die übrigen Ausführungen in der Beschwerde beziehen sich auf eine behauptete Unionsrechtswidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit des Glücksspielgesetzes (GSpG), insbesondere des Glücksspielmonopols; die entsprechenden Bestimmungen des GSpG seien unanwendbar. Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, dass bei der Bemessung der Geldstrafe die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten hätte berücksichtigt werden müssen. Gegenständlich wäre mit einer Geldstrafe in Höhe von maximal EUR 100,00 das Auslangen zu finden gewesen.
5. Aufgrund einer Aufforderung zur Mitwirkung durch das Bundesverwaltungsgericht erstattete die Behörde mit Schreiben vom 10.06.2020 eine Stellungnahme insbesondere zur normativen Bedeutung/Qualität des Inhalts der Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids und des § 234 Abs 1 Z 1 Geo. Auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts legte das Bezirksgericht Wels Ende November 2020 ein Schreiben betreffend das Grundverfahren XXXX vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].
1. Feststellungen:
1.1. Mit Beschluss vom 30.08.2019, XXXX , verhängte das Bezirksgericht Wels über den Beschwerdeführer rechtskräftig eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,00 (VA OZ 3 bzw. AS 11 ff).
1.2. Mit schriftlicher Verfügung vom 05.12.2019 ordnete die für den unter 1.1. genannten Beschluss zuständige Richterin des Bezirksgerichts Wels die Einbringung der mit diesem Beschluss rechtskräftig verhängten Geldstrafe an (VA OZ 3; AS nicht nummeriert; „ZA“ = Zahlungsauftrag, „rk“ = rechtskräftig, „ON“ = Ordnungsnummer; vgl. auch L527 2229425-1/6).
1.3. Mit dem nach Erlassung eines Mandatsbescheids (06.12.2019, XXXX ; AS 19 ff), fristgerechter Erhebung einer Vorstellung (AS 21 ff) und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (AS 25 ff) erlassenen und nunmehr angefochtenen (AS 35 ff) Bescheid (AS 29 ff) verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Zahlung der mit dem unter 1.1. genannten Beschluss verhängten Geldstrafe in Höhe von EUR 5.000,00 sowie der Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00, somit von einem Betrag von EUR 5.008,00, binnen 14 Tagen bei sonstiger Einleitung eines Exekutionsverfahrens (Spruchpunkt II). Unter Spruchpunkt I des Bescheids hielt die Behörde fest, dass der Mandatsbescheid vom 06.12.2019 infolge der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung außer Kraft getreten sei.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten (Verwaltungsverfahrensakt und verwaltungsgerichtlicher Akt [L527 2229425-1]). Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Schriftstücke, Geschäftszahlen, Aktenseiten oder Ordnungszahlen angegeben. Dazu sei noch hervorgehoben:
Bereits die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid von der rechtskräftigen Verhängung der Geldstrafe und der richterlichen Verfügung der Einhebung der Geldstrafe aus (AS 30). Auch der Beschwerdeführer stellte weder die rechtskräftige Verhängung der Geldstrafe noch die schriftliche Anordnung des Entscheidungsorgans im Grundverfahren, dass die Vorschreibung erfolgen könne, in Frage (vgl. AS 35 ff, siehe auch AS 21 ff). Tatsächlich war angesichts der auf dem Beschluss vom 30.08.2019 angebrachten Bestätigung (AS im verwaltungsbehördlichen Akt nicht nummeriert) festzustellen, dass die Geldstrafe rechtskräftig verhängt wurde. Der Bestätigung kommt die rechtliche Qualität einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 292 Abs 1 ZPO zu. Öffentliche Urkunden machen (soweit sie keine äußeren Mängel aufweisen) den vollen Beweis der bezeugten (rechtserheblichen) Tatsache. Das heißt, sie begründen die Vermutung ihrer inhaltlichen Richtigkeit, die allerdings nach § 292 Abs 2 ZPO (vgl. auch § 47 AVG) widerlegt werden kann; vgl. VwGH 11.09.2015, 2012/17/0130. Im gegebenen Fall ist nichts hervorgetreten, was an der Echtheit und Richtigkeit der Bestätigung zweifeln ließe. Dem verwaltungsbehördlichen Akt ist überdies zu entnehmen, dass und wann der Beschluss des Bezirksgerichts Wels zugestellt wurde (VA OZ 3, die betreffende AS im verwaltungsbehördlichen Akt ist nicht nummeriert). Ebenfalls dem verwaltungsbehördlichen Akt entnehmen ließ sich die schriftliche Anordnung, dass die Vorschreibung der Geldstrafe erfolgen könne (VA OZ 3, AS nicht nummeriert), die zweifelsfrei dem Entscheidungsorgan im Grundverfahren zugerechnet werden kann (L527 2229425-1/6). Angesichts des eindeutigen Akteninhalts war auf die – somit eindeutig verfehlten bzw. aktenwidrigen – Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom 10.06.2020, OZ 4, nicht (mehr) einzugehen.
Der Sachverhalt ist somit aktenkundig und (deshalb) erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung von Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids und (im Übrigen) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Rechtslage:
3.1.1. Gemäß § 1 Z 2 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) sind Geldstrafen und Geldbußen aller Art mit Ausnahme jener nach § 1 Z 2 3 GEG, Zwangsgelder, Zwangs- und Beugestrafen, die von ordentlichen Gerichten (ausgenommen in Disziplinarangelegenheiten der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter) verhängt worden sind oder deren Einbringung nach besonderen Vorschriften den ordentlichen Gerichten obliegt, von ordentlichen Gerichten und Justizbehörden verhängte Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie die Kosten des elektronisch überwachten Hausarrests (§ 156b Abs 3 StVG) von Amts wegen einzubringen.
Es handelt sich daher nicht bloß um die in einem Strafverfahren einzubringenden Geldstrafen, sondern auch um Geldstrafen, die in einem anderen gerichtlichen Verfahren (etwa als Ordnungs-, Mutwillens- oder Zwangsstrafen oder als Geldbußen nach den §§ 29 ff KartG 2005) verhängt worden sind; siehe Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 1 GEG Anm 2.
3.1.2. Gemäß § 234 Abs 1 Z 1 Geo bedarf die Einbringung einer schriftlichen Anordnung des Entscheidungsorgans im Grundverfahren, dass eine Vorschreibung erfolgen kann; dazu bedarf es der Rechtskraft der Entscheidung im Grundverfahren, mit der die Strafe verhängt oder die Zahlung der für verfallen erklärten Geldbeträge angeordnet wurde.
3.1.3. Gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GEG ist zuständige Behörde für die Vorschreibung der nach § 1 GEG einzubringenden Beträge aus Verfahren, die im Zeitpunkt der Vorschreibung der Beträge in erster Instanz anhängig sind oder zuletzt in erster Instanz anhängig waren (Grundverfahren), sowie für die Entscheidung über sonstige mit deren Einbringung zusammenhängende Anträge, einschließlich Rückzahlungsanträge und Einwendungen nach § 35 EO, der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz für Beträge aus Grundverfahren bei seinem Gericht oder den ihm unterstellten Bezirksgerichten.
Gemäß § 6 Abs 2 GEG kann die nach § 6 Abs 1 GEG zuständige Behörde die Leiter der Geschäftsabteilungen oder andere geeignete Bedienstete der eigenen oder der das Grundverfahren führenden Dienststelle ermächtigen, Entscheidungen (Mandatsbescheide) auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren im Namen der Behörde zu erlassen (Kostenbeamte). Gegen einen vom Kostenbeamten erlassenen Bescheid ist nur das Rechtsmittel der Vorstellung (§ 7 Abs 1 GEG) zulässig; eine Belehrung darüber und über die Tatsache, dass der Bescheid vom Kostenbeamten im Namen der Behörde erlassen wurde, muss dem Bescheid zu entnehmen sein.
3.1.4. Werden die nach § 1 GEG einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet (§ 4 Gerichtsgebührengesetz [GGG]) oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr in Höhe von 8 Euro vorzuschreiben. Der Zahlungsauftrag ist ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung.
3.1.5. Gemäß § 6b Abs 1 GEG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes vorgesehen ist, für das Verfahren zur Einbringung die Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) mit Ausnahme des § 91, und subsidiär des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) anzuwenden. Bei Uneinbringlichkeit einer Ordnungs- und Mutwillensstrafe kann keine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden.
Gemäß § 7 Abs 1 GEG kann, wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheides, der von einem Kostenbeamten (§ 6 Abs 2 GEG) namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde (§ 6 Abs 1 GEG) erheben.
§ 7 Abs 2 GEG zufolge tritt mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung der Mandatsbescheid außer Kraft, soweit sich die Vorstellung nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrages richtet. Die Behörde kann erforderlichenfalls Ermittlungen durchführen und hat mit Bescheid auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht; dabei ist sie nicht an die Anträge der Partei gebunden, sondern kann auch über eine weitergehende Zahlungspflicht absprechen.
3.1.6. Gemäß § 6b Abs 4 GEG können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen, noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.
3.1.7. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum GGG knüpft die Gebührenpflicht an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten, vgl. VwGH 26.02.2015, 2013/16/0177.
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind sowohl der Kostenbeamte als auch der Präsident des Landesgerichts als Justizverwaltungsorgan bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des Gerichts gebunden, vgl. VwGH 28.02.2014, 2011/16/0183; 30.09.2004, 2004/16/0124 mit weiteren Nachweisen (mwN). Daher darf auch die Gesetzmäßigkeit der durch die gerichtliche Entscheidung dem Grund und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht nicht neuerlich im Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung aufgerollt werden, vgl. VwGH 10.08.2015, Ra 2015/03/0047 mwN.
3.2. Zum gegenständlichen Fall:
3.2.1. Eingangs weist das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde darauf hin, dass der Aufbau des angefochtenen Bescheids nicht dem Gesetz entspricht; vgl. § 58 und § 60 AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im behördlichen Verfahren § 6b Abs 1 GEG) und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, z. B. VwGH 04.09.2013, 2013/08/0113, VwGH 15.09.2016, Ra 2016/02/0135, VwGH 22.03.2019, Ra 2017/04/0135. Davon, dass die rechtliche Qualität der behördlichen Verfahrensführung und Entscheidung verbesserungswürdig ist, zeugen auch die teils eindeutig verfehlten bzw. aktenwidrigen Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom 10.06.2020, OZ 4, sowie jedenfalls Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids (siehe näher dazu unten unter 3.2.4.).
(Derartige) Verfahrensmängel im Verfahren vor der belangten Behörde werden allerdings durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht saniert; vgl. mwN VwGH 26.02.2019, Ra 2019/06/0011. Somit ist es (auch) nicht erforderlich, auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel im behördlichen Verfahren und in der Begründung im angefochtenen Bescheid näher einzugehen. Hervorgehoben sei dennoch:
Rechtlich jedenfalls verfehlt ist das Vorbringen in der Beschwerde, dass der Mandatsbescheid ex lege außer Kraft getreten sei, weil das „über die Vorstellung erkennende Gericht“ nicht innerhalb von 14 Tagen nach Einbringung der Vorstellung Ermittlungstätigkeiten aufgenommen habe. Abgesehen davon, dass keine Zuständigkeit eines Gerichts besteht, über eine Vorstellung zu erkennen, und im gegenständlichen Verfahren auch kein Gericht über die Vorstellung erkannte, trat der Mandatsbescheid gemäß § 7 Abs 2 GEG mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung, die sich nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrags richtete (AS 21 ff), außer Kraft.
Ebenso wenig trifft zu, dass der Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt hätte. Mit Schreiben vom 13.01.2020 (AS 25 ff) räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dezidiert die Möglichkeit zur Stellungnahme ein, wovon der Beschwerdeführer allerdings nicht Gebrauch machte.
3.2.2. Die für die – mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene – Einbringung der verhängten Geldstrafe unabdingbaren Voraussetzungen, nämlich die rechtskräftige Verhängung der Geldstrafe und die Anordnung nach § 234 Abs 1 Z 1 Geo liegen, wie unter 1.1. und 1.2. festgestellt sowie unter 2. begründet, vor.
Soweit der Beschwerdeführer entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (exemplarisch: BVwG 25.04.2019, L521 2217295-1/2E, BVwG 05.03.2019, L524 2211726-1/2E; beide Entscheidungen wurden nicht angefochten) vorbringt, die Entscheidungen des Bezirksgerichts Wels wären im Einbringungsverfahren zu überprüfen, da sich die „Rechtsprechung massiv geändert“ habe, und des Weiteren vermeint, die Verhängung einer Geldstrafe sowie deren Einbringung wären wegen Unionsrechtswidrigkeit im Grundverfahren unzulässig, hält das Bundesverwaltungsgericht entgegen, dass dem jeden Zweifel ausschließenden § 6b Abs 4 GEG zufolge im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden können. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs selbst dann, wenn die gerichtliche Entscheidung offenbar unrichtig sein sollte.
Diese Regelung entspricht dem bereits vor dem 01.01.2014 geltenden Grundsatz, dass gegen einen Zahlungsauftrag, mit dem sich aus einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ergebende Beträge vorgeschrieben werden, ein Rechtsmittel nur dann erhoben werden kann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichts nicht entspricht (vgl. § 7 Abs 1 letzter Satz GEG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung). Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung soll – wie den Materialien zu § 6b Abs 4 GEG, BGBl I 190/2013, entnommen werden kann – nun eindeutig im Gesetz normiert werden (ErlRV 2357 BlgNR XXIV. GP, S 8).
Es ist zudem ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Justizverwaltungsorgane an Gerichtsentscheidungen gebunden sind: Die das Gerichtsgebührengesetz und das gerichtliche Einbringungsgesetz vollziehenden Justizverwaltungsorgane sind dem folgend an die Entscheidungen der Gerichte gebunden; vgl. VwGH 29.04.2013, 2012/16/0131, zumal nach dem in Art 94 B-VG normierten Grundsatz der Gewaltentrennung die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sein sollen, die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen zu hinterfragen, vgl. VwGH 14.09.2004, 2004/06/0074; 27.01.2011, 2010/06/0127. Eine selbständige Prüfungsbefugnis der Justizverwaltung bezüglich der Rechtmäßigkeit der Verhängung der Geldstrafe besteht demzufolge nicht; vgl. Dokalik, Gerichtsgebühren13, § 6b GEG, E 15 ff.
Die gerichtliche Entscheidung ist im Falle der Einbringung von Geldstrafen, zu welchen entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs einem weiten Verständnis folgend auch Ordnungs-, Mutwillens- und Zwangsstrafen zählen, vgl. VwGH 28.11.2006, 2006/06/0261, die jeweilige gerichtliche Entscheidung über die Verhängung der Geldstrafe. Das ist gegenständlich der vom Bezirksgericht Wels erlassene Beschluss vom 30.08.2019, XXXX . In Anbetracht der erörterten Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung kommt weder der Justizverwaltungsbehörde noch dem Bundesverwaltungsgericht eine selbständige Prüfungsbefugnis hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser gerichtlichen Entscheidungen zu.
Im Lichte dieser Ausführungen erweisen sich die weitwendigen Beschwerdeausführungen zur behaupteten Inländerdiskriminierung und Unionsrechtswidrigkeit des GSpG, die sich zwingend auf die Verhängung von Beugestrafen auswirken müsse, und ferner der von der im Einzelnen wiedergegebenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (die entgegen den Beschwerdebehauptungen nicht jüngeren Datums ist), abgeleitete Standpunkt, die Justizverwaltungsbehörde hätte bei nochmaliger Überprüfung der Tatsachen feststellen müssen, dass die Erlassung des Mandatsbescheids wegen Unionsrechtswidrigkeit im Grundverfahren unzulässig gewesen sei, als nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Derartige Überlegungen wären allenfalls ebenso im Grundverfahren einzubringen gewesen wie die Frage der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe in Relation zur Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.
Die Beschwerde wirft daher keine Umstände auf, die eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids erkennen ließen.
Schließlich weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind und der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 16.03.2016, Ro 2015/17/0022, der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen ist und keine Unionsrechtswidrigkeit erkannt hat. Die daran anschließende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, vgl. etwa VwGH 19.01.2018, Ra 2017/17/0919, kann als bekannt vorausgesetzt werden, ebenso die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, vgl. die zu RIS-Justiz RS0129945 angeführten Entscheidungen, etwa das Erkenntnis vom 26.09.2017, 4 Ob 124/17i mwN, oder des Verfassungsgerichtshofs, vgl. insbesondere VfGH 30.11.2017, E 3302/2017 mwN.
3.2.3. Die Festsetzung einer Einhebungsgebühr im Betrag EUR 8,00 begegnet schließlich in Anbetracht des § 6a Abs 1 GEG keinen Bedenken, da der Beschwerdeführer die Geldstrafe nicht entrichtete, sodass ein Zahlungsauftrag zu erlassen war.
3.2.4. Für die Erlassung von Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids gibt es keine Rechtsgrundlage. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf die Ausführungen unter 3.1.5. und fügt hinzu, dass auch § 57 Abs 3 AVG zu keinem anderen Ergebnis führt. Nach § 57 Abs 3 letzter Satz AVG ist das Außerkrafttreten des Bescheids auf Verlangen der Partei schriftlich zu bestätigen. Bei dieser Bestätigung handelt es sich um eine formlose Beurkundung ohne Bescheidcharakter. Die Partei hat einen Rechtsanspruch auf Ausstellung einer derartigen Bestätigung oder - wenn sie meint, der Bescheid sei noch nicht außer Kraft getreten - auf Erlassung eines Bescheids, mit dem ihr Antrag abgewiesen wird. Vgl. mwN Hengstschläger/Leeb, AVG § 57 Rz 43 (Stand 1.7.2005, rdb.at). Gegenständlich ist überdies zu bedenken, dass der Beschwerdeführer eine derartige Bestätigung überhaupt nicht begehrte.
3.3. Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids fehlt es somit an einer rechtlichen Grundlage, während sich Spruchpunkt II als rechtmäßig erwies. Daher hatte das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt I des Bescheids ersatzlos aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen als unbegründet abzuweisen (§ 28 Abs 1 und 2 VwGVG).
3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Eine mündliche Verhandlung wurde zwar beantragt. Sie konnte jedoch gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil im vorliegenden Fall die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung auch im Hinblick auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC nicht ersichtlich war. Vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132, wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 EMRK fallen. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist; vgl. VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. des Verfassungsgerichtshofs (vgl. die zahlreichen Zitate) bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Bindungswirkung ersatzlose Teilbehebung EuGH ex lege - Außerkrafttreten Geldstrafe Gewaltentrennung Glücksspielautomaten Grundverfahren Mandatsbescheid Rechtsgrundlage Rechtskraft der Entscheidung Unionsrecht Vorstellung Zahlungsauftrag ZahlungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L527.2229425.1.00Im RIS seit
23.02.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2021