TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/8 W208 2235511-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.12.2020
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Entscheidungsdatum

08.12.2020

Norm

AVG §74
B-VG Art133 Abs4
GEG §6c Abs2
GGG Art1 §18
GGG Art1 §19a
GGG Art1 §2 Z1 litc
GGG Art1 §32 TP2
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W208 2235511-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Rainer W. BÖHM, Trauttmansdorffgasse 52/1, 1130 WIEN, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17.08.2020, 100 Jv 3510/20y – 33a, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 6c Abs 2 GEG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 31 Abs 1 VwGVG iVm § 17 VwGVG und § 74 AVG zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der im zivilgerichtlichen Verfahren zu XXXX als Kläger geführte Beschwerdeführer (BF) brachte gegen zwei näher genannte beklagte Parteien am 22.07.2019 eine Berufung (ON 51) gegen das Urteil vom 21.06.2019 (ON 50) ein. Im Rubrum der Berufungsschrift war unter „wegen: Eur 5.685,60 s.A. (Berufungsinteresse)“ angegeben worden. Auch das erstellte Kostenverzeichnis des Rechtsvertreters wurde nach TP3B Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) anhand eines Berufungsinteresses von € 5.685,60 berechnet. Der Berufungstext lautete auszugsweise wie folgt:

„[…]

Anhand dieser festgestellten Beträge und der Verschuldensteilung von 3:1 zu Gunsten der klagenden Partei ergebe sich daher bei einem sonst in Ansatz zu bringenden Berufungsinteresse der klagenden Partei von € 6.548,90 (75% von € 8.731,86) nach Abzug einer Gegenforderung in Höhe von € 863,30 (25% von € 4.53,20) ein mit der vorliegenden Berufung geltend gemachtes Berufungsinteresse der klagenden Partei in Höhe von € 5.685,60.

[…]
„Das Oberlandesgericht Wien möge

1.) der Berufung vollinhaltlich Folge geben und das erstinstanzliche Urteil dahingehend abändern, dass die Forderung der klagenden Partei mit € 6.685,60 sowie die Gegenforderung der beklagten Partei mit € 863,30 zu Recht bestehen würden und daher die beklagten Parteien zu ungeteilten Hand schuldig seien, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters den Betrag von weiteren € 3.046,27, gesamt daher von insgesamt € 5.685,60 samt 4 % Zinsen p.a. daraus seit 29.04.2017 und samt 4 % Zinseszinsen seit 27.10.2017 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen,

[…]“

Dafür entrichtete der BF durch Gebühreneinzug am 23.07.2019 Pauschalgebühren nach Tarifpost (TP 2) GGG iHv € 628,10 (inkl. 10 % Streitgenossenzuschlag nach § 19a GGG).

2. Mit Urteil vom 23.01.2020, XXXX (ON 54), gab das Oberlandesgericht Wien (in der Folge: OLG) als Berufungsgericht der Berufung keine Folge. Auf Seite 4 führte es hinsichtlich des Berufungsinteresses Folgendes aus:

„Gegen den klageabweisen Teil dieser Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne eines Zuspruches von EUR 5.685,60 (berechtigte Klagsforderung in der Höhe von EUR 6.548,90, berechtigte Gegenforderung in der Höhe von EUR 863,30) abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Berufungsinteresse beträgt daher nicht, wie fälschlich angegeben, EUR 5.685,60, sondern EUR 5.685,60 (angestrebten Zuspruch) – EUR 2.639,33 (Zuspruch des Erstgerichtes) = EUR 3.046,27.“

3. Am 23.06.2020 beantragte der BF die teilweise Rückzahlung der Pauschalgebühr nach TP 2 GGG im Ausmaß von € 314,60 mit der Begründung, dass laut Urteil des OLG vom 23.01.2020 die Bemessungsgrundlage (das Berufungsinteresse) € 3.046,27 und nicht fälschlicherweise € 5.685,60 betrage. Aufgrund des berichtigten Berufungsinteresses sei auch eine entsprechende Kürzung des Zuspruches an Kostenersatz für die beklagten Parteien aufgrund deren Berufungsbeantwortung erfolgt und habe konsequenterweise auch hinsichtlich der eingehobenen Pauschalgebühr gemäß § 18 Abs 2 Z 1 GGG eine Rückzahlung des Mehrbetrages gegenüber der tatsächlich anfallenden Pauschalgebühr zu erfolgen. Bei einem berichtigten Berufungsinteresse von € 3.046,27 wäre daher tatsächlich eine Pauschalgebühr iHv € 313,50 angefallen, sodass ein Betrag iHv € 314,60 (€ 628,10 - € 313,50) als Mehrzahlung an den BF zurückzuzahlen sei.

4. Mit Bescheid vom 17.08.2020 gab die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (im Folgenden belangte Behörde genannt) dem Rückzahlungsantrag des BF nicht statt.

Begründend führte sie darin im Wesentlichen aus:

Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr werde hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz gemäß § 2 Z 1 lit c GGG mit Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Die Zahlungspflicht treffe nach § 7 Abs 1 Z 1 GGG den Rechtsmittelwerber. Die Gebühr nach TP 2 GGG sei nach dem in der Berufung angegebenen Berufungsinteresse zu ermitteln (VwGH 24.04.2002, 99/16/1065). Gemäß § 3 Abs 3 Z 1 seien Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren (Tarifposten 1- 3) ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren in der jeweiligen Instanz bis zum Ende durchgeführt werde; die Gebührenpflicht erlösche auch dann nicht, wenn über den das Verfahren in der jeweiligen Instanz einleitenden Schriftsatz nicht entschieden werde.

Die Berufung sei mit einem Berufungsinteresse iHv € 5.685,60 eingebracht worden. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv € 5.685,60 errechne sich somit eine Pauschalgebühr nach TP 2 GGG iHv € 628,10. Dem Rückzahlungsantrag komme daher keine Berechtigung zu.

5. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 19.08.2020) richtet sich die am 09.09.2020 eingebrachte Beschwerde.

Begründend wurde darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Aufgrund eines nicht nachvollziehbaren Übertragungsfehlers, sei entgegen dem ausdrücklich begehrten Berufungsinteresse von € 3.046,27 – ein entgegenstehendes Berufungsinteresse sei in der gesamten Berufungsschrift nicht enthalten – ein Leistungsverzeichnis für ein – tatsächlich aber nicht begehrtes – Berufungsinteresse in Höhe des Gesamtbegehrens von € 5.685,60 ausgewiesen worden, nach welchem eine Pauschalgebühr nach TP 2 GGG iHv € 628,10 vom Konto des Rechtsvertreters des BF eingehoben worden sei.

Mit Urteil vom 23.01.2020 habe das OLG der Berufung des BF keine Folge gegeben und in seiner Entscheidung festgehalten, dass entgegen dem (irrtümlichen) Kostenverzeichnis des BF von einem – ausdrücklich begehrten – Streitwert im Berufungsverfahren iHv € 3.046,27 auszugehen sei und sei daher der Kostenzuspruch der obsiegenden beklagten Partei entsprechend gekürzt worden. Aufgrund der sohin vom OLG erfolgten Klarstellung habe der BF nun die Teilrückzahlung der eingehobenen Pauschalgebühr von € 628,10 im Umfang von € 314,60 beantragt.

Wenn die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid ausführe, dass die Gebühr gemäß TP 2 GGG nach dem in der Berufung angegebenen Berufungsinteresse zu ermitteln sei, übersehe sie dabei, dass gemäß der zitierten Entscheidung (VwGH 24.04.2002, 99/16/1065) das Berufungsinteresse nicht ausschließlich auf das bloß als Erleichterung für das kostenentscheidende Gericht enthaltende Kostenverzeichnis des BF abzustellen gewesen sei, sondern vielmehr der gesamte Berufungsschriftsatz heranzuziehen sei. In diesem werde aber unmissverständlich und schlüssig ein Berufungsinteresse von € 3.046,27 genannt und wäre daher das Vorbringen im gesamten Schriftsatz von der belangten Behörde zu berücksichtigen gewesen. Weder sei daher gemäß den Ausführungen der belangten Behörde der grundsätzliche Anspruch des Bundes auf Gebühren mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift noch die Zahlungspflicht des Rechtsmittelwerbers in Frage gestellt. Weiters sei das Verfahren auch zu Ende geführt worden, sodass auch der Verweis auf § 3 Abs 3 Z 6 GGG durch die belangte Behörde für den BF nicht nachvollziehbar sei. Gemäß dem Vorbringen sowie den Anträgen des BF im Berufungsschriftsatz werde aber zweifellos – wie auch vom OLG Wien erkannt – ein Berufungsinteresse von € 3.046,27 begehrt und wäre daher tatsächlich eine Pauschalgebühr iHv € 313,50 angefallen, sodass ein Betrag iHv € 314,60 (€ 628, 10 - € 313,50) an den BF rückzuzahlen sei.

6. Mit Schreiben vom 21.09.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I.1. und 1.2. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt. Insbesondere wird festgestellt:

Der BF hat in seiner Berufung vom 22.07.2019 sowohl im Rubrum als auch in den Ausführungen der Berufungsschrift auf Seite 1 (vgl 1.1.) ein Berufungsinteresse iHv € 5.685,60 angegeben. Ebenso wurde das auf der letzten Seite der Berufungsschrift ausgewiesene Kostenverzeichnis des Rechtsvertreters anhand eines Berufungsinteresses von € 5.685,60 berechnet.

Überdies steht fest, dass der BF die auf Basis des Berufungsinteresses iHv € 5.685,60 mit Überreichung der Berufungsschrift entstandene Pauschalgebühr nach TP 2 GGG iHv € 628, 10 (inkl. 10 % Streitgenossenzuschlag nach § 19a GGG) ordnungsgemäß entrichtet hat und keine Änderung der Gerichtsgebührenbemessung mehr eingetreten ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen und sind unbestritten.

Das Vorbringen des BF, wonach in der gesamten Berufungsschrift kein dem Betrag von € 3.046,27 entgegenstehendes Berufungsinteresse geltend gemacht worden sei, entspricht nicht der Aktenlage, zumal als explizites „Berufungsinteresse“ sowohl im Rubrum der Berufungsschrift als auch in den Ausführungen auf Seite 1 ein Betrag iHv € 5.685,60 als „Berufungsinteresse“ genannt wird. Dass vom BF ein Berufungsinteresse von € 3.046,27 ausdrücklich begehrt worden wäre, ist daher nicht nachvollziehbar.

Ebenso wurde dem Kostenverzeichnis die Gebühr nach TP3B RATG iHv € 270,80 (Bemessungsgrundlage über € 5.450,00 bis einschließlich € 7.270,00) zu Grunde gelegt, weshalb auch daraus kein laut Vorbringen des BF „schlüssiges Berufungsinteresse von € 3.046,27", sondern ein Berufungsinteresse iHv € 5.685,60 hervorgeht.

Dass die Angabe des höheren Berufungsinteresses einem nicht nachvollziehbaren Übertragungsfehler geschuldet ist, ist vom BF selbst zu vertreten und vermag nichts an dem Umstand zu ändern, dass der vom BF angegebene Betrag iHv € 5.685,60 als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist.

Es kann auch nicht gesagt werden, dass der zuständige Kostenbeamte/die zuständige Kostenbeamtin, dazu angehalten gewesen wäre, an dem eindeutig als „Berufungsinteresse“ ausgewiesenen Betrag iHv € 5.685,60 zu zweifeln. Die im abschließenden Antrag unter 1.) in der Berufungsschrift getroffene Formulierung, aus welcher sich bei genauer Berechnung das vom BF nunmehr geltend gemachte Berufungsinteresse von € 3.046,27 ergeben würde (arg: „von weiteren € 3.046,27,…“) reicht nicht aus, um an dem davor im Rubrum als auch in den vorherigen Ausführungen der Berufungsschrift explizit mit € 5.685,60 als „Berufungsinteresse“ angegebenen Betrag zweifeln zu lassen, zumal das Berufungsinteresse für den zuständigen Kostenbeamten/die zuständige Kostenbeamtin äußerlich und formal in einer leicht erkennbaren Art und Weise dargestellt werden muss, was wiederum mit dem im Rubrum und in den Ausführungen als „Berufungsinteresse“ bezeichneten Betrag iHv € 5.685,60 geschehen ist.

Daran vermag auch die nachträgliche Korrektur der Höhe des Berufungsinteresses durch das Berufungsgericht im Urteil vom 23.01.2020 nichts zu ändern, zumal die Pauschalgebühr zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden ist und es dadurch zu keiner Änderung der Gerichtsgebührenbemesssung kommt (mehr dazu in der rechtlichen Beurteilung ab 3.3.).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG bzw im GGG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet – den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 28 Abs 2 VwGVG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags - der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von „civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen und ist auch die Rechtsfrage nicht derart komplex, dass es zu deren Erörterung einer mündlichen Verhandlung bedürfte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl. Nr. 501/1984, (GGG) idgF lauten:

Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz nach § 2 Z 1 lit c GGG mit Überreichung der Rechtsmittelschrift.

§ 18 GGG lautet auszugsweise

„Wertänderungen

§ 18. (1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.

(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:

1. Wird der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert, so bildet - unbeschadet des § 16 - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

3. Betrifft das Rechtsmittelverfahren oder das Verfahren über eine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes, so ist in diesem Verfahren für die Berechnung nur der Wert dieses Teiles maßgebend. Bei wechselseitig erhobenen Rechtsmitteln sind die Pauschalgebühren nach Maßgabe der Anträge eines jeden der beiden Streitteile gesondert zu berechnen und vom jeweiligen Rechtsmittelwerber zu entrichten. Ist der von der Anfechtung betroffene Teil nicht nur ein Geldanspruch, so hat ihn der Rechtsmittelwerber in der Rechtsmittelschrift zu bewerten; unterläßt er dies, ist der Bemessung der Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren der ganze Wert des ursprünglichen Streitgegenstandes zugrunde zu legen.“

Gemäß § 19a GGG erhöhen sich die in den Tarifposten 1 bis 4 angeführten Gebühren, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden oder wenn mehrere Personen gemeinsam ein Rechtsmittel erheben oder wenn dem Rechtsmittelwerber mehrere Personen als Rechtsmittelgegner gegenüberstehen. Die Erhöhung beträgt 10 vH, wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen (Antragsteller, Antragsgegner), Rechtsmittelwerber oder Rechtsmittelgegner vorhanden sind, und 5 vH für jeden weiteren Streitgenossen (Antragsteller, Antragsgegner), Rechtsmittelwerber oder Rechtsmittelgegner, jedoch nie mehr als insgesamt 50 vH; Erhöhungsbeträge, die nicht auf volle 10 Cent lauten, sind auf die nächsten vollen 10 Cent aufzurunden.

Die nach dem anzuwendenden § 32 TP 2 I Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz beträgt bei einem Berufungsinteresse von € 2.000,00 bis 3.500,00 € 285,00 und bei einem Berufungsinteresse von € 3.500,00 bis € 7.000,00 € 571,00.

§ 6c Gerichtliches Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 idgF (GEG), lautet:

"Rückzahlung

§ 6c. (1) Die nach § 1 einzubringenden Beträge mit Ausnahme der Beträge nach § 1 Z 6 sind zurückzuzahlen

1. soweit sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht;

2. soweit die Zahlungspflicht aufgrund einer nachfolgenden Entscheidung erloschen ist.

(2) Die Rückzahlung ist von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Beträge entrichtet hat, zu verfügen. Insoweit sich jedoch der Rückzahlungsanspruch als nicht berechtigt erweist, ist er von der Behörde (§ 6) mit Bescheid abzuweisen."

Das GGG knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen Formaltatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinweg sieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Die das Gerichtsgebührengesetz und das gerichtliche Einbringungsgesetz vollziehenden Justizverwaltungsorgane sind an die Entscheidungen der Gerichte gebunden [vgl die in Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, in E 12.ff zu § 1 GGG, wiedergegebene Rechtsprechung] (VwGH 29.04.2013, 2012/16/0131). Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen (vgl VwGH 13.05.2004, 2003/16/0469 mwN).

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.3.1. Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob dem BF die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG iHv € 628,10 in der korrekten Höhe (auf Basis einer Bemessungsgrundlage iHv € 5.685,60) vorgeschrieben wurde oder für die Gebührenbemessung ein niedrigeres Berufungsinteresse als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei, sodass der vom BF in seinem Rückzahlungsantrag geltend gemachte Anspruch iHv € 314,60 zu Recht bestehen würde.

Die belangte Behörde hat für die Einbringung der Berufung aufgrund des vom BF geltend gemachten Berufungsinteresses iHv € 5.685,60 als Bemessungsgrundlage eine Pauschalgebühr nach TP 2 GGG iHv € 628, 10 (inkl. 10 % Streitgenossenzuschlag nach § 19a GGG) eingehoben.

Der BF vertritt zusammengefasst die Meinung, dass aufgrund des durch einen irrtümlichen Übertragungsfehler mit € 5.685,60 ausgewiesenen und auf € 3.046,27 in der Berufungsentscheidung berichtigten Berufungsinteresses eine Rückzahlung des Mehrbetrages der eingehobenen Pauschalgebühr zu erfolgen habe. Es sei unmissverständlich und schlüssig ein Berufungsinteresse iHv € 3.046,27 vom BF genannt worden und wäre dieses daher auch zu berücksichtigen gewesen.

3.3.2. Den Ausführungen des BF kann aus nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden:

Nach § 18 Abs 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Betrifft das Rechtsmittelverfahren nur einen Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes, so ist in diesem Verfahren gemäß § 18 Abs 2 Z 3 GGG für die Berechnung nur der Wert dieses Teiles maßgebend.

Aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen des Gerichtsgebührengesetzes zueinander ist davon auszugehen, dass der Begriff des Berufungsinteresses in TP 2 GGG mit jenem des Wertes des (Teiles des ursprünglichen) Streitgegenstandes im Sinn des § 18 Abs 2 Z 3 GGG (d.h. mit dem Wert des Streitgegenstandes im Rechtsmittelverfahren) gleichzusetzen ist (vgl die in Wais/Dokalik, MGA Gerichtsgebühren11 unter E 141 zu § 18 GGG wiedergegebene Rechtsprechung; VwGH 16.10.2014, 2012/16/0078)

Wie oben festgestellt hat der BF dieses für die Wertberechnung maßgebliche Berufungsinteresse in seiner Berufung mit € 5.685,60 angegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat bei einem vergleichbaren Sachverhalt über dieselbe Rechtsfrage im Erkenntnis vom 16.10.2014, 2012/16/0078, ua. Folgendes dazu ausgeführt:

Da in der gegenständlichen Berufung der Berufungsstreitwert ausdrücklich mit € 4.946,99 angegeben wurde, war der Pauschalkostenbetrag im Sinn der TP 2 GGG somit nach dem im Rechtsmittelschriftsatz angegebenen Betrag zu ermitteln. Daran vermag das vom Berufungsgericht seiner Kostenentscheidung zu Grunde gelegte Berufungsinteresse in Höhe von EUR 2.613,65 nichts zu ändern, weil § 18 Abs. 2 Z 3 GGG darauf nicht abstellt. Mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift, in der das Berufungsinteresse angegeben war, ist die Gebührenschuld im bezeichneten Umfang entstanden (RS 3).

Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Umstand, wonach das Berufungsgericht seiner Kostenentscheidung ein geringeres Berufungsinteresse zu Grunde gelegt hat, für die Frage der Höhe der verfahrensgegenständlichen Pauschalgebühr bzw. die Begründetheit des Rückzahlungsantrages nicht von Relevanz ist, weil § 18 Abs 2 Z 3 GGG darauf nicht abstellt.

Die Bemessung der Pauschalgebühr ist folglich nur auf Grundlage der Bestimmungen der TP 2 GGG und § 18 GGG zu beurteilen:

Aus § 18 GGG folgt, dass es zu einer Änderung der Gerichtsgebühren nur in den Fällen des Abs 2 des § 18 GGG kommt. Im gegenständlichen Fall liegt jedoch keiner der in dieser Gesetzesstelle angeführten Ausnahmetatbestände vor. Insbesondere die vom BF explizit geltend gemachten Tatbestände nach 18 Abs 1 Z 1 und Z 3 GGG sind nicht verwirklicht, zumal eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 18 Abs 1 Z 1 GGG aufgrund einer etwaigen Streitwertherabsetzung nach § 7 RATG hier nicht ersichtlich ist und – vor dem Hintergrund obiger Ausführungen – ebensowenig eine Streitwertänderung nach Z 3 leg. cit. gegeben ist.

Im Hinblick auf die Anknüpfung des Gerichtsgebührengesetzes an formale äußere Tatbestände ist es im Übrigen nicht maßgeblich, ob bzw aus welchen Gründen die Angabe des Berufungsinteresses sowie die Formulierung der Berufungserklärung und des Berufungsantrages (bzw die Bewertung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren) in der Berufungsschrift irrtümlich erfolgte (vgl auch VwGH 16.10.2014, 2012/16/0078).

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, war für den Kostenbeamten/die Kostenbeamtin äußerlich und formal in einer leicht erkennbaren Art und Weise klargestellt, dass der BF mit ausreichender Deutlichkeit das Berufungsinteresse mit € 5.685,60 – wenn auch irrtümlich – angegeben hat und war diese Bewertung daher auch nicht in Zweifel zu ziehen. Daher muss der BF den Umstand, dass er dieses Berufungsinteresse selbst angegeben hat gegen sich wirken lassen und führt seine Argumentation wonach der gesamten Berufungsschrift kein dem Betrag von € 3.046,27 entgegenstehendes Berufungsinteresse geltend gemacht wurde, nachweislich ins Leere.

Dem Vorbringen des BF, dass die belangte Behörde § 3 Abs 3 Z 1 GGG, wonach Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren ohne Rücksicht auf die Beendigung des Verfahrens zu entrichten seien, irrtümlich ins Treffen führt, ist hingegen beizupflichten, zumal diese Bestimmung unter den vorliegenden Sachverhalt nicht subsumierbar ist.

3.3.3. Da im bereits zitierten Erkenntnis des VwGH vom 16.10.2014, 2012/16/0078, ebenfalls über einen Rückzahlungsantrag zu entscheiden war, ist auch diesbezüglich noch einmal auf darin getroffene Ausführungen zu verweisen:

„Für die Rückzahlung von Gebühren nach § 30 Abs 2 Z 1 GGG [Anm: Vorgängerbestimmung von § 6c GEG] ist es erforderlich, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Eine erst nach dem für die Entstehung der Gebührenschuld maßgeblichen Zeitpunkt geschaffene Voraussetzung einer Gebührenbefreiung bringt die bereits entstandene Gebührenschuld nicht zum Erlöschen (vgl. die in Wais/Dokalik, MGA Gerichtsgebühren11 unter E 11 zu § 30 GGG wiedergegebene Rechtsprechung). Gleiches muss auch für die nach Entstehen der Gebührenpflicht gemäß § 2 Z 1 lit c GGG mit Überreichung der Rechtsmittelschrift erfolgte Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes, das seiner Kostenentscheidung ein niedrigeres Berufungsinteresse zu Grunde legte, gelten, wäre doch sonst die in § 18 Abs 2 Z 1 GGG enthaltene Anordnung über die Rückzahlung bereits entrichteter Mehrbeträge im Fall einer Streitwertherabsetzung gemäß § 7 RATG überflüssig. Eine Anwendung dieser Bestimmung auf die hier vorliegende Konstellation des vom Berufungsgericht angenommenen geringeren Berufungsstreitwertes hatte nicht zu erfolgen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 5. Juli 1999).“

Daraus folgt, dass auch im vorliegenden Fall die nach Entstehung der Gebührenpflicht vorgenommene Herabsetzung der Bemessungsgrundlage durch das Berufungsgericht nicht zum Erlöschen eines Teiles der bereits entstandenen Gebührenschuld führen kann.

3.3.4. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass mit der Überreichung der Berufung, in der das Berufungsinteresse iHv € 5.685,60 angegeben war, die Gebührenschuld im bezeichneten Umfang entstanden ist. Die Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG wurde daher zu Recht im Betrag von € 571,00 (Berufungsinteresse über € 3.500,00 bis € 7.000,00) zuzüglich 10 % Streitgenossenzuschlag nach § 19a GGG iHv € 57,10, sohin insgesamt iHv € 628,10 bemessen und vom BF entrichtet.

Für die Rückzahlung von Gebühren ist es gemäß § 6 Abs 1 Z 1 und 2 GEG erforderlich, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. All dies ist nach dem oben Gesagten nicht der Fall.

Die belangte Behörde hat dem Rückzahlungsantrag des BF daher zu Recht nicht stattgegeben.

3.4. Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.)

3.5. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gibt es für einen Kostenersatz keine Rechtsgrundlage. Das VwGVG sieht lediglich im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (§ 35 VwGVG) einen Kostenersatzanspruch vor. Gemäß § 74 Abs 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten. Mangels materienspezifischer Sonderregelung ergibt sich auch aus § 74 Abs 2 AVG, welcher aufgrund § 17 VwGVG für die Verwaltungsgerichte anwendbar ist, kein Kostenersatzanspruch. Der Antrag auf Kostenersatz ist daher zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

äußere Formaltatbestände Bemessungsgrundlage Berufungsinteresse Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Kostenersatz Pauschalgebühren Rückzahlungsantrag Streitgenossenzuschlag Streitwert Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2235511.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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