Entscheidungsdatum
09.12.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W235 2236861-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2020, Zl. 1269437504-200948503, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.10.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine Eurodac-Abfrage hat allerdings ergeben, dass der Beschwerdeführer bereits am XXXX .06.2020 in Bulgarien einen Asylantrag stellte (vgl. AS 27).
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgespro- chen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung EU Nr. 604/2013 (= Dublin III-VO) Bulgarien für die Prüfung dieses Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbrin-gung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Ab- schiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner nunmehr ausgewies-enen Vertretung (vgl. Vollmacht vom 04.11.2020, AS 237) am 06.11.2020 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und regte an, der Beschwerde die aufschiebenden Wirkung zuzuerkennen.
4. Am 23.11.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine vom Beschwerdeführer unter-fertige Erklärung zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat (Bulgarien) vom 19.11.2020 (vgl. OZ 3) ein.
Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes, ob auch die Beschwerde zurückgezogen wurde, übermittelte die ausgewiesene Vertretung ein vom Beschwerdeführer unterzeichne-tes, handschriftliches Schreiben vom 30.11.2020, dem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer mit einer Überstellung nach Bulgarien einverstanden sei und die Beschwerde vom 06.11.2020 zurückziehen wolle (vgl. OZ 5).
Angemerkt wird, dass sowohl die Zurückziehung der Beschwerde als auch die Erklärung zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat vom Beschwerdeführer eigenhändig unterfer-tigt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegen- ständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenord- nung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984 , und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß an- zuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen ge-mäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
1.2. Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes, die die Rechtssache nicht erledigen, sollen demgemäß in Form eines Beschlusses ergehen. Auch die Einstellung eines Verfahrens erfolgt durch Beschluss (vgl. ErläutRV 2009 BglNr 24. GP in „Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwalt-ungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar“, Seite 166).
Zu den regulären Beschlüssen, die nicht verfahrensleitender Natur sind, da sie für den Einzel-fall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt haben (vgl. VfSlg 19.081/2010), zählen jedenfalls solche, die das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht beenden, wie eben auch die Einstellung des Verfahrens (vgl. hierzu „Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar“, Anm. 8 zu § 31 VwGVG, Sei-te 170). Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, wozu auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zählt (vgl. hierzu ebenfalls „Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Taschenkommentar“, Anm. 5 zu § 28 VwGVG, Sei-te 151).
2. Zu A)
2.1. Eine Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündigung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
2.2. Ein Beschwerdeverzicht kann erst nach Erlassung des Bescheides an die Partei wirksam erfolgen. Wurde der Beschwerdeverzicht vor Zustellung (Ausfolgung) oder mündlicher Ver-kündung des Bescheides ausgesprochen, ist er rechtlich unerheblich (vgl. „Hengstschläger/Leeb: AVG Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz“, Rz 73 zu § 63 AVG mit Hinweis auf VwGH vom 27.04.2006, Zl. 2005/07/0177).
Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen (vgl. VwSlg. 17.042 A/2006; VwGH vom 17.02.2010, Zl. 2009/17/0254). Voraussetzung für einen rechtswirksa-men Verzicht ist, dass er frei von Willensmängeln (vgl. VwSlg 12.791 A / 19988 ( Zwang); VwGH vom 19.11.2004, Zl. 2004/02/230 (Geisteskrankheit) VwSlg 17.042 A/2006 (irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung)) und in Kenntnis der Rechtsfolgen abgegeben wurde (vgl. VwGH vom 31.05.2006, Zl. 2006/10/0075).
Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (vgl. VwGH vom 11.07.2003, Zl. 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (vgl. dazu VwGH vom 17.04.2009, Zl. 2007/03/0040).
Unter diesen Voraussetzungen ist nicht nur ein Verzicht auf die Einbringung der Beschwerde, sondern auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurücknahme der Beschwerde wirksam (vgl. VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320). Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (vgl. VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601 und vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049); er hindert allerdings nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. VwSlg 12.555 A/1987).
2.3. Wie sich aus dem oben geschilderten Verfahrensgang ergibt, hat der Beschwerdeführer durch seine eigenhändige Unterschrift bestätigt, dass er damit einverstanden ist, freiwillig nach Bulgarien überstellt zu werden. Ebenso hat er durch eigenhändige Unterschrift die Be-schwerde zurückgezogen. Diese – rechtlich verbindlichen – Handlungen wurden nach Rücksprache bzw. im Wege der ausgewiesenen Vertretung getätigt.
Es ergibt sich aus dem Akteninhalt – insbesondere aus der Zurückziehung der Beschwerde und aus der Erklärung zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat - somit zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer eine rechtsgültige Beschwerdezurückziehung abgeben und somit das Beschwerdeverfahren beenden wollte. Mit der Zurückziehung der Beschwerde ist das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers weggefallen, wodurch einer Sachentschei-dung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen wurde. Somit ist der im Spruch genannte Bescheid rechtskräftig geworden und das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfal-len, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das gegenständlichen Beschwerdeverfahren aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde einzustellen ist.
3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwal- tungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W235.2236861.1.00Im RIS seit
23.02.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2021