Entscheidungsdatum
10.12.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2236052-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zl 1185088404/200772014, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer. Der Beschwerdeführer war in Besitz eines polnischen Visums „D“, gültig vom 24.11.2019 bis 01.09.2020.
Am 25.08.2020 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Dabei gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit einer rechtsfreundlichen Vertretung an, dass sein Zielland Polen gewesen sei, da er dort einen Job in Aussicht gehabt habe. Hinsichtlich seiner Reiseroute gab der Beschwerdeführer an, seine Heimat am 17.12.2019 legal verlassen zu haben und nach Polen geflogen zu sein. Dort habe er sich bis 15.08.2020 aufgehalten. In Polen habe er zwar Behördenkontakt, jedoch keine erkennungsdienstliche Behandlung gehabt und auch nicht um Asyl angesucht. Am 15.08.2020 sei der Beschwerdeführer mit einem PKW über unbekannte Länder nach Österreich gelangt. Zu Beginn sei es in Polen „gut“ gewesen; danach habe er jedoch wegen Corona keine Arbeit mehr bekommen. Über Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, in Besitz eines polnischen Visums - gültig vom 24.11.2019 bis 01.09.2020 – zu sein. Nach Polen zurückkehren wolle der Beschwerdeführer nicht. Zu seinem Gesundheitszustand befragt gab der Beschwerdeführer an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente einnehmen zu müssen. In Österreich befinde sich seine (namentlich genannte) Schwester.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 28.08.2020 ein Aufnahmegesuch gemäß Art 12 Abs 2 Dublin III-VO an Polen. Dies unter Hinweis auf das polnische Visum der Kategorie „D“.
Mit Schreiben vom 08.09.2020 stimmte Polen zu, den Beschwerdeführer auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zu übernehmen und gab die o.a. Aliasdaten des Beschwerdeführers bekannt.
Am 21.09.2020 gab die rechtsfreundliche Vertreterin bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis mit dem Beschwerdeführer nicht mehr aufrecht sei.
Aus dem Akt ergibt sich, dass ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Student im Jahr 2018 sowie im Jahr 2019 von der MA 35 jeweils negativ beschieden wurde.
Am 22.09.2020 erfolgte, in Anwesenheit einer Rechtsberaterin und nach durchgeführter Rechtsberatung, die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt. Dabei gab dieser im Wesentlichen an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er sei gesund und müsse keine Medikamente einnehmen. Zu seinen familiären bzw besonderen privaten Bindungen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass eine (namentlich angeführte) Schwester in Wien wohne. Diese habe im Jahr 2013 geheiratet und sei seit nunmehr 5 Jahren in Österreich. Deswegen sei sein Zielland auch Österreich gewesen. Die Frage, ob der Beschwerdeführer im Bereich der EU Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde, wurde von diesem verneint. Die genannte Schwester habe den Beschwerdeführer nie finanziell unterstützen müssen, da er (als Klavierlehrer) gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe mehrmals versucht, mittels eines Studentenvisums nach Österreich zu kommen, was jedoch immer abgelehnt worden sei. Außer in Österreich habe der Beschwerdeführer nirgends um Asyl angesucht. In Polen habe er sich vom 17.12.2019 bis 15.08.2020 aufgehalten. Er habe dort, mit einem Freund zusammen, arbeiten wollen; aufgrund Corona habe dies jedoch nicht funktioniert und er habe dort lediglich „schwarz“ arbeiten können. Verwandte oder Bekannte habe er in Polen nicht; er sei nur wegen der Arbeit dort gewesen. Der Beschwerdeführer sei in einem PKW von Polen über Tschechien nach Österreich gelangt. Um nicht aufgrund des Krieges mit Armenien in die Armee einrücken zu müssen, sei der Beschwerdeführer von Polen zu seiner Schwester hier her geflüchtet. Konkrete Vorfälle eggen seien Person habe es in Polen nicht gegeben. Über Vorhalt der Zustimmung Polens zu seiner Übernahme, der beabsichtigten Zurückweisung seines Asylantrages und seiner Außerlandesbringung nach Polen, erklärte der Beschwerdeführer, nicht nach Polen zurückkehren zu wollen. Er habe in Polen niemanden und es seien auch die Lebensumstände dort nicht gut. Seine hier aufhältige Schwester könne für den Beschwerdeführer sorgen; er verlange keine Sozialhilfe und würde den Staat Österreich finanziell nicht belasten.
Einem E-mail des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 23.09.2020 privat verzogen ist und auf die Leistungen aus der Grundversorgung verzichtet hat. Vorgelegt wurde die Anmeldung des Beschwerdeführers bei der Krankenversicherung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zu Polen wurden folgende Feststellungen getroffen:
Allgemeines zum Asylverfahren
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
(AIDA 11.3.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Für das Jahr 2018 ist kein Fall eines Antrags auf Wiedereröffnung des Verfahrens innerhalb der Neun-Monatsfrist bekannt. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer mit aufrechtem Asylverfahren (z.B. Antrag auf Wiedereröffnung) sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.3.2019; vgl. EASO 24.10.2017).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
- EASO – European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query. Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
- VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable
Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, Alleinerziehende, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Die Behörde ist verpflichtet bei Angehörigen dieser Gruppen unmittelbar nach Antragstellung zu prüfen, ob sie spezielle Bedürfnisse haben. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniert. Das Unterbringungszentrum in Debak ist für Behinderte adaptiert. Es wird von Fällen berichtet, in denen Vulnerable aufgrund mangelnder Identifizierung in geschlossene Unterbringungseinrichtungen gebracht wurden, obwohl dies gesetzlich verboten ist (AIDA 11.3.2019).
Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind entsprechend unterzubringen. Spezielle Bedürfnisse bestehen, wenn ein Antragsteller behindertengerecht, in einer medizinischen Einrichtung, in einer auf psychosoziale Betreuung spezialisierten Einrichtung, oder in einem Einzelzimmer für alleinstehende Frauen mit Kindern untergebracht werden muss bzw. angepasster Ernährung bedarf. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Vier Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können bei Bedarf in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern (AIDA 11.3.2019).
Die Gesetze sehen vor, dass für unbegleitete Minderjährige auf Antrag der Asylbehörde vom lokalen Bezirksfamiliengericht ein Vormund (Kurator) bestimmt werden muss, was in der Praxis auch ausnahmslos der Fall ist. Die Frist zur Bestellung beträgt drei Tage, zu ihrer Einhaltung in der Praxis gibt es aber keine Berichte. Der Vormund ist zuständig für das Asylverfahren, soziale Betreuung und gegebenenfalls freiwillige Rückkehr, nicht jedoch für andere Lebensbereiche des UMA. In den letzten Jahren gab es in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an geeigneten Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist werden NGO-Mitarbeiter oder entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten bestellt. Der Vormund soll während des Asylinterviews des unbegleiteten Minderjährigen anwesend sein, ebenso ein Psychologe. UMA werden nicht in Unterbringungszentren für Erwachsene, sondern in Jugendbetreuungseinrichtungen in ganz Polen untergebracht. Kurzfristig (besonders in der Eingangsphase) ist auch die Unterbringung bei Pflegefamilien oder in Krisenzentren möglich. Wenn das Asylverfahren negativ ausgeht, darf der UM in der Unterbringung bleiben, in der er sich befindet. Die meisten UMA in Polen entziehen sich dem Verfahren durch Verlassen der Unterbringung, bei manchen Nationalitäten zu 100% (z.B. Vietnamesen) und ihre Verfahren werden eingestellt (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.a).
Alle Kinder in Polen unterliegen bis zum Alter von 18 Jahren der Schulpflicht. Im September 2018 besuchten 878 asylwerbende Kinder 45 öffentliche Schulen in Polen. 491 dieser Kinder lebten in Unterbringungszentren. In den Zentren gibt es Polnisch-Kurse für Kinder. Es gibt die Möglichkeit eigene Vorbereitungsklassen einzurichten, was in der Praxis auch genutzt wird (AIDA 11.3.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).
Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist mit Zustimmung des Antragstellers bzw. seines Vertreters, eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür: allgemeine medizinische Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird in der Regel die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt (AIDA 11.3.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.a): Unaccompanied minors, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/maloletni-bez-opieki/, Zugriff 26.6.2019
- USDOS – US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019
Non-Refoulement
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist („first country of asylum“). 2018 gab es in Polen 1.037 Unzulässigkeitsentscheidungen, davon keine wegen „first country of asylum“ (AIDA 11.3.2019).
Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte „Push-Backs“ am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland, ungeachtet einiger einstweiliger Anordnungen des EMRK gegen die polnischen Behörden, welche Abschiebungen untersagen, wenn ein Antragsteller die Absicht äußert, einen Asylantrag zu stellen. Ein Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts vom Mai 2018 verurteilte die Grenzwache, weil diese über das Interview bezüglich des Aufenthaltszwecks nur ein zusammenfassendes Memo anstelle eines vollständigen Protokolls ausstellt. Dieses Urteil wird von der Grenzwache aber ignoriert, mit der Begründung, dass man sich an den Schengener Grenzkodex halte (AIDA 11.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002617.html, Zugriff 26.6.2019
- HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002221.html, Zugriff 26.6.2019
Versorgung
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), haben sie kein Recht auf Versorgung. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung für die Dauer des Verfahrens wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2018 nur in einem von 87 Fällen getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.b).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage. Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 11.3.2019).
Asylwerber sehen sich Sprachbarrieren gegenüber und ihr Zugang zu höherer Bildung ist eingeschränkt (USDOS 13.11.3.2019).
Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit 22 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.d).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.b): Who can obtain assistance and when, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 26.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.d): Rights and obligations – applicant, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 26.6.2019
- USDOS – US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019
Unterbringung
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2018 erhielten durchschnittlich 1.361 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.730 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten „sozialen Minimum” und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben wollen, wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen. Selbst für Familien reicht die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.c).
In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.231 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über andere Untergebrachte bzw. über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 11.3.2019).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Bia?a Podlaska, Bia?ystok, Lesznowola, K?trzyn, Krosno Odrza?skie, und Przemy?l mit zusammen 590 Plätzen, von denen Ende 2018 insgesamt 216 belegt waren (AIDA 11.3.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 26.6.2019
Medizinische Versorgung
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen 2018 der Arzt pro 120 Asylwerber zehn Ordinationsstunden und die Krankenschwester 20 Ordinationsstunden leisteten. Für je 50 Asylwerber mehr sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Krankenschwester vorgesehen. Seit April 2017 gibt es an der Grenze zu Weissrussland eine Einrichtung, in der frisch angekommene Antragsteller einem epidemiologischen Filter unterzogen werden, um ansteckende Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren (AIDA 11.3.2019).
Die Versorgung umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden grundlegende Behandlung (Unterstützung und Beratung, sowie Diagnose psychischer Störungen) durch einen Psychologen vorgesehen, sowie je eine Stunde mehr pro 50 zusätzliche Asylwerber. Asylwerber können auch an Psychiater oder psychiatrische Spitäler überwiesen werden. Viele NGOs und einige Experten sind der Meinung, dass eine spezialisierte Behandlung von traumatisierten Antragstellern oder Folteropfern in Polen in der Praxis nicht verfügbar sei. NGOs kritisieren vor allem den Mangel an angemessener Behandlung von PTBS. Die verfügbare Behandlung wird als Intervention betrachtet, nicht als reguläre Therapie. 2018 boten spezialisierte NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Beratung und Behandlung für Asylwerber an. Das größte Hindernis beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind aber mangelnde interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse. Petra Medica ist verpflichtet entsprechende Übersetzung bei Bedarf zu gewährleisten, das ist Berichten zufolge aber manchmal nicht möglich. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Antragsteller, die außerhalb der Zentren und weit weg von diesen leben, erhalten Hilfe in den Woiwodschaftshauptstädten. Termine in Gesundheitseinrichtungen werden über die Hotline von Petra Medica fixiert (AIDA 11.3.2019).
Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Die medizinische Versorgung umfasst medizinische Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern in den Zentren; gegebenenfalls Überweisung zu fachärztlichen Leistungen in den Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Vertragseinrichtungen; Zahngesundheit in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica zusammenarbeitet; psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken; wenn nötig Überweisung zu stationärer Krankenhausbehandlung in öffentlichen oder Vertragsspitälern; Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Einschätzung des Facharztes finanziert. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Krankenrevier des nächstgelegenen Unterbringungszentrums oder vereinbart einen Besuch in einer Vertragseinrichtung unter der Hotline von Petra Medica. Grundlage für die Erbringung einer Facharztleistung ist eine entsprechende Überweisung, die gegebenenfalls im Zentrum oder von der Hotline genehmigt werden muss. Die Krankenschwester oder der Hotline-Mitarbeiter bestimmt Ort und Datum der Dienstleistung, gibt Auskunft darüber, welche Einrichtung zu besuchen ist und wie sie sich auf den Besuch vorbereiten kann. Bei medizinischen Notfällen ist jede Notaufnahme ansprechbar (PM o.D.).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 19.6.2019
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
- PM – Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 26.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Schutzberechtigte
Internationaler Schutz wird unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer erhalten, ist aber immer nur für drei Jahre gültig (verlängerbar). Subsidiärer Schutz sowie humanitärer Schutz werden ebenfalls unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer in beiden Fällen erhalten, ist aber immer nur für zwei Jahre gültig (verlängerbar). Nach frühestens fünf Jahren legalen Aufenthalts in Polen können Fremde unter bestimmten Voraussetzungen eine Langzeitaufenthaltsberechtigung beantragen. Familienzusammenführung kann sowohl von Asyl- wie auch von subsidiär Schutzberechtigten beantragt werden. Wenn dies innerhalb von sechs Monaten ab Statuszuerkennung geschieht, müssen sie kein Einkommen oder Unterkunft in Polen nachweisen (AIDA 11.3.2019).
Schutzberechtigte dürfen nach Erhalt der Entscheidung noch für max. zwei Monate in der Unterbringung für Asylwerber bleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen. Der Staat bietet keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzberechtigte und es herrscht generell ein Mangel an Sozialwohnungen, sowohl für Polen als auch für Inhaber eines Schutztitels. Einige Gemeinden bieten spezielle Wohnungen zu diesem Zweck an (z.B. fünf pro Jahr in Warschau). Berichten zufolge vermieten aber viele Vermieter nicht gerne an Flüchtlinge bzw. verlangen höhere Mieten. Viele NGOs meinen, Flüchtlinge würden sich in Polen Obdachlosigkeit und Armut gegenübersehen. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt wie polnische Bürger, jedoch sind in der Praxis Sprachkompetenz und Qualifikation der Flüchtlinge ein Problem (AIDA 11.3.2019).
Schutzberechtigte haben Zugang zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger. Sie können innerhalb von 60 Tagen ab Statuszuerkennung einen Antrag auf Integrationshilfe stellen. Von den Poviat Family Support Centres wird ein spezielles Individual Integration Program (IPI) abgewickelt. Es dauert 12 Monate, in denen Integrationshilfe gewährt wird. Diese umfasst unter anderem eine Beihilfe abhängig von der Haushaltsgröße, Beihilfe für Polnisch-Kurse, Übernahme der Krankenversicherung, Sozialberatung, Hilfe bei der Suche nach Wohnraum und eine Zulage für das Anmieten einer Wohnung (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.e). Im Jahr 2017 wurden 96 asylberechtigte Familien (227 Personen) und 139 subsidiär schutzberechtigte Familien (422 Personen) im Rahmen der IPI unterstützt. Während sie IPI beziehen, müssen sich anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos melden und werden von der öffentlichen Hand krankenversichert. Nach Ende der IPI, muss die Krankenversicherung entweder von einem etwaigen Arbeitgeber, dem zuständigen Arbeitsamt (wenn der Betreffende arbeitslos gemeldet ist) oder vom Schutzberechtigten selbst übernommen werden. Kinder unter 18 Jahren haben immer Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Die Krankenversicherung in Polen deckt die meisten medizinischen Behandlungen ab, lediglich einige Zahnbehandlungen, Medikamentenkosten und einige Heilbehelfe sind nicht umfasst. Das Polish Centre for Rehabilitation of Torture Victims der Foundation International Humanitarian Initiative bietet Folteropfern und Traumatisierten im Rahmen von Projekten Hilfe. Humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete (tolerated stay) haben lediglich Zugang zu Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und speziell gewidmeten Leistungen (AIDA 11.3.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 19.6.2019
- UDSC – Urz?d do Spraw Cudzoziemców (o.D.e): International Protection, https://udsc.gov.pl/wp-content/uploads/2014/12/Rights-and-obligations-of-beneficiaries-of-international-protection.pdf, Zugriff 26.6.2019
Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest. In weiterer Folge wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht an Krankheiten leide und keine Medikamente einnehme. Derzeit herrsche weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 werde durch das Virus SARS-CoV-2 verursacht. Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 sei, könne derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man gehe aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei va alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen seien. Die medizinische Grundversorgung sei in Polen sichergestellt. Der Beschwerdeführer sei in Besitz eines polnischen Visums, gültig bis 01.09.2020, gewesen. Die polnischen Behörden hätten einer Aufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zugestimmt, weshalb auch eine Schutzverweigerung Polens nicht zu erwarten sei. Der Zugang zum Asylverfahren nach Rückkehr sei gewährleistet. Seit seiner Einreise in die Europäische Union habe der Beschwerdeführer das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder verlassen. In Österreich befinde sich eine Schwester des Beschwerdeführers; weitere Verwandte oder Bekannte habe er in Österreich nicht. Ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe jedoch nicht. Die genannte Schwester sei nach ihrer Hochzeit in Aserbeidschan im Jahr 2014 nach Österreich gekommen. Seitdem lebe der Beschwerdeführer von seiner Schwester getrennt; ein gemeinsamer Haushalt habe nicht mehr bestanden und bestehe auch in Österreich nicht. Beziehungen mit Geschwistern, welche nicht im gemeinsamen Haushalt leben, würden nicht in den Schutzbereich des Familienlebens fallen. Der Überstellung nach Polen würden somit keine familiären Gründe entgegenstehen. Der Beschwerdeführer sei von seiner Schwester auch niemals finanziell unterstützt worden. Eine allfällige finanzielle Unterstützung wäre jedoch bei Bedarf in Polen möglich. Die Visumsanträge des Beschwerdeführers seien im Jahr 2018 bzw 2019 von Österreich jeweils abgelehnt worden. Es könne somit ein enges Familienleben noch ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis erkannt werden; ein solches sei auch gar nicht behauptet worden. Auch ein schützenswertes Privatleben des Beschwerdeführers könne aufgrund der Kürze der Zeit nicht erkannt werden. Nach Rückkehr stünde ihm ein ordnungsgemäßes Asylverfahren offen und werde der Beschwerdeführer, eine Antragstellung in Polen vorausgesetzt, auch in die dortige Grundversorgung kommen. Diese sei ausreichend gewährleistet. Ein Asylwerber könne sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in dem er bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten könne. Konkrete Vorfälle gegen die Person des Beschwerdeführers in Polen seien nicht berichtet worden. Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich sei nicht zu erkennen. Zusammengefasst seien dessen Angaben keine stichhaltigen Gründe zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesem eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Nach dem Gesagten sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu; ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO habe sich nicht ergeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Behörde eine Prüfung im Einzelfall zur Beurteilung der Frage unterlassen habe, ob dem Beschwerdeführer in Polen eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Dies sei va in Hinblick auf die Behandlung von Dublin-Rückkehrern sowie die Unterbringungs- und Versorgungssituation, unterlassen worden. In Polen habe der Beschwerdeführer niemanden. Die Lebensbedingungen in Polen seien „sehr schlecht“ gewesen; der Beschwerdeführer dort keinerlei finanzielle oder sonstige Unterstützung erhalten. Im medizinischen Bereich sei von einer Unterversorgung von Asylwerbern auszugehen. Flüchtlinge seien in Polen diversen Diskriminierungen und rassistischen Handlungen ausgesetzt. Eine individuelle Zusicherung hinsichtlich einer adäquaten Unterbringung und (medizinischen) Versorgung nach Rückkehr wäre einzuholen gewesen. Die herangezogenen Länderfeststellungen seien mangels Aktualität und Vollständigkeit nicht als geeignete Entscheidungsgrundlage anzusehen. Aufgrund der vorliegenden systemischen Mängel im polnischen Aufnahmesystem sei eine Verletzung von Art 3 EMRK wahrscheinlich. Sollte der Beschwerdeführer nach Polen überstellt werden sei davon auszugehen, dass dieser auf der Straße landen oder in Haft genommen werden würde. Die Behörde hätte vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Aserbeidschan, reiste mittels eines polnischen Visums der Kategorie „D“ am 17.12.2019 von seiner Heimat nach Polen. Das Visum war im Zeitraum vom 24.11.2019 bis 01.09.2020 gültig.
Der Beschwerdeführer hat in Polen nicht um internationalen Schutz angesucht. Am 15.08.2020 hat er Polen wieder verlassen und brachte nach Einreise in das Bundesgebiet am 25.08.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Seit seiner Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten in Polen hat der Beschwerdeführer das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder verlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte am 28.08.2020 ein Aufnahmegesuch nach Art 12 Abs 2 oder 3 Dublin III-VO an Polen. Mit Schreiben vom 08.09.2020 stimmte Polen der Übernahme des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf das ausgestellte Visum „D“ nach Art 12 Abs 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat Polen an.
Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. In Polen sind Asylwerber Bedrohungen bzw Übergriffen, welcher Art auch immer, nicht schutzlos ausgeliefert. Die polnischen Sicherheitsbehörden sind schutzwillig und schutzfähig.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen akut lebensbedrohlichen Krankheiten. Er ist gesund und nimmt keine Medikamente ein. Er gehört keiner Covid-19-Risikogruppe an. In Polen sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Die medizinische Versorgung für Asylwerber ist in Polen ausreichend gewährleistet und auch in der Praxis zugänglich.
Die aktuelle Situation hinsichtlich der Covid-19-Pandemie begründet keine Unmöglichkeit einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Polen. Bei Covid-19 handelt es sich um eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15 % der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung so schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Mit Stichtag 09.12.2020 hat es in Polen insgesamt 1.076.180 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen, 316.743 aktive Fälle, 738.845 genesene Fälle und 20.592 Todesfälle gegeben.
In Österreich befindet sich seit dem Jahr 2014 die volljährige Schwester des Beschwerdeführers und deren Ehemann. Sie ist in Österreich aufenthaltsberechtigt. Seit dem 23.09.2020 bis zum 23.11.2020 bestand ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Schwester; seit diesem Zeitpunkt nahm der Beschwerdeführer auch keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr in Anspruch.
Finanzielle oder sonstige wechselseitige Abhängigkeiten oder ein Pflegebedarf bestehen nicht. Eine besondere Beziehungsintensität zwischen dem Beschwerdeführer und seiner volljährigen Schwester ist nicht erkennbar.
Seit dem 24.11.2020 ist der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers beruhen, zumal weder eine EURODAC-Treffermeldung noch eine VIS-Meldung vorliegen, auf dessen eigenen Angaben in Zusammenhalt mit der Mitteilung der polnischen Dublin-Behörde hinsichtlich eines polnischen Visums. Das zugrundeliegende Konsultationsverfahren ist auch im Akt dokumentiert.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Polen nicht um Asyl angesucht hat, basiert auf dessen eigenen Angaben in Zusammenschau mit dem Fehlen einer entsprechenden Eurodac-Treffermeldung mit Polen.
Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in Polen das Gebiet der Mitgliedstaaten wieder verlassen hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch nicht behauptet.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das Bundesamt hat in den angefochtenen Bescheiden neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur polnischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Konkrete Hinweise darauf, dass sich die Lage für Asylwerber in Polen wesentlich verschlechtert hätte, sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass sich die Lage in den wesentlichen Zusammenhängen unverändert darstellt.
Aus den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das polnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die (medizinische) Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Polen, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Polen wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen unten).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren. Dass der Beschwerdeführer keiner COVID-Risikogruppe angehört ergibt sich daraus, dass dieser 29 Jahre alt ist und an keinen relevanten Vorerkrankungen, etwa einer Immunschwäche, Diabetes, hohem Blutdruck, Herzkrankheiten etc leidet, wie sie in der COVID-Risikogruppen-Verordnung, BGBl II Nr 203/2019, angeführt sind.
Die getroffenen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (www.bing.com/covid/polen). Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), welche die Ausbreitung von Covid-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen. Für den Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben, respektive keine Dublin-Rückkehrer übernehmen, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Es ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt hat, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Die skizzierten derzeit bestehenden Überstellungshindernisse sind aus heutiger Sicht - aller Wahrscheinlichkeit nach - zeitlich begrenzt. Es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in den Maximalfristen der Verordnung (Art. 29 Dublin III-VO) wiederaufgenommen werden können.
Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt und in der Beschwerde. Das zwischenzeitige Bestehen eines gemeinsamen Haushalts mit seiner hier rechtmäßig aufhältigen Schwester bzw der unbekannte Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem 23.11.2020, ergeben sich jeweils aus einem vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit dem 23.09.2020 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezieht, basiert auf einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssytem des Bundes.
Dass der Beschwerdeführer von seiner Schwester weder finanziell noch sonst abhängig wäre, kann das Gericht nicht erkennen, zumal der Beschwerdeführer sowohl in Österreich als auch, eine Asylantragstellung in Polen vorausgesetzt, auch dort während des laufenden Asylverfahrens Anspruch auf Grundversorgung hat, welche die Grundbedürfnisse ausreichend absichert. Ein Pflegebedarf wurde nicht einmal behauptet.
Dass der Beschwerdeführer seit 24.11.2020 unbekannten Aufenthalts ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten Auszug aus dem Zentralen Melderegister bzw einem entsprechenden Schreiben des Bundesamtes vom 30.11.2020 an Polen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die ei