TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/11 W171 2207570-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.12.2020
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Entscheidungsdatum

11.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W171 2207570-6/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX (und weiteren Alias-Vor- und Familiennamen), geb. am XXXX alias XXXX (und weiteren Aliasgeburtsdaten), StA: Marokko, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zahl: XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 23.09.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF genannt) ist im Jahr 2005 in Österreich eingereist.

Am 21.03.2005 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 15.09.2006 abgewiesen wurde. In einem war die Ausweisung des Beschwerdeführers ausgesprochen worden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 18.06.2008 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Am 24.05.2012 stellte der BF einen dritten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 07.01.2013 erneut wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013 aufgehoben; im weiteren Rechtsgang wurde ein neuerlich zurückweisender Bescheid mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2015 behoben.

Am 02.11.2018 wurde bei der marokkanischen Botschaft die Ausstellung eines HRZ für den BF beantragt.

Mit Bescheid vom 14.11.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch als BFA oder Behörde bezeichnet), den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 25.05.2012 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), wies den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko ab (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.), erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.), gewährte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VIII.).

Der Beschwerdeführer erhob gegen die Spruchpunkte II. bis VIII. dieses Bescheides Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 10.01.2019 gab Interpol Rabat die marokkanische Identität des BF offiziell bekannt.

Ein am 31.01.2020 stattgefundenes Interview bei der algerischen Botschaft bestätigte die marokkanische Staatsangehörigkeit. Die Daten wurden jedoch trotzdem zwecks Abgleich nach Algier übermittelt. Ein endgültiges Ergebnis in diesem Verfahren ist noch nicht ergangen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.04.2020, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 01.04.2020 zugestellt.

Nach Entlassung des Beschwerdeführers am 03.04.2020 aus der Strafhaft wurde über diesen gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft (I) zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr in ihrem Bescheid dabei auf § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG.

Gegen den Mandatsbescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 22.04.2020 Beschwerde. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.04.2020 abgewiesen und die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft für zulässig erklärt.

Am 13.09.2020 flüchtete der BF aus der Schubhaft und tauchte unter. Er wurde am 22.09.2020 durch Beamte der LPD XXXX im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angehalten, kontrolliert, festgenommen und in das PAZ eingeliefert. In Zuge der Einvernahme am 23.09.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur beabsichtigten Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung führte der BF im Wesentlichen aus, er sei gesund und sei seit März 2005 nicht aus Österreich ausgereist. Er lebe vom Asylgeld und wohne in einer Einrichtung der Diakonie. Er habe eine Freundin und eine Tochter in der Slowakei. Wohnort und Daten wollte der BF nicht angeben.

Er habe mit der marokkanischen Botschaft gesprochen und sei ihm gesagt worden, dass die Ausstellung eines Reisepasses aufgrund von Corona nicht dauern würde. Er würde nur etwas Geld benötigen und würde selbst in seine Heimat zurückkehren.

Im Anschluss an seine Einvernahme wurde über den BF am 23.09.2020 mit Mandatsbescheid gem. § 76 Abs. 2 Z.2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Bescheid wurde dem BF persönlich übergeben. Der BF habe danach durch sein Vorverhalten die Tatbestandmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1, 3 und 9 FPG erfüllt und es sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig

Gegen den Mandatsbescheid, die Schubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft erhob die Rechtsvertretung des BF mit Schriftsatz vom 04.12.2020 Beschwerde. Sie beantragte, den Bescheid zu beheben, die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie Kosten- und Barauslagenersatz beantragt. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Behörde im Bescheid keine Feststellungen darüber getroffen habe, wie lange der BF aufgrund desselben Sachverhaltes seit seiner ersten Inschubhaftnahme im Jahr 2008 in Summe festgehalten worden sei und auch nicht darüber, woraus sich die behördliche Annahme einer baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) ergeben würde. Eine Effektuierbarkeit der Abschiebung werde daher bezweifelt. Darüber hinaus sei die Verhängung eines gelinderen Mittels im konkreten Falle als ausreichend anzusehen und seien die obigen Punkte im Bescheid nicht hinreichend begründet worden.

Die Behörde legte die Akten am 07.12.2020 vor, gab eine Stellungnahme im Rahmen des Akteninhalts ab und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Dabei wurde nach Wiederholung des Sachverhaltes näher ausgeführt, dass der BF in der Vergangenheit mehrmals versucht habe sich dem fremdenrechtlichen Verfahren zu entziehen und er am 13.09.2020 aus der Schubhaft entflohen sei. Aufgrund der Identifizierung durch Interpol sei die Identität des BF geklärt. Dennoch verweigere der BF die Befüllung des Formulares für die marokkanische Botschaft. Er habe keine nennenswerten Bindungen im Inland und habe unter Verwendung einer falschen slowakischen Identität in Österreich unangemeldet gearbeitet. Er wirke im Verfahren nicht mit und sei bisher bereits 11 Mal in Österreich verurteilt worden. Er sei nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ. Seine vorgegebene Ausreisewilligkeit sei nicht glaubwürdig. Es bestehe weiterhin Aussicht auf Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF, da dieser einwandfrei als marokkansicher Staatsangehöriger identifiziert worden sei. Eine Unmöglichkeit der Abschiebung sei nicht gegeben, lediglich eine Verzögerung sei denkbar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Er heißt XXXX , ist am XXXX in XXXX geboren und marokkanischer Staatangehöriger. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer verwendete während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich zahlreiche unterschiedliche Identitäten.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 03.11.2005 wurde der Beschwerdeführer wegen der gewerbsmäßig begangenen Jugendstraftat nach § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall und Abs. 2 Z 2 erster Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.02.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen desselben Vergehens, jedoch in Form des Versuchs begangen, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die bedingte Nachsicht der vorigen Strafe widerrufen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde.

3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 29.08.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen der (teilweise in Form des Versuchs) gewerbsmäßig begangenen Jugendstraftat nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 erster Fall SMG und § 15 StGB sowie nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 27.11.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen der Jugendstraftat, nämlich des (teilweise in Form des Versuchs begangenen) Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 15 StGB und §§ 127, 129 Z 1 und Z 2 StGB und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

5. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 16.06.2010 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen versuchter Nötigung nach § 15 StGB und § 105 Abs. 1 StGB, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 5 SMG und wegen der Vergehen der (teilweise in Form des Versuchs begangenen) Urkundenunterdrückung und des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 15 StGB und §§ 229 und 231 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

6. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 11.04.2011 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

7. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 06.12.2012 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 5 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

8. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 03.06.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des (teilweise in Form des Versuchs begangenen) gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

9. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 02.10.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 5 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

10. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 30.10.2014 (in Rechtskraft erwachsen am 13.10.2015) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des (in Form des Versuchs) begangenen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15 StGB und § 269 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

11. Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 06.05.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des (in Form des Versuchs begangenen) Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall StGB und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.

Seit der ersten Asylantragstellung war der Beschwerdeführer außerhalb behördlicher Anhaltung in Österreich lediglich zeitweise amtlich gemeldet.

Der Beschwerdeführer zeigte sich durch seine Verhaltensweise den österreichischen Behörden gegenüber mehrfach unkooperativ. Er ist, was dem Umgang mit Suchtgift betrifft, unbelehrbar.

Der BF ist in Österreich nicht substantiell integriert und verfügt in Österreich über keine festen familiären, sozialen und beruflichen Bindungen. Er ist nahezu mittellos und ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach.

Der BF leidet an Hepatitis C. Aufgrund seiner Drogenabhängigkeit befand sich der Beschwerdeführer in einer Drogenersatztherapie. Er ist hafttauglich.

Der BF befindet sich seit 23.09.2020 wieder in Schubhaft.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens am 01.04.2020 wurde das Verfahren des Beschwerdeführers zur Erlangung eines Heimreisezertifikates durch Urgenz seitens der Behörde zügig fortgesetzt. Mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechnen.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie aus den übrigen asyl- und fremdenrechtlichen Verwaltungsakten und aus den den Beschwerdeführer betreffenden Gerichtsakten zu den hg. Zl.en XXXX , XXXX , XXXX und XXXX .

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer IZR Abfrage.

Die Feststellung zur Identität des Beschwerdeführers gründet sich auf den vorliegenden Verfahrensakt und auf die hg. oben angeführten Gerichtsakten. Die feststehende Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus der an das Bundesamt gerichteten Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres, Bundeskriminalamt, vom 10.01.2019, wonach er von Interpol Marokko unter den oben angeführten Personendaten identifiziert wurde.

Die Feststellungen hinsichtlich der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie aus den hg. Gerichtsakten den Beschwerdeführer betreffend, insbesondere aus dem hg. Gerichtsakt zur Zl. XXXX .

Die Feststellungen hinsichtlich der amtlichen Meldungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Anfrage beim Zentralen Melderegister sowie aus dem GVS - Auszug.

Die Feststellung zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Auszug aus dem Strafregister, aus den Verwaltungsakten sowie dem hg. Gerichtsakt zu XXXX .

Die Feststellungen zum unkooperativen Verhalten des Beschwerdeführers den österreichischen Behörden gegenüber ergeben sich aus den Verwaltungsakten und oben angeführten Gerichtsakten. So hat der Beschwerdeführer verschiedene Identitäten deshalb angenommen, um nicht in Schubhaft genommen werden zu können. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates versuchte der Beschwerdeführer darüber hinaus dadurch zu verhindern, dass er die Mitwirkung am Ausfüllen der entsprechenden Formulare verweigerte. Des Weiteren war der Beschwerdeführer außerhalb behördlicher Unterbringung während seines fast 15-jährigen Aufenthaltes in Österreich kaum amtlich im Bundesgebiet gemeldet und war somit für die Behörden nicht greifbar. Sein Verhalten während der vorhergehenden Schubhaft (I) war ebenso von Unkooperativität gezeichnet (Hungerstreik und Ausbruch).

Die Feststellungen zur beruflichen, familiären und sozialen Anbindung des Beschwerdeführers in Österreich gründen sich auf die expliziten Aussagen des Beschwerdeführers zum einen in der mündlichen Einvernahme zur Anordnung der Schubhaft am 03.04.2020 vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.03.2020 zur Zl. XXXX . Auch die Einvernahme am 23.09.2020 ergab hiezu keine Veränderungen. Der Beschwerdeführer führt nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Er übte keine der Pflichtversicherung nach den Sozialversicherungsgesetzen unterliegende Tätigkeiten aus, er arbeitete vielmehr mit einem gefälschten slowakischen Reisepass „schwarz“ am Bau. Er nahm auch nicht am sozialen Leben in Österreich teil. Umstände, die eine Integration von maßgeblicher Intensität begründen könnten, liegen im konkreten Fall daher nicht vor. Bei den Angaben zu einer behaupteten Freundin konnte der BF nicht einmal deren Namen und Adresse nennen und widersprach sich darin, ob diese Frau in Österreich, oder in der Slowakei ihren Aufenthalt habe. Er war diesen Ausführungen daher keine wesentliche Bedeutung zuzumessen.

Die Haftfähigkeit ergibt sich aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und wurde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht bestritten. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der Beschwerdeführer jedenfalls sofort zu enthaften.

Die Feststellung hinsichtlich der Anhaltung des BF ergibt sich aus der Anhaltedatei.

Die Feststellung zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gründet auf dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt sowie auf den hg. Gerichtsakt zu XXXX . Daraus ist abzuleiten, dass die Behörde unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens am 01.04.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates am 22.04.2020 urgierte, woraus ersichtlich ist, dass das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach Abschluss des Asylverfahrens seitens der Behörde zügig geführt wurde. Aus der aktuellen Stellungnahme des BFA ist zu entnehmen, dass hinsichtlich des HZR betreffend Marokko zuletzt am 12.11.2020 urgiert wurde. Marokko hat bisher keine Negativmeldung erstattet. Der BF gab selbst in seiner Einvernahme vom 23.09.2020 an, dass die Botschaft ihm gegenüber erwähnt haben soll, dass sich wegen Corona die Ausstellung eines HRZ wohl noch verzögern könnte. Darüber hinaus wurde der BF von Interpol eindeutig identifiziert, weshalb die Ausstellung nach Ansicht des Gerichtes nur eine Frage der Zeit sein kann. Der BF wurde nach seiner Flucht am 23.09.2020 in die laufende Schubhaft genommen und bestehen für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausstellung eines HRZ nicht innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist erfolgen könnte. Das Gericht rechnet daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates innerhalb der Schubhafthöchstdauer.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.2. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 23.09.2020:

Bereits aufgrund der Verwendung von Alias- Identitäten hat der Beschwerdeführer § 76 Abs. 3 Ziffer 1 FPG erfüllt. Weiters hat er seine Abschiebung durch seine Flucht aus der Schubhaft (I) umgangen.

Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, weshalb § 76 Abs. 3 Ziffer 3 FPG gegeben ist. Des Weiteren ist die belangte Behörde zu Recht vom Fehlen einer sozialen Verankerung des BF in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Das Bundesamt kommt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen stichhaltigen Hinweis gab. Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine substantiellen Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur geplanten Überstellung für die Behörden bereithalten würde.

Daran ändert auch die in der Einvernahme erstmals erwähnte Freundin und Tochter in der Slowakei nichts, hat der Beschwerdeführer doch in der Vergangenheit dadurch dennoch keine Verwurzelung oder Stabilität in seinem Leben erfahren. Darüber hinaus konnte für das Verfahren aus oben genannten Gründen nichts gewonnen werden.

Schließlich zeigte der BF durch seine Flucht aus der Schubhaft (I) klar seine ihn konkret betreffende Fluchtgefahr auf, weshalb weitere Erörterungen zum Punkt Sicherungsbedarf nach Ansicht des Gerichtes in diesem Fall entbehrlich sind.

Auf Grund dieser Erwägungen besteht im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die angeordnete Schubhaft aufgrund der oben angeführten zahlreichen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Aufgrund des Vorverhaltens des BF stellte sich im Verfahren klar dar, dass das öffentliche Interesse an einer baldigen gesicherten Abschiebung des BF die privaten Interessen des BF, sich frei in Österreich bewegen zu dürften klar überwiegt. Die Verhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft ist daher nach Ansicht des erkennenden Gerichts klar gegeben.

3.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr und der tatsächlich bereits erfolgten Flucht aus der Haft konnte auch nicht ernsthaft mit einer Anwendung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden.

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Für eine effektive finanzielle Sicherheitsleistung reichen in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles die finanziellen Mittel nicht aus. Darüber hinaus konnte aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers – wie oben ausführlich beschrieben - mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der periodischen Meldeverpflichtung zurecht nicht das Auslangen gefunden werden.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht aufgrund des seitens der belangten Behörde eingeleiteten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erkennen, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht zuletzt durch eine mögliche konstruktive Mitwirkung des Beschwerdeführers zeitnah möglich ist und die rasche Außerlandesbringung des Beschwerdeführers als wahrscheinlich anzusehen ist.

Auch die derzeit vorliegende Pandemielage ändert nichts an der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung, da gegenwärtig mit einer langsamen Normalisierung der coronabedingten Einschränkungen und der derzeitigen Flugeinschränkungen binnen weniger Wochen zu rechnen ist und von einer baldigen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Abschluss des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates auszugehen ist (s. dazu VwGH vom 01.04.2020, Ra 2020/21/0116-3).

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 23.09.2020 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG liegen weiterhin vor.

Für die Durchsetzung der Abschiebung ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren (legalen) beruflichen Anknüpfungspunkte (oder substanzielle Geldmittel für einen auch nur mittelfristigen Aufenthalt) im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine zur Anordnung einer Schubhaft hinreichende Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers auch weiterhin gegeben ist.

Im Falle des Beschwerdeführers kann daher auch weiterhin aufgrund seines bereits geschilderten Vorverhaltens mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.

Es liegt somit auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Von der Möglichkeit einer Abschiebung im Rahmen der gesetzlichen Fristen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen. Hinweise für eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

Die Behörde hat im gegenständlich bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängten Schubhaft. Das in der Beschwerde monierte Fehlen konkreter Feststellungen zu bereits beendeten Schubhaften in der Vergangenheit stellt keinen Mangel der behördlichen Entscheidung dar, da eine, wie offenbar angenommene, Zusammenrechnung vorheriger Haftzeiten im gegenständlichen Fall in der gesetzlichen Regelung keine Grundlage findet.

Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakten und gerichtlichen Vorakten) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist. Eine Einvernahme des BF zur Abklärung einer behaupteten Kooperationsbereitschaft bedurfte es schon aufgrund der bisherigen Verhaltensweise des BF nicht, da auch in diesem Verfahren keine Gründe behauptet worden, oder hervorgekommen sind, weshalb der BF seine bisherige Vorgehensweise des Untertauchens gerade jetzt ändern und für die Behörde nun greifbar bleiben sollte.

Zu Spruchpunkt III. und IV. (Kostenbegehren):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu Spruchteil B) (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Die Revision war daher nicht zuzulassen.


Schlagworte

Fluchtgefahr gelinderes Mittel Identität Kooperation Kostenersatz öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2207570.6.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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