TE Bvwg Beschluss 2020/12/16 I416 2233440-1

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Norm

AlVG §14
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


I416 2233440-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Franz OPBACHER und Stefan ORTNER MSc als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 03.04.2020 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Der Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer beantragte am 02.04.2020 beim Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: belangte Behörde) die erstmalige Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

2.       Mit Bescheid vom 03.04.2020 sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mangels Erfüllung der Anwartschaft keinen Anspruch auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes habe. Begründend hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer könne in der gesetzlichen Rahmenfrist lediglich 358 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen.

3.       Die gegen diesen Bescheid erhobene rechtszeitige Beschwerde datiert vom 15.04.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 28.05.2020, begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass er durch den Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte an seine Arbeitgeberin gebunden sei und über eine Wiedereinstellungszusage verfüge. Er erfülle die Anwartschaft gemäß § 14 Abs.1 AlVG lediglich aufgrund des Fehlens von einer Arbeitswoche in Österreich nicht, weshalb er um Nachsicht bitte.

4.       Am 28.05.2020 und 10.06.2020 langten eine Beschwerdeergänzung sowie verschiedene Unterlagen betreffend Versicherungszeiten in Bosnien und Herzegowina und Italien ein. Der Beschwerdeführer führte aus, dass in den letzten zwei Jahren ein aufrechtes Arbeitsverhältnis in Bosnien und Herzegowina bestanden und er Versicherungszeiten in Italien erworben habe.

5.       Mit Schreiben vom 28.07.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer ergänzenden Stellungnahme brachte diese vor, dass aufgrund der Nachreichungen des Beschwerdeführers um Übermittlung des PDU 1 aus Italien angesucht worden sei, wobei die Zusendung von Beschäftigungsdaten aus Italien erfahrungsgemäß mehrere Monate dauern würde. Aufgrund der endenden Bearbeitungsfrist der belangten Behörde würde die Beschwerde zur weiteren Bearbeitung dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und weitere Unterlagen bei Erhalt nachgereicht. Da dem Beschwerdeführer lediglich wenige Tage für die Erfüllung der Anwartschaft fehlen würden, sei von einer letztlichen Zuerkennung des Arbeitslosengeldes auszugehen. Auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung werde überdies verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

In Österreich ging der Beschwerdeführer im Zeitraum 09.04.2019 bis 31.03.2020 einer Beschäftigung als Kellner im Hotel/Gasthof XXXX nach. Der Beschwerdeführer meldete der belangten Behörde am 02.04.2020 seine Arbeitslosigkeit und stellte am selben Tag einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld, nachdem am 31.03.2020 seine Beschäftigung geendet hatte. Er legte seinen Anträgen unter anderem einen Lebenslauf datiert mit 03.02.2017 vor, auf welchem zahlreiche Erwerbstätigkeiten in Bosnien und Herzegowina sowie Italien aufgelistet waren.

Im bisherigen Ermittlungsverfahren wurden seitens der belangten Behörde notwendige Sachverhaltsermittlungen bezüglich der (Nicht-)Erfüllung der Anwartschaft unterlassen und reichen die vorliegenden Ergebnisse jedenfalls nicht zur Fällung einer umfassenden Entscheidung in der Sache aus. Die belangte Behörde hat es unterlassen, rechtszeitig Nachforschungen anzustellen. Vielmehr hat sie anstelle der ihr zukommenden Möglichkeit der Entscheidungsfindung innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraums bereits einen Tag nach der Antragstellung des Beschwerdeführers am 02.04.2020 den gegenständlichen negativen Bescheid am 03.04.2020 erlassen und notwendige Ermittlungen erst nach Einlangen der Beschwerde veranlasst.

Überdies wurden von der belangten Behörde keinerlei Ermittlungen hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für eine allfällige Zuerkennung von Arbeitslosengeld vorgenommen und erfolgte keine Berechnung der Höhe eines allfälligen Anspruchs.

2. Beweiswürdigung:

Die Meldung der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Behördenakt befindlichen Ausdruck der entsprechenden elektronischen Arbeitslosmeldung des Beschwerdeführers und gründet die Feststellung zur Antragstellung des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld auf seinem ebenso im Akt einliegenden Antrag, welcher mit dem Übermittlungsdatum 02.04.2020 gekennzeichnet ist. Die Feststellungen hinsichtlich seiner Beschäftigungszeit in Österreich ergibt sich aus dem aktuellen Auszug aus der Datenbank der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Die Feststellungen zur unzureichenden Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde ergeben sich aus dem Umstand, dass die belangte Behörde bereits einen Tag nach dem gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ihren Bescheid erlassen hat, dies trotz der Vorlage eines veralteten Lebenslaufs durch den Beschwerdeführer. Den Beschwerdeführer trifft zweifellos eine Mitwirkungspflicht, jedoch war er unvertreten und hätte die belangte Behörde daraufhin nähere Ermittlungen durchführen bzw. eine Aktualisierung seines Lebenslaufes fordern müssen. Insbesondere aufgrund des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer lediglich wenige Tage zur Erfüllung der Anwartschaft fehlen und sich aus seinem Lebenslauf zahlreiche frühere ausländische Beschäftigungen ergeben. Das Bestehen ausländischer Beschäftigungszeiten in der gesetzlichen Rahmenfrist lag sohin nahe, es wurden jedoch weder ein Parteiengehör noch eine niederschriftliche Einvernahme durchgeführt. Erst aufgrund des Beschwerdeschriftsatzes und der Vorlage von Lohnzetteln bzw. eines Empfehlungsschreibens richtete die belangte Behörde, wie zweifelsfrei der Stellungnahme vom 28.07.2020 zu entnehmen ist, ein Auskunftsersuchen an die italienischen Behörden. Da eine entsprechende Beantwortung laut Stellungnahme vom 28.07.2020 noch ausständig war, lag zum Zeitpunkt der Beschwerdevorlage ebenfalls noch kein tragfähiges Ermittlungsergebnis vor. Insbesondere führte die belangte Behörde darin an, dass bei behördlicher Bestätigung von italienischen Versicherungszeiten in Zusammenschau mit seinen inländischen Versicherungszeiten die Anwartschaft gemäß § 14 AlVG voraussichtlich erfüllt wäre.

Da sich die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung auf das Aufzeigen der Nichterfüllung der Anwartschaft beschränkte, waren aus dem Behördenakt keine Ermittlungstätigkeiten hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosigkeit oder der Höhe eines allfälligen Anspruchs ersichtlich. Auch fehlte eine diesbezügliche Feststellung im angefochtenen Bescheid, sodass mit den bisherigen Ermittlungen der belangten Behörde kein Auslangen gefunden werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 AlVG lautet wie folgt: „Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.“

Im gegenständlichen Fall liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Die §§ 1, 14 Abs. 1, 17, 28 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGVG lauten wie folgt:

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung:

3.1. Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des AlVG lauten wie folgt:

Voraussetzungen des Anspruches

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. …

Anwartschaft

§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. …

(4) Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:

a) Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen, sowie sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung;

b) die Zeit des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Bezuges von Kinderbetreuungsgeld, wenn innerhalb der für die Anwartschaft maßgeblichen Rahmenfrist mindestens 14 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen;

c) Zeiten des Bezuges von Wochengeld oder Krankengeld aus einer Krankenversicherung auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses;

d) Zeiten einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Lehrling;

e) Zeiten, für die ein Sicherungsbeitrag gemäß § 5d AMPFG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/1998 entrichtet wurde;

f) Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit;

g) Zeiten der Teilnahme an beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation, wenn diese nicht ungerechtfertigt vorzeitig beendet wurden, nach Beendigung dieser Maßnahmen.

(5) Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist. …

Gemäß Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften den Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs, die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften oder den Zugang zu bzw. die Befreiung von der Pflichtversicherung, der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten abhängig machen, soweit erforderlich die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

Gemäß Artikel 12 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Durchführungsverordnung) wendet sich der zuständige Träger bei der Anwendung von Art. 6 der Grundverordnung an die Träger der Mitgliedstaaten, deren Rechtsvorschriften für die betroffene Person ebenfalls gegolten haben, um sämtliche Zeiten zu bestimmen, die der Versicherte nach deren Rechtsvorschriften zurückgelegt hat.

3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im gegenständlichen Fall wurde der angefochtene negative Bescheid damit begründet, dass der Beschwerdeführer nicht genügend anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen konnte, sodass seinem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes keine Folge gegeben wurde. Die belangte Behörde ging dabei lediglich von 358 arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungstagen in Österreich aus.

Die belangte Behörde hätte nicht ohne jegliche Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers im Ausland einen negativen Bescheid erlassen dürfen, sondern hätte sich aufgrund der Aktenlage an den Beschwerdeführer wenden müssen, und zwar um feststellen zu können, ob die Anwartschaft des Beschwerdeführers möglicherweise unter Einrechnung von etwaigen ausländischen Versicherungszeiten erfüllt sein könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Voraussetzungen, unter denen das Verwaltungsgericht von der in § 28 Abs. 3 VwGVG festgelegten Befugnis zur Aufhebung und Zurückverweisung Gebrauch machen darf, im Erkenntnis vom 27.01.2016, Ra 2015/08/0171, näher präzisiert:

Danach hat die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts Vorrang und bildet die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig ist und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Zur Aufhebung und Zurückverweisung ist das Verwaltungsgericht bei "krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken" befugt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verwaltungsbehörde "jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen", "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt" oder "bloß ansatzweise ermittelt" hat oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde "Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung). … Da das AMS die fallbezogen erforderlichen Ermittlungen nicht schon vor Erlassung seiner Bescheide durchgeführt hat und sodann innerhalb der für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung offen stehenden Frist nur mehr ansatzweise nachholen konnte, ist das Bundesverwaltungsgericht in jedenfalls nicht unvertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGG ausgegangen (vgl. zu diesem bei der einzelfallbezogenen Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG anzulegenden Maßstab etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0232, mwN) (vgl. VwGH 21.02.2019, Ra 2019/08/0026).

Die belangte Behörde hat somit nur ansatzweise ermittelt, indem sie lediglich auf die in Österreich erworbenen Versicherungszeiten näher eingegangen ist, jedoch vor Bescheiderlassung keinerlei Ermittlungen zu potentiellen ausländischen Zeiten getätigt hat. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde lange vor Ablauf ihrer sechsmonatigen Entscheidungsfrist entschieden hat. Sowohl zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung als auch zum Zeitpunkt der Beschwerdevorlage lag somit kein ordnungsgemäß überprüfbares Ermittlungsergebnis für die Beurteilung der Anwartschaft vor.

Eine Versicherungsbestätigung der italienischen Arbeitsmarktverwaltung ist nach wie vor nicht beim erkennenden Gericht eingelangt, sodass der mangelhafte Sachverhalt weiter vorliegt. Sofern der Beschwerdeführer mitsamt potentiell nachgewiesenen ausländischen Versicherungszeiten die Anwartschaft erfüllt, sind im bejahenden Fall zudem die weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AlVG zu prüfen und wird festzustellen sein, in welcher Höhe dem Beschwerdeführer ein allfälliger Anspruch zukommt.

Abschließend ist festzuhalten, dass eine weitere Behandlung und anschließende Feststellung des Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit liegt, da bezogen auf die Zurückverweisung an die belangte Behörde und dortige Feststellung der notwendigen Sachverhaltselemente keine Zeitverzögerung oder -ersparnis ersichtlich ist. Des Weiteren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mit einer Sachentscheidung durch das erkennende Gericht eine erhebliche Kostenersparnis verbunden wäre.

Aufgrund sämtlicher getätigter Schilderungen geht das Bundesverwaltungsgericht von einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung aus, sodass der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Anwartschaft Arbeitslosengeld Auslandsbezug Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2233440.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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