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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Mai 1995, Zl. UVS-03/P/16/02190/95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Juni 1994 wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Fremdengesetzes eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 22. Juli 1994 durch Hinterlegung zugestellt.
Mit dem am 8. September 1994 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangten Antrag vom 7. September 1994 begehrte der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches, den er gleichzeitig erhob. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus wie folgt:
"Gegen den Wew wurde die Strafverfügung vom 20.6.1994 erlassen.
Aufgrund des Namens und der Staatsbürgerschaft steht fest, daß der Wew nicht in ausreichendem Maße der deutschen Sprache mächtig ist, um eine RMB vollinhaltlich zu erfassen. Dies ergibt sich u.a. auch daraus, daß die StrV unbeeinsprucht blieb. Dem Wew steht (stand) aber die Beteiligung an einem gegen ihn geführten Verfahren in einer Sprache zu, die er versteht. Die Verletzung dieser Bestimmung macht den entsprechenden Akt anfechtbar.
Der Wew hat am 04.09.1994 die Kanzlei des nunmehrigen PV aufgesucht.
Im Gegensatz zu der Behauptung in der StrV, hat der Beschuldigte nicht gegen die zitierte Bestimmung verstoßen, was durch Einsicht in seinen Reisepaß zu beweisen sein wird. Da der bislang unvertretene Wew durch die Mißachtung seines Grundrechtens seitens der Behörde von der Verfahrensbeteiligung ausgeschlossen war, ohne daß ihn ein Verschulden daran träfe, wird beantragt, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches zu gewähren, welcher gleichzeitig erhoben wird."
Mit Bescheid vom 23. November 1994 wies die Bundespolizeidirektion Wien diesen Antrag ab. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß die Unkenntnis der deutschen Sprache nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG anzusehen sei. Aufgrund der zweiwöchigen Einspruchsfrist wäre genügend Zeit gewesen, die Strafverfügung übersetzen zu lassen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, die Behörde habe die Beiziehung eines Amtsdolmetschers unterlassen, weil die Strafverfügung an den Beschwerdeführer in deutscher Sprache zugestellt worden sei, obwohl aktenkundig sei, daß der Beschwerdeführer arabisch spreche. Der Umstand, daß gerade im Falle des Beschwerdeführers - in einem Verfahren nach dem FrG - die deutsche Sprache verwendet werde, in anderen Fällen aber eine ausländische, belaste den bekämpften Bescheid mit Willkür.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, daß sich bereits die Behörde erster Instanz mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers richtig und vollständig auseinandergesetzt habe und daher der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nichts hinzuzufügen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung ablehnte (Beschluß vom 4. Oktober 1995, B 2170/95) und die Beschwerde auf nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 10. April 1996, B 2170/95).
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer in der von ihm auftragsgemäß eingebrachten Beschwerdeergänzung - zusammengefaßt - geltend, durch den Bescheid der belangten Behörde in seinem Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers "gemäß § 39 AVG" verletzt worden zu sein.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Gemäß § 71 Abs. 2 leg. cit. muß der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Slg. Nr. 11.312/A). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn bzw. seine Vertreter an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Weiters hat der Wiedereinsetzungswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 71 Abs. 2 AVG, E-Nr. 3f) bereits in seinem Wiedereinsetzungsantrag ausdrückliche Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages im Sinne der Norm des § 71 Abs. 2 AVG zu machen. Solche dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftende Mängel sind inhaltlicher Natur und daher nicht verbesserungsfähig.
Solche Angaben enthält der gegenständliche - oben wiedergegebene - Wiedereinsetzungsantrag nicht. Im Antrag wird nicht dargestellt, wann und wodurch das behauptete Hindernis weggefallen ist. Weder dem Wiedereinsetzungsantrag noch dem Akteninhalt können Anhaltspunkte dafür entnommen werden, weshalb dies erst mit der Vorsprache des Beschwerdeführers bei seinem Rechtsfreund eintrat.
Die Beschwerde ist somit unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle MängelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996210334.X00Im RIS seit
07.05.2001