TE Bvwg Beschluss 2020/12/28 L527 2221063-1

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Veröffentlicht am 28.12.2020
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Entscheidungsdatum

28.12.2020

Norm

ASVG §113
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


L527 2221063-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichischen Gesundheitskasse) vom 15.05.2019, XXXX :

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 15.05.2019 verpflichtete die Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse; in der Folge: [belangte] Behörde) den Beschwerdeführer als Dienstgeber zur Zahlung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG wegen Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs 1 ASVG.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.06.2019 als verspätet zurück. Der Bescheid vom 15.05.2019 sei dem Beschwerdeführer nachweislich am 17.05.2019 zugestellt worden. Die Beschwerde sei am 17.06.2019 der Post zur Beförderung übergeben und somit verspätet eingebracht worden.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag, in dem er begehrt, dass die Beschwerdevorentscheidung zurückgezogen und die Beschwerde von der belangten Behörde bearbeitet werde.

Die (im Wesentlichen bereits der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmenden) Umstände, aus denen sich die Beschwerde nach der Aktenlage als verspätetet darstelle, brachte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.11.2020 neuerlich zur Kenntnis. Der Beschwerdeführer machte von der Möglichkeit zur Stellungnahme nicht Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom 15.05.2019, XXXX , verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer als Dienstgeber zur Zahlung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 ASVG wegen Verletzung der Meldepflicht nach § 33 Abs 1 ASVG (AS 29 ff). Die Behörde verfügte die Zustellung (RSb) des Bescheids an den Beschwerdeführer unter der Adresse XXXX (AS 27, 29). Dort betrieb der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt (bis XXXX .2020) ein Handelsgewerbe und er hielt sich regelmäßig dort auf (AS 5, 133; OZ 4, 6).

Am 17.05.2019 konnte weder der Beschwerdeführer noch ein Ersatzempfänger vom Zustellorgan an dieser Adresse angetroffen werden. Daher konnte der Bescheid nicht zugestellt werden, weshalb er bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldiensts hinterlegt und die schriftliche Verständigung von der Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde. Die Abholfrist begann am 17.05.2019. (AS 27)

1.2. Gegen den Bescheid vom 15.05.2019, XXXX , erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17.06.2019 die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (AS 17). Der Beschwerdeführer übergab die Beschwerde am 17.06.2019 an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes (Österreichische Post AG) (AS 23; OZ 5).

1.3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24.06.2019, XXXX , wies die belangte Behörde die Beschwerde als verspätet zurück. Der Bescheid vom 15.05.2019 sei dem Beschwerdeführer nachweislich am 17.05.2019 zugestellt worden. Die Beschwerde sei am 17.06.2019 der Post zur Beförderung übergeben und somit verspätet eingebracht worden. (AS 11 ff)

Innerhalb der Frist gemäß § 15 Abs 1 VwGVG stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag, in dem er begehrt, dass die Beschwerdevorentscheidung zurückgezogen und die Beschwerde von der belangten Behörde bearbeitet werde (AS 5, 7, 9).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen waren ohne Weiteres auf Grundlage des von der belangten Behörde vorgelegten Akts sowie des Akts des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen. Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Aktenseiten, Schriftstücke, Geschäftszahlen und Ordnungszahlen angegeben. Einwände, dass die Akten unvollständig oder unrichtig wären, wurden nicht erhoben. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Hinweise aufgefallen, dass die Akten unvollständig oder bedenklich wären.

Zu den Feststellungen unter 1.1. ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer im Vorlageantrag ausdrücklich festhält, dass er an der Adresse XXXX ein Einzelhandelsgeschäft betreibe. Dass er sich nicht regelmäßig dort aufhalte (bzw. aufgehalten habe), bringt der Beschwerdeführer nicht vor; im Gegenteil. Er führt dezidiert aus, dass er am „Zustellungstag des Bescheides […] nicht ortsanwesend“ gewesen sei und dass er, wenn er ortsanwesend sei, „natürlich immer in [s]einem Einzelhandelsgeschäft anzutreffen“ sei. Da er nicht ortsanwesend gewesen sei und den Bescheid daher nicht in Empfang habe nehmen können, sei der Bescheid hinterlegt worden. (AS 5) Weiters ist festzuhalten, dass es – insbesondere angesichts des Vorbringens im Vorlageantrag – keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass am 17.05.2019 an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend gewesen wäre. Schließlich ist anzumerken, dass aus dem Zustellnachweis (AS 27) hervorgeht, dass der Beschwerdeführer über die Hinterlegung verständigt wurde; die Hinterlegungsanzeige sei in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden. Ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis liefert als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig ist; vgl. § 292 Abs 2 ZPO) möglich; vgl. mwN VwGH 09.10.2020, Ra 2020/03/0101. Ausgehend von der Beweiskraft des Zustellnachweises und mangels gegenteiligen Vorbringens des Beschwerdeführers ist nicht zweifelhaft, dass eine Hinterlegungsanzeige erfolgte.

Zur Feststellung des Zeitpunkts der Übergabe etwa einer Beschwerde an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes ist der Postaufgabestempel bzw. Datumsstempel eines Zustelldiensts maßgeblich; der Stempel hat den Beweiswert einer öffentlichen Urkunde; der Gegenbeweis ist zulässig. Vgl. jeweils mwN VwGH 26.06.2013, 2013/01/0027, und Hengstschläger/Leeb, AVG § 33 Rz 8 (Stand 1.1.2014, rdb.at). Für die technische Fortentwicklung von Briefmarke und Poststempel, nämlich für einen vom Zustelldienst angebrachten Aufkleber unter anderem mit dem Datum und der Uhrzeit der Übergabe (AS 23), kann nichts anderes gelten. Dass er die Beschwerde zu einem anderen Datum/Zeitpunkt, namentlich früher als am 17.06.2019, an einen Zustelldienst übergeben oder anderweitig eingebracht hätte, brachte der Beschwerdeführer ohnedies nicht vor.

Die (im Wesentlichen bereits der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmenden) Umstände, aus denen sich die Beschwerde nach der Aktenlage als verspätetet darstelle, brachte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.11.2020, OZ 5, mit näherer Begründung und unter Anschluss von Aktenbestandteilen (in Kopie) neuerlich zur Kenntnis. Der Beschwerdeführer behob die durch Hinterlegung zugestellte Sendung nicht und machte demnach von der Möglichkeit zur Stellungnahme nicht Gebrauch. Somit trat er den vom Bundesverwaltungsgericht im Verspätungsvorhalt (und der nunmehrigen Entscheidung) dargelegten Sachverhaltselementen überhaupt nicht entgegen.

Der Sachverhalt ist damit aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.1. Der angefochtene Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung wurden von der Salzburger Gebietskrankenkasse erlassen.

Gemäß § 538t Abs 1 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) wurden die Burgenländische, Kärntner, Niederösterreichische, Oberösterreichische, Salzburger, Steiermärkische, Tiroler, Vorarlberger und Wiener Gebietskrankenkasse ab 01.04.2019 mit Wirksamkeit ab 01.01.2020 zur Österreichischen Gesundheitskasse zusammengeführt. Die Österreichische Gesundheitskasse ist Versicherungsträger im Sinne des § 32 ASVG.

Alle Rechte und Verbindlichkeiten der in § 538t Abs 1 ASVG genannten Gebietskrankenkassen gingen mit 01.01.2020 auf die Österreichische Gesundheitskasse über. Sie ist seit 01.01.2020 zur Durchführung der Verwaltungs- und Leistungssachen zuständig, die nach den am 31.12.2019 geltenden Vorschriften von den in § 538t Abs 1 ASVG genannten Gebietskrankenkassen zu besorgen sind.

Dementsprechend trat die Österreichische Gesundheitskasse als Rechtsnachfolgerin der Salzburger Gebietskrankenkasse als belangte Behörde (§ 18 VwGVG [Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz]) in das gegenständliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein.

3.2. Gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG begann die vierwöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.05.2019, XXXX , mit dem Tag der Zustellung.

Indem die Behörde die Zustellung des Bescheids an den Beschwerdeführer per Adresse XXXX verfügte (zu den Anforderungen an die Zustellverfügung vgl. Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 5 K5 [Stand 1.1.2018, rdb.at], verfügte sie rechtskonform die Zustellung an eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz. Nach dieser Bestimmung sind nämlich unter anderem die Betriebsstätte, welche zum betreffenden Zeitpunkt jedenfalls vorlag (vgl. z. B. die Feststellungen unter 1.1. und VwGH 15.09.1997, 97/10/0071), der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers Zustelladressen. Die in § 2 Z 4 Zustellgesetz genannten Abgabenstellen stehen in keiner Rangordnung zueinander; vgl. mwN Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 2 E19 (Stand 1.1.2018, rdb.at).

Da der Bescheid, wie bereits ausgeführt (vgl. oben unter 1.1. und 2.), am 17.05.2019 an der Abgabestelle (weder dem Beschwerdeführer noch einem allfälligen Ersatzempfänger; vgl. § 16 Zustellgesetz und oben unter 2.) zugestellt werden konnte, wurde er am selben Tag bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldiensts hinterlegt und die Verständigung von der Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Das Zustellorgan durfte, wie nicht zuletzt aus den Ausführungen im Vorlageantrag folgt (siehe bereits oben unter 2.), auch Grund zur Annahme haben, dass sich jedenfalls der Beschwerdeführer regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Hinterlegung im Sinne des § 17 Zustellgesetzes waren somit erfüllt und der Bescheid galt mit dem ersten Tag der Abholfrist (17.05.2019) als zugestellt. Dass der Beschwerdeführer, wie er im Vorlageantrag vorbringt, am „Zustellungstag“ nicht ortsanwesend gewesen sei (AS 5), ist für die Wirksamkeit der Zustellung des Bescheids durch Hinterlegung am 17.05.2019 rechtlich unbeachtlich, zumal der Beschwerdeführer damit nicht geltend macht, dass er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig im Sinne des § 17 Abs 3 Zustellgesetz vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte; vgl. z. B. VwGH 28.10.2020, Ra 2020/01/0144, VwGH 22.06.2020, Ra 2019/01/0117, VwGH 08.11.2012, 2010/04/0112, wonach es nicht erforderlich sei, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss; es müsse (lediglich) ein angemessener Zeitraum für die Einbringung des Rechtsmittels verbleiben. Vgl. generell näher zur Auslegung des § 17 Zustellgesetzes Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 17 (Stand 1.1.2018, rdb.at).

Die vierwöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde begann also gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG mit 17.05.2019. § 32 Abs 2 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz) bestimmt, dass nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats enden, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Gemäß § 33 Abs 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (§ 33 Abs 2 AVG). Nach Maßgabe dieser Bestimmungen endete die Beschwerdefrist mit Ablauf des 14.06.2019.

Gemäß § 33 Abs 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 Zustellgesetz zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) nicht in die Frist eingerechnet. Der Beschwerdeführer übergab die Beschwerde am 17.06.2019 – also nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist – an einen Zustelldienst. Die Beschwerde ist damit, wie die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung bereits zutreffend erkannte, verspätet und folglich gemäß § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 31 VwGVG mit Beschluss als verspätetet zurückzuweisen (§ 7 Abs 4 VwGVG in Verbindung mit § 33 Abs 3 AVG). Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt A)) zu entscheiden.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten:

3.3.1. Die belangte Behörde war aufgrund von § 14 Abs 1 VwGVG zur Zurückweisung der verspäteten Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung berechtigt. Die Behörde machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und wies die Beschwerde innerhalb der zweimonatigen Frist (§ 14 Abs 1 VwGVG) als verspätet zurück. Infolge des vom Beschwerdeführer fristgerecht gestellten Vorlageantrags hatte nunmehr das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde zu entscheiden. Da die Beschwerde verspätet war, hatte sie das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der gegenständliche Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt. Dies hat die Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheids (also des Bescheids vom 15.05.2019, XXXX ) festgestellt wird. Vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026.

3.3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Verwaltungsverfahren das sogenannte „Überraschungsverbot“ zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Daraus folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass der Partei eine Verspätung eines Rechtsbehelfs vorzuhalten ist, und zwar selbst eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung eines Rechtsbehelfs. Die zum „Überraschungsverbot“ entwickelten Grundsätze sind auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich, weil von den Verwaltungsgerichten auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs 3 AVG zu beachten sind. Vgl. mwN VwGH 18.06.2020, Ra 2019/10/0080.

Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde anzulasten, dass sie einen derartigen „Verspätungsvorhalt“ unterlassen hat. Dieser Verfahrensmangel konnte jedenfalls durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren saniert werden; vgl. z. B. VwGH 26.02.2019, Ra 2019/06/0011.

Nach VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069, ist eine Verletzung des Parteiengehörs durch die Verwaltungsbehörde dann als saniert anzusehen, wenn die Partei Gelegenheit gehabt hat, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im Rechtsmittel gegen den Bescheid Stellung zu nehmen. Dies setzt voraus, dass der Partei unter anderem durch die Begründung des verwaltungsbehördlichen Bescheids Kenntnis von den Beweisergebnissen verschafft wurde, die ihr eigentlich im Rahmen des Parteiengehörs zu vermitteln gewesen wären. Davon ausgehend hätte es gegenständlich keines „Verspätungsvorhalts“ durch das Bundesverwaltungsgericht bedurft, weil die der rechtlichen Würdigung des vorliegenden Beschlusses zugrundeliegenden Sachverhaltselemente auch der – dem Beschwerdeführer zugestellten – Beschwerdevorentscheidung zugrunde lagen, sodass sie ihm bekannt waren. Er hatte zudem in Gestalt des Vorlageantrags die Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Sachverhaltselementen zu äußern, was er auch tat. Der vom Beschwerdeführer erstattete Vorlageantrag enthält inhaltliche Ausführungen (§ 15 VwGVG), mit denen er allerdings nicht aufzuzeigen vermag, dass er rechtzeitig Beschwerde erhoben hätte. Dem Zweck des „Überraschungsverbots“ wäre somit – auch ohne „Verspätungsvorhalt“ durch das Bundesverwaltungsgericht – vollständig entsprochen (gewesen). Um jegliche Rechtsnachteile auszuschließen, räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20.11.2020 dennoch neuerlich die Möglichkeit ein, zu den Sachverhaltselementen, aufgrund welcher die Beschwerde als verspätet erscheine bzw. sich nunmehr als verspätet erwies, Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer behob die durch Hinterlegung zugestellte Sendung nicht und machte somit von der Stellungnahmemöglichkeit nicht Gebrauch.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG - im Einklang mit Art 6 EMRK und Art 47 GRC – jedenfalls aus folgenden Gründen entfallen: Die Beschwerde war zurückzuweisen (§ 24 Abs 2 Z 1 VwGVG) und es war aus den Akten zu erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (§ 24 Abs 4 VwGVG), zumal der Sachverhalt, wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, nicht strittig war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind entweder von vornherein klar oder durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geklärt; vgl. die zitierte Judikatur bzw. die Nachweise in der zitierten Literatur. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt B)) zu entscheiden.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Verspätungsvorhalt Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L527.2221063.1.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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