TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/18 Ra 2020/15/0088

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Veröffentlicht am 18.12.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

Einkommensermittlung Sportler 2000 §1
Einkommensermittlung Sportler 2000 §2
EStG 1988 §103 Abs3 idF 2004/I/180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Kitzbühel Lienz in Kitzbühel, Im Gries 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Juli 2020, Zl. RV/3100777/2017, betreffend Einkommensteuer 2014 bis 2016 (mitbeteiligte Partei: M A H in K, vertreten durch die AWT Treuhand Partner Steuerberater GmbH & Co KG in 6370 Kitzbühel, Im Gries 18), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligte Partei war als Profiskirennläuferin tätig. Sie stellte am 30. März 2011 beim Bundesministerium für Finanzen im Hinblick auf eine geplante Wohnsitzbegründung in Österreich einen Antrag auf Anwendung der Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988.

2        Im Antrag wird darauf verwiesen, im Fall der Anwendbarkeit der SportlerVO würde sich zwar durch den Zuzug der Mitbeteiligten nach Österreich keine steuerliche Mehrbelastung der Mitbeteiligten gegenüber ihrer bisherigen Steuerlast ergeben. Allerdings könne sich die Steuerbelastung erhöhen, sollte es sich ergeben, dass der Schwerpunkt der sportlichen Tätigkeit der Mitbeteiligten - etwa wegen im Inland ausgetragener Weltmeisterschaften - nach Österreich gelange, also eine Voraussetzung der SportlerVO nicht erfüllt sei. Um das Risiko einer steuerlichen Mehrbelastung durch den Zuzug zu vermeiden, werde ersucht, unter analoger Anwendung der SportlerVO die Bemessungsgrundlage mit 33 % der insgesamt im Kalenderjahr erzielten Einkünfte festzusetzen.

3        Mit Bescheid vom 19. April 2011 gewährte der Bundesminister für Finanzen gemäß § 103 EStG 1988 in Bezug auf die Einkommensbesteuerung der mitbeteiligten Partei bis zum Jahr 2013 die Zuzugsbegünstigung. Im Spruch des Bescheides des Bundesministers für Finanzen wurde Folgendes ausgeführt:

„1. Die Besteuerungsgrundlage wird mit 33 % der insgesamt im Besteuerungszeitraum erzielten Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit festgesetzt. Bei der Festsetzung der Steuer ist der nicht in die Besteuerungsgrundlage fallende Betrag der Einkünfte zu berücksichtigen (Progressionsvorbehalt).

2. Eine Anrechnung ausländischer Steuern ist ausgeschlossen.

Die vorstehende Begünstigung gilt ab Ihrem Zuzug nach Österreich, somit ab 1.5.2011, bis einschließlich 2013.“

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt:

„Der Bundesminister für Finanzen kann gemäß § 103 EStG 1988 bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Sport dient und aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen ist, für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter § 98 EStG fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.

Ihre sportliche Qualifikation und das öffentliche Interesse an Ihrem Zuzug sind unbestritten. Bei der Festlegung der Begünstigung war zur Vermeidung der zuzugsbedingten Mehrbelastung eine Orientierung an der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Ermittlung des Einkommens von Sportlern (‚Sportler-Verordnung‘, BGBl. II Nr. 418/2000) zweckmäßig, wobei das in der Verordnung vorgesehene Erfordernis des überwiegenden Auftritts im Ausland nicht übernommen wurde.

Wie bei Anwendung der Sportler-Verordnung (siehe EStR 2000, Rz 4378) kann auch auf Grund dieses Bescheides keine Ansässigkeitsbestätigung erteilt werden. Sollte es dadurch zu einer echten Doppelbesteuerung bei nicht von diesem Bescheid umfassten Einkünften kommen (z.B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die bei Anwendbarkeit des DBA mit Deutschland als öffentlicher Dienst im Sinn des Art. 19 Abs. 1 lit. a und/oder b anzusehen wären), so wäre eine Vermeidung dieser Doppelbesteuerung auf Basis des § 48 BAO nicht ausgeschlossen.

Die spruchgemäße Zuzugsbegünstigung war wie in vergleichbaren Fällen vorerst für drei Jahre auszusprechen. Bei Weiterbestand der entscheidungsrelevanten Umstände wird die Weiterverlängerung in Aussicht gestellt.“

4        Am 1. Mai 2011 verlegte die mitbeteiligte Partei den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach Österreich.

5        Am 23. Oktober 2013 wurde ein Antrag auf Verlängerung der Anwendung der Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988 gestellt. Die Begründung des Antrags entspricht jener des Antrages vom 30. März 2011.

6        Mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 sprach der Bundesminister für Finanzen über diesen Antrag ab, indem er die Zuzugsbegünstigung für die Veranlagungsjahre 2014 bis einschließlich 2016 verlängerte. Die Bescheidbegründung lautet wie folgt:

„Auf Grund des glaubhaft gemachten Weiterbestandes der entscheidungsrelevanten Umstände konnte die Zuzugsbegünstigung, wie in der Begründung des Bescheides vom 19. April 2011 in Aussicht gestellt, für den beantragten Zeitraum verlängert werden, wodurch die Spruchpunkte 1 und 2 dieses Bescheides weiterhin unverändert anzuwenden sind.

Die Zuzugsbegünstigung kann für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens erteilt werden. Wie schon im Erstbescheid begründend ausgeführt, kann dies für einen Zeitraum von drei Jahren angenommen werden. Es wird die neuerliche Weitergewährung dieser Begünstigung bei Vorliegen der Voraussetzungen in Aussicht gestellt.“

7        Mit Bescheid vom 2. Jänner 2014 sprach der Bundesminister für Finanzen ein zweites Mal über denselben Antrag ab und verlängerte die Zuzugsbegünstigung für die Veranlagungsjahre 2014 bis einschließlich 2016. Der Spruch des Bescheides des Bundesministers für Finanzen lautet:

„Auf Grund Ihres Antrages vom 23. Oktober 2013 wird gemäß § 103 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) in Bezug auf Ihre Einkommensbesteuerung in Österreich in Ausübung des Ermessens angeordnet:

1.   Die Besteuerungsgrundlage wird mit 33 % der insgesamt im Besteuerungszeitraum erzielten Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit festgesetzt. Bei der Festsetzung der Steuer ist der nicht in die Besteuerungsgrundlage fallende Betrag der Einkünfte zu berücksichtigen (Progressionsvorbehalt).

2.   Eine Anrechnung ausländischer Steuern ist ausgeschlossen.

3.   Die vorstehende Begünstigung gilt für die Jahre 2014 bis einschließlich 2016.“

8        In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt:

„Auf Grund des glaubhaft gemachten Weiterbestandes der entscheidungsrelevanten Umstände konnte die Zuzugsbegünstigung, wie in der Begründung des Bescheides vom 19. April 2011 [...] in Aussicht gestellt, für die Jahre 2014 bis einschließlich 2016 verlängert werden.

Die Zuzugsbegünstigung kann für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens erteilt werden. Wie schon im Erstbescheid begründend ausgeführt, kann dies für einen Zeitraum von drei Jahren angenommen werden. Es wird die neuerliche Weitergewährung dieser Begünstigung bei Vorliegen der Voraussetzungen in Aussicht gestellt.“

9        Am 20. März 2014 gab die mitbeteiligte Partei ihren Rücktritt vom aktiven Skisport bekannt.

10       Aufgrund einer bei der mitbeteiligten Partei durchgeführten, die Jahre 2011 bis 2014 umfassenden, abgabenbehördlichen Prüfung wurde der erklärungsgemäß ergangene Einkommensteuerbescheid 2014 mit Bescheid vom 19. Juni 2017 gemäß § 299 BAO aufgehoben und ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen, der die Zuzugsbegünstigung nur mehr für die Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit bis zum 20. März 2014 berücksichtigte. Einkünfte aus Werbeleistungen, die nach Karriereende erbracht wurden, sowie Einkünfte, die nach Ansicht des Finanzamtes weder solche aus einer Sportlertätigkeit darstellten noch aus Werbetätigkeiten stammten, wie die Moderatorentätigkeit bei der Übertragung von Skirennen, wurden uneingeschränkt der Besteuerung unterzogen.

11       In der Beschwerde gegen diesen Einkommensteuerbescheid begehrte die mitbeteiligte Partei, dass dem Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 entsprechend nur 33 % ihrer Einkünfte „als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage Eingang fänden. Sie brachte vor, der Zuzugsbegünstigungsbescheid sei die entscheidende Rechtsgrundlage für die Lösung des strittigen Falles. Die Einschränkung der Begünstigung auf aktive sportliche Tätigkeiten der mitbeteiligten Partei ergebe sich weder aus § 103 EStG 1988 noch aus den Zuzugsbegünstigungsbescheiden. Aus dem Begünstigungsbescheid ergebe sich das genaue Gegenteil. Bis 2016 sei der Zuzug der mitbeteiligten Partei unabhängig von der Beendigung der Karriere im öffentlichen Interesse der Republik Österreich gelegen. Zudem sei der Zuzugsbegünstigungsbescheid nicht aufgehoben worden. In dem Zuzugsbegünstigungsbescheid sei die Möglichkeit des Erlöschens der Zuzugsbegünstigung nicht vorgesehen. Deshalb sei ein Erlöschen der Zuzugsbegünstigung nicht möglich. Der Begriff des Sportlers sei in § 103 EStG 1988 nicht definiert. Ob eine Sportlerin nach Karriereende noch als Sportlerin im Sinne des § 103 EStG 1988 gelte, sei eine Rechtsfrage, die sich nicht mit der Verkehrsauffassung lösen lasse. In § 103 EStG 1988 werde auf die „Förderung des Sports“ abgestellt. Der Gesetzgeber habe diesen Begriff weit gefasst. Der auf Grundlage des § 103 EStG 1988 erlassene Zuzugsbegünstigungsbescheid falle unter den Anwendungsbereich des § 294 BAO. Die von einem Widerrufsvorbehalt erfasste Änderung eines Sachverhaltes berechtige, die Wirkungen eines Begünstigungsbescheides zu versagen, wenn das in § 294 BAO skizzierte Verfahren eingehalten werde. Die Versagung einer durch Bescheid zugesagten Begünstigung habe mit gesondertem Bescheid zu erfolgen, der auch als solcher bekämpfbar sei. Mangels Widerrufs des Begünstigungsbescheides durch das Bundesministerium für Finanzen sei der bekämpfte Einkommensteuerbescheid 2014 rechtswidrig.

12       Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 wurde - auf entsprechenden Antrag - ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

13       Bei der Veranlagung für die Jahre 2015 und 2016 wich das Finanzamt von den Erklärungen ab, indem es die Zuzugsbegünstigung nicht berücksichtigte. Gegen diese Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerden, die antragsgemäß ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurden. Die Mitbeteiligte begehrte, dass dem Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 entsprechend nur 33 % ihrer Einkünfte der Besteuerung unterzogen würden.

14       Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden statt. Begründend führte es aus, der Bundesminister für Finanzen habe aufgrund des Antrages der Mitbeteiligten vom 13. Oktober 2013 zunächst mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 und sodann nochmals mit Bescheid vom 2. Jänner 2014 die Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988 erteilt. Der letztgenannte Bescheid sei, weil bei seinem Ergehen die Sache bereits durch den erstgenannten Bescheid entschieden gewesen sei, rechtswidrig ergangen. Der später ergangene Bescheid derogiere dennoch den in derselben Sache früher ergangenen Bescheid; bis zur Aufhebung des wegen entschiedener Sache rechtswidrig erlassenen Bescheides verdränge er den früheren Bescheid. Somit sei (nur) der Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 im Rechtsbestand.

15       Der Spruch dieses den Einkommensteuerbescheiden 2014 bis 2016 zugrundeliegenden Begünstigungsbescheides des Bundesministers für Finanzen vom 2. Jänner 2014 enthalte weder eine auflösende Bedingung noch eine Widerrufsklausel für den Fall einer Änderung des zugrundeliegenden Sachverhaltes, wie beispielsweise den Fall der Beendigung der aktiven Sportlerlaufbahn. Da es sich bei diesem Bescheid im Sinne des § 103 EStG 1988 um einen Begünstigungsbescheid handle, könne dieser nur unter den Voraussetzungen des § 294 BAO zurückgezogen werden. Als grundlagenähnlicher Bescheid entfalte der Zuzugsbegünstigungsbescheid materielle Auswirkungen auf die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016. Der Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 habe Rechtskraft erlangt und sei sohin bis Ende 2016 gültig. Der Ansicht, dass im gegenständlichen Fall der Begriff „Sportlerin“ auslegungsbedürftig sei und die gegenständlich gewährte Begünstigung nur für Einkünfte aus einer aktiven Sportausübung zustehe und demzufolge Einkünfte, die nicht in Zusammenhang mit der aktiven sportlichen Tätigkeit stünden, dem gegenständlichen Bescheidspruch entsprechend nicht begünstigt seien, könne nicht gefolgt werden, weil der in Rechtskraft erwachsene Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 keine bescheidmäßige Änderung oder Zurücknahme im Sinne des § 294 BAO erfahren habe. Er sei sohin uneingeschränkt bis zum Ende des Kalenderjahres 2016 gültig. Der durch den Bundesminister für Finanzen erlassene und in Rechtskraft erwachsene Bescheid gemäß § 103 EStG 1988 vom 2. Jänner 2014 entfalte als grundlagenähnlicher Bescheid Bindungswirkung für die Abgabenbehörde. Mit diesem Bescheid des Bundesministers für Finanzen gehe die Rechtsfolge der begünstigten Besteuerung der Einkünfte der mitbeteiligten Partei in den jeweiligen durch die Abgabenbehörde zu erlassenden Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2014 bis 2016 einher. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

16       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe verkannt, dass der bis 2016 gültige Zuzugsbegünstigungsbescheid ab Karriereende der mitbeteiligten Partei ins Leere gehe. Es habe sich nicht mit der Auslegung des Begriffes „Sportler“ beschäftigt. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Sportlerbegriff des § 103 EStG 1988.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:

18       Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

19       § 103 EStG 1988 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 180/2004 lautet:

Zuzugsbegünstigung

§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter § 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.

(2) Abs. 1 ist auf Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen aus Österreich wegverlegt haben, nur dann anzuwenden, wenn zwischen diesem Wegzug und dem Zuzug mehr als zehn Jahre verstrichen sind.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, mit Verordnung näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde in öffentlichem Interesse gelegen ist.“

20       Gemäß § 103 Abs. 1 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen unter näher genannten Voraussetzungen die aus einem Zuzug ins Inland resultierenden steuerlichen Mehrbelastungen beseitigen, und zwar ua durch Festsetzung der Besteuerungsgrundlage. Im gegenständlichen Fall hat der Bundesminister für Finanzen mit Bescheid vom 2. Jänner 2014 von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und für die Jahre 2014 bis 2016 die einkommensteuerlich zu erfassende Besteuerungsgrundlage mit bloß 33 % der „Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ festgesetzt.

21       Das Bundesfinanzgericht geht zutreffend davon aus, dass dieser Bescheid vom 2. Jänner 2014, solange er dem Rechtsbestand angehört, Bindungswirkung für die Einkommensteuerverfahren der Jahre 2014 bis 2016 entfaltet.

22       Die Bindungswirkung des Bescheides vom 2. Jänner 2014 ergibt sich dabei aus dem Inhalt des Bescheidspruchs, welcher durch Interpretation zu ermitteln ist.

23       Der Spruch eines Bescheides ist im Zusammenhang mit dessen Begründung zu verstehen, wenn am Inhalt des Spruchs Zweifel bestehen. Die Begründung eines Bescheides kann daher zur Auslegung seines Spruches herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 31.1.2019, Ra 2017/15/0010, mwN). Im gegenständlichen Fall bestehen Zweifel an der Bedeutung der im Bescheidspruch enthaltenen Formulierung „Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“.

24       Das Bundesfinanzgericht ist davon ausgegangen, dass es sich mit der Frage, ob die mitbeteiligte Partei noch Einkünfte als Sportlerin bezieht, wenn sie ihre aktive Karriere eingestellt hat, nicht auseinandersetzen müsse, weil der Bescheid des Bundesministers für Finanzen ein grundlagenähnlicher Bescheid sei, der - mangels Aufhebung - weiterhin in Geltung stehe. Es übersieht dabei aber, dass erst durch eine Interpretation dieses Bescheides ermittelt werden muss, welche Einkünfte der Bescheid mit der Formulierung „Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ erfassen will.

25       Aus dem Spruch des Zuzugsbegünstigungsbescheides vom 2. Jänner 2014 ergibt sich, dass dessen normativer Inhalt darin besteht, die mit dem Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 19. April 2011 gewährte Begünstigung für die Jahre 2014 bis 2016 zu verlängern, sodass die Spruchpunkte 1 und 2 des Bescheides vom 19. April 2011 auch für die Jahre 2014 bis 2016 Anwendung finden. Die Begründung des Bescheides vom 2. Jänner 2014 erhellt nicht unmittelbar, was der Bescheid unter „Einkünfte als Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ verstanden wissen will. Spruch samt Begründung zeigen aber auf, dass der Bescheid jene Zuzugsbegünstigung, die im Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 19. April 2011 gewährt worden ist, „verlängert“. Solcherart muss zur Interpretation des Bescheides vom 2. Jänner 2014 auf den Bescheid vom 19. April 2011 zurückgegriffen werden.

26       Aus der Begründung des Bescheides vom 19. April 2011 ergibt sich, dass die Festlegung der Begünstigung in Anlehnung an die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Ermittlung des Einkommens von Sportlern („Sportler-Verordnung“), BGBl II Nr. 418/2000, erfolgt ist. Die Sportler-Verordnung ermöglicht die pauschale Ermittlung der „Einkünfte aus der Tätigkeit als Sportler einschließlich der Werbetätigkeit“ (§§ 1 und 2 der Verordnung) unter der Voraussetzung, dass der Sportler nicht nur in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, sondern zudem im Kalenderjahr überwiegend im Rahmen von Sportveranstaltungen (Wettkämpfen, Turnieren) im Ausland auftritt (§ 1 der Verordnung). Die Begründung des Bescheides vom 19. April 2011 betont ausdrücklich, dass das Erfordernis des überwiegenden Auftritts im Ausland nicht übernommen werde.

27       Aus der Begründung des Bescheides vom 19. April 2011 folgt somit, dass dieser Bescheid mit den Einkünften als „Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ Einkünfte aus jenen Arten von Betätigungen erfassen will, die auch von der Sportler-Verordnung erfasst sind. Da der Bescheid vom 2. Jänner 2014 die Begünstigung inhaltlich unverändert verlängern will, gilt dies auch für diesen Bescheid. Für diese Interpretation des Spruchs der beiden Bescheide spricht auch der Umstand, dass die den Bescheiden zugrundeliegenden Anträge der mitbeteiligten Partei vom 30. März 2011 und vom 23. Oktober 2013 (weitgehend gleichlautend) zum Ausdruck bringen, dass inhaltlich jene Begünstigung angestrebt wird, die sich aus der Sportler-Verordnung ergibt, allerdings unabhängig davon, ob in den einzelnen Jahren die in dieser Verordnung vorgesehene Voraussetzung des überwiegenden Auftritts im Ausland erfüllt wird.

28       Den persönlichen Anwendungsbereich der Sportler-Verordnung bilden Sportler, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sind und im Kalenderjahr überwiegend im Rahmen von Sportveranstaltungen (Wettkämpfen, Turnieren) im Ausland auftreten (vgl. VwGH 22.3.2018, Ro 2017/15/0045). Wie bereits ausgeführt, knüpfen die Zuzugsbegünstigungsbescheide vom 19. April 2011 und vom 2. Jänner 2014 nicht an das Erfordernis der Auslandauftritte an. Aus deren Bezugnahme auf die Sportler-Verordnung ergibt sich jedoch, dass der Spruch dieser Bescheide mit Einkünften als Sportlerin darauf abstellt, dass die betreffende Person (Sportlerin) im jeweiligen Kalenderjahr (noch) an Sportveranstaltungen (Wettkämpfen, Turnieren) teilgenommen hat. Erklärt eine Sportlerin während des Kalenderjahres offiziell ihren Rücktritt, dann ist sie zudem nur bis zu diesem Zeitpunkt als Sportlerin anzusehen.

29       Die im Spruch der gegenständlichen Zuzugsbegünstigungsbescheide enthaltene, den Formulierungen in §§ 1 und 2 der Sportler-Verordnung entsprechende Wortgruppe „einschließlich“ der Werbetätigkeit ist dahingehend zu verstehen, dass Werbeeinnahmen nur dann der begünstigten Besteuerung unterliegen sollen, wenn auch Einkünfte aus einer Sportlertätigkeit vorliegen. Einkünfte, die nicht solche aus einer Sportlertätigkeit darstellen und keine Werbeeinnahmen sind, - wie etwa solche aus der Teilnahme an Konferenzen - unterliegen auch in der Zeit als aktive Sportlerin nicht der begünstigten Besteuerung.

30       Das Bundesfinanzgericht hat es in Verkennung der Rechtslage unterlassen, eine Interpretation des Spruches des Bescheides vom 2. Jänner 2014 vorzunehmen, und folglich auch verkannt, dass der Bescheid mit den Einkünften als „Sportlerin einschließlich der Werbetätigkeit“ dem Inhalt nach jene Arten von Einkünften erfasst, die von der Sportler-Verordnung erfasst werden.

31       Da auch die mit 21. September 2016 in Kraft getretene Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl II Nr. 2016/261, zu keinem anderen Ergebnis führte, braucht nicht geprüft zu werden, ob diese, insbesondere deren Übergangsbestimmung (§ 10 Abs. 3 der Verordnung), auch die gegenständliche Konstellation erfassen könnte.

32       Soweit die Einkünfte nicht vom Zuzugsbegünstigungsbescheid vom 2. Jänner 2014 erfasst sind, wird die Einkommensbesteuerung nach den allgemeinen Grundsätzen - unter Beachtung der einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen - zu erfolgen haben.

33       Das Bundesfinanzgericht hat somit die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 18. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150088.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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