TE Vwgh Beschluss 2021/1/21 Ra 2021/18/0005

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Veröffentlicht am 21.01.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
19/05 Menschenrechte
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
FrÄG 2009
FrÄG 2015
FrPolG 2005 §50 Abs1
FrPolG 2005 §51
FrPolG 2005 §52 Abs9
MRK Art3
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des D E, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2020, I410 2227585-1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte erstmals am 27. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass es in Nigeria keine Arbeit gegeben habe.

2        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 6. April 2017, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) wegen Zuständigkeit Italiens als unzulässig zurückgewiesen wurde, mit Erkenntnis vom 12. Mai 2017 als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Der Revisionswerber entzog sich dem Vollzug der Überstellung nach Italien, indem er untertauchte und ab dem 12. Juni 2017 nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war.

3        Am 3. Dezember 2019 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen damit begründete, im Falle seiner Rückkehr der Gefahr einer politischen Verfolgung ausgesetzt zu sein, weil es in seiner Heimatstadt Benin City im Jahr 2014 im Rahmen von Wahlen zu einer Auseinandersetzung zweier konkurrierender Parteien gekommen sei und er sich für die Jugendorganisation einer dieser Parteien engagiert habe.

4        Mit Bescheid vom 14. Jänner 2020 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Behörde sprach weiters aus, dass keine Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.), erließ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Revisionswerber (Spruchpunkt VIII.) und trug ihm auf, in einem näher genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt IX.).

5        Mit Teilerkenntnis vom 29. Jänner 2020 gab das BVwG der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte VI., VII. und IX. des Bescheides statt und behob diese ersatzlos.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. Dezember 2020 wies das BVwG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Erkenntnisses betrage. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7        Begründend führte das BVwG aus, dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei aufgrund seiner vagen Angaben, ausweichenden Antworten sowie widersprüchlichen Angaben zum fluchtauslösenden Ereignis die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Selbst im Falle einer Wahrunterstellung sei ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in einem anderen Landesteil Nigerias zumutbar, zumal er seinen eigenen Angaben zufolge die letzten eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise unbehelligt in Kano State gelebt habe. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz hielt das BVwG fest, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass dem grundsätzlich gesunden und erwerbsfähigen Revisionswerber mit Schulbildung und Arbeitserfahrung im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Ganz allgemein bestehe in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung (insbesondere) im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung führte das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG durch und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen. In Bezug auf das erlassene Einreiseverbot führte das BVwG aus, der in sprachlicher und beruflicher Hinsicht nur gering integrierte Revisionswerber sei vor dem Hintergrund seiner Angaben in der Beschwerdeverhandlung von privaten bzw. karitativen Zuwendungen abhängig und sei daher von dessen Mittellosigkeit im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auszugehen. Das BFA habe zudem das Gesamtverhalten des Revisionswerbers zutreffend als geeignet bewertet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe sich von „gefestigter Rechtsprechung“ entfernt. Der Revisionswerber wäre im Falle einer Rückkehr nach Nigeria einer existentiellen Notlage ausgesetzt, da er aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Situation keine Verdienstmöglichkeiten und keine Perspektive habe, zumal er sich schon über viereinhalb Jahre außerhalb seines Herkunftsstaates aufhalte. Eine solche Notlage sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter § 50 FPG zu subsumieren.

9        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die Zulässigkeitsbegründung der Revision wendet sich erkennbar gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz sowie gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits erkannt, dass der Prüfungsmaßstab nach § 50 Abs. 1 FPG mit jenem nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übereinstimmt. Ein inhaltliches „Auseinanderfallen“ der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG andererseits ist - jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts - daher ausgeschlossen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0399, mwN).

14       Das BVwG zog im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes das zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderinformationsblatt vom 23. November 2020 heran und setzte sich mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinander. Beim Revisionswerber handelt es sich nach den Feststellungen des BVwG um einen gesunden und erwerbsfähigen Mann, der über Schulbildung sowie Berufserfahrung verfüge, dessen vier Geschwister nach wie vor in Nigeria lebten und der Rückkehr- und Reintegrationshilfe in Anspruch nehmen könne.

15       Die Revision, die sich in der Behauptung erschöpft, der Revisionswerber würde aufgrund der fehlenden Verdienstmöglichkeiten und der Perspektivenlosigkeit in seinem Herkunftsstaat im Falle einer Rückkehr in eine existentielle Notlage geraten, ohne dies (unter Bezugnahme auf Länderberichte) durch ein entsprechend konkretisiertes Vorbringen zu untermauern, legt nicht dar, dass die Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen würde (vgl. zur erforderlichen Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz etwa VwGH 7.9.2020, Ra 2020/18/0273, mwN).

16       Im Übrigen reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (vgl. VwGH 3.12.2020, Ra 2020/19/0108, mwN).

17       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Jänner 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180005.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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