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41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M D, vertreten durch Mag. Anatol Schürer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Kaisergasse 10, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2020, W107 2201000-1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara aus der Provinz Ghazni, stellte am 9. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er zusammengefasst damit, aufgrund seiner beruflichen Zusammenarbeit mit Amerikanern von Mitgliedern der Taliban bedroht und beschossen worden zu sein.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 5. Juni 2018 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber zwar von 2006 bis 2010 in einem afghanisch-amerikanischen Joint Venture gearbeitet habe und daran anschließend einige Monate bei Bauprojekten in militärischen Camps, unter anderem von amerikanischen Soldaten, tätig gewesen sei. Dass er aus diesem Grund durch Mitglieder der Taliban verfolgt und mit dem Tod bedroht worden sei, sei jedoch aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft. Dem Revisionswerber drohe auch keine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara. Zur Nichterteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hielt das BVwG fest, dass dem Revisionswerber aus sicherheitsbezogenen Aspekten zwar keine Rückkehr in seine Herkunftsregion Ghazni, jedoch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative unter anderem in Mazar-e Sharif ohne maßgebliche Gefahr der Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte möglich und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände zumutbar sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in der Begründung ihrer Zulässigkeit die Beweiswürdigung des BVwG beanstandet. Zudem weiche die angefochtene Entscheidung von der hg. Rechtsprechung ab, indem sie das Vorliegen eines Asylgrundes verneine, nur weil der Aussage des Revisionswerbers betreffend konkrete Verfolgungshandlungen nicht geglaubt werde. Bezüglich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei unberücksichtigt geblieben, dass der Revisionswerber zur Minderheit der Hazara gehöre. In diesem Zusammenhang fehle es an Rechtsprechung, ob die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch dann zulässig sei, wenn ein Angehöriger einer diskriminierten Minderheit faktisch gezwungen werde, an einen Ort zurückzukehren, der mehrheitlich von einer anderen Bevölkerungsgruppe bewohnt werde.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision wendet sich zunächst erkennbar gegen die Beweiswürdigung des Erkenntnisses des BVwG. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.10.2020, Ra 2020/18/0374, mwN).
11 Das BVwG stützte die Annahme der Unglaubhaftigkeit der behaupteten Probleme des Revisionswerbers mit den Taliban beweiswürdigend auf mehrere, im Einzelnen genannte Widersprüche zwischen den Angaben des Revisionswerbers im Behördenverfahren einerseits und vor dem BVwG andererseits, etwa zur zeitlichen Einordnung der behaupteten Angriffe, und wertete die vom Revisionswerber behauptete Vorgehensweise der Taliban, nämlich dass zwischen den Angriffen der Taliban mehrere Jahre gelegen seien, als unplausibel. Weiters sei - so das BVwG - eine der Glaubhaftigkeit schädliche Steigerung des Fluchtvorbringens darin zu erkennen, dass der Revisionswerber erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht habe, von den Taliban in einem Gefängnis festgehalten worden zu sein. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würden, vermag die Revision mit der bloßen Behauptung einer „unrichtigen Beweiswürdigung“ nicht darzutun.
12 Wenn die Revision weiters - unter dem Gesichtspunkt der Abweichung von der hg. Rechtsprechung - vorbringt, der bloße Umstand, dass der Aussage des Revisionswerbers betreffend konkrete Verfolgungshandlungen nicht geglaubt werde, könne nicht die Verneinung des Vorliegens eines Asylgrundes zur Konsequenz haben, es reiche vielmehr aus, dass Verfolgungshandlungen zu befürchten seien, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:
13 Richtig ist zwar, dass es für die Asylgewährung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Verfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. etwa VwGH 26.11.2020, Ra 2020/18/0384, mwN).
Im vorliegenden Fall hat das BVwG allerdings nicht nur die Vorverfolgung des Revisionswerbers nicht geglaubt, sondern in seiner Begründung auch näher dargelegt, warum es prognostisch auch für den Fall der Rückkehr des Revisionswerbers nach Afghanistan keine asylrelevante Verfolgungsgefahr erkennen konnte. Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.
14 Die Revision wendet sich weiters gegen die Nichtgewährung subsidiären Schutzes und bringt dazu vor, das BVwG habe in den Erwägungen, ob dem Revisionswerber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative möglich und zumutbar sei, nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber der Volksgruppe der Hazara und somit einer Minderheit angehöre.
15 Die Revision legt allerdings nicht dar, weshalb dem Revisionswerber allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative genommen sei, und zeigt damit die Relevanz des behaupteten Begründungsmangels nicht auf (zur Notwendigkeit einer Relevanzdarlegung vgl. VwGH 10.6.2020, Ra 2020/18/0068, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180448.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021