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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §68 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Vorstands für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria in Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2020, Zl. W114 2232848-1/2E, betreffend Direktzahlung für das Antragsjahr 2019 (mitbeteiligte Parteien: 1. E F und 2. S F, beide in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Am 14. Februar 2018 beantragten Christa und Ernst N. als übergebende Bewirtschaftende und die mitbeteiligten Parteien als übernehmende Bewirtschaftende die Übertragung von 2,4608 Zahlungsansprüchen mit Flächenweitergabe. Im entsprechenden Formular der Agrarmarkt Austria (AMA) wurde als Rechtsgrundlage dieser Übertragung „KAUF/ÜBERGABE/SCHENKUNG“ angekreuzt.
2 Am 3. April 2018 beantragten die mitbeteiligten Parteien im Rahmen ihres Mehrfachantrags-Flächen (MFA) für das Antragsjahr 2018 die Gewährung von Direktzahlungen für Flächen in einem bestimmten Gesamtausmaß. In der diesem Antrag angeschlossenen Feldstückliste wurden (unter anderen) die Feldstücke Nrn. 60, 61, 62 und 63 mit einer Gesamtfläche von 2,4608 ha und der Schlagnutzungsart „Sonstige Weinflächen“ bzw. „Sonstige Ackerflächen“ ausgewiesen.
3 Am 8. Jänner 2019 beantragten die mitbeteiligten Parteien als übergebende Bewirtschaftende und die Biohof S. GesbR (vertreten durch Erich S.) als übernehmende Bewirtschaftende die Übertragung von 2,3036 Zahlungsansprüche mit Flächenweitergabe. Im Formular der AMA wurde als Rechtsgrundlage dieser Übertragung „PACHT“ angekreuzt.
4 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 9. Jänner 2019 wurde den mitbeteiligten Parteien für das Antragsjahr 2018 Direktzahlungen in der Höhe von insgesamt € 3.180,15 gewährt. Unter einem wurde der Antrag auf Übertragung der 2,4608 Zahlungsansprüche mit Flächenweitergabe vom 14. Februar 2018 abgewiesen.
5 Zu letzterem hielt die revisionswerbende Partei begründend fest, die Feldstücke Nrn. 60, 61, 62 und 63 könnten nicht als beihilfefähige Flächen für die Basisprämie berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der MFA 2017 (der Christa und des Ernst N.) und 2018 (der mitbeteiligten Parteien) habe keine Flächenübertragung zwischen Übergeber und Übernehmer nachgewiesen werden können.
6 Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
7 Am 29. März 2019 beantragten die mitbeteiligten Parteien im Rahmen ihres MFA für das Antragsjahr 2019 die Gewährung von Direktzahlungen für Flächen in einem bestimmten Gesamtausmaß.
8 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 10. Jänner 2020 wurde den mitbeteiligten Parteien für das Antragsjahr 2019 Direktzahlungen in der Höhe von € 3.247,21 gewährt. Unter einem wurde dem Antrag auf Übertragung von Zahlungsansprüchen mit Flächenweitergabe vom 8. Jänner 2019 teilweise stattgegeben.
9 Zu letzterem hielt die revisionswerbende Partei begründend fest, das Feldstück Nr. 60 könne nicht als beihilfefähige Fläche für die Basisprämie berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der MFA 2018 (der mitbeteiligten Parteien) und 2019 (der Biohof S. GesbR) habe eine Flächenübertragung zwischen Übergeber und Übernehmer nicht im beantragten Ausmaß nachgewiesen werden können. Die mitbeteiligten Parteien hätten 2,3033 ha an einen anderen Bewirtschafter übertragen und stünden ihnen diese für die Basisprämie (ohne Greeninganteil) nicht zur Verfügung.
10 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde, der das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis stattgab (Spruchpunkt I.). Es änderte den Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 10. Jänner 2020 insoweit ab, als den mitbeteiligten Parteien für das Antragsjahr 2019 - abzüglich von 2,3033 auf die Biohof S. GesbR übertragenen Zahlungsansprüchen - 13,6725 Zahlungsansprüche zur Verfügung stünden und ihnen damit auf der Grundlage dieser Zahlungsansprüche für das Antragsjahr 2019 Direktzahlungen zu gewähren seien (Spruchpunkt II.). Unter einem trug es der revisionswerbenden Partei auf, gemäß den Vorgaben im angefochtenen Erkenntnis die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis den mitbeteiligten Parteien bescheidmäßig mitzuteilen (Spruchpunkt III.). Die ordentliche Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
11 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Übertragung von 2,4608 Zahlungsansprüchen mit Flächenweitergabe vom 14. Februar 2018 zwischen dem Betrieb der Christa und des Ernst N. und dem Betrieb der mitbeteiligten Parteien habe „rechtskonform unter Beachtung aller hiefür in Betracht kommenden und in dieser Entscheidung aufgelisteten Rechtsvorschriften“ stattgefunden.
12 Wenn die revisionswerbende Partei die Ansicht vertrete, dass die mitbeteiligten Parteien nach der Flächenübertragung im Zuge des diesbezüglich gestellten Antrags die übertragenen Feldstücke im MFA 2018 nicht als „sonstige Weinflächen“ bzw. als „sonstige Ackerflächen“ hätten beantragen dürfen, so mangle es nach Auffassung des erkennenden Gerichts an einer diesbezüglichen Rechtsvorschrift. Die Flächenübertragungen hätten stattgefunden und die mitbeteiligten Parteien hätten auch rechtskonform diese übertragenen Feldstücke in ihren MFA 2018 aufgenommen.
13 Daran anschließend gelangte das Verwaltungsgericht zusammengefasst zu der Ansicht, dass sonstige Ackerflächen und sonstige Weinflächen jedenfalls nicht beihilfefähig seien, weshalb diese Flächen bei der Gewährung von Direktzahlungen - so wie dies im vorliegenden Fall „rechtskonform“ in Bezug auf das Antragsjahr 2018 erfolgt sei - nicht berücksichtigt würden und der Bewirtschafter damit auf Einkommen verzichte.
14 Da jedoch nach Meinung des Verwaltungsgerichts eine Flächenübertragung gemäß der beantragten Übertragung von Zahlungsansprüchen stattgefunden habe, „wäre im nicht angefochtenen Bescheid [der revisionswerbenden Partei] vom 9. Jänner 2019 [...] dem Antrag [vom 14. Februar 2018] stattzugeben gewesen.“
15 Zur „Frage nach den Konsequenzen“ der Abweisung dieses Antrags gelangte das Verwaltungsgericht zur Auffassung, dass infolge Rechtskraft des Bescheids der revisionswerbenden Parteien vom 9. Jänner 2019 diese Entscheidung vom Verwaltungsgericht weder aufgehoben noch abgeändert werden dürfe. Lediglich die revisionswerbende Partei selbst hätte es gemäß § 19 Abs. 2 MOG 2007 in der Hand, diesen Bescheid von Amts wegen abzuändern.
16 Tatsache sei aber auch, dass die Übertragung von 2,4608 Zahlungsansprüchen samt Flächenübertragung - unabhängig vom Abspruch im Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 9. Jänner 2019 - „rechtskonform“ erfolgt sei und den mitbeteiligten Parteien in unmittelbarer Anwendung der (im Erkenntnis wiedergegebenen) europarechtlichen Rechtsgrundlagen für das Antragsjahr 2018 15,9758 Zahlungsansprüche zur Verfügung gestanden hätten, wovon einmalig im Antragsjahr 2018 2,4608 Zahlungsansprüche nicht genutzt worden (und damit auch nicht in die Nationale Reserve zurückgefallen) seien.
17 In weiterer Folge bedeute das, dass den mitbeteiligten Parteien für das verfahrensgegenständliche Antragsjahr 2019 „ebenfalls“ 13,5151 Zahlungsansprüche zur Verfügung gestanden wären, wovon sie auf der Grundlage des Antrags auf Übertragung vom 8. Jänner 2019 2,3036 Zahlungsansprüche (an die Biohof S. GesbR) übertragen hätten und die verbleibenden 13,6725 Zahlungsansprüche für von ihnen beantragte beihilfefähige Flächen mit einem Ausmaß vom 13,6736 ha zur Gänze selbst in Anspruch genommen hätten, wofür ihnen auch die entsprechenden Direktzahlungen (Basisprämie und darauf aufbauende Greeningprämie) in entsprechender Höhe zu gewähren seien.
18 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht folgendermaßen:
„Es liegt für die gegenständliche Konstellation, nämlich, dass nach einer Übertragung von ZA [Zahlungsansprüchen] mit Flächenweitergabe die entsprechenden Flächen vom Übernehmer im Jahr der Übertragung auch verpflichtend als prämienfähig im MFA zu beantragen sind, damit die ZA als übertragen qualifiziert werden können, eine [offenkundig gemeint: keine] Entscheidung des VwGH bzw. des EUGH vor. Es ist zu erwarten, dass derartige Konstellationen auch in Zukunft vom erkennenden Gericht zu entscheiden sein werden, wodurch sich die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage ergibt.“
19 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
20 Die mitbeteiligten Parteien haben keine Revisionsbeantwortung erstattet.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
22 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehltoder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
23 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
24 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
25 In der - für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision allein maßgebenden - Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird über die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage hinaus vorgebracht, dieses sei in wesentlichen Punkten von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es habe sich über den rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Jänner 2019, mit dem der Antrag der mitbeteiligten Parteien vom 14. Februar 2018 auf Übertragung von Zahlungsansprüchen abgewiesen worden sei, hinweggesetzt. Aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft folge grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung, die selbstverständlich auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten sei (Hinweis auf VwGH 19.1.2016, Ra 2015/01/0070; 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; im Zusammenhang mit Zahlungsansprüchen insbesondere auf VwGH 18.5.2009, 2009/17/0051).
26 Indem das Verwaltungsgericht lapidar ausführe, die den mitbeteiligten Parteien im Jahr 2019 zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche bestünden unabhängig vom Abspruch der revisionswerbenden Partei (im genannten rechtskräftigen Bescheid), verkenne es die Rechtslage und weiche von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
27 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig und - im Ergebnis - begründet.
28 Im Rahmen der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik 2014 bis 2020 ist im Revisionsfall die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 maßgeblich.
29 Nach deren Art. 1 werden mit dieser Verordnung gemeinsame Vorschriften für die Betriebsinhabern direkt gewährten Zahlungen im Rahmen der in Anhang I näher aufgeführten Stützungsregelungen („Direktzahlungen“) und spezifische Regelungen für - unter anderem - eine Basisprämie für Betriebsinhaber („Basisprämienregelung“) und Zahlungen an Betriebsinhaber, die dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden einhalten (in Österreich „Greeningprämie“ genannt), festgelegt.
30 Für den vorliegenden Fall ist relevant, dass gemäß Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 die Basisprämienregelung von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden kann, die Zahlungsansprüche im Rahmen der Verordnung durch Erstzuweisung nach Maßgabe des Art. 24 oder durch Übertragung gemäß Art. 34 erhalten.
31 Nach Art. 24 Abs. 1 der Verordnung werden Zahlungsansprüche den Betriebsinhabern, die gemäß Art. 9 der Verordnung zum Bezug von Direktzahlung berechtigt sind, zugewiesen, sofern sie außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände, bis zu einem von den Mitgliedstaaten festzusetzenden Termin für die Einreichung von Anträgen im Jahr 2015 die Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Basisprämienregelung beantragen.
32 Nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung ist die Anzahl der je Betriebsinhaber im Jahr 2015 zugewiesenen Zahlungsansprüche grundsätzlich gleich der Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die der Betriebsinhaber in seinem Beihilfeantrag für 2015 anmeldet und die ihm zu einem von dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt zur Verfügung stehen.
33 Nach Art. 34 Abs. 1 der Verordnung dürfen diese Zahlungsansprüche grundsätzlich an nach Maßgabe von Art. 9 zum Bezug von Direktzahlungen berechtigte Betriebsinhaber, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind, übertragen werden.
34 Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 641/2014 teilt im Fall der Übertragung gemäß Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 der Übertragende der zuständigen Behörde - somit vorliegend der revisionswerbenden Partei - die Übertragung innerhalb einer vom Mitgliedstaat festzusetzenden Frist mit.
35 Nach Art. 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung findet die Übertragung wie in der Mitteilung angegeben statt, sofern die zuständige Behörde keine Einwände gegen die Übertragung erhebt. Die zuständige Behörde kann nur dann Einwände gegen eine Übertragung erheben, wenn diese nicht gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, der delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 und der Durchführungsverordnung erfolgt. Die zuständige Behörde teilt dem Übertragenden ihre Einwände baldmöglichst mit.
36 Aus diesem System erhellt, dass die Gewährung von Direktzahlungen an Betriebsinhaber auf der Grundlage von Zahlungsansprüchen erfolgt, die ihnen erstmals auf Basis ihrer beihilfefähigen Hektarflächen des Antragsjahres 2015 zugewiesen wurden. Der Wert dieser Zahlungsansprüche kann sich in den Folgejahren jedoch etwa aufgrund von Übertragungen nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, denen die zuständige nationale Behörde zuzustimmen hat, ändern.
37 Im vorliegenden Fall hat die revisionswerbende Partei die im Jahr 2018 begehrte Übertragung von 2,4608 auf die mitbeteiligten Parteien mit dem unstrittig rechtskräftigen Bescheid vom 9. Jänner 2019 allerdings abgewiesen.
38 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung darf auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens, wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind. Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs. 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt.
39 Vor diesem Hintergrund haben alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar.
40 Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. zu all dem VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050, mwN).
41 Daher war auch das Verwaltungsgericht - wie es zunächst selbst erkannte - an die Rechtskraft des Bescheids der revisionswerbenden Partei vom 9. Jänner 2019 gebunden, ohne die Richtigkeit desselben noch einmal überprüfen zu dürfen. Es verkennt dabei aber offenkundig, dass die Rechtskraft dieses Bescheids auch einer neuerlichen Ermittlung der damit festgesetzten Zahlungsansprüche für das Antragsjahr 2018 - unter Zugrundelegung der in den Art. 24 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 festgelegten Grundsätze - entgegensteht (vgl. zu ähnlich gelagerten Fälle, jedoch noch in Bezug auf das alte Beihilfensystem nach der Verordnung [EG] Nr. 1782/2003: VwGH 16.5.2011, 2010/17/0118; 18.5.2009, 2009/17/0051). Aus dieser Bindungswirkung folgt zudem, dass jedes Antragsjahr auf dem Berechnungsergebnis des Vorjahres aufbaut.
42 Indem das Verwaltungsgericht jedoch davon ausging, dass die Übertragung der 2,4608 Zahlungsansprüche an die mitbeteiligten Parteien - unabhängig vom rechtskräftigen Abspruch der revisionswerbenden Partei - „rechtskonform“ erfolgt sei, setzt es sich über die Rechtskraft des genannten Bescheids hinweg.
43 Das angefochtene Erkenntnis war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
44 Auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage war nicht einzugehen, weil diese die Übertragung der 2,4608 Zahlungsansprüchen an die mitbeteiligten Parteien voraussetzt, die jedoch rechtskräftig abgewiesen wurde. Es handelt sich dabei somit um eine abstrakte Rechtsfrage, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig ist (vgl. VwGH 16.10.2020, Ra 2019/07/0088, mwN).
Wien, am 26. Jänner 2021
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020070010.J00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021