Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** L*****, und 2. V ***** GmbH, *****, beide vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde G*****, vertreten durch Lippitsch.Hammerschlag Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Einwilligung zur Einverleibung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. August 2020, GZ 5 R 61/20g-12, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 31. Jänner 2020, GZ 5 C 85/19g-8, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Die Revision der erstklagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 305,67 EUR (darin 50,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Der Revision der zweitklagenden Partei wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird im Umfang der Klagsabweisung zu Spruchpunkt 1.a.) des Ersturteils einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens betreffend die Zweitklägerin bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Mit Kaufvertrag vom 30. 4. 2010 erwarb die Zweitklägerin (diese firmierte damals unter dem Namen W***** GmbH) vom Erstkläger die Grundstücke 396/1, 396/2, 398 und 399/2 sowie Teile der Grundstücke 391/2, je KG E*****. Die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 5. 1. 2011. In diesem Kaufvertrag ist das Grundstück 628/1 KG E*****, das seit jeher im grundbücherlichen Eigentum der beklagten Gemeinde steht (öffentliches Gut), nicht erwähnt, auch nicht, dass der Erstkläger dieses Grundstück ersessen hätte.
[2] Zwischen der Beklagten als Klägerin und W***** S***** sowie der V ***** GmbH (vormaliger Name der Zweitklägerin) als Beklagte war zu 2 C 54/16x des Bezirksgerichts Leibnitz ein Verfahren wegen Unterlassung und Beseitigung anhängig. Darin behauptete die Gemeinde, dass der sogenannte „S*****weg“, bestehend aus den Grundstücken 627/1 und 628/1, je KG E*****, im öffentlichen Eigentum stehe. Der Weg führe vorbei an den angrenzenden Gründstücken der dort Zweitbeklagten 399/2, 398, 391/2 und 392/13. Die Gemeinde habe der Zweitbeklagten die Baubewilligung zur Errichtung einer Hofstelle auf dem Grundstück 399/2 erteilt. Die Errichtung des Gebäudes setze die Verlegung eines Teils des Gemeindewegs voraus, deren Durchführung mit den Beklagten vereinbart worden sei. Diesbezüglich sei auch am 29. 7. 2011 ein Vermessungsplan erstellt worden. Die Beklagten hätten vereinbarungswidrig den S*****weg nicht verlegt, sondern diesen Weg bei ihrer errichteten Hofstelle sogar durch ein Tor für die Benützung durch die Allgemeinheit versperrt. Dieses Verfahren wurde in der Verhandlung vom 19. 10. 2016 durch Vergleich beendet. Die Streitteile kamen darin unter anderem überein, dass der in der Natur bestehende Weg 628/1 der endgültige Weg im Eigentum der Gemeinde sein solle. Der exakte Wegverlauf wurde im Rahmen der Verhandlung an Ort und Stelle festgelegt, vermessen und mit Farbmarken vermarkt. Der Weg 628/1 verläuft damit im Wesentlichen wie bisher von Norden nach Süden (Planskizze ./A grün markiert), bis er – nunmehr neu – östlich in einem Bogen um die auf den Grundstücken 399/2 und 398 befindliche Hofstelle verläuft (Planskizze ./A blau markiert) und danach weiter südlich wieder mit dem bereits vorhandenen Weg (Planskizze ./A pink markiert) zusammengeführt wird. Das Grundstück 628/1 steht entsprechend der Darstellung in der Planskizze ./A (integrierender Bestandteil des Ersturteils) in grüner und blauer Farbe im Eigentum der Beklagten.
[3] Mit Vertrag vom 20. 5. 2019 verkaufte der Erstkläger der Zweitklägerin das außerbücherliche (durch behauptete Ersitzung erworbene) Eigentumsrecht an jenen Flächen, die ursprünglich zum S*****weg gehörten bzw derzeit noch gehören. Davon betroffen ist jener Teil des Wegs, welcher die Verbindung zwischen dem Sk*****weg im Norden (in etwa auf Höhe der Verbindung des nördlichen Endes des Grundstücks 399/2 und der südwestlichen Ecke des Grundstücks 361, dabei jedenfalls so, dass die Fläche an den Sk*****weg anschließt) und dem Grundstück 388 im Süden darstellt bzw dargestellt hat. Das Eigentumsrecht an jenen Flächen, die südlich der Fortsetzung der nördlich gelegenen Grenzlinie des Grundstücks 400 KG S***** liegen, verbleibt jedoch im Eigentum des Erstklägers.
[4] Die Kläger begehren die beklagte Gemeinde schuldig zu erkennen,
1. zu Gunsten des Erstklägers in die Einverleibung des Eigentumsrechts an jenen Teilen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, welche zwischen der Fortsetzung der nördlich gelegenen Grenzlinie des Grundstücks 400, KG ***** (gelegen in E*****) im Norden und dem Ende des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, im Süden liegen, somit in die Einverleibung an jenen Flächen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, die in der beiliegenden und einen Bestandteil des Urteils bildenden Planskizze ./A in pinker Farbe gekennzeichnet sind,
2. zu Gunsten der Zweitklägerin in die Einverleibung des Eigentumsrechts an jenen Teilen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, welche zwischen dem Sk*****weg im Norden und zwar auf Höhe der Verbindung des nördlichen Endes des Grundstücks 399/2 und der nordwestlichen Ecke des Grundstücks 392/10, KG ***** E*****, und im Süden in Fortsetzung der nördlich gelegenen Grenzlinie des Grundstücks 400, KG ***** (gelegen in E*****), liegen und sowohl im aktuellen Verlauf als auch vor Verlegung des Wegs im Jahr 2011 in diesem Bereich dem Grundstück 628/1 zugehört haben, somit in die Einverleibung an jenen Flächen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, die in der beiliegenden und einen Bestandteil des Urteils bildenden Planskizze ./A in grüner Farbe gekennzeichnet sind und
3. zu Gunsten der Zweitklägerin in die Einverleibung des Eigentumsrechts an jenen Flächen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, die südlich dem Sk*****weg im Norden, auf Höhe der Verbindung des nördlichen Endes des Grundstücks 399/2 und der nordwestlichen Ecke des Grundstücks 392/10, KG ***** E*****, liegen und derzeit zum Grundstück 628/1, KG ***** E***** gehören, nicht aber vor Verlegung im Jahr 2011 zum Verlauf des Grundstücks 628/1, KG ***** E***** gehört haben, somit in die Einverleibung an jenen Flächen des Grundstücks 628/1, KG ***** E*****, einzuwilligen, die in der beiliegenden und einen Bestandteil des Urteils bildenden Planskizze ./A in blauer Farbe gekennzeichnet sind.
[5] Für den Fall, dass das Klagebegehren in Punkt 2. abgewiesen werde, stellte der Erstkläger ein Eventualbegehren, in dem er die Einverleibung des Eigentums so wie es in Punkt 2. des Urteilsbegehrens dargestellt ist, jedoch zu seinen Gunsten begehrt.
[6] Dazu brachten die Kläger zusammengefasst vor, dass der Erstkläger aus dem Rechtsgrund der Ersitzung bereits vor 2010 außerbücherliches Eigentum an Flächen erworben habe, die ursprünglich zum S*****weg gehörten (also vor der Verlegung im Jahr 2016) bzw derzeit noch gehören. Bereits seit 1968 sei dieser Weg von den Eltern des Erstklägers bzw ihm als Rechtsnachfolger als Weingarten bzw landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet und über 40 Jahre lang gewartet und in Stand gehalten worden. Nur er habe den Weg über 40 Jahre lang benutzt, ein öffentlicher Verkehr habe über diesen Weg nicht stattgefunden. Auch für einen Dritten habe der Weg in der Natur den Eindruck machen müssen, dass es sich um einen Privatweg handle. Erst im Zuge des Verkaufs im Jahr 2010 sei er darauf aufmerksam geworden, dass der Weg im Grundbuch unter der Grundstücksnummer 628/1 als öffentlicher Weg der Beklagten eingetragen sei. Im Zuge des Grundstückstauschs und dem darauf aufbauenden gerichtlichen Vergleich zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten im Jahr 2016 sei die Zweitklägerin davon ausgegangen, dass der Weg 628/1 zum öffentlichen Gut gehöre. Hätte sie zum Zeitpunkt des Grundstückstauschs gewusst, dass der Erstkläger aufgrund der abgeschlossenen Ersitzung Eigentümer des eingetauschten Grundstücks 628/1 sei, dann hätte sie dem Grundstückstausch nicht zugestimmt, sondern die Flächen vom Erstkläger erworben. Da das von der Ersitzung umfasste Grundstück verlegt worden sei und somit Grundstücksidentität bestehe, begehre die Zweitklägerin die Rückübereignung der von ihr zu Gunsten des Grundstücks 628/1 aufgegebenen Flächen. Schließlich habe der Erstkläger mit Kaufvertrag vom 20. 5. 2019 das außerbücherliche Eigentumsrecht an jenem Teil des genannten Wegs, welcher im Norden beim Sk*****weg beginne und im Süden in Fortsetzung der nördlich gelegenen Grenzlinie des Grundstücks 400 ende, an die Zweitklägerin verkauft bzw den schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des Eigentums eingeräumt.
[7] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Erstkläger den Weg 628/1 nicht ersessen habe. Soweit die Zweitklägerin ihr außerbücherliches Eigentum an Teilen dieses Wegs aus dem Kaufvertrag vom 20. 5. 2019 ableite, handle es sich dabei um einen konstruierten Anspruch der Zweitklägerin im Sinne eines Umgehungsgeschäfts.
[8] Das Erstgericht wies mit Teilurteil die Klagebegehren der Zweitklägerin (Spruchpunkte 1.a. und 1.b.) sowie das Eventualbegehren des Erstklägers (Spruchpunkt 2.) ab. Aufgrund des Vergleichs im Vorverfahren sei es zu einer Übertragung des Eigentums an den in der Planskizze ./A in grün und blau dargestellten Grundstücksflächen an die Beklagte gekommen. Das Vorbringen der Zweitklägerin, sie hätte den Grundstückstausch 2010 nicht durchgeführt, wenn sie gewusst hätte, dass der Erstkläger diese Flächen bereits durch Ersitzung erworben habe, sei nicht zielführend, weil dies ein unbeachtlicher Rechtsirrtum sei. Vor diesem Hintergrund sei auch das Eventualbegehren spruchreif, weil gemäß § 1500 ABGB der Erwerber im Vertrauen auf den Grundbuchsstand eine Liegenschaft lastenfrei erwerbe, wenn er gutgläubig sei. Die Beklagte habe 2010 auf den Grundbuchsstand, der eine Ersitzung des Erstklägers nicht wiedergegeben habe, vertraut, sodass sie lastenfrei Eigentum erworben habe. Hinsichtlich des Klagehauptbegehrens des Erstklägers betreffend den in der Planskizze ./A in pinker Farbe markierten Wegteil werde das Verfahren weitergeführt.
[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Kläger nicht Folge. Da die Kläger nur formelle Streitgenossen seien, sei das Eventualbegehren des Erstklägers, das durch die Abweisung eines Hauptbegehrens der Zweitklägerin bedingt sei, prozessual nicht zulässig. Es erscheine jedoch sachgerecht, aufgrund der rügelosen Einlassung in die Verhandlung über das Eventualbegehren durch die Beklagte diesen Mangel als verbesserungsfähig anzusehen und das Eventualbegehren als (weiteres) Hauptbegehren des Erstklägers zu behandeln.
[10] Nach den Feststellungen sei die Beklagte seit dem Vergleich vom 19. 10. 2016 Eigentümerin des neu vermessenen Weggrundstücks 628/1, soweit dieses in der Planskizze ./A grün und blau eingezeichnet sei. Selbst wenn der Erstkläger spätestens im Jahr 2010 außerbücherlich Eigentum an diesen Flächen erworben hätte, hätte die Beklagte durch den Vergleich – mangels gegenteiliger Behauptung der Kläger – gutgläubig (§ 1500 ABGB) Eigentum am nunmehrigen Verlauf des Weggrundstücks 628/1 erworben. Der Vergleich über den Grundstückstausch könne aufgrund der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht erfolgreich von der Zweitklägerin angefochten werden, weil bereits in dem 2016 geführten Vorverfahren (nach Einsicht in den Vorakt) strittig gewesen sei, ob der Erstkläger Eigentum am Weggrundstück 628/1 durch Ersitzung erworben habe.
[11] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands sowohl hinsichtlich des Erstklägers als auch hinsichtlich der Zweitklägerin 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Sowohl zur Frage, ob der Abschluss eines Vergleichs über einen Wegverlauf mit vermessungstechnischer und katastertechnischer Umsetzung (hier: Tausch) einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1500 ABGB darstelle, als auch zur Frage, ob ein Eventualbegehren eines Klägers für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens eines anderen Klägers nicht überhaupt unzulässig sei und zu einer Zurückweisung dieses Eventualklagebegehrens führen müsse, liege keine Rechtsprechung vor.
[12] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Kläger. Sie beantragen die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Stattgabe der Klagebegehren der Zweitklägerin, in eventu des Eventualbegehrens des Erstklägers. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[13] In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte die Revision der Kläger zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision der Zweitklägerin ist teilweise berechtigt, jene des Erstklägers ist unzulässig.
[15] I. Erst- und Zweitkläger begründen eine einfache Streitgenossenschaft nach § 11 ZPO. Jeder der einfachen Streitgenossen ist dem Gegner gegenüber im Prozess derart selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen (§ 13 ZPO). Die Selbständigkeit der Streitgenossen im Prozess gilt auch für die Rechtsmittel (RS0126310). Die Zulässigkeit der Revision ist bei formeller Streitgenossenschaft für jeden einzelnen Streitgenossen gesondert zu beurteilen (RS0035710).
[16] II. Zur Revision der Zweitklägerin:
[17] 1.1. Die Zweitklägerin stützt ihren Anspruch auf Zustimmung zur Einverleibung ihres Eigentums an den in der Planskizze ./A in grüner und blauer Farbe gekennzeichneten Grundstücksflächen darauf, dass sie diese vom Erstkläger als Ersitzungseigentümer im Jahr 2019 erworben hätte. Soweit dieser Anspruch die in der Planskizze ./A in blauer Farbe gekennzeichneten Grundstücksflächen betrifft, also den im Jahr 2016 neu festgelegten Wegverlauf, ist er schon deshalb nicht berechtigt, weil diese Grundstücksflächen nach dem festgestellten Sachverhalt erstmals mit der grundbücherlichen Durchführung des mit dem Vergleich vom 19. 10. 2016 neu festgelegten Wegverlaufs in das Eigentum der Beklagten übertragen wurden. Vor dem Grundstückstausch standen diese Grundstücksflächen im Eigentum der Zweitklägerin, die diese wiederum im Jahr 2010 vom Erstkläger erworben hatte. Der Erstkläger konnte daher nie Ersitzungseigentümer der in der Planskizze ./A in blauer Farbe gekennzeichneten Grundstücksflächen gewesen sein. Die in der Revision aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 1500 ABGB stellen sich damit nicht. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel (Verstoß gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung) ist daher rechtlich nicht relevant.
[18] 1.2. Der Behauptung der Revision, bei dem auf der Planskizze ./A markierten blauen Teil des Weggrundstücks 628/1 handle es sich bloß um eine „Konkretisierung des Verlaufs“ des S*****wegs, sodass die geringfügige Anpassung der Lage des bereits vom Erstkläger vor 2010 ersessenen Eigentumsrecht am Weggrundstück 628/1 (in seinem ursprünglichen Verlauf) einem originären Eigentumserwerb der Beklagten entgegen stehe, widerspricht schon der von der Zweitklägerin vorgenommene Grundstückstausch. Nach dem Klagsvorbringen übereignete die Zweitklägerin im Zuge dieses Tauschs Teile ihrer Grundstücke 391/2 und 392/11 an die Beklagte, der alte Teil des S*****wegs wuchs offensichtlich dem Grundstück 399/2 (neu) der Zweitklägerin zu.
[19] 2.1. In Bezug auf jenen Teil des S*****wegs, der (im Wesentlichen) bereits vor dem Grundstückstausch im grundbücherlichen Eigentum der Beklagten stand und auch nach dem Vergleich 2016 nach wie vor steht (dies betrifft den auf der Planskizze ./A markierten grünen Teil des Weggrundstücks 628/1), steht dem Begehren der Zweitklägerin auf Zustimmung zur Einverleibung ihres Eigentums an den in der Planskizze ./A in grüner Farbe gekennzeichneten Grundstücksflächen die Bestimmung des § 1500 ABGB – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht entgegen.
[20] 2.2. Gemäß § 1500 ABGB kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteile gereichen. Der gutgläubige entgeltliche Erwerb beseitigt die Wirkungen einer Ersitzung oder Verjährung und unterbricht eine laufende Ersitzung (RS0117411; RS0012151 [T2]). Ein Eigentümerwechsel an diesem Teil des Weggrundstücks 628/1 lag aber nicht vor. Die Beklagte war vor und nach dem Vergleich 2016 Eigentümerin dieser Grundstücksfläche.
[21] 2.3. Damit kommt aber grundsätzlich eine Ersitzung dieser Grundstücksfläche durch den Erstkläger in Betracht. Da zu diesem Thema von den Vorinstanzen keine Beweise aufgenommen und Feststellungen getroffen wurden, ist die Entscheidung der Vorinstanzen betreffend den Spruchpunkt 1.a.) des Ersturteils aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung darüber nach Verfahrensergänzung aufzutragen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass auch der Einwand der Beklagten, beim Kaufvertrag 2019 habe es sich um ein unzulässiges Umgehungsgeschäft gehandelt, bisher ungeprüft blieb. Nur hinsichtlich Spruchpunkt 1.a.) des Ersturteils ist die Revision der Zweitklägerin daher berechtigt.
[22] III. Zur Revision des Erstklägers:
[23] Die Revision des Erstklägers lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen die Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit es die Abweisung des Eventualbegehrens des Erstklägers durch das Erstgericht – umgedeutet in ein Hauptbegehren –, bestätigt hat, unrichtig sein sollte. Auch Ausführungen zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen erheblichen Rechtsfrage finden sich in der Revision keine, obwohl im Revisionsantrag neuerlich die Stattgabe des Eventualbegehrens beantragt wird (vgl RS0102059).
[24] Die Revision des Erstklägers war daher zurückzuweisen.
[25] IV. Der Kostenvorbehalt über die Kosten des Revisionsverfahrens betreffend die Zweitklägerin beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung über die anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung der Beklagten betreffend das Revisionsverfahren des Erstklägers gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Erstklägers hingewiesen (RS0035979 [T16]).
Textnummer
E130738European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00061.20S.0127.000Im RIS seit
23.02.2021Zuletzt aktualisiert am
23.02.2021