TE OGH 2021/1/28 1Ob239/20h

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Veröffentlicht am 28.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH, Zell am See, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Mag. Sigrun List, Rechtsanwältin in Eugendorf, wegen 43.055,01 EUR sowie Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 13. November 2020, GZ 2 R 121/20g-36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 14. August 2020, GZ 13 Cg 74/19s-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht von (Schi-)Pistenbetreibern zutreffend dargestellt. Diese können dahin zusammengefasst werden, dass der Pistenhalter grundsätzlich nur den von ihm organisierten Schiraum, das sind die ausdrücklich oder schlüssig gewidmeten Schipisten und die ausdrücklich gewidmeten Schirouten, gegen erkennbare Gefahren zu sichern hat, nicht aber das freie Schigelände außerhalb dieses Raums (RIS-Justiz RS0023865). Gefahren, die aus der Befahrung des freien Geländes drohen, hat daher grundsätzlich der Schifahrer und nicht der Pistenhalter zu tragen (vgl RS0023299; RS0023540), es sei denn, die Grenze zwischen der dem Befahren gewidmeten Piste bzw Schiroute und dem freien Gelände wäre unzureichend „gekennzeichnet“ (RS0023630 [T4]).

[2]            2. Ausgehend davon, dass sich der Unfall rund 50 Meter vom Pistenrand entfernt in unpräpariertem und lediglich mit einigen Schispuren durchzogenem Gelände im Tiefschnee ereignete, das (dadurch) vom präparierten Pistenbereich klar abgegrenzt war, und vom Kläger als Abkürzung zum (Lift-)Parkplatz benützt wurde, begegnet die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach sich der Unfall außerhalb des von der Beklagten organisierten Schiraums – also im freien Gelände – ereignete, keinen Bedenken. Soweit der Revisionswerber behauptet, der Unfall habe sich auf „pistenähnlichem“ Gelände ereignet, entspricht dies nicht dem festgestellten Sachverhalt.

[3]            3. Der Revisionswerber stützt sich im Wesentlichen darauf, dass jenes (freie) Gelände, in dem sich der Unfall ereignete, regelmäßig von Skifahrern befahren wurde, um (schneller) zum Parkplatz zu gelangen, was die Beklagte gewusst habe. Ihre Verkehrssicherungspflicht habe daher auch diesen Teil des (freien) Geländes umfasst.

[4]            Dem steht die Rechtsprechung entgegen, dass das Abweichen einer Mehrzahl von Schifahrern von einer markierten oder durch Präparierung gewidmeten Piste noch keine Sicherungspflicht für die dadurch entstandene (für den Pistenhalter in der Regel erkennbare),

nicht markierte und nicht präparierte „Abfahrt“ auslöst. Eine solche Pflicht könnte nur bestehen, wenn eine solche „Abfahrt“ die Gefahr mit sich brächte, dass Benützer der Piste ein Abweichen von dieser – und damit das Einfahren in freies Gelände – nicht erkennen könnten (vgl RS0023641; siehe auch 8 Ob 555/90).

[5]            Hier war für den durchschnittlichen Skifahrer – ebenso wie für den mit dem Schigebiet bestens vertrauten Kläger – aber klar erkennbar, dass die unpräparierte „Abkürzung“ nicht mehr Teil der präparierten Piste war. Der Kläger wich nicht unbeabsichtigt von dieser ab, sondern nutzte die Abfahrt durch das freie Gelände bewusst („der Bequemlichkeit halber“) als Abkürzung zum Parkplatz. Er durfte dem von ihm befahrenen Gelände – hinsichtlich des Fehlens von Gefahrenquellen – daher nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen, wie der davon deutlich abgegrenzten Piste.

[6]            Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Standpunkts auf die Entscheidung 1 Ob 77/03k bezieht, übersieht er, dass dort eine Verkehrssicherungspflicht abseits der Piste (aufgrund des Ingerenzprinzips) nur für vom Pistenhalter selbst geschaffene Gefahrenquellen angenommen wurde (vgl 3 Ob 14/18g). Mit dem der Entscheidung 7 Ob 29/05y zugrunde liegenden Sachverhalt kann der vorliegende Fall schon deshalb nicht verglichen werden, weil der Unfallbereich dort (im Unterschied zum hier zu beurteilenden Fall) „von der Präparierung her“ nicht vom „eigentlichen“ Pistenbereich abgegrenzt war. Wenn der Revisionswerber argumentiert, die Beklagte habe dem Kläger ein sicheres „Zu- und Abfahren“ zu dem von ihr betriebenen Parkplatz geschuldet, so übersieht sie, dass dies auch über die Piste (also ohne Benutzung der „Abkürzung“ durch das freie Gelände) problemlos möglich gewesen wäre.

[7]            4. Zusammengefasst zeigt der Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E130731

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00239.20H.0128.000

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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