TE Lvwg Beschluss 2020/7/7 VGW-123/029/7650/2020, VGW-124/029/7655/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.07.2020

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

WVRG 2014 §24 Abs1
AVG §13

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat 1.)

durch seine Richter Mag. Schmied als Vorsitzenden, Dr. Schweiger als Berichter und Mag. Dr. Zirm als Beisitzerin über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 30.06.2020, auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin Wiener Netze GmbH vom 19.06.2020 über die Nichtzulassung der Antragstellerin zur Teilnahme am Vergabeverfahren "Jahresbauvertrag - Bauarbeiten für Fernwärmeleitungen (Los 1-4)" und

2.) durch seinen Richter Dr. Schweiger über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 30.06.2020, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Auftraggeberin Wiener Netze GmbH "Jahresbauvertrag - Bauarbeiten für Fernwärmeleitungen (Los 1-4)" den

BESCHLUSS

gefasst:

zu 1.):         I. Gemäß § 13 Abs. 1 und 7 WVRG 2014 iVm § 23 Abs. 2 Z 2 WVRG 2014 wird der Antrag zurückgewiesen.

                 II. Gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 WVRG 2014 hat die Antragstellerin die entrichtete Pauschalgebühr in Höhe von 6.242,-- Euro selbst zu tragen.

                 III. Gemäß § 25a VwGG ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

zu 2.):         I. Gemäß § 13 Abs. 1 und 7 WVRG 2014 iVm §§ 28 und 29 Abs. 2 WVRG 2014 wird der Antrag zurückgewiesen.

                 II. Gemäß § 15 Abs. 1 und 3 iVm § 16 Abs. 2 WVRG 2014 hat die Antragstellerin die entrichtete Pauschalgebühr in Höhe von 3.121.,-- Euro selbst zu tragen.

                 III. Gemäß § 25a VwGG ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g

Die Wiener Netze GmbH führt (als Sektorenauftraggeberin) unter der Bezeichnung „WN-3210048945 - Jahresbauvertrag Bauarbeiten für Fernwärmeleitungen“ ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe eines Bauauftrages für insgesamt 4 Lose (jeweils in Form eines Rahmenvertrags je Los mit einer grundsätzlichen Laufzeit von drei Jahren (inkl. Verlängerungsoption von insgesamt zwei Jahren) nach den Bestimmungen des BVergG 2018 für den Oberschwellenbereich durch, die Lose 1, 2 und 3 betreffen Bauarbeiten zur Errichtung von Fernwärmeleitungen und gegebenenfalls Fernkälteleitungen, das Los 4 Bauarbeiten im Zuge von Störungsbehebungen bei Fernwärmeleitungen und gegebenenfalls Fernkälteleitungen in allen Wiener Gemeindebezirken sowie in den Gemeindegebieten Schwechat und Vösendorf (Los 4).

In der 1. Stufe werden von der Auftraggeberin die zur Teilnahme am Vergabeverfahren geeigneten Bewerber je Los, unter Zugrundelegung der jeweiligen Teilnahmebedingungen (Eignungskriterien) je Los ermittelt. Bei Nichterfüllen eines Eignungskriteriums kann der Bewerber jedenfalls zur Angebotsabgabe für das jeweilige Los nicht aufgefordert werden.

In der darauffolgenden 2. Stufe ermittelt der Auftraggeber das technisch und wirtschaftlich beste Angebot (Bestbieterprinzip) je Los jener geeigneten Bewerber, die vom Auftraggeber zur Legung eines Angebotes für das jeweilige Los aufgefordert wurden.

Zu den einzelnen Losen können Teilnahmeanträge gelegt werden. Es ist zulässig, sich für alle Lose zu bewerben.

Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens (1. Stufe) erfolgte am 25.2.2020 auf dem Beschaffungsportal der Wiener Stadtwerke sowie am 26.02.2020 im Supplement S zum Amtsblatt der Europäischen Union (Abl 2020/S 040- 095522). Die Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge endete zunächst mit 11.3.2020, 13:00 Uhr und wurde in der Folge verlängert.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15.06.2020, GZ: VGW-123/029/3128/2020-28, wurde der Antrag einer von der Antragstellerin verschiedenen Bieterin vom 6.3.2020, auf Nichtigerklärung der Ausschreibung, in eventu einzelner Teile derselben in Bezug auf die Lose 1 bis 3, des gegenständlichen Vergabeverfahrens nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 06.05.2020 gemäß § 13 Abs. 1 WVRG 2014 abgewiesen.

Die Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge endete letztendlich am 11.5.2020. Die Antragstellerin gab fristgerecht neben anderen Bietern einen Teilnahmeantrag für alle vier Lose ab.

Der Zuschlag wurde bis dato nicht erteilt. Das Vergabeverfahren wurde auch nicht widerrufen.

Mit Verständigung über die ANKÖ-Plattform vom 19.6.2020 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie nicht zum Vergabeverfahren zugelassen wird. Die Auftraggeberin begründet diese Entscheidung dahingehend, dass die Referenz von B. die Festlegungen nicht erfülle, weil eine Überprüfung ergeben habe, dass es sich bei der betreffenden Fernwärmeleitung um eine Sekundärleitung mit Druckstufe PN 10 und 90 Grad gehandelt habe, die Referenz von Wiener Netze habe einen Störfall an einem einbetonierten Kabel, nicht jedoch die Fernwärmeleitung selbst betroffen.

Mit dem mit 29.06.2020 datierten Schriftsatz beantragte die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht Wien möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 19.06.2020 über die Nicht-Zulassung der Antragstellerin zur Teilnahme am Vergabeverfahren „Jahresbauvertrag - Baumeisterarbeiten für Fernwärmeleitungen (Los J - 4)u für nichtig erklären, und der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den Ersatz der Pauschalgebühren auferlegen.

Weiters begehrte die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht Wien möge folgende einstweilige Verfügung erlassen: „Es wird der Antragsgegnerin ab sofort bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Nachprüfungsantrag der Antragstellerin untersagt, im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren Bewerber zur Legung eines Angebotes aufzufordern, Angebote zu öffnen sowie den Zuschlag zu erteilen. Der Antragsgegnerin wird die Aussetzung des Vergabeverfahrens angeordnet. “

Zu ihrem Interesse am Vertragsabschluss brachte die Antragstellerin vor, sie sei ein seit Jahrzehnten bestehendes, renommiertes Bauunternehmen, verfüge über eine aufrechte Befugnis für das Baumeistergewerbe und sei seit Jahrzehnten vor allem für die Stadt Wien und diverse öffentliche Unternehmen der Stadt Wien, wie die ... usw. tätig. Sie erhalte regelmäßig Jahresbauverträge und verfüge über das erforderliche Know-how, über die technische Ausstattung und das geschulte Personal. Der Antragstellerin drohe bei Entgang des Auftrages der Entgang eines Deckungsbeitrages und eines wichtigen Referenzprojektes für zukünftige Ausschreibungen. Zudem entstünden frustrierte Kosten für Rechtsverfolgung und Angebotslegung.

Die angefochtene Entscheidung sei vergaberechtswidrig, zumal die Auffassung der Antragsgegnerin, die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzprojekte erfüllten das 7. Unterkriterium in Pkt. IVb, nämlich „Tiefbauarbeiten im Zuge von Störfallen an in Betrieb befindlichen Fernwärmeleitungen mit mindestens PN 25 und mindestens 120 °C“, nicht, unzutreffend sei. Die Antragstellerin habe zwei konkret angeführte Referenzprojekte vorgelegt, (Auftraggeber …). In einem Fall sei ein Gebrechen an der Fernwärmeheizungsverrohrung aufgetreten, welches die Antragstellerin behoben habe. Die Fernwärmeleitung sei in Betrieb gewesen und habe eine Druckstufe von zumindest PN 25 und Temperaturen von mehr als 120°C aufgewiesen. Bei dem weiteren Bauvorhaben sei im Zuge der Bauarbeiten ein Störfall aufgetreten, zumal bei den Bauarbeiten Kabelleitungen beschädigt worden seien. Die Antragstellerin habe die Beschädigung behoben. Die Fernwärmeleitung sei in Betrieb gewesen. Es handle sich um eine Fernwärmeleitung mit einer Druckstufe von zumindest PN 25 und Temperaturen von mehr' als 120°C. Beide Referenzprojekte erfüllten daher die Anforderungen der Ausschreibung.

Die Antragstellerin hat die Auftraggeberin mit E-Mail am 29.06.2020, 14:07, Uhr gemäß § 25 WVRG 2014 verständigt, dass sie gegen die Entscheidung der Auftraggeberin vom 19.06.2020 einen Nachprüfungsantrag einbringen werde.

Der die Anträge enthaltende Schriftsatz vom 29.06.2020 wurde an das Verwaltungsgericht Wien mit E-Mail am 30.06.2020, 12:25 Uhr, übersendet.

Als Anhang angeschlossen ist eine E-Mail vom 29.06.2020, 14:11 Uhr, eine Übermittlung des Antragsschriftsatzes an das Verwaltungsgericht Wien am 29.06.2020, 14:11 Uhr, ist aber nicht erfolgt.

Die Auftraggeberin hat in ihrer Stellungnahme vom 01.07.2020 Informationen zum Vergabeverfahren gegeben und vorab bestritten, dass die im Nachprüfungsantrag gerügten Rechtswidrigkeiten vorliegen. Eingewandt wurde zudem, dass der Nachprüfungsantrag und damit auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bereits aufgrund Verfristung zwingend zurückzuweisen sei.

Weiters sei der Antrag, „die Aussetzung des Vergabeverfahrens“ anzuordnen, wohl als Begehren auf Untersagung der Fortsetzung des gesamten Vergabeverfahrens zu verstehen. Nach der ständigen Judikatur sei dieser Antrag als überschießend - unabhängig vom Ausgang der Interessenabwägung – abzuweisen. Auch der Antrag der Untersagung, Bewerber zur Legung eines Angebotes einzuladen“, sei nicht näher nachvollziehbar: Warum die Untersagung der Einladung zur Angebotslegung Interessen der Antragstellerin berührten, zumal keine unumkehrbaren Tatsachen geschaffen werden, bleibe offen. Unabhängig von der Verfristung des Antrages sei der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung jedenfalls abzuweisen.

Mit „Vorhalt der Verspätung“ vom 30.06.2020 hat das Verwaltungsgericht Wien der Antragstellerin die nach der Aktenlage verspätete Einbringung des Antrags auf Nichtigerklärung und des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorgehalten, zumal die Frist am 29.06.2020 geendet habe, die Anträge jedoch erst am 30.06.2020 – und zwar unter Berücksichtigung der Kundmachung des Präsidenten vom 09.01.2015, GZ VGW-ORG 43/2015 auch ausgehend von der (tatsächlich jedoch beim Verwaltungsgericht Wien nicht eingelangten) E-Mail vom 29.06.2020, 14:11 Uhr – eingebracht wurden.

Weiters wurde der Antragstellerin am 01.07.2020 vorgehalten, dass für die Entrichtung der Pauschalgebühren für den Antrag auf Nichtigerklärung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein Zahlungsbeleg vorgelegt wurde.

Mit dem am 03.07.2020, 8:46 Uhr, per E-Mail übermittelten Schriftsatz hat die Antragstellerin den Beleg betreffend die Überweisung der Pauschalgebühren vorgelegt und zum Vorhalt der Verspätung Stellung genommen.

Die Antragstellerin bringt vor, die Anträge seien fristgerecht eingebracht worden. Mit der Kundmachung vom 09.01.2015 habe das Verwaltungsgericht die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit festgesetzt und bestimmt, dass Anträge unter der Adresse post@vgw.wien.gv.at eingebracht werden können, sowie dass Empfangsgeräte auch außerhalb der Amtsstunden empfangsbereit gehalten werden, aber nur während der Amtsstunden betreut werden. Soweit die technischen Möglichkeiten von der Behörde tatsächlich zur Verfügung gestellt werden, bestehe eine Pflicht zur Entgegennahme von Anträgen in der genannten Form.

Der E-Mailverkehr des Verwaltungsgerichts Wien werde über einen Server der Stadt Wien abgewickelt. Am 29.06.2020 habe es laut einer „Auskunftsperson“ einen Serverausfall bei der Stadt Wien gegeben, der dazu geführt habe, dass an diesem Tag während der Amtsstunden des Verwaltungsgerichts Wien bis 13 Uhr eine Einbringung eines Nachprüfungsantrages beim Verwaltungsgericht Wien nicht möglich gewesen sei. Das Verwaltungsgericht Wien habe nicht kundgemacht, dass die genannte E-Mailadresse am 29.06.2020, von 7:30 bis 13:00 Uhr nicht durchgängig ohne Beeinträchtigung für die Übermittlung von Anträgen zur Verfügung gestanden sei. Der Bürger könne erwarten, dass während der kundgemachten Zeiten eine Übermittlung per E-Mail ohne Einschränkung gewährleistet sei, sollte dies nicht der Fall sein, gelte die zeitliche Beschränkung nicht.

Die Magistratsabteilung 01, in technischer Hinsicht zuständig für die IT-Infrastruktur der Stadt Wien, in die auch das Verwaltungsgericht Wien eingebunden ist, hat zur Frage der allfälligen Übermittlung des Antragsschriftsatzes per E-Mail am 29.06.2020 durch den Antragstellervertreter Stellung genommen. Nach Überprüfung sei festgestellt worden, dass die besagte Email des Absenders "office@....at" (…) am 29.06.2020 nicht an die E-Mail Infrastuktur der Stadt Wien übergeben wurde. Da keine weiteren Informationen auf der SMTP Seite der Stadt Wien protokolliert seien, wären mögliche Gründe, dass technische Probleme beim Absender selbst oder der Mailing Infrastruktur des Absenders aufgetreten sind. Dieses könne die MA 01 nicht überprüfen. Im Fall von Zustellungsproblemen werde eine Unzustellbarkeitsnachricht mit etwaigen Diagnoseinformationen an den Absender übermittelt. Sobald eine Nachricht die Stadt Wien E-Mail Infrastruktur erreiche seien diese Protokolle für einen Zeitraum von 6 Monaten durchgängig vorhanden. Sollte zum Zeitpunkt der Zustellung ein Problem an der E-Mail Infrastruktur der Stadt Wien bestanden haben, wäre dieses durch Analyse der Logs ersichtlich.

Die Antragstellerin hat nach Vorhalt dazu in ihrer am 03.07.2020, 13:57 Uhr, per E-Mail übermittelten Stellungnahme vorgebracht, die technische Überprüfung in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Antragstellerin habe ergeben, dass das E-Mail (Anm. vom 29.06.2020, 14:11 Uhr) auf dem E-Mail-Server der Stadt Wien eingelangt sei und somit kein technisches Problem beim Absender vorgelegen sei. Aufgrund eines Konfigurationsfehlers des E-Mail-Servers der Stadt Wien, über den auch der E-Mail Verkehr für die Domain des Verwaltungsgerichtes Wien vwg.wien.gv.at abgewickelt werde, sei das bereits eingelangte E-Mail zurückgewiesen worden. Rechtlich bedeute dies im Sinne des § 13 AVG: das „Empfangsgerät“ des Verwaltungsgerichtes Wien sei nicht empfangsbereit gewesen bzw. sei der elektronische Verkehr nicht möglich gewesen, und zwar auch während der in der Kundmachung des Verwaltungsgerichtes Wien genannten Amtsstunden.

Die Auftraggeberin repliziert in ihrer Stellungnahme vom 06.07.2020, dass nach der vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Stellungnahme der Magistratsabteilung 01 keine technischen Hindernisse seitens des Verwaltungsgerichts Wien für eine fristgerechte Übermittlung der gestellten Anträge vorgelegen sei. Da der gegenständliche (Antrags-)Schriftsatz zudem erst um 14 Uhr 11 versendet worden sei, sei dieser jedenfalls als ein nach Ende der Amtsstunden versendetes Anbringen und somit schon aus diesem Grunde als verfristetes Anbringen anzusehen. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und damit auch der Nachprüfungsantrag seien als verfristet zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 WVRG 2014 kann eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, die oder der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG 2018 bzw. dem BVergGKonz 2018 unterliegenden Vertrages behauptet, die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung (§ 2 Z 15 lit. a BVergG 2018 bzw. § 2 Z 11 lit. a BVergGKonz 2018) der Auftraggeberin oder des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihr oder ihm durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Gemäß § 24 Abs. 1 WVRG 2014 sind Anträge auf Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen zehn Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung auf brieflichem Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Absendung der Entscheidung bzw. mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.

Gemäß § 23 Abs. 2 WVRG 2014 ist ein Antrag iSd § 20 leg. cit. jedenfalls in folgenden Fällen unzulässig:

(…)

2. wenn er nicht innerhalb der im § 24 genannten Fristen eingebracht wird oder

(…).

Gemäß § 28 WVRG 2014 hat das Verwaltungsgericht Wien auf Antrag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers, der oder dem die Antragsvoraussetzungen nach § 20 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Der Antrag kann gleichzeitig mit einem Antrag auf Nichtigerklärung oder nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 WVRG 2014 (demnach wäre, wenn noch kein Nichtigerklärungsantrag zur Bekämpfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit gestellt wurde, ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn er vor Ablauf der in § 24 festgelegten Frist für die Geltendmachung der betreffenden Rechtswidrigkeit eingebracht wird) vor diesem gestellt werden.

Die gegenständlich angefochtene Entscheidung über die Nichtzulassung zur Teilnahme am Vergabeverfahren vom 19.06.2020 wurde der Antragstellerin aufgrund des übereinstimmenden Vorbringens der Antragstellerin und der Auftraggeberin am 19.06.2020 auf elektronischem Weg (ANKÖ Vergabeplattform) zugestellt.

Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

Die 10-tägige Frist gemäß § 24 Abs. 1 WVRG endete davon ausgehend am 29.06.2020.

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf Nichtigerklärung und einstweilige Verfügung am 30.06.2020, 12:25 Uhr, und somit am Tag nach Ablauf der Frist gemäß § 24 Abs. 1 VGWG 2014 beim Verwaltungsgericht Wien per E-Mail eingebracht.

Eine E-Mail Übermittlung des Antragsschriftsatzes vom 29.06.2020, 14:11 Uhr bzw. überhaupt an diesem Tag, an das Verwaltungsgericht Wien (VGW Post oder VGW Prot) ist nicht erfolgt.

Dies ergibt sich aus der Überprüfung durch die für die IT-Infrastruktur der Stadt Wien (und auch des Verwaltungsgerichts Wien) zuständigen Magistratsabteilung 01, woraus sich auch kein Hinweis auf die von Antragstellerseite behauptete „Übergabe“ und Zurückweisung eines E-Mail ergibt.

Am E-Mail Server des Verwaltungsgerichts Wien vgw-Post sind im Übrigen am 29.06.2020 sehr wohl annähernd gleichmäßig über den Tag verteilt laufend E-Mails eingelangt, und zwar insgesamt 106 E-Mails, darunter etwa um 12:49, 13:00, 13:06, 13:13, 13:15, 13:17, 13:31, 13:50, 14:04, 14:16, 14:17, 14:23, 14:27 Uhr.

Ein „Serverproblem“, welches die Übermittlung der Anträge per E-Mail am 29.06.2020 verhindert hätte, bestand somit nicht.

Selbst wenn aber die Übermittlung per E-Mail bereits am 29.06.2020, 14:11 Uhr, tatsächlich erfolgt wäre, wären die Anträge nach Ende der Amtsstunden und somit ebenfalls erst mit Wirkung vom 30.06.2020 eingebracht worden.

Gemäß der im Internet unter http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at veröffentlichten Kundmachung des Präsidenten vom 9. Jänner 2015, GZ VGW - ORG-43/2015 sind Amtsstunden des Verwaltungsgerichts Wien von Montag bis Freitag von 07:30 Uhr bis 13:00 Uhr (Karfreitag, 24. und 31. Dezember bis 11:00 Uhr) und sind die Empfangsgeräte des Verwaltungsgerichts Wien auch außerhalb der Amtsstunden empfangsbereit, werden aber nur während der Amtsstunden betreut. Außerhalb der Amtsstunden übermittelte Anbringen gelten daher gemäß § 13 Abs. 2 bis 5 AVG erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt).

Anbringen gelten, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (vgl VwGH 06.06.2019, Ra 2019/02/0037, 23.05.2012, 2012/08/0102, 22.04.2009, 2008/04/0089 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) Rz 36/1).

Das Postlaufprivileg des § 33 Abs. 3 AVG gilt für Anbringen, die einem Zustelldienst zur Übermittlung übergeben werden, nicht aber für die elektronische Übermittlung von schriftlichen Anbringen (vgl. VwGH 27.09.2019, Ra 2019/02/0008, 31.3.2016, Ra 2016/07/0021; 20.10.2015, Ra 2015/05/0058; 26.2.2015, Ra 2014/22/0092).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelten elektronische Anbringen, wenn die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen zum Ausdruck bringt, solche auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht und eingelangt (VwGH 23.10.2018 Ra 2018/06/0110, 14.10.2015, Ra 2015/17/0039, mwN).

Eine solche Einschränkung liegt gegenständlich durch die oben zitierte Kundmachung im Internet vor, sodass auch eine Übermittlung am 29.06.2020 um 14:11 Uhr erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am 30.06.2020, 7:30 Uhr als eingebracht und eingelangt gelten würde.

Dass die Anträge am 29.06.2020 bereits vor Ende der Amtsstunden per E-Mail eingebracht worden seien (oder dies erfolglos versucht wurde), wurde weder konkret dargelegt noch bescheinigt.

Schließlich wurde nicht einmal behauptet, dass der Antragsschriftsatz (auch) durch Postaufgabe eingebracht worden sei.

Der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberin vom 19.06.2020 war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Zumal kein fristgerecht eingebrachter Nachprüfungsantrag vorliegt, somit auch der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Pauschalgebühren:

Gemäß § 15 Abs. 1 WVRG 2014 hat die Antragstellerin oder der Antragsteller für Anträge gemäß den §§ 20 Abs. 1, 28 und 33 Abs. 1 und 2 WVRG 2014 jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten. Die Pauschalgebühr ist gemäß § 15 Abs. 2 WVRG 2014 gemäß den von der Landesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten.

Die oder der vor dem Verwaltungsgericht Wien, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerin oder Antragsteller hat gemäß § 16 Abs. 1 WVRG 2014 Anspruch auf Ersatz ihrer oder seiner gemäß § 15 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin oder den Auftraggeber.

Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht gemäß § 16 Abs. 2 WVRG 2014 nur dann, wenn 1. dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und 2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.

Der geschätzte Auftragswert (je Los und auch insgesamt) überschreitet den Schwellenwert gemäß § 185 Abs. 1 z 3 BVergG 2018, nicht jedoch um mehr als das Zehnfache.

Die Antragstellerin hat Pauschalgebühren für Bauaufträge im Oberschwellenbereich entrichtet, und zwar für den Antrag auf Nichtigerklärung gemäß § 1 WVPVO in Höhe von 6.242,-- Euro und für den Antrag auf einstweilige Verfügung gemäß § 15 Abs. 3 WVRG 2014 in halber Höhe von 3.121,-- Euro.

Zumal die Anträge auf Nichtigerklärung und Erlassung einer einstweilige Verfügung zurückgewiesen wurde, hat die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren, sondern die entrichteten Pauschalgebühren in der im Spruch genannten Höhe selbst zu tragen.

Unzulässigkeit der Revision:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG zumindest möglich ist.

Die ordentliche Revision ist im gegenständlichen Fall unzulässig, zumal die Entscheidungen auf der Beurteilung der Rechtzeitigkeit bzw. Verspätung der Antragseinbringung im konkreten Einzelfall unter Zugrundelegung der ständigen und nicht uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruhen.

Schlagworte

Vergabeverfahren; Antrag; Frist; elektronische Anbringen; Empfangsbereitschaft; Amtsstunden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.123.029.7650.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten