TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/18 405-11/203/1/25-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2020
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Entscheidungsdatum

18.12.2020

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §46 Abs1 Z2 litb
NAG §11 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch die Richterin Mag. Manuela Flir über die Beschwerde von AB AA, geb AC, staatenlose CC, vertreten durch AD Rechtsanwälte-GmbH, AG, AE AF, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 22.4.2020, Zahl xxx, betreffend Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG),

zu Recht:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" gemäß § 46 Abs 1 Z 2 lit b NAG iVm § 8 Abs 1 Z 2 NAG für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrenslauf:

Die nunmehrige Beschwerdeführerin hat am 21.11.2019 bei der österreichischen Botschaft in AX/AY einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich wohnhaften Ehegatten (Zusammenführender) gestellt.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 22.4.2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Zell am See (belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend wird dargelegt, dass für die Erteilung eines Aufenthaltstitels keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stünden. Unter Berücksichtigung der Mietkosten des Zusammenführenden ergebe sich ein Fehlbetrag von € 396,07. In Bezug auf Art 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) führte die belangte Behörde aus, dass der Ehegatte seit 2014 rechtmäßig im Bundesgebiet lebe. Die Heirat mit der Beschwerdeführerin habe erst am 10.10.2019 stattgefunden. Es bestehe weder ein Privat- und Familienleben im Bundesgebiet noch seien Nachweise über ein bereits in der Heimat bestandenes Privatleben vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin weise keine Integration auf, Kenntnisse der deutschen Sprache seien nur bedingt vorhanden und ihre einzige Verbindung sei die Ankerperson. Mangels eines Privat- und Familienlebens könne § 11 Abs 3 NAG daher nicht zur Anwendung gelangen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wird ausgeführt, dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen würden. Der Zusammenführende arbeite als Kellner im Restaurant AZ in AF und bringe ein durchschnittliches Monatseinkommen von € 1.496,90 zuzüglich eines täglichen Trinkgeldes von rund € 30, sohin ca € 720 monatlich, ins Verdienen. In den Zwischensaisonen beziehe er Arbeitslosengeld. Von seinem Arbeitgeber sei ihm zugesagt worden, dass er in der Sommersaison 2020 wieder angestellt werde. Insbesondere in der Sommersaison sei auf Grund der vielen BB Gäste mit einem erhöhten Trinkgeld zu rechnen. Pro Monat erwirtschafte der Zusammenführende ein Einkommen von € 2.216,60 (Lohn € 1.496,60 + Trinkgeld € 720). Abzüglich der Miete von € 450 und unter Berücksichtigung eines Freibetrages von € 294,65 ergebe sich somit ein Restbetrag von € 2.061,65. Zudem seien gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) Trinkgelder als fixes Einkommen zu berücksichtigen (VwGH 21.2.2017, Ra 2016/22/0095). Bei Berücksichtigung der Trinkgeldeinnahmen sei daher die Voraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 NAG als erfüllt anzusehen. Darüber hinaus verfüge der Zusammenführende über Spareinlagen in der Höhe von € 5.200,11. Entsprechend der Rechtsprechung des VwGH seien Spareinlagen bei der Abgabe einer Prognoseentscheidung über das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel zu berücksichtigen (VwGH 10.9.2013, 2013/18/0046).

Entgegen den Ausführungen in der Bescheidbegründung bestehe zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zusammenführenden bereits seit zwei Jahren eine intensive Beziehung bzw werde ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK geführt. Täglich werde mittels Smartphone miteinander kommuniziert und bei jeder sich bietenden Möglichkeit reise der Zusammenführende in den AY, um seine Ehefrau zu besuchen.

Der Beschwerde beigelegt waren eine Kontobestätigung vom 12.5.2020, Lohnzettel für die Monate Jänner und Februar 2020, eine schriftliche Bestätigung über den Erhalt von Trinkgeld im Höhe von € 30 täglich sowie betreffend Wiedereinstellung jeweils ausgestellt vom Betreiber des Restaurants AZ und eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice (AMS) über den Bezug von Arbeitslosengeld.

Die belangte Behörde hat die Beschwerde zusammen mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Salzburg zur Entscheidung vorgelegt.

Am 6.10.2020 wurde vor dem Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt vertreten war. In der Verhandlung wurde eine Kopie der E-Card des Zusammenführenden, eine Bestätigung über den Bezug von Arbeitslosengeld, datiert mit 2.10.2020, ein Arbeitsvertrag vom 15.9.2020 sowie eine Bestätigung über den Bezug von Trinkgeld, datiert mit 29.9.2020 jeweils ausgestellt vom Betreiber der DD EE, Lohnnachweise für die Monate Mai 2020 bis inklusive August 2020, ein Mietvertrag samt Bestätigung der Vermieterin vom 24.9.2020 über die Zulässigkeit der Wohnsitznahme durch die Beschwerdeführerin und ein Familienfoto vorgelegt. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde als Zeuge einvernommen und zu seiner beruflichen Tätigkeit, seinen monatlichen Ausgaben sowie zu den Umständen des Kennenlernens der Beschwerdeführerin und der Heirat befragt. Neben dem Zusammenführenden wurde auch der ehemalige Vorgesetzte des Zusammenführenden, Betreiber des Restaurants AZ, zeugenschaftlich einvernommen. Die belangte Behörde hatte ihr Fernbleiben von der Verhandlung schriftlich bekanntgegeben.

Am 25.11.2020 wurde die Verhandlung zum Zweck der Einvernahme des aktuellen Arbeitgebers des Zusammenführenden fortgesetzt.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die am AC geborene Beschwerdeführerin ist staatenlose CC. Sie lebt in der AYen Republik (AY) und ist im Besitz eines von der AYen Republik ausgestellten Reisedokuments für CC Flüchtlinge mit Gültigkeit bis zum 23.9.2024.

Am 10.10.2019 hat die Beschwerdeführerin den am yy in FF geborenen staatenlosen CC AL AK vor dem Scharia-Richter in AX in Anwesenheit von zwei Zeugen geheiratet.

Am 21.11.2019 hat die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in AX zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" gestellt. Der Beschwerdeführerin wurde ein Quotenplatz zugeteilt.

Die Beschwerdeführerin hat einen Abschluss (Bachelor of Science) der BB Universität in AX. Aktuell arbeitet die Beschwerdeführerin in einem GG in der Stadt HH. Sie verfügt über Deutsch-Kenntnisse auf A1 Niveau. Sie war noch nie in Österreich.

Der Zusammenführende hat von 1989 bis zu seiner Ausreise nach Österreich Ende 2012 im AY gelebt. Im Jahr 2014 wurde dem zusammenführenden Ehegatten in Österreich Asyl gewährt. Die im Jahr 2015 mit einer JJ Staatsbürgerin geschlossene erste Ehe des Zusammenführenden wurde vom Bezirksgericht AF im November 2017 rechtskräftig geschieden. Da die Ehe weniger als drei Jahre Bestand hatte, kam dem Zusammenführenden fortan kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu, weshalb ihm von der belangten Behörde am 1.4.2019 gemäß § 55 Abs 5 NAG ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" erteilt wurde. Auf Grund eines entsprechenden Verlängerungsantrages wurde die Gültigkeit dieses Aufenthaltstitels bis zum 2.4.2021 verlängert.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ging im Zeitraum 2019 bis einschließlich September 2020 in folgenden Zeitabschnitten einer Erwerbstätigkeit nach:

?    2.1.2019 bis 31.3.2019, KK GmbH, LL

?    18.6.2019 bis 30.6.2019, Restaurant AZ, AO AP, AF (Teilzeitbeschäftigung)

?    1.7.2019 bis 11.9.2019, Restaurant AZ, AO AP, AF

?    26.12.2019 bis 29.2.2020, Restaurant AZ, AO AP, AF

?    27.5.2020 bis 23.8.2020, DD EE, MM NN, OO

?    seit 15.9.2020 DD EE, MM NN, OO

In den Zeiträumen zwischen den Erwerbstätigkeiten bezog der Zusammenführende Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe.

Seit 27.5.2020 arbeitet der Zusammenführende – mit Ausnahme einer dreiwöchigen Unterbrechung von Ende August bis Mitte September - als Kellner mit Inkasso in der DD EE in OO. Für die in Vollbeschäftigung (6 Tage pro Woche) ausgeübte Tätigkeit bezieht der Zusammenführende € 1.500 netto, zusätzlich erhält er Trinkgeld. Sein tägliches Trinkgeld beläuft sich auf rund € 30.

Der Zusammenführende ist seit 1.8.2018 Mieter einer Wohnung, für welche monatlich Miete in Höhe von € 450 sowie Betriebskosten in Höhe von € 200 zu bezahlen sind. Die Wohnung besteht aus Vorraum, Bad und WC, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und einem Balkon. Die Vermieterin der Wohnung hat der Wohnsitznahme durch die Beschwerdeführerin schriftlich zugestimmt.

Der Ehegatte ist durch keine Kreditverbindlichkeiten belastet. Er verfügt über ein Sparguthaben von rund € 3.000. Seine monatlichen Ausgaben belaufen sich auf rund € 275 (Telefon € 50, Internet und Strom € 45, Autoversicherung € 60 und Tanken € 120).

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte kennen einander seit November 2018. Seither stehen die beiden regelmäßig über soziale Medien in Kontakt. Zuletzt haben sich die Eheleute im Zeitraum 24.8.2020 bis 14.9.2020 im AY getroffen.

Die Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ihres Ehegatten.

Die Beschwerdeführerin ist im AY nicht vorbestraft. Gegen die Beschwerdeführerin wurden im Bundesgebiet weder aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt noch wurde ein Einreiseverbot verhängt. Dass die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet bestraft worden wäre, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin die Dauer eines erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts überschritten hätte.

Beweiswürdigung:

Für die Sachverhaltsfeststellungen wurden die im Verfahren vorgelegten Urkunden und Unterlagen herangezogen. Dies waren insbesondere die AY Reisepässe der Beschwerdeführerin und ihres Gatten, die "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" des Ehegatten, das Sprachdiplom des PP-Instituts vom 8.11.2019, die beglaubigte Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin sowie die beglaubigte Heiratsurkunde und der ebenfalls beglaubigte Auszug aus dem AY Familienregister. Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin wurde durch den vorgelegten Auszug aus dem AY Justizregister belegt. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht Einsicht in das Zentrale Fremdenregister sowie in das österreichische Strafregister genommen.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen des Zusammenführenden bzw zu den Zeiten von Arbeitslosigkeit basieren auf dem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug. Der festgestellte monatliche Verdienst des Zusammenführenden ergibt sich aus den Angaben im vorgelegten Arbeitsvertrag bzw aus den vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Dass der Ehegatte durch keine Kreditverbindlichkeiten belastet ist, wurde durch den Infopass der KSV 1870 Information GmbH vom 3.1.2020 belegt. Die Höhe der monatlichen Miet- und Betriebskosten ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag. Die festgestellte Höhe der monatlichen Ausgaben des Zusammenführenden beruht auf seinen Angaben anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht. In Abweichung zur vorgelegten Bankbestätigung, wonach der Zusammenführende zum 12.5.2020 über ein Guthaben von € 5.200,11 verfügt hat, bezifferte der Ehegatte in der Verhandlung sein aktuelles Sparguthaben mit € 3.000 und führte dazu aus, dass er seiner im AY lebenden Mutter einen Teil seiner Ersparnisse für notwendige Reparaturarbeiten zur Verfügung gestellt habe.

 

Erstmals in der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin für seine Tätigkeit als Kellner täglich mindestens € 30 sohin rund € 720 monatlich, an Trinkgeld ins Verdienen bringe. In der Sommersaison sei sogar mit noch höherem Trinkgeld zu rechnen, da sich in den Sommermonaten viele BB Gäste im Raum AF aufhalten würden und der Zusammenführende der BB Sprache mächtig sei. Eine Bestätigung über den Trinkgeldbezug ausgestellt vom Betreiber des Restaurants AZ in AF, war der Beschwerde beigelegt. Nach Anberaumung der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin telefonisch mit, dass der Zusammenführende zwischenzeitlich nicht mehr in dem Restaurant in AF arbeite, sondern nun bei einer DD in OO beschäftigt sei und dort ebenfalls Trinkgeld in Höhe von € 30 pro Tag lukriere.

In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wurde der Zusammenführende zu seiner Erwerbstätigkeit befragt. Es legte dar, dass er seine Arbeitsstelle gewechselt habe, da das Geschäft im Restaurant in AF mangels BB Touristen derzeit nicht gut laufe. Die Auslastung in der DD in OO sei Dank vieler einheimischer Gäste hingegen gut. Selbst an schlechten Tagen erhalte er € 30 an Trinkgeld. Im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie habe sich das Geschäft weder unter der Woche noch an den Wochenenden verschlechtert. Die Bestätigung über seinen Trinkgeldbezug habe ihm sein derzeitiger Vorgesetzter ausstellen können, da dieser selbst als Kellner im Lokal gearbeitet habe und daher wisse wieviel an Trinkgeld pro Tag eingenommen werde.

In der Verhandlung vom 6.10.2020 wurde der ehemalige Vorgesetzte des Zusammenführenden einvernommen. Dieser gab an, dass er den Zusammenführenden, welcher bereits für seinen Vater gearbeitet habe, von Sommer 2019 bis zum Corona-Lockdown im März 2020 beschäftigt habe. Er sei mit der Arbeitsleistung des Zusammenführenden sehr zufrieden gewesen und wolle diesen auch gerne neuerlich einstellen, wenn der Betrieb wieder besser laufe. Der Zusammenführende spreche BB, weshalb er angesichts der vielen BB Touristen auch immer viel Trinkgeld erhalten habe. Die Bestätigung über den täglichen Trinkgeldbezug von € 30 habe er daher bedenkenlos ausstellen können.

Zum Zweck der Einvernahme des nunmehrigen Vorgesetzten des Zusammenführenden wurde am 25.11.2020 eine Fortsetzungsverhandlung durchgeführt. Dieser gab an, dass sich der Zusammenführende auf eine freie Stelle bei ihm beworben habe. Sein Betrieb verfüge über 50 bis 60 Verabreichungsplätze im Inneren und über weitere 30 bis 40 Verabreichungsplätze im Freien. Neben dem Zusammenführenden werde noch ein Aushilfskellner beschäftigt. Als Köchin sei seine Gattin tätig. Die DD werde vorwiegend von Einheimischen besucht. Im Vergleich zum Vorjahr habe der Umsatz im Sommer 2020 sogar leicht gesteigert werden können. Er führe dies auf die Qualität seiner Speisen zurück, Auswirkungen der Covid-19 Pandemie seien jedenfalls nicht spürbar gewesen. Auf Grund der pandemiebedingten Sperre der Gastronomiebetriebe biete sein Betrieb derzeit bloß einen Liefer- und Abholservice an. Der Zusammenführende sei abends für den Abhol- und Telefondienst zuständig und belaufe sich sein tägliches Trinkgeld auch aktuell auf mindestens € 30. Am gestrigen Tag habe der Zusammenführende das eingenommene Trinkgeld neben ihm gezählt und habe es sich auf € 42 belaufen. An guten Tagen gehe er von Trinkgeldeinnahmen in Höhe von rund € 100 bis € 150 aus. Da er selbst im Betrieb als Kellner tätig gewesen sei, habe er Einblick in die Höhe der täglichen Trinkgeldeinnahmen.

Der vormalige Vorgesetzte des Zusammenführenden legte glaubwürdig dar, dass er das Arbeitsverhältnis mit dem Zusammenführenden allein wegen des momentanen Geschäftsganges infolge des Ausbleibens von ausländischen Touristen auflösen musste. Er ließ auch keinen Zweifel daran, dass er den Zusammenführenden wieder einstellen wolle, sobald dies der Geschäftsbetrieb zulasse. Punkto Trinkgeldbezug schilderte der Zeuge, dass der Zusammenführende seinem Eindruck nach an guten Tagen € 200 bis € 300 an Trinkgeld lukriere, weshalb dieser auch seinen Vorschlag, ihm ein höheres Grundgehalt zu bezahlen, wenn er dafür auf das Trinkgeld verzichte, abgelehnt habe. Der Betreiber der DD EE in OO sagte aus, dass der Zusammenführende ungeachtet der gegenwärtigen Beschränkungen auch aktuell Trinkgeld in Höhe von € 30 täglich lukriere. Dies vermag im Lichte der gegenwärtigen Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie zu überraschen, kann aber angesichts der aktuell vermehrten Inanspruchnahme von Liefer- und Abholdiensten auch nicht als unrealistisch bewertet werden. Das Verwaltungsgericht hat daher seinen Feststellungen einen täglichen Trinkgeldbezug von € 30 zugrunde gelegt.

Rechtliche Grundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) und dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lauten wie folgt:

§ 2 Abs 1 NAG – Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

(..)

6.

Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;

(..)

9.

Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;

(..)

§ 11 NAG – Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.

gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.

gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.

gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.

eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.

eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.

er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.

der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.

der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.

der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.

der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.

durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.

der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.

in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.

der Grad der Integration;

5.

die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.

sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.

der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(..)

§ 46 Abs 1 NAG – Bestimmungen für die Familienzusammenführung

Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1.

der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 1, eine „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine „Niederlassungsbewilligung – Forscher“ gemäß § 43c innehat,

1a.

der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ursprünglich einen Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,

2.

ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a)

einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ innehat,

b)

einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,

c)

Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt, oder

d.

als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt.

§ 55 Abs 5 NAG

Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.

§ 292 Abs 3 ASVG – Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage

Nettoeinkommen im Sinne der Abs. 1 und 2 ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs. 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 216,78 € (Anm. 1) heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 1994, der unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachte Betrag. Im Falle des Bezuges einer Hinterbliebenenpension (§ 257) vermindert sich dieser Betrag, wenn für die Ermittlung der Ausgleichszulage zur Pension des verstorbenen Ehegatten/der verstorbenen Ehegattin oder des verstorbenen eingetragenen Partners/der verstorbenen eingetragenen Partnerin (Elternteiles) Abs. 8 anzuwenden war oder anzuwenden gewesen wäre und der (die) Hinterbliebene nicht Eigentümer (Miteigentümer) des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes war, für Einheitswerte unter 4 400 € im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu dem genannten Einheitswert, gerundet auf Cent; Entsprechendes gilt auch bei der Bewertung von sonstigen Sachbezügen.

Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für 2017: 284,32 €

gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für 2018: 288,87 €

gemäß BGBl. II Nr. 329/2018 für 2019: 294,65 €

gemäß BGBl. II Nr. 348/2019 für 2020: 299,95 €)

§ 293 Abs 1 ASVG - Richtsätze

(1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2

a)

für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

aa)

wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben

1 120,00 € (Anm. 1, 1a),

bb)

wenn die Voraussetzungen nach sublit. aa nicht zutreffen

882,78 € (Anm. 2),

(Anm.: sublit. cc aufgehoben durch Art. 1 Z 2, BGBl. I Nr 84/2019)

b)

für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension oder Pension nach § 259

747,00 € (Anm. 2),

                            

c)

für Pensionsberechtigte auf Waisenpension:

aa)

bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres

274,76 € (Anm. 3),

 

falls beide Elternteile verstorben sind

412,54 € (Anm. 4),

bb)

nach Vollendung des 24. Lebensjahres

488,24 € (Anm. 5),

 

falls beide Elternteile verstorben sind

747,00 € (Anm. 2).

Der Richtsatz nach lit. a erhöht sich um 120,96 € (Anm. 6) für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.

Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für 2017: 1 334,17 €

gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für 2018: 1 363,52 €

gemäß BGBl. II Nr. 329/2018 für 2019: 1 398,97 €

Anm. 1a: Art. 1 Z 2 der Novelle BGBl. I Nr. 98/2019 lautet: „In § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa wird der Ausdruck „1 398,97 €“ durch den Ausdruck „1 472,00 €“ ersetzt.“. Da die Beträge jährlich durch Kundmachung angepasst wurden, konnte die Anweisung nicht durchgeführt werden.

§ 727 ASVG - Schlussbestimmung zum Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2019

(1) Es treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2019 in Kraft:

1.

mit 1. Jänner 2020 die §§ 236 Abs. 4b, 292 Abs. 4 lit. s und t sowie 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa;

2.

rückwirkend mit 1. September 2019 § 689 Abs. 9.

(2) Der Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2019 ist abweichend von § 293 Abs. 2 für das Kalenderjahr 2020 (rückwirkend) mit dem Faktor 1,036 zu vervielfachen.

Erwägungen und Ergebnis:

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin lebt in Österreich, ihm wurde ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" gemäß § 55 Abs 5 NAG erteilt. Auf Grund der rechtswirksam geschlossenen Ehe mit diesem kommt der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs 1 Z 9 NAG Familienangehörigeneigenschaft zu. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" stützt sich auf § 46 Abs 1 Z 2 lit b NAG.

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen des 1. Teiles des NAG:

Finanzielle Mittel

Die belangte Behörde hat ihre antragsabweisende Entscheidung damit begründet, dass der Beschwerdeführerin keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen würden, weshalb die Voraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 NAG nicht erfüllt sei. Die belangte Behörde ging von einem Fehlbetrag von € 396,07 aus.

Die Erteilungsvoraussetzung der ausreichenden finanziellen Mittel ergibt sich aus § 11 Abs 2 Z 4 NAG. Demnach darf ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen kann. Diese Regelung wird durch § 11 Abs 5 NAG präzisiert. Demnach müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ zutreffen:

Der Fremde muss

?    über feste und regelmäßige eigene Einkünfte verfügen, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen,

?    diese müssen in Höhe der Ausgleichszulagenrichtsätze gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vorliegen,

?    wobei regelmäßige Belastungen grundsätzlich hinzugezählt werden, aber einmalig bis zum Betrag der "vollen freien Station" gemäß § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG unberücksichtigt bleiben.

?    Zudem sind bei Erstanträgen soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage (Johannes Peyrl/Philip Czech in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG, § 11, Rz 22).

 

Beabsichtigt ein Fremder mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt zu leben, ist der "Ehegattenrichtsatz" nach § 292 Abs 1 lit a sublit aa ASVG maßgeblich. Aus § 11 Abs 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren (VwGH 22.3.2019, Ra 2017/22/0186).

Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde nicht vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin selbst über ein Einkommen verfügen wird oder sie Vermögen einbringt, auf Grund der Heirat besteht jedoch ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte werden im gemeinsamen Haushalt leben, weshalb der gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG geltende Ehegattenrichtsatz heranzuziehen ist. Das Verwaltungsgericht hat die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage anzuwenden, daher ist für den konkreten Fall der gemäß § 727 Abs 2 ASVG für das Kalenderjahr 2020 rückwirkend erhöhte Richtsatz von € 1.524,99 maßgeblich. Finanzielle Belastungen sind grundsätzlich zu berücksichtigen, jedoch sind diese einmalig bis zum Betrag der "vollen freien Station", der gemäß § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG aktuell € 299,95 beträgt, nicht in Abzug zu bringen.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verdient aus seiner Tätigkeit als Kellner € 1.500 netto pro Monat. Entsprechend der Rechtsprechung des VwGH sind auch Trinkgeldeinnahmen bei der Einkommensberechnung zu berücksichtigen (VwGH 21.2.2017, Ra 2016/22/0095). Der gemäß § 11 Abs 2 Z 4 und Abs 5 NAG geforderte Unterhalt darf grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden (VwGH 3.6.2020, Ra 2019/22/0165). Im konkreten Fall sind daher bei einem täglichen Trinkgeldbezug von €°30 an sechs Tagen der Woche monatliche Trinkgeldeinnahmen von € 720 zu berücksichtigen. Zu beachten ist überdies, dass der Zusammenführende über ein Sparguthaben von rund € 3.000 verfügt, wodurch sich die Höhe der für ein Jahr monatlich zur Verfügung stehenden Mittel um weitere € 250 erhöht. Dem monatlichen Einkommen stehen Ausgaben in Höhe von € 925 (Miete und sonstige Ausgaben) gegenüber.

Unter Berücksichtigung des Freibetrages in der derzeit geltenden Höhe von € 299,95 errechnet sich für den konkreten Fall ein monatliches Haushaltseinkommen von € 1.844,95, wodurch der zu erzielende Ehegattenrichtsatz in Höhe von € 1.524,99 deutlich überschritten wird. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Zusammenführende ebenso wie in den Jahren 2018, 2019 und 2020 nicht durchgängig beschäftigt sein wird, sondern gemäß dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre rund 15 Wochen arbeitslos gemeldet sein wird, und berücksichtigt man überdies einen Urlaubsanspruch im Ausmaß von 5 Wochen, wäre dennoch von monatlichen Trinkgeldeinnahmen in Höhe von € 495 auszugehen (= wöchentliche Trinkgeldeinnahmen x 33 Wochen/12 Monate), wodurch der Ehegattenrichtsatz ebenso überschritten werden würde.

Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (VwGH 27.2.2020, Ra 2019/22/0203). Die Aufrechterhaltung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ist stets mit mehr oder weniger großen Unsicherheiten behaftet. Für die anzustellende Prognosebeurteilung, ob zukünftig mit der Erzielung eines ausreichenden Einkommens zu rechnen sein wird, bilden die gegenwärtigen Auswirkungen der Pandemie einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor. Angesichts des Vorhandenseins eines Impfstoffes besteht jedoch begründete Aussicht auf eine Entspannung der Situation im Verlauf des Jahres 2021.

Seine vorletzte Arbeitsstelle, die der Zusammenführende nach dem in der Verhandlung gewonnenen Eindruck mit Engagement und zur Zufriedenheit seines Vorgesetzten ausgeübt hat, hat er allein wegen des pandemiebedingten Geschäftsrückganges verloren. Trotz der aktuell angespannten Arbeitsmarktsituation ist es dem Zusammenführenden aber gelungen, bereits Ende Mai 2020 wieder eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass es ihm trotz mehrerer Arbeitgeberwechsel – seit 2013 neun Mal – immer wieder gelungen ist Arbeit zu finden. Es besteht daher begründete Aussicht, dass der Ehegatte auch zukünftig seinen Lebensunterhalt für sich und seine Gattin aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten wird können. Das Verwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 4 iVm § 11 Abs 5 NAG für die Dauer der Titelerteilung erfüllt sein wird.

Krankenversicherungsschutz

Weitere Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist gemäß § 11 Abs 2 Z 3 NAG das Vorliegen eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes. Gemäß § 123 ASVG besteht für Ehegatten, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, ein Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung. Da der zusammenführende Ehegatte als Arbeitnehmer in Österreich beschäftigt ist und die Beschwerdeführerin somit Familienangehörige eines Pflichtversicherten ist, ist eine Mitversicherung gemäß § 123 Abs 1 ASVG gegeben und liegt somit

Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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