TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 W222 2212634-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W222 2212634-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2019 und am 17.01.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach legaler Einreise in das Bundesgebiet am 08.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person gab er an, er stamme aus XXXX , Distrikt XXXX , Bundesstaat Haryana, in Indien. Er gehöre der Glaubensrichtung der Hindus sowie der Volksgruppe der Jat an. Die Grundschule habe er von 1994 bis 2004 besucht, und von 2004 bis 2006 die Allgemeinbildende höhere Schule. Seine Muttersprache sei Hindi. Seine Eltern, seine Frau, sein Sohn, sowie seine Schwester und sein Bruder seien alle noch in Indien aufhältig. In Begleitung eines Schleppers habe er Ende Dezember 2015 auf der polnischen Botschaft in Neu-Delhi ein Visum erhalten. Er habe den Herkunftsstaat auf dem Luftweg verlassen und sei Anfang Jänner 2016 in Moskau gelandet. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, in seiner Heimat als Angehöriger der Volksgruppe der Jat von den anderen 36 Volksgruppen mit dem Umbringen bedroht worden zu sein. Derzeit gebe es Unruhen in seiner Provinz und seine Eltern und die ganze restliche Familie seien aus dem Dorf verbannt worden. Wo sie jetzt leben, wisse er nicht. Seine Großeltern väterlicherseits seien getötet worden und aus Angst um sein Leben, habe er Indien verlassen.

Der Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage ergab, dass dem Beschwerdeführer am 21.12.2015 nach seinem Antrag vom 18.12.2015 in Neu-Delhi ein polnisches Visum der Kategorie C (Schengen) ausgestellt von der polnischen Vertretungsbehörde, gültig vom 21.12.2015 bis 08.01.2016, Nr. XXXX , erteilt worden sei. Die EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und der VIS-Abfrage richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) an Polen am 10.03.2016 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Aufnahmeersuchen betreffend den Beschwerdeführer.

Mit Schreiben der polnischen Behörden vom 16.03.2016 stimmte Polen einer Übernahme gem. Art 12 Abs 4 der Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 22.04.2016 brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Neues Vorbringen wurde nicht erstattet. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen zu Protokoll, er sei gesund und wolle nicht zurück nach Polen, wo er sich zwei Tage aufgehalten habe.

Mit Bescheid vom 22.04.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 06.06.2016, XXXX , wurde die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde vom 12.05.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Dieses blieb unangefochten und erwuchs mit 27.06.2016 in Rechtskraft.

Das BFA informierte die polnischen Behörden mit Schreiben vom 31.08.2016, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen verschoben werden müsse, da dieser flüchtig sei, und sich daher gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängere. Am selben Tag erließ das BFA hinsichtlich des Beschwerdeführers einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 2 und Z 3 BFA-VG.

Am 10.04.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung statt und der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen zu Protokoll, dass er nach seinem ersten Asylverfahren von August bis November 2016 in Italien gewesen sei. Danach sei er von November 2016 bis April 2017 wieder in Indien aufhältig gewesen. Nachher sei er im April 2017 drei bis vier Tage in Zypern gewesen, anschließend im April beziehungsweise Mai 2017 zehn bis zwölf Tage in der Türkei und danach von Mai 2017 bis 03.04.2018 in Italien.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers richtete das BFA an Italien, Zypern und Polen am 19.04.2018 ein auf die Dublin III-VO gestütztes Informationsersuchen betreffend den Beschwerdeführer. Zypern und Polen wiesen mit Schreiben vom 27.04.2018 auf ihre fehlende Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens hin, Polen im Speziellen mit Hinweis auf die bereits abgelaufene Überstellungsfrist. Mit Schreiben vom 11.05.2018 gab auch die italienische Behörde bekannt, dass es keinen Hinweis für die Zuständigkeit Italiens gebe. Begründend wurde in diesem angeführt, dass der Beschwerdeführer nur einmal am 16.08.2016 wegen eines illegalen Aufenthaltes aufgegriffen worden sei und in Italien keinen Asylantrag gestellt habe.

Das BFA übermittelte am 17.05.2018 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an die italienischen Behörden. Die Zuständigkeit Italiens ergebe sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer am 02.04.2018 mit dem EC 84 aus Italien kommend aufgegriffen worden sei. Aufgrund der Angaben der diensthabenden Beamten und den damit übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers sei Italien nach der Dublin-III- VO zuständiger Mitgliedsstaat.

Am 01.06.2018 wurde der Beschwerdeführer mittels Verfahrensanordnung in Kenntnis gesetzt, dass ihn gemäß §15a Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG die Verpflichtung treffe, sich alle drei Tage ab dem darauffolgenden Tag bei der Polizeiinspektion Traiskirchen persönlich zu melden.

Am 07.06.2018 übermittelte das BFA ein Remonstrationsschreiben an die italienischen Behörden, in welchem auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers von Mai 2017 bis 03.04.2018 Bezug genommen wurde. Das zuständiger Dipartimento per le Liberta Civil e l’Immigrazione des italienischen Innenministeriums lehnte jedoch erneut seine Zuständigkeit für das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren ab.

Nach weiteren zwei Schreiben des BFA wurde wieder die Übernahme des Beschwerdeführers seitens der italienischen Behörde abgelehnt und festgestellt, dass dieser lediglich am 16.08.2016 in Italien aufgrund seines damaligen illegalen Aufenthaltes registriert worden sei.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 12.09.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Darüber hinaus gab er an, an Asthma zu leiden und daher einen Inhalator zu benötigen. Ebenso fand am 25.09.2018 eine weitere Einvernahme vor dem BFA statt, in welcher vom Beschwerdeführer Beweismittel vorgelegt wurden. In einer weiteren Einvernahme am 12.12.2018 legte der Beschwerdeführer darüber hinaus auch noch vier Videos vor. Die zentralen Passagen aus diesen Einvernahmen lauten (Fehler korrigiert und Passagen gekürzt):

F: Wissen Sie noch welche Fluchtgründe Sie bei Ihrem ersten Asylverfahren angegeben haben?

A: Es gab Auseinandersetzungen zwischen der unteren und der oberen Kaste. Die Leute der oberen Kaste haben demonstriert und es kam zu Ausschreitungen, dabei sind Menschen ums Leben gekommen. In unserem Dorf gab es auch solche Auseinandersetzungen und mein Onkel hat Probleme bekommen und ist dabei ums Leben gekommen, daher bin ich dann ausgereist.

F: Möchten Sie Beweismittel oder Dokumente vorlegen, welche für das Verfahren von Relevanz sind?

A: Jetzt habe ich nichts bei mir, aber ich kann mir Zeitungsartikel über die Ausschreitungen schicken lassen.

Anmerkung: AW bekommt eine Frist von 2 Wochen die Zeitungsartikel dem Bundesamt zu übermitteln. AW gibt an dies verstanden zu haben.

F: Haben Sie versucht sich identitätsbezeugende Dokumente zu besorgen?

A: Ich habe Dokumente in Indien, diese lass ich mir schicken. Meinen Reisepass habe ich verloren.

F: Welche Dokumente haben Sie in Indien?

A: Eine Wählerkarte und eine Rationskarte und einen Führerschein.

F: Woher genau kommen Sie? Bitte geben Sie Ihre genaue Adresse in Indien an.

A: Das Dorf heißt XXXX , im Bezirk XXXX in der Provinz Haryana.

F: Mit wem haben Sie an dieser Adresse gelebt?

A: Mit meinen Eltern, meiner Frau, meinem Kind, meinem Bruder und zwei Onkeln mit Ihrer Familie.

F: Haben Sie durchgehend an dieser Adresse gewohnt oder hatten Sie auch andere Meldeadressen in Indien?

A: Nach den Ausschreitungen ist meine Familie umgezogen, aber jetzt wohnt Sie wieder im Dorf.

F: Wie groß ist Ihr Heimatdorf?

A: Es gibt 3000 Wählerstimmen.

F: Haben Sie noch Verwandte im Heimatland?

A: Ja, meine Familie, wie oben angegeben.

F: Stehen Sie in Kontakt zu Ihren Verwandten im Heimatland?

A: Ja, ich habe mit der ganzen Familie Kontakt.

F: Wie oft haben Sie Kontakt?

A: Täglich, weil meine Frau krank ist und heute eine Herzoperation hat.

F: Wie heißen Ihre Eltern?

A: Vater: XXXX

Mutter: XXXX

Mein Vater hat Krebs und meine Mutter Asthma.

F: Wie heißt Ihre Frau?

A: Meine Frau heißt XXXX .

F: Womit bestreiten Ihre Verwandten im Heimatland deren Lebensunterhalt?

A: Wir betreiben eine eigene Landwirtschaft.

F: Waren Sie in Indien berufstätig, bzw. womit haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe nicht gearbeitet. Mein Vater hat für meinen Unterhalt gesorgt, ich habe auf der Landwirtschaft ausgeholfen.

F: Warum stellen Sie einen Antrag auf internationalen Schutz? Nennen Sie Ihre Gründe!

A: Nach meinem ersten Asylantrag bin ich nach Indien zurückgekehrt, weil man mir in Österreich gesagt hat, dass ich nach Polen zurückgeschoben werde.

Am 15.08.2016 habe ich Österreich verlassen. Wegen den damaligen Ausschreitungen hatten wir im Dorf eine Feindschaft mit Leuten einer anderen Kaste. Diese Leute haben unser Grundstück besetzt. Wir wollten Anzeige bei der Polizei erstatten, aber die Gegner haben die Polizei bestochen und die Anzeige wurde nicht aufgenommen. Die Gegner haben uns dann gedroht. Sie sagten, wenn wir nochmal zur Polizei gehen werden wir umgebracht. Aus diesem Grund sind wir danach nach XXXX , dort blieben wir dann zwei Monate. Danach sind wir ins Dorf zurückgekehrt, die Gegner haben aber auf dem besetzten Grundstück ein Haus gebaut. Meine Familie wird bis jetzt von den Gegnern belästigt, sie belästigen auch meinen Sohn in der Schule. Wegen diesen ganzen Sorgen hat meine Frau Probleme mit Ihrem Herz und muss heute operiert werden. Aus diesen Gründen bin ich wieder nach Österreich gekommen.

F: Haben Sie Beweise, dass Sie wieder in Indien waren?

A: Ich bin illegal nach Indien gereist und auch wieder illegal wieder hierhergekommen.

F: Das heißt Sie haben keine Beweise?

A: Ich habe in Indien meinen Führerschein erneuern lassen. Es gibt jetzt neue Chipführerscheine, diesen habe ich mir machen lassen.

F: Von wann bis wann waren Sie in Indien?

A: Ich bin von hier nach Italien gereist dort blieb ich zwei Monate. Insgesamt war ich sechs Monate in Indien. Ich brauchte drei bis vier Monate von Indien wieder nach Österreich.

F: Von wann bis wann waren Sie in Indien?

A: Im November 2016 bin ich in Indien angekommen. Nach sechs Monaten habe ich Indien dann wieder verlassen.

F: Wann waren die Letzen Vorfälle in Indien?

A: Mein Sohn wird bis jetzt in der Schule belästigt. Mein Sohn hat Angst in die Schule zu gehen.

F: Bei welcher Polizeistation wollten Sie die Anzeige erstatten?

A: Bei der Polizeistation in unserem Dorf.

F: Wann wollten Sie die Anzeige erstatten?

A: Die Ausschreitungen waren 2016. Zum Zeitpunkt der Anzeige war ich in Österreich meine Familie hat dies versucht.

F: Wann hat Ihre Familie dies versucht?

A: Es war im Mai 2016.

F: Schildern Sie mir die Ausschreitung im Jahr 2016!

A: Die obere Kaste war dagegen, dass die untere Kaste Vorteile bekommt. Die Leute der oberen Kaste haben Geschäfte schließen lassen und Straßensperren errichten lassen. Es gab eine Armee und Polizeieinsatz. Es sind auch Leute ums Leben gekommen und einige wurde verhaftet. Die Ausschreitungen haben einige Tage gedauert. 2017 gab es wieder Demonstrationen.

F: Wann genau waren die Ausschreitungen im Jahr 2016?

A: Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich lasse mir die Zeitungsartikel schicken.

F: Wissen Sie zumindest das Monat?

A: Es war im Februar oder März 2016.

F: Gab es konkrete Vorfälle gegen Ihre Person?

A: Nein, mit meiner Familie gibt es Vorfälle. Sie werden täglich belästigt. Mein Vater hat schon zwei Selbstmordversuche hinter sich.

F: Beschreiben Sie mir die Vorfälle gegen Ihre Familie!

A: Ein bis zweimal wurde meine Familie geschlagen. Manchmal binden die Gegner unsere Tiere los und jagen Sie los. Sie schmeißen auch Mist in unser Haus. Irgendeinen Vorfall gibt es immer wieder.

F: Wie erklären Sie sich, dass Ihre Familie nach wie vor im Heimatdorf leben kann, Sie selbst aber ausreisen mussten?

A: Mein Vater hat Krebs meine Mutter hat Asthma. Meine Frau und das Kind können nicht über den illegalen Reiseweg hierherkommen. Wenn ich einen Aufenthaltstitel bekomme möchte ich meine Familie nachholen.

F: Wer genau sind Ihre sogenannten Gegner? Können Sie Namen nennen?

A: Einer heißt XXXX und ein anderer heißt XXXX . Es kommen aber verschiedene Gegner ich kenne die Namen nicht.

F: Gab es in XXXX irgendwelche Vorfälle?

A: Nein.

Vorhalt: Warum sind Sie dann nicht in XXXX geblieben? Warum gingen Sie wieder in Ihr Heimatdorf?

A: Es gab dort keine Arbeit die Regierung hat mich nicht unterstützt. In meinem Heimatdorf bauen wir wenigsten ein wenig Gemüse an.

F: Wenn Sie in XXXX Arbeit gehabt hätten wären Sie dann dortgeblieben?

A: Ja, aber es gibt dort keine Arbeit.

Vorhalt: Aus Ihren Schilderungen geht hervor, dass Sie in XXXX sehr wohl leben hätten können. Sie gaben an, dass Sie auch dort mit Ihrer Familie gelebt hätten, wenn es dort eine Arbeit gegeben hätte. Somit steht fest, dass Ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht! Sie können nicht von einer positiven Entscheidung ausgehen. Was möchten Sie dazu angeben?

A: Wir können nicht in Indien bleiben. Ich wüsste nicht, wo wir in Indien hinziehen sollten.

Vorhalt: Ihre Angaben in der Einvernahme sind weiters nicht glaubhaft. Sie konnten Ihre Fluchtgründe nicht glaubhaft schildern! Was möchten Sie dazu angeben?

A: Ich werde Beweismittel vorlegen.

F: Welche Beweismittel?

A: Zeitungsartikel. Vielleicht bekomme ich Berichte von der Polizeistation, von den Ausschreitungen.

Anm.: Der AW wird aufgefordert, sich Beweismittel und Dokumente schicken zu lassen und nach Erhalt, spätestens bis zum 26.09.2018, dem BFA zukommen zu lassen.

Der AW gibt an, dies verstanden zu haben.

F: Warum haben Sie sich nicht dauerhaft woanders in Indien niedergelassen? In Indien gibt es kein ordentliches Meldewesen, man hätte Sie also nicht so einfach finden können.

A: Anmerkung: AW überlegt sehr lange

In ganz Indien gibt es Probleme mit den Kasten.

F: Was werden Sie machen, wenn Sie eine negative Entscheidung erhalten?

A: Was könnte ich tun. Ich habe keine Optionen.

Anmerkung: Der AW wird auf die Rückkehrberatung im Haus 7b der BS Ost verwiesen und wird ihm diesbezüglich eine Ladung ausgefolgt. Weiters wird dem AW eine VAO gem. § 29 Abs. 3 Z 5 AsylG ausgefolgt und unterschrieben zum Akt genommen. Dem AW wird überdies eine Ladung zur neuerlichen Einvernahme vor der BS Ost für 26.09.2018 ausgefolgt und ebenfalls unterschrieben zum Akt genommen.

F: Wollen Sie freiwillig in Ihr Heimatland?

A: Wenn ich eine negative Entscheidung bekomme, werde ich freiwillig ausreisen.

F: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?

A: Ja.

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

A: Ja.

Die Absicht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wurde Ihnen am 12.09.2018 mit Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG zur Kenntnis gebracht.

Am 25.09.2018 wurden Sie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, von einer Organwalter des BFA, im Beisein eines Dolmetschers und eines Rechtsberaters der ARGE in der Sprache Hindi einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

F: Wollen Sie zu den Angaben die Sie im Rahmen der Einvernahme am 12.09.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemacht haben noch etwas ergänzen?

A: Nach der Einvernahme habe ich mit meiner Familie telefoniert. Sie haben mir erzählt, dass Sie gezwungen wurden das Haus zu verlassen.

F: Wo wohnt Ihre Familie jetzt?

A: Sie wohnen jetzt wieder in unserem Heimatdorf. Ich habe gemeint, dort wo sie in XXXX gewohnt haben, dort mussten sie das Haus verlassen. Ich möchte damit sagen, dass XXXX auch nicht sicher ist.

Vorhalt: In der Einvernahme am 12.09.2018 wurden Sie aufgefordert sich Beweismittel und Dokumente zu besorgen. Haben Sie diesbezüglich schon Schritte eingeleitet?

A: Ich habe nur, das was ich gestern abgegeben habe. Ich habe auch einen USB Stick mit Videos.

Vorhalt: Sie haben in der Einvernahme am 12.09.2018 angegeben, dass Sie sich einen neuen Führerschein mit Chip besorgt haben. Wo ist dieser Führerschein?

A: Er ist in Indien zu Hause mein Vater konnte Ihn nicht finden.

F: Warum haben Sie sich diesen Führerschein besorgt?

A: Weil das System geändert wurde und ich wollte einen Chip Führerschein haben.

F: Fassen den Inhalt des Beweismittels 1 zusammen!

A: Vor einigen Tagen waren maskierte Männer bei uns und haben meiner Familie gedroht, sie haben meine Familie auch geschlagen. Das strittige Grundstück läuft auf meinem Namen. Die Angreifer haben gedroht, dass ich eine Vollmacht bezüglich des Grundstücks unterschreiben soll, wenn ich dies nicht tue bringen Sie mich um.

Mein Vater war dann beim Dorfvorstand. Mein Vater hat dem Vorstand dieses Schriftstück vorgelegt, damit der Vorstand weiß, was los ist. In dem Schriftstück steht drinnen, wann ich in Indien eingereist und wieder ausgereist bin. Der Dorfvorstand hat dies bestätigt. Außerdem stehen der Vorfall und die Bedrohung drinnen.

F: Wer hat das Schriftstück verfasst?

A: Mein Bruder hat es im Namen meines Vaters geschrieben, weil mein Vater nicht schreiben kann.

F: „Wann wurde das Schriftstück verfasst?

A: Anfang dieses Monats.

F: Was sieht man auf den Beweismittel 2 und 3? Was möchten Sie damit beweisen?

A: Ich habe in der letzten Einvernahme von Kundgebungen und Demonstrationen erzählt, dies sind Fotos dazu.

F: Wo wurden die Fotos aufgenommen?

A: Es sind Fotos von den Medien aus dem Internet.

F: Wissen Sie wann die Fotos aufgenommen worden sind?

A: Im Jahr 2016.

F: Wissen Sie in welchem Monat?

A: Es war im Februar oder März.

F: Wo wurden die Fotos aufgenommen?

A: Es sind Fotos aus meiner Stadt in XXXX .

F: Fassen Sie den Inhalt des Beweismittels 4 zusammen?

A: Es ist nur ein Bericht über die Demonstrationen im Jahr 2016, dass die beiden Gruppierungen aufeinandergetroffen sind.

F: Von welchem Datum ist der Zeitungsartikel (Beweismittel 4)?

A: Ich weiß es nicht mehr.

F: Fassen Sie den Inhalt des Beweismittels 5 zusammen?

A: Berichte über die Ausschreitungen. Es wurden über 8000 Autos in Brand gesteckt. Es steht genau drinnen wie viele Leute ums Leben kamen.

Vorhalt: Dieser Artikel ist schwer leserlich! Können Sie sich eine bessere Kopie davon besorgen?

A: Ich schicke eine bessere Kopie.

F: Fassen Sie den Inhalt des Beweismittels 6 zusammen?

A: Es ist ein Bericht über die Ausschreitungen, es wurde ein Ausgehverbot verhängt und die Armee kam zum Einsatz.

F: Von welchem Datum ist dieser Bericht?

A: Alle Berichte sind aus demselben Zeitraum. Aus dem Jahr 2016.

F: Fassen Sie den Inhalt des Beweismittels 7 zusammen?

A: Es ist wieder ein Bericht der Angriffe der Jats. Durch diese Angriffe wurde Angst verbreitet.

F: Fassen Sie den Inhalt des Beweismittels 8 zusammen?

A: Dies ist über das Ausgehverbot und es kamen drei Menschen durch Schüsse ums Leben.

Es gibt einen Befehl, dass wenn jemand das Haus verlässt auf ihn geschossen wird.

Anmerkung: Der AW wird aufgefordert die Beweismittel noch einmal in leserlicher Form dem Bundesamt zu übermitteln. Frist bis zum 03.10.2018.

F: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie?

A: Ja.

F: Wie oft haben Sie Kontakt?

A: Einmal pro Tag.

F: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

A: Im Juni 2017.

F: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Am 04.04. 2018

Vorhalt: Sie haben am 12.09.2018 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. § 29/3/5 AsylG 2005 erhalten, mit welcher Ihnen mitgeteilt wurde das beabsichtigt wird Ihren Antrag abzuweisen. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Wollen Sie diesbezüglich etwas angeben?

A: Ich habe Beweismittel vorgelegt, der Dorfvorstand hat alles bestätigt. Es gibt eine klare Bedrohung, wenn ich zurück gehe, werde ich umgebracht.

F: Warum sind gerade Sie so wichtig, dass Sie von Ihren Gegnern bedroht werden?

A: Weil das Land, welches sie besetzt halten, auf meinen Namen eingetragen ist.

F: Wer wohnt jetzt auf Ihrem Land?

A: Die Gegner halten es besetzt.

Anmerkung: AW wird auf die Rückkehrberatung verwiesen.

F: Wollen Sie diese in Anspruch nehmen?

A: Ich war schon bei dieser Beratung, aber ich möchte nicht nach Indien.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

RB hat keine Fragen oder Anträge.

Anmerkung: Der vorgelegte USB Stick wird zum Akt genommen.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

A: Ich möchte nur nochmal sagen, dass ich nicht nach Indien zurückkehren möchte. Ich lebe hier auf meinen eigenen Kosten. Ich falle dem Staat nicht zur Last. Ich bin auch nicht straffällig.

F: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme

folgen?

A: Ja.

Der USB Stick wurde in weiterer Folge gesichtet und erhielt der AW schließlich eine Ladung für den 12.12.2018 zu einer weiteren Einvernahme.

Am 12.12.2018 wurden Sie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, von einer Organwalter des BFA, im Beisein eines Dolmetschers und einer Rechtsberaterin der ARGE in der Sprache Hindi ein weiteres Mal einvernommen. Die wesentlichen Passagen dieser Einvernahme gestalten sich dabei wie folgt:

Vorhalt: Sie haben einen USB-Stick mit vier Videos dem Bundesamt vorgelegt. Beschreiben Sie was in den Videos zu sehen ist! Geben Sie den Inhalt der Videos wieder!

A: Es gibt Auseinandersetzungen zwischen höheren Kasten und Regierungsbehörden. Die höheren Kasten haben sich aufgeregt warum die niedrigen Kasten so viele Prozent der Regierungsposten bekommen. Die Mitglieder der niedrigen Kasten haben sich dann auch eingemischt.

F: Sind hier allgemeine Nachrichtenvideos zu sehen?

A: Ja.

F: Sind Sie persönlich in diesen Videos betroffen?

A: Ich persönlich bin nicht in den Videos, aber meine Stadt war davon betroffen.

F: Sind Sie in den Videos zu sehen?

A: Nein.

F: Woher haben Sie diese Videos?

A: Vom Internet. Zwei Videos habe ich von meinen Freunden, welche als Rekrutierer arbeiten und die anderen habe ich vom Internet runtergeladen.

F: Wann wurden diese Videos aufgenommen?

A: Im Jahr 2016.

F: Handeln diese Videos von demselben Thema wie die von Ihnen vorgelegten Zeitungsartikel?

A: Ja. Die Themen sind miteinander verbunden.

Vorhalt: Diese Videos sind nicht dafür geeignet eine konkret gegen Sie gerichtete Verfolgung glaubhafter erscheinen zu lassen. Sie können nach wie vor nicht von einer positiven Entscheidung ausgehen! Was möchten Sie dazu angeben?

A: Ich habe bereits meine Beweise vorgelegt, ich möchte, dass Sie ermitteln lassen, dass es wirklich Auseinandersetzungen gegeben hat. Außerdem gab es auch diesbezüglich Probleme in unserem Dorf ich wurde angegriffen.

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

RB hat keine Fragen oder Anträge.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie

zum Verfahren alles umfassend vorbringen?

A: Ja. Ich habe ja auch schon ein Schreiben von unserem Dorfältesten vorgelegt, dieser bestätigt, dass mein Leben in Gefahr ist. [“]

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für seine freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA hinsichtlich der konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus, dass das Vorbringen betreffend die Ausschreitungen zwischen den Kasten und den Grundstücksstreit sowie die daraus resultierende Verfolgung nicht glaubhaft sei:

„Ihre Schilderungen sind vage und nicht glaubhaft. Sie beziehen sich bei Ihren Fluchtgründen auf allgemeine Geschehnisse. Sie gaben an, dass Sie Probleme mit einer anderen Kaste hätten. Sie führten selbst auf der Seite sechs der Niederschrift vom 12.09.2018 aus, dass es keine konkreten gegen Ihre Person gerichteten Vorfälle gegeben hätte. Sie führten lediglich an, dass Ihre Familie belästigt werden würde und Ihr Vater hätte bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich. Sie wurden von der Behörde aufgefordert die Vorfälle zu schildern und die gegen Ihre Familie gerichteten Bedrohungen anzuführen. Sie gaben jedoch lediglich zu Protokoll, dass Ihre Familie ein bis zweimal geschlagen worden wäre. Weiters würden Ihre Gegner manchmal die Tiere losbinden und wegjagen. Sie führten weiters aus, dass die Gegner auch Mist in Ihr Haus geschmissen hätten. Tatsächlich verfolgte Personen schildern Realereignisse, insbesondere wenn sie im Leben einschneidend sind, detailliert und auf Einzelheiten eingehend. Dazu waren Sie zu keinem Zeitpunkt Ihrer Einvernahmen in der Lage. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass Ihr gegenständliches Vorbringen den Tatsachen entspricht. Es ist für die Behörde weiters nicht nachvollziehbar warum Sie Ihr Land verlassen mussten und Ihre Familie nach wie vor in Indien leben kann. Es wäre eher nachvollziehbar, wenn Ihre gesamte Familie aufgrund einer bestehenden Bedrohungssituation fliehen hätte müssen, aber genau dies haben Sie nicht behauptet bzw. angegeben. Unerklärlich ist demnach, warum nur Sie das Land verlassen mussten. Sie gaben in der Einvernahme am 12.09.2018 an, dass Sie zwei Monate in XXXX gelebt hätten und dass es dort keinerlei Zwischenfälle gegeben hätte. Sie gaben selbst zu Protokoll, das Sie in XXXX weitergelebt hätten, wenn es dort Arbeit gegeben hätte. In der Einvernahme am 25.09.2018 gaben Sie dann zu Protokoll, dass Sie nach Ihrer Einvernahme am 12.09.2018 mit Ihrer Familie telefoniert hätten. Sie hätten Ihr Haus in XXXX verlassen müssen und würden jetzt wieder im Heimatdorf leben. Sie gaben an, dass Sie damit sagen möchten, dass auch XXXX nicht sicher wäre. Hierzu ist zunächst anzuführen, dass die Behörde nicht davon ausgeht, dass es in XXXX irgendeinen Vorfall betreffend Ihrer Familie gegeben hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Sie sich nochmal intensiv auf die Einvernahme vorbereitet haben um die Vorhalte der Behörde aus der letzten Einvernahme zu entkräften. Weiters ist es auch nicht nachvollziehbar, dass Ihre Familie wieder in Ihr Heimatdorf zurückkehren würde, wenn Sie im Heimatdorf tatsächlich verfolgt wären.

Zu Ihren Beweismitteln ist weiters anzuführen, dass Sie diese lediglich in Kopie vorgelegt haben, dadurch ist eine Überprüfung auf deren Echtheit nicht möglich. Des Weiteren sei bezüglich Ihrer Beweismittel erwähnt, dass diese Sie nicht persönlich betreffen, sondern dass es sich lediglich um Zeitungsartikel und Bilder über allgemeine Geschehnisse in Ihrem Heimatland handelt. Eine persönlich gegen Sie gerichtete Verfolgung kann davon nicht abgeleitet werden. Es sollte noch erwähnt werden, dass Sie von der Behörde aufgefordert wurden diese Beweismittel nochmal in besserer Qualität zu übermitteln, genau dies haben Sie aber nicht gemacht. Bezüglich des Schreibens, welches Ihr Bruder für Ihren Vater verfasst hat, ist anzuführen, dass es sich um kein staatliches Schreiben handelt, es wurde von einer privaten Person nämlich Ihrem Bruder verfasst. Die Behörde geht von einem Gefälligkeitsschreiben aus. Die Behörde kann demnach diesem Schreiben keine Beweiskraft zuerkennen. Bezüglich des vorgelegten USB Sticks und der darauf gespeicherten Videos wurden Sie von der Behörde am 12.12.2018 einvernommen. Sie wurden von der Behörde aufgefordert den Inhalt der Videos zu beschreiben. Sie gaben zu Protokoll, dass es Auseinandersetzungen zwischen höheren Kasten und Regierungsbehörden gäben würde. Sie führten weiters aus, dass die höheren Kasten sich aufgeregt hätten, warum die niedrigen Kasten so viele Regierungsposten bekommen würden, auch die niedrigeren Kasten hätten sich dann eingemischt. Sie gaben an, dass Sie in diesen Videos persönlich nie betroffen gewesen wären, lediglich Ihre Stadt wäre davon betroffen gewesen. Sie gaben an, dass diese Videos im Jahr 2016 aufgenommen wurden. Bezüglich Ihrer Videos ist anzuführen, dass es sich laut Ihren Angaben (EV vom 12.12.2018 S. 3) lediglich um allgemeine Nachrichtenvideos handelt, daher kann das Bundesamt daraus keine persönliche gegen Sie gerichtete Verfolgung ableiten. Zuletzt sei bezüglich der Videos noch anzuführen, dass Sie selbst angaben, dass diese Videos bereits im Jahr 2016 aufgenommen wurden, dadurch kann die Behörde keinen direkt zeitlichen Zusammenhang mit Ihrer Flucht im Juni 2017 erkennen.

Wie sich nun aus obigen Ausführungen klar entnehmen lässt, war für die erkennende Behörde nicht glaubhaft, dass der von Ihnen ins Treffen gerückte Sachverhalt der Grund für Ihre Ausreise war, sondern ist viel mehr davon auszugehen, dass Sie die Ausreise in reinem Auswanderungsinteresse antraten und lediglich ein frei erfundenes Vorbringen in den Raum stellen, um Ihren Antrag auf internationalen Schutz zu begründen, ohne tatsächlich vom Vorgebrachten betroffen gewesen zu sein. Sollte man entgegen obigen Ausführungen in Bezug auf die Unglaubhaftigkeit Ihrer Angaben zur Annahme gelangen, Ihre Behauptungen könnten den Tatsachen entsprechen, so könnte dennoch nicht die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten erfolgen. Ihr Vorbringen ist nicht dazu geeignet eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen, zumal in keiner Weise davon ausgegangen werden könnte, dass der indische Staat und seine Behörden nicht gewillt wären und nicht auch versuchen würden, seine Bürger vor derartigen Vorfällen zu schützen. Dies ist obigen Feststellungen zur Situation im Heimatland klar zu entnehmen und ändert daran auch der Umstand nichts, dass, wie in jedem anderen Staat auch, nicht jederzeit umfassender Schutz vor terroristischen Handlungen oder kriminellen Machenschaften möglich ist. Der indische Staat ist grundsätzlich funktionsfähig, schutzwillig und schutzfähig. Das Bundesamt geht nicht davon aus, dass Sie in Ihrem Heimatland verfolgt werden, dennoch sei erwähnt, dass in Ihrem Heimatland kein Meldewesen existiert, eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehen würde und nicht davon auszugehen ist, dass Sie bei tatsächlichem Bestehen von Bedrohungen ohne weiteres von Ihren Gegnern auffindbar wären. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Ihnen die Möglichkeit offen steht sich in einem anderen Landesteil in Indien niederzulassen, sollten Sie im Heimatort tatsächlich Probleme haben. Überdies muss nach der Rechtsprechung des VwGH die Verfolgung bzw. die objektiv begründete Furcht vor einer solchen im gesamten Staatsgebiet eines Asylwerbers bestanden haben (vgl. Erk. des VwGH v. 21.6.1994, Zl. 94/20/0333).“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, der Bescheid werde vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

Am 08.11.2019 und 17.01.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Bundesstaat Haryana, er gehört der hinduistischen Religionsgemeinschaft und der Volksgruppe/ Kaste der Jat an. In Indien besuchte er 12 Jahre die Schule und half seinem Vater in der Landwirtschaft. Seine Muttersprache ist Hindi, des Weiteren spricht er Punjabi und Englisch. In Indien lebt nach wie vor die Familie des BF, und zwar die Ehefrau, der Sohn, die Eltern, der Bruder, die Schwester, zwei Onkel, Tanten und deren Kinder. Der Beschwerdeführer pflegt fast täglichen telefonischen Kontakt zu seinen Angehörigen. Im Bundesgebiet verfügt der BF über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat. Der BF leidet an Asthma. Am 10.04.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu den vorgebrachten Fluchtgründen wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer keiner konkreten, individuellen Verfolgung in Indien ausgesetzt ist. Gründe, die eine Verfolgung oder sonstige Gefährdung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht.

Der Beschwerdeführer leidet an Asthma, wobei nicht festgestellt werden kann, wann diese Diagnose gestellt wurde. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, ist arbeitsfähig und in Österreich unbescholten. Er befindet sich nicht in Grundversorgung.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen, konkret aufgrund der Zugehörigkeit zur Kaste der Jat und aufgrund eines Grundstücksstreits mit seinen Nachbarn, verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA. Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA

18.9.2018) , der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht („first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA

18.9.2018) . Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis „National Democratic Alliance" (NDA) mit der „Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA

18.9.2018) . Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP- Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der „strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UNSicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).

In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handelsund Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048. Zugriff

23.1.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046. Zugriff 23.1.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook - India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html. Zugriff 23.1.2019

-        DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit - und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt.

Zugriff 28.1.2019

-        FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-

mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien,

Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-

entwicklung/, Zugriff 23.1.2019

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html. Zugriff

18.10.2018

2. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt (AA 18.9.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence" bezeichnet (ÖB

12.2018) 

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation („surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-        AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046. Zugriff 23.1.2019

-        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384. Zugriff 29.1.2019

-        BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017): Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien.

Zugriff 23.10.2018

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/. Zugriff 11.10.2018

-        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-        SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm. Zugriff

23.1.2019

2.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018)

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderauf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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