TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/10 W156 2231258-1

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Entscheidungsdatum

10.12.2020

Norm

AuslBG §12b
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W156 2231258-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alexander Wirth als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RÄe Schwarz Schönherr in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 19.12.2020, GZ: ABB-Nr: XXXX , betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , eine am XXXX geborene iraanische Staatsangehörige, (in Folge als BF bezeichnet) stellte am 21.11.2019 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z1 AuslBG. Laut beiliegender Arbeitgebererklärung soll sie bei der XXXX Handels GmbH in 1130 Wien, (in Folge als AG bezeichnet) in der Beratung und Vertrieb mit einem monatlichen Bruttolohn von € 3.200,00 im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden.

Dem Antrag waren folgende Unterlagen angeschlossen:

- Kopie des Arbeitsvertrages

- Kopie des Reisepasses

- Bestätigung des Chirurgiezentrums XXXX über die Berufserfahrung von 23.09.2009 bis 13.07.2019 als Allgemeinärztin

- Sprachzeugnis C1 vom 26.02.2019

- Lehrplan des Medizinstudiums der Universität für Medizinwissenschaften zu XXXX
- Studienabschlussurkunde zum Doktor der Humanmedizin

- Abschlussurkunde des einjährigen Studienkollegs „Naturwissenschaft“

2. Mit Schreiben des Arbeitsmarktservice Esteplatz (in Folge als AMS bezeichnet) vom 26.11.2019 wurde der AG ein Vermittlungsauftragsformular übermittelt.

3. Mit Schreiben vom 03.12.2019 wurde der ausgefüllte Vermittlungsauftrag vorgelegt.

4. Mit Schreiben vom 03.12.2019 wurde AG mitgeteilt, dass die erforderliche Mindestpunkteanzahl nicht erreicht werde.

5. In der Stellungnahme vom 11.12.2019 wurde von der AG ausgeführt, dass die Tätigkeit der BF als ausbildungsadäquate Berufserfahrung anzuerkennen sei. Da geplant sei, zukünftig auch den Handel mit Medizinprodukten zu betreiben, wie aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag ersichtlich, seien dafür zwingend medizinische Kenntnisse und Erfahrung nötig.

6. Mit Bescheid vom 19.12.2019 wurde der Antrag auf Zulassung der BF zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z1 AuslBG bei der mitbeteiligten AG nach Anhörung des Regionalbeirates mangels Erreichen der Mindestpunktezahl, abgewiesen.

7. Dagegen erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Rechtmittelfrist Beschwerde und legte Ein Sprachzertifikat A1 vom 08.01.2020 vor.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.03.2020 wies das AMS die Beschwerde ab und begründete dies – soweit beschwerderelevant – damit, dass die Mindestpunkteanzahl erreicht werde, aber der Antrag abzuweisen wäre, da die AG über keine Gewerbeberechtigung verfüge und daher nicht berechtigt sei, Handelsaktivitäten auszuüben. Da daher kein Arbeitsplatz mit dem beantragten Anforderungsprofil im Unternehmen zur Verfügung stehe, sei der Antrag abzuweisen.

9. Mit Schreiben vom 12.05.2020 beantragte die BF die Vorlagen an das Bundesverwaltungsgericht und führt im Wesentlichen aus, dass eine Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“ vorliege.

10. Aufgrund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 26.05.2020 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

11. Mit Schreiben vom 24.08.2020 wurde der BF das Vorlageschreiben des AMS zur Stellungnahme übermittelt.

12.im Zuge der Stellungnahme vom 08.09.2020 wurde eine angepasste Arbeitgebererklärung sowie ein neuer Arbeitsvertrag vorgelegt.

13.Mit Parteiengehör vom 02.10.2020 wurde die AG aufgefordert, Nachweise zu übermitteln, die belegen können, dass die AG am einschlägigen Geschäftsleben teilnimmt und die Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften garantieren könne.

14. Mit Schreiben vom 22.10.2020 wurde vorgebracht, dass es sich bei der AG um ein Start-up-Unternehmen handle, das die Geschäfte erst mit Hilfe der BF aufbauen wolle. Eine Geschäftstätigkeit sei bisher nicht entfaltet worden. Planungstätigkeiten und Vorarbeiten seien geleistet worden, erste Testbestellungen seien erhalten worden und Produktinformationen zusammengestellt. Das Gesellschaftskonto weise € 19.327,63 an Mitteln auf und die GmbH verfüge über ein Stammkapital von € 35.0000,00, das zur Hälfte eingezahlt sei. Ein Liquiditätsengpass drohe daher nicht.

15. Am 5.11.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des AMS und der Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung statt.

16. Mit Stellungnahme vom 12.11.2020 wurden Präsentationsunterlagen, eine Kalkulation und Preisblätter vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF, eine am XXXX geborene iranische Staatsangehörige, stellte am 21.11.2019 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z1 AuslBG. Laut adaptierter Arbeitgebererklärung soll sie bei der XXXX Handels GmbH in 1130 Wien, (in Folge als AG bezeichnet) in der Beratung und Vertrieb mit einem monatlichen Bruttolohn von € 3.300,00 im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden.

Folgende Unterlagen wurde im Verfahren eingereicht:

- Kopie des Arbeitsvertrages

- Kopie des Reisepasses

- Bestätigung des Chirurgiezentrums XXXX über die Berufserfahrung von 23.09.2009 bis 13.07.2019 als Allgemeinärztin

- Sprachzeugnis C1 vom 26.02.2019

- Lehrplan des Medizinstudiums der Universität für Medizinwissenschaften zu XXXX
- Studienabschlussurkunde zum Doktor der Humanmedizin

- Abschlussurkunde des einjährigen Studienkollegs „Naturwissenschaft“

- Auszug aus dem Gewerberegister

- Kontoauszug der AG vom 20.10.2020

- Firmenbuchauszug der AG

- Kopien von Buchauszügen betreffend iranische Heilpflanzen und Pistanzienöl
- Mail an einen iranischen Augenarzt über eine Bestellung von Luteinkapseln, OVD, medizinische Masken, Pulsoximeter vom 20.10.2020

- Preisliste Europa/Iran von pflanzlichen Produkten,

- Kalkulation Einnahmen/Ausgabenrechnung

- Kopien von Buchauszügen betreffend Heilpflanzen

Die BF verfügt über ein abgeschlossenes Studium Humanmedizin und 10 Jahre Berufserfahrung, weist Englischkenntnisse C1 und Deutschkenntnisse A1 nach.

Die AG ist eine GmbH mit Sitz in Wien 1130, mit Ersteintragung in das Firmenbuch vom 20.09.2019 und verfügt seit dem 23.01.2020 über eine Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe mit Ausnahme reglementierte Handelsgewerbe“.

Eine Geschäftstätigkeit wurde bis dato nicht entfaltet. Die BF hat kein Geschäftslokal und keine Homepage. Geschäftsgegenstand soll der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln sein, vorrangig in der iranischen Gemeinschaft in Österreich. Sofern eine Gewerbeberechtigung für Medizinprodukte erworben wird, soll der Vertrieb auf diese ausgedehnt werden. Dahingehende Schritte wurden bis dato noch nicht unternommen.

Zum Stichtag 1.1.2020 leben in Österrreich1492 iranische Staatsbürger und insgesamt 24.733 im Iran geborene Personen.

Der Jahresabschluss zu 31.12.2019 weist Aktiva in Höhe von € 17.335,02 auf, keinerlei Anlagevermögen, ein Umlaufvermögen in Höhe von € 17.355,2, wobei € 0 auf Vorräte, € 32 auf Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände und € 17.303,02 auf Wertpapiere und Anteile entfallen.

Es ist nicht geplant, sich um Investoren zu bemühen.

Die Geschäftsführerin der AG ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der XXXX Gmbh, die ein gleichgelagertes Verfahren betreffend Ablehnung der Zulassung eines iranischen Arztes als Schlüsselkraft für den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln beim BVwG anhängig gemacht hat.

Ein weiteres inhaltlich gleichgelagertes Verfahren ist bei der Gerichtsabteilung W178 anhängig, wobei die Firmenadresse dieser Gmbh mit der Firmenadresse des gegenständlichen Verfahrens ident ist, drei weitere gleichgelagerte Verfahren sind noch beim AMS anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur BF gründen sich auf die im Verfahren vorgelegten Unterlagen sowie den Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur AG gründen auf den im Verfahren vorgelegten Unterlagen, Einsichtnahme ins Firmenbuch und Jahresabschluss 2019 sowie den Abgaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Daten zu den am 1.1.2020 in Österreich lebenden und im Iran geborenen Personen und Personen mit iranischer Staatsbürgerschaft ergibt sich aus dem Vorbringen der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung anhand der Date der Statistik Austria.

Die Feststellungen zu den insgesamt sechs gleichgelagerten Verfahren gründen auf den Angaben des AMS in der mündlichen Verhandlung. Dass zwei weitere beim BVwG anhängig sind ist amtsbekannt.

Dass die BF weder Geschäftslokal noch eine Homepage hat ergibt sich aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Dass vorrangig die Produkte in der iranischen Gemeinschaft vertrieben werden sollen, ergibt sich aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Zu den Produktinformationen der AG ist anzumerken, dass es sich hiebei um Auszüge aus Büchern handelt, die lediglich allgemeine Informationen zu Herkunft, Verwendung und Inhaltsstoffen von pflanzlichen Produkten wie Pistazien, Rosen, Anis, Fenchel etc. enthalten.

Auch die vorgelegte Testbestellung vermag keine Vorarbeit darzulegen, zumal diese an einen iranischen Augenarzt gerichtet ist und nicht wie zu erwarten an entsprechende Händler in diesem Bereich und eine allfällige Lieferung erst mit April 2021 ins Auge gefasst wird. Zudem umfasst diese entgegen dem vorgebrachten Geschäftsinhalt – Vertrieb von Nahrungsergänzungsmittel – auch medizinische Masken und Pulsoximeter sowie OVDs. Bei OVD (Ophtalmic Viscosurgical Devices) handelt es sich um ein medizinisches Produkt, das vorrangig bei Augenoperationen eingesetzt wird und jedenfalls nicht unter Nahrungsergänzungsmittel fällt.

Dass die AG keine Geschäftstätigkeit entfaltet hat, ergibt sich aus den eingebrachten Stellungnahmen. Dies ergibt sich auch aus der vorgelegten Kalkulation. Zu dieser ist anzumerken, dass die AG hier konstant durchschnittliche monatliche Ausgaben von rund
€ 5.973 für die ersten beiden Geschäftsjahre zugrunde legt. In diesen sind allerdings keinerlei Ausgaben für Warenbeschaffung enthalten, dennoch ist die Verkaufmarge ab dem 4 Monat um kontinuierliche 1.000 Euro/Monat ansteigend, bis sie 10.000 Euro/Monat erreicht hat. Es kann daher nicht nachvollzogen werden, wie sich die darlegte Marge aus Verkauf berechnet, die erst im 9. Monat des Geschäftsbetriebes einen ersten Gewinn von € 26 bringen soll und erst am dem 18. Monat des Geschäftsbetriebes mit geplanten € 4.600 das Gehalt der BF samt Lohnnebenkosten erwirtschaftet, ohne dass die Kalkulation auch nur ansatzweise Kosten für Ankauf von den zu vertreibenden Produkten umfasst.

Zudem ist anzumerken, dass bei sechs gleichgelagerten Geschäftsmodellen sich diese den Kundenkreis der rund 25.000 in Österreich lebenden Personen, mit iranischer Staatsbürgerschaft oder Herkunft aus dem Iran, teilen müssten und daher die vorgelegte Kalkulation hinsichtlich einer Gewinnerzielung als wenig realistisch anzusehen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG lauten:

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

§ 12b in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

„Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. ein Diplomstudium zumindest ab dem zweiten Studienabschnitt bzw. ein Bachelorstudium, ein Masterstudium oder ein (PhD-)Doktoratsstudium an einer inländischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität absolviert und erfolgreich abgeschlossen haben und für die beabsichtigte Beschäftigung, die ihrem Ausbildungsniveau zu entsprechen hat, ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolventen mit einer vergleichbaren Tätigkeit und Berufserfahrung entspricht, jedenfalls aber mindestens 45 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG zuzüglich Sonderzahlungen beträgt,

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.“

§ 4b Abs. 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 66/2017 lautet:

„Prüfung der Arbeitsmarktlage

§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.“

Anlage C in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

 

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

 

30

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr)

Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2

4

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)

Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

 

5

10

15

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)

Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

 

5

10

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre

bis 40 Jahre

15

10

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

90

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

 

 

§ 20d AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

„Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte“, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine „Blaue Karte EU“ und ausländische Künstler den Antrag auf eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde – je nach Antrag – schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1.als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12

2.als Fachkraft gemäß § 12a,

3.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5.als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine „Blaue Karte EU“) oder

6.als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) bis (5) […]“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die BF soll laut Arbeitgebererklärung von der AG in Beratung und Vertrieb beschäftigt werden.

Die BF erfüllt aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation, der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung und der nachgewiesenen Sprachkenntnisse sowie ihres Alters unstrittig die gemäß § 12b Abs. 1 AuslBG erforderliche Mindestpunkteanzahl.

Dennoch führt die Beschwerde nicht zum Erfolg:

Die Rot-Weiß-Rot-Karte sonstige Schlüsselkraft ermöglicht, dass eine drittstaatsangehörige Arbeitskraft für eine/n inländische/n Arbeitgeber/in tätig werden kann, wenn die erforderlichen Voraussetzungen (§ 12b Z 1 AuslbG in Verbindung mit § 4 Abs1 AuslBG) vorliegen und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nach Prüfung gemäß § 4b AuslBG eine Erteilung zulässt.

Der Prüfung gemäß § 4b AuslBG ist das Anforderungsprofil zugrunde zu legen, das in den betrieblichen Notwendigkeiten seine Deckung finden muss. Die belangte Behörde hat somit eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen. Die betriebliche Notwendigkeit wird jedenfalls zu bejahen sein, wenn das Anforderungsprofil und damit die für die Arbeitsstelle in Aussicht genommenen Person bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise (also objektiv) erforderlich sind, um den Betrieb in seinem wirtschaftlichen Bestand zu sichern.

Die AG hat bisher – wie selbst vorgebracht - keinen Geschäftsbetrieb entfaltet. Der Begriff „betriebliche Notwendigkeit“ setzt aber einen Geschäftsbetrieb voraus, dessen grundsätzlicher Bestand durch die Einstellung eines Arbeitnehmers gesichert werden soll.

Für die Einstellung der BF kann somit mangels vorliegenden Geschäftsbetriebes auch keine betriebliche Notwendigkeit geltend gemacht werden.

Dass es nach dem Willen des Gesetzgebers ausreichend ist, die Geschäftstätigkeit überhaupt erst durch die Einstellung der beantragten sonstigen Schlüsselkraft aufzunehmen, kann nicht unterstellt werden, zumal beispielsweise eine eigene Rot-Weiß-Rot-Karte für Start-up-Gründer vorgesehen ist (vergleiche § 41 NAG und § 24 AuslBG).

Darüber hinaus wird festgehalten, dass § 4 Absatz 1 Ziffer 4 AuslBG als eine der Voraussetzungen vorsieht, dass die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.

Anders als vom RV angenommen ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts hier eine Prognoseentscheidung betreffend die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers zu treffen (vergleiche dazu beispielsweise VwGH 21.01.1994, 93/09/0406). Im Beschwerdefall liegen jedoch Umstände vor, welche dies als zweifelhaft erscheinen lassen (vergleiche VwGH 06.06.2001, 98/09/0016):

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1990, Zl. 88/09/0142, vom 6. September 1993, Zl. 93/09/0137, und vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0214), regelt § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG nicht, welchen Lohn- und Arbeitsbedingungen (einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) der ausländische Arbeitnehmer zu unterliegen hat. Diese Bestimmung knüpft vielmehr an allen einschlägigen in Betracht kommenden Rechtsvorschriften an, die diesen Gegenstand regeln. Das rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des "Gegebenerscheinens der Gewähr" bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Behörde für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften (seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1998 auch der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften), insbesondere der gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jener der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen. Der Begriff "Arbeitsbedingungen" ist weit zu verstehen. Er erfasst nicht bloß die Hauptleistungen aus dem Arbeitsvertrag, also insbesondere das Entgelt und andere aus dem Arbeitsverhältnis entspringende Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, wie Arbeitszeit, Freizeit, Feiertagsarbeit, sondern überhaupt jede Frage, welche die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb oder Unternehmen betrifft.

Im gegenständlichen Fall wurde bis dato weder eine Geschäftstätigkeit entfaltet, noch liegt ein nachvollziehbarer Businessplan vor, noch ist auch nach den Angaben der AG in den ersten 18 Monaten mit einem ausreichenden Gewinn zu rechnen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht berechtigt Zweifel bestehen, dass die vorgesehene Entlohnung von € 3.300, somit der vertraglich geschuldete Lohn, der BF auch gesichert ausgezahlt werden könnte.

Somit liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte sonstige Schlüsselkraft schon aus diesem Grund nicht vor.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt soweit ersichtlich an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Voraussetzungen für die Zulassung einer Schlüsselkraft auf Unternehmensseite erfüllt sein können, wenn das Unternehmen bis dato keine Geschäftstätigkeit entfaltet hat und erst die beantragte Schlüsselkraft eine Geschäftstätigkeit aufbauen soll, und wenn für den Zeitraum des Aufbaus der Geschäftstätigkeit die Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere Zahlung des Entgelts und Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge) beispielsweise mangels eines entsprechenden Gewinns nicht gewährleistet erscheint.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Geschäftstätigkeit Prognoseentscheidung Revision zulässig Rot-Weiß-Rot-Karte Schlüsselkraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2231258.1.00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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