Entscheidungsdatum
14.12.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W238 2182869-3/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Einzelrichterin über den am 08.06.2020 eingebrachten Antrag von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch XXXX , auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen des unter einem gestellten Antrags auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020, W238 2182869-1/14E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens beschlossen:
A) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 03.10.2017 sprach das Arbeitsmarktservice Mödling (im Folgenden: AMS) gemäß § 10 iVm § 38 AlVG den Verlust des Anspruchs der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 06.09.2017 bis 31.10.2017 aus. Nachsicht wurde nicht erteilt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der damalige Beschwerdeführer (nunmehrige Antragsteller) eine von der Firma XXXX angebotene zumutbare Stelle nicht angenommen bzw. eine Arbeitsaufnahme vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er insbesondere vor, dass er am 05.09.2017 von einer Mitarbeiterin der Firma XXXX angerufen und aufgefordert worden sei, sofort eine Stelle als Lagerarbeiter in Wien 23 anzutreten. Genaue Angaben über Tätigkeit und Einkommen seien bei diesem Gespräch nicht gemacht worden. Da der Beschwerdeführer an diesem Tag um 15 Uhr noch ein vielversprechendes Vorstellungsgespräch bei einer anderen Firma vereinbart habe und ihm der Anfahrtsweg in den 23. Bezirk zu weit erschienen sei, habe er den Antritt der nicht näher beschriebenen Stelle abgesagt. Seiner Beschwerde legte er u.a. seine Bewerbung bei der Firma XXXX vom 04.09.2017 und eine Absage dieser Firma vom 30.10.2017 unter Bezugnahme auf ein Bewerbungsgespräch des Beschwerdeführers am 05.09.2017 bei.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.12.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 03.10.2017 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerdeführer angebotene Stelle zumutbar gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe sich beim Dienstgeber XXXX eigenständig beworben. Der Bewerbung folgend sei dem Beschwerdeführer von der Firma eine zumutbare Beschäftigung angeboten worden; es sei ein Arbeitsbeginn am 05.09.2017 vereinbart worden. Am Tag davor habe sich der Dienstgeber über die Förderbarkeit der Beschäftigung beim AMS erkundigt und bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer am nächsten Tag bei der Firma anfangen würde zu arbeiten. Der Beschwerdeführer habe die Absage der Stelle mit einem Bewerbungsgespräch bei der Firma XXXX begründet. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei am 05.09.2017 von der Firma XXXX angerufen und überraschend sofort zum Dienst beordert worden, wurde vom AMS kein Glauben geschenkt. Aufgrund der Abwegigkeit des Vorbringens, der Beschwerdeführer sei zu Mittag während des Essens ohne vorherige Vereinbarung aufgefordert worden, sofort ein Dienstverhältnis als Lagerarbeiter in Wien 23 anzutreten, seien keine weiteren Erhebungen erforderlich gewesen. Der Tatbestand gemäß § 38 iVm § 10 Abs. 1 AlVG, der den Verlust des Leistungsanspruchs für acht Wochen rechtfertige, sei durch die Nichtannahme der konkret angebotenen Stelle verwirklicht worden. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG (so insbesondere die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme innerhalb angemessener Frist) würden nicht vorliegen. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten finanziellen Schwierigkeiten seien nicht berücksichtigungswürdig.
4. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
5. Am 22.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, sein Vertreter und eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurden auch drei Zeugen einvernommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses, mit dem die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt wurde, dass der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 iVm § 38 AlVG für den Zeitraum vom 06.09.2017 bis 17.10.2017 ausgesprochen und Nachsicht vom Ausschluss des Bezuges der Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht erteilt wurde. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
6. Das Erkenntnis wurde nach fristgerechter Einbringung eines Ausfertigungsantrags seitens des Beschwerdeführers am 12.02.2020 zu Zahl W238 2182869-1/14E schriftlich ausgefertigt.
7. Mit Eingabe des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers vom 08.06.2020 wurde ein – fälschlich als Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand bezeichneter – Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020 abgeschlossenen Verfahrens gestellt. Unter einem wurde der gegenständliche Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für dieses Verfahren eingebracht.
Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrags wurde vorgebracht, dass der Vertreter und die Eltern des nunmehrigen Wiederaufnahmewerbers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 versucht hätten, glaubhaft zu machen, dass diesem aufgrund einer schweren und nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit auf Jahre hindurch die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit bezüglich der Aufnahme einer Arbeit zur Abdeckung der täglichen Bedürfnisse gefehlt habe. Da das Gericht diesem Vorbringen nicht gefolgt sei, habe der Vertreter des Wiederaufnahmewerbers ab diesem Zeitpunkt versucht, einen Psychotherapeuten oder einen Neurologen zur Feststellung des körperlichen und geistigen Zustands des Wiederaufnahmewerbers zu finden. Der nun vorgelegte neurologische Befundbericht vom 18.05.2020 untermauere die Darstellungen der Angehörigen des Wiederaufnahmewerbers bei der mündlichen Verhandlung. Auch das AMS habe aufgrund dieses Befundberichts am 05.06.2020 bei der PVA eine Begutachtung des Wiederaufnahmewerbers gemäß § 8 AIVG zwecks Abklärung seiner Arbeitsfähigkeit mit der Fragestellung anberaumt „ob der bei dieser Begutachtung festgestellte Zustand auch schon 2017 bestanden hat“. Aus diesen Gründen werde ein „Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand“ gestellt, Verfahrenshilfe für dieses Verfahren beantragt und die Bestellung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen zur Feststellung des Gesundheitszustandes „zum Zeitpunkt des Vergehens der Arbeitsverweigerung im Jahr 2017“ begehrt. Diesbezüglich wurden auch Zeugenaussagen des Vertreters und der Eltern des Wiederaufnahmewerbers angeboten.
Den Anträgen wurden ein neurologischer Befundbericht vom 18.05.2020, eine Bestätigung des Facharztes für Neurologie über die Aushändigung des Befundberichts am 26.05.2020 an den Vater des Wiederaufnahmewerbers, ein Untersuchungsauftrag des AMS (Begutachtung gemäß § 8 AlVG) vom 29.05.2020, Überweisungen für Labor und Röntgen/MRT, ein Rezept sowie Schriftverkehr vom 05.05.2020 und 06.05.2020 zwischen dem Vertreter des Wiederaufnahmewerbers und einer klinischen Psychologin betreffend eine Terminanfrage beigelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Verfahren, für welches die Gewährung der Verfahrenshilfe beantragt wurde, hat den unter einem eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020 abgeschlossenen Verfahrens betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe zum Gegenstand.
Der Verfahrenshilfewerber führte das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch einen von ihm selbst gewählten Vertreter (Stiefvater). Den Wiederaufnahmeantrag, in dem der bisherige Verfahrensverlauf wiedergegeben und Beweismittel vorgebracht wurden, formulierten der Verfahrenshilfewerber bzw. sein Vertreter – abgesehen von der nicht schädlichen falschen Bezeichnung des Antrags – klar und strukturiert.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Gerichtsakt, insbesondere auf der Abfassung des Wiederaufnahmeantrags vom 08.06.2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Da es sich hier jedoch nicht um eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid einer Geschäftsstelle, sondern um eine Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe (im Rahmen eines Wiederaufnahmeantrags) handelt, unterliegt diese der Einzelrichterzuständigkeit.
Zu A) Abweisung des Antrags:
3.2. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtsvorschrift des VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet wie folgt:
„Verfahrenshilfe
§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.“
3.3. In seinem Erkenntnis vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, setzte sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit den Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 8a VwGVG auseinander:
Aus der Anordnung des § 8a Abs. 1 VwGVG, wonach Verfahrenshilfe zu bewilligen ist, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, folgt zunächst, dass die Gewährung der Verfahrenshilfe nach dieser Bestimmung nicht in allen Verfahren der Verwaltungsgerichte in Betracht kommt, sondern erfordert, dass der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC eröffnet ist (vgl. in diesem Sinn VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 und 0013, Rn. 34). § 8a VwGVG ist im Übrigen insofern subsidiär, als die Bestimmung nur dann zur Anwendung gelangt, „soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist“. Wenn in den sogenannten „Materiengesetzen“ somit Regelungen enthalten sind, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht, ist § 8a VwGVG nicht anzuwenden (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0073; vgl. näher in Bezug auf § 52 BFA-VG VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 und 0013). Soweit § 8a Abs. 1 VwGVG verlangt, dass die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint, entsprechen diese Voraussetzungen § 63 Abs. 1 ZPO. Der nationale Gesetzgeber hat damit von der nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. 20.11.2012, Dachnevic/Litauen, 41338/06; vgl. auch den Hinweis in EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09, Rn. 49) bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gewährung der Verfahrenshilfe von der finanziellen Situation der Partei bzw. deren (mangelnden) Erfolgsaussichten im Verfahren abhängig zu machen.
Zur Beurteilung, ob auf Grund des Art. 6 EMRK bzw. des Art. 47 GRC die Beigebung eines Rechtsanwaltes „geboten ist“, kommt es im Sinn der Judikatur des EGMR und des EuGH darauf an, ob dies für den „effektiven Zugang“ der Partei zum Gericht unentbehrlich ist. Dies ist in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nicht erfüllt sind, weil die Partei insbesondere die Kosten eines Rechtsanwaltes ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten könnte oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung offenbar mutwillig oder aussichtslos ist. Sind diese Voraussetzungen aber erfüllt, ist maßgeblich, ob im Verfahren – insbesondere in Hinblick auf die Komplexität des Falles – Schwierigkeiten zu erwarten sind, die es der Partei verunmöglichen, ihre Interessen ohne Unterstützung eines Rechtsanwaltes wahrzunehmen. Dabei sind die persönlichen Umstände der Partei, wie ihr allgemeines Verständnis und ihre Fähigkeiten bzw. ihre Rechtskenntnisse zu berücksichtigen. Ergänzend ist in die Erwägungen auch die Bedeutung des Rechtsstreits für die Partei miteinzubeziehen. Dies entspricht im Sinn der Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1 ff) grundsätzlich auch den Kriterien, die nach der Judikatur der Zivilgerichte für die Beurteilung, ob in Prozessen ohne Anwaltszwang im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach Lage des Falles erforderlich ist, maßgeblich sind.
Vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtkundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips, sowie der durch § 8a Abs. 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, kommt der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zu. Sie kann jedoch im Einzelfall erforderlich sein (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032). Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon die Formulierung einer Beschwerde bzw. eines Vorlageantrags, eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Erstattung weiteren Vorbringens im Verfahren – etwa auf Grund einer nach Lage des Falles bestehenden Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. zur Mitwirkungspflicht etwa VwGH 19.06.2018, Ra 2018/03/0021, mwN) – besondere Schwierigkeiten aufwerfen, die die Fähigkeiten der Partei nach ihren persönlichen Umständen überschreiten. Aus § 8a Abs. 2 zweiter Satz VwGVG ergibt sich insoweit eine weitere Einschränkung, als diese Bestimmung im Sinn der Erläuterungen der Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1 ff) so zu verstehen ist, dass die Bewilligung der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer nicht zwingend für das gesamte Verfahren des Verwaltungsgerichtes erfolgen muss, sondern auch nur auf einzelne Abschnitte des Verfahrens bzw. einzelne Verfahrenshandlungen – etwa die Abfassung und Einbringung der Beschwerde oder die Vertretung in der Verhandlung – beschränkt werden kann. Voraussetzung einer solchen Einschränkung der Beigebung des Rechtsanwaltes bloß auf einzelne Abschnitte des Verfahrens ist aber, dass in Fällen, in denen sich im Sinn der genannten Kriterien ergibt, dass ein Verfahrenshelfer beizugeben ist, absehbar ist, dass die Partei im übrigen Verfahren der Unterstützung eines Rechtsanwaltes nicht bedarf.
3.4. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:
Zunächst ist festzuhalten, dass Verfahren betreffend den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen.
Eine spezifische Komplexität des Falles in der Weise, dass der Verfahrenshilfewerber im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten sein müsste, ist gegenständlich nicht gegeben, da die Sachlage klar erscheint und es vorliegend nicht um die Lösung einer schwierigen Rechtsfrage geht. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen, sind somit nicht zu erwarten.
Auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des durch seinen Stiefvater vertretenen Verfahrenshilfewerbers ist festzuhalten, dass dieser – insbesondere mit Blick auf die Formulierung des eingebrachten Wiederaufnahmeantrags – seine Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden im Verfahren hinreichend unter Beweis zu stellen vermochte.
Die Bedeutung der Sache für den Verfahrenshilfewerber (Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Verlust der Notstandshilfe) ist angesichts der damit angestrebten Existenzsicherung freilich nicht als gering anzusehen, jedoch für sich alleine betrachtet nicht ausreichend für die Gewährung der Verfahrenshilfe.
Insbesondere sind nämlich auch die Erfolgsaussichten des vom Verfahrenshilfewerber angestrengten Wiederaufnahmeverfahrens nicht als hoch anzusehen (diesbezüglich wird auf den hg. Beschluss vom heutigen Tag betreffend die Abweisung des Wiederaufnahmeantrags verwiesen).
Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im vorliegenden Fall nicht geboten ist.
Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich, dass ihre Gewährung rechtlich geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen. Auf die Vermögensverhältnisse des Verfahrenshilfewerbers war angesichts der obigen Ausführungen daher nicht mehr einzugehen.
Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gegeben sind, war der darauf gerichtete Antrag spruchgemäß abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die vorliegende (Einzelfall-)Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Unter Berücksichtigung der oben zitierten Entscheidung des VwGH vom 11.09.2019, Ro 2018/08/0008, weicht die Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
EMRK Erfolgsaussichten Verfahrenshilfe VerfahrenshilfeantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2182869.3.00Im RIS seit
22.02.2021Zuletzt aktualisiert am
22.02.2021