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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 1997 §1 Z4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S A, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2020, L506 2153522-1/17E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist - nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) - ein iranischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, dessen Eltern den Iran vor etwa 35 Jahren verlassen und seither im Nordirak gelebt haben. Der Revisionswerber wurde bereits im Irak geboren und vom UNHCR am 7. Dezember 2001 auf prima facie-Basis, d.h. ohne Durchführung einer umfassenden Einzelfallprüfung der Asyleinschluss- und Ausschlussgründe, im Irak als Flüchtling registriert (vgl. dazu auch UNHCR Guidelines on International Protection No. 11: Prima Facie Recognition of Refugee Status). Vom Irak gelangte der Revisionswerber im August 2014 nach Österreich und beantragte internationalen Schutz.
2 Seine Flucht begründete er zusammengefasst damit, aufgrund des früheren politischen Engagements seines Vaters für die Demokratische Partei Kurdistan-Iran und der Aktivitäten seines Bruders, der Anfang der 1990er Jahre bei Kampfhandlungen von iranischen Regierungstruppen getötet worden sei, im Fokus der iranischen Behörden zu stehen. Bei Rückkehr in den Iran drohe ihm aufgrund seiner Abstammung asylrelevante Verfolgung.
3 Mit Bescheid vom 17. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
4 Die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Begründend stellte das BVwG - neben den eingangs erwähnten Umständen - fest, dass der Revisionswerber weder wegen der (nicht exponierten) politischen Aktivitäten des Vaters oder seines Bruders in der Vergangenheit noch wegen seines langjährigen Aufenthaltes in der autonomen Kurdenzone des Nordiraks oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Blickfeld des iranischen Regimes stehe. Der Revisionswerber, der hinsichtlich seiner Person auch keine eigene politische Aktivität behauptet habe, wäre bei Rückkehr in den Herkunftsstaat Iran keiner aktuellen Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Ihm sei deshalb kein Asyl zu gewähren.
6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, mit Blick auf die Möglichkeit der „Nicht-Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten“ stelle sich die Rechtsfrage, „ob die Rückführung des Revisionswerbers in den Iran als Herkunftsstaat im rechtlichen Sinne oder in den Irak, in welchem der Revisionswerber de facto Schutz verfügte, erfolgen“ müsse bzw. ob die Rückführung eines iranischen Flüchtlings in den Irak überhaupt möglich wäre. Das BVwG habe nicht geklärt, welcher Staat als „Heimatland“ des Revisionswerbers zu qualifizieren sei, ob in Bezug auf den Irak von einem tauglichen Erst-Asylstaat bzw. einem sicheren Drittstaat im Sinn des § 4 AsylG 2005 gesprochen werden könne und ob dem Revisionswerber im Irak asylrelevante Verfolgung drohe. Die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses, insbesondere zur Frage der Staatsangehörigkeit, entsprächen nicht „der verwaltungsrechtlich geforderten Qualität eines über Rechtsmittel erkennenden Verwaltungsgerichts.“
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Im gegenständlichen Fall war vom BVwG aufgrund der Teilrechtskraft des verwaltungsbehördlichen Bescheides über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz ausschließlich die noch offene Frage der Asylgewährung nach
§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu prüfen. Danach ist der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Die für die Asylgewährung erforderliche Verfolgungsgefahr ist somit nur in Bezug auf den Herkunftsstaat des Revisionswerbers zu prüfen (vgl. etwa VwGH 7.2.2020, Ra 2019/18/0400).
12 Als Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 der Staat anzusehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts.
13 Dementsprechend erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass „Herkunftsstaat“ jener Staat ist, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalts zurückgegriffen (vgl. VwGH 3.5.2016, Ra 2016/18/0062, mwN).
14 Im vorliegenden Fall stellte das BVwG fest, dass der Revisionswerber iranischer Staatsbürger ist. Ausgehend davon war in Bezug auf die angestrebte Asylgewährung - anders als die Revision vermeint - lediglich zu prüfen, ob dem Revisionswerber bei Rückkehr in den Iran asylrelevante Verfolgung drohen würde. Dies wurde vom BVwG mit näheren Argumenten verneint und wird in der Revision auch nicht substantiiert bestritten.
15 Auf allfällige Gefahren für den Revisionswerber bei Rückkehr in den Irak kam es entgegen dem Revisionsvorbringen ebenso wenig an wie auf die von der Revision angesprochenen Fragen, ob im Irak Drittstaatssicherheit im Sinne des § 4 AsylG 2005 bestünde oder der Irak zur Wiederaufnahme des Revisionswerbers bereit wäre.
16 Wenn die Revision die Feststellungen des BVwG zur iranischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers in allgemeinen Worten in Zweifel zieht und diesbezüglich von einer mangelhaften „Qualität“ des angefochtenen Erkenntnisses spricht, ist lediglich zu entgegnen, dass das BVwG zu dieser Feststellung umfangreiche und vertretbare beweiswürdigende Erwägungen anstellte, denen die Revision nichts Stichhaltiges entgegensetzt.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180498.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021