TE Vwgh Beschluss 2021/1/20 Ra 2020/19/0445

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Veröffentlicht am 20.01.2021
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §11 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Z S in E, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2020, W253 2142401-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 28. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, die Taliban hätten seinen Vater ermordet und ihn selbst bedroht.

2        Mit Bescheid vom 25. November 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Die Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates erachtete das BVwG nicht als glaubwürdig.

5        Der Revisionswerber brachte dagegen zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein. Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 24. November 2020, E 3285/2020-10, die Entscheidung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, der Rückkehrentscheidung, des Ausspruchs der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan und der Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise auf, lehnte die Behandlung der Beschwerde im Übrigen - somit hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - ab und trat die Beschwerde insoweit gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision wendet sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die Beweiswürdigung des BVwG zur Fluchtgeschichte des Revisionswerbers. Das BVwG habe irrelevanten Unterschieden zu bloßen Details in den im Lauf des Verfahrens getätigten Aussagen des Revisionswerbers zu großes Gewicht beigemessen, zumal die Ausführungen des Revisionswerbers insgesamt plausibel gewesen seien. Das BVwG habe es auch unterlassen, den realen Hintergrund der Fluchtgeschichte in seine Erwägungen einzubeziehen und aktuelle Länderberichte zur Lage in Afghanistan einzuholen.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 3.12.2020, Ra 2020/19/0108). Das BVwG hat entgegen den Ausführungen in der Revision gravierende Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers - insbesondere zu den Motiven der Taliban für die Bedrohung seiner Familie - aufgezeigt. Zu den Taliban und der von ihnen in Afghanistan ausgehenden Gefahr hat das BVwG Feststellungen getroffen, die Angaben des Revisionswerbers zu seinen persönlichen Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates bzw. die von ihm behauptete individuelle Gefährdung in Hinblick auf die dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten in seinen Angaben aber nicht als glaubwürdig erachtet. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 12.10.2020, Ra 2020/19/0230, mwN).

13       Die Revision legt nicht dar, welche für die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - somit für ihren Anfechtungsgegenstand - relevanten Tatsachen sich durch die Einholung aktueller Länderberichte ergeben hätten. Soweit in der Revision in diesem Zusammenhang auf eine schlechte allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie eine Erkrankung des Revisionswerbers verwiesen und vorgebracht wird, es sei hinsichtlich des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch deren Zumutbarkeit zu prüfen, ist dem entgegenzuhalten, dass das BVwG verneint hat, dass dem Revisionswerber in Afghanistan - insbesondere auch in seiner Herkunftsregion - Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005). Auf das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 kam es somit hinsichtlich der Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht an (vgl. grundsätzlich zur innerstaatlichen Fluchtalternative etwa VwGH 6.11.2018, Ra 2018/01/0106; 25.5.2020, Ra 2019/19/0192, mwN). Der Revision gelingt es daher nicht, eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 20. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190445.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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