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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ABGB §1332Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über den Antrag des H M in L, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Stellung eines Antrages auf Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. September 2020, W276 2206249-1/19E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
1 Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 9. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 17. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (III.), erließ gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung (IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (VI.).
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer Verhandlung - mit Erkenntnis vom 24. September 2020 insoweit ab, als sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten) richtete. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. richtete, gab ihr das BVwG statt, erkannte dem Antragsteller den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24. September 2021. Die übrigen Spruchpunkte des Bescheides wurden ersatzlos behoben. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Mit einem am 5. November 2020 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller die Gewährung von Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Das anzufechtende Erkenntnis des BVwG wurde laut Angaben dieses Verfahrenshilfeantrages am 28. September 2020 zugestellt. Davon ausgehend endete die sechswöchige Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG am 9. November 2020. Das Kuvert war jedoch an den Verfassungsgerichtshof adressiert. Beim Verwaltungsgerichtshof langte der Antrag erst am 11. November 2020 ein.
5 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 25. November 2020 wurde dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Umstand binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
6 In seiner Stellungnahme führte der Antragsteller aus, dass die Verfahrenshilfeanträge durch seine gesetzliche Vertretung rechtzeitig innerhalb der Frist versendet worden seien. Leider sei der falsch adressierte Antrag nicht sofort vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden.
7 Unter einem begehrt der Antragsteller mit seiner - nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefassten und eingereichten - selbst gezeichneten Eingabe vom 14. Dezember 2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes. Unter einem wird beantragt, ihm die Verfahrenshilfe zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
8 Der Antragsteller bringt zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vor, er erleide durch die vermeintlich verspätet erfolgte Einbringung des Verfahrenshilfeantrages einen Rechtsnachteil. Es werde ihm die Möglichkeit der Bewilligung einer Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision genommen. Gegenständlich habe offensichtlich eine Verwechslung der Kuverts für die Verfahrenshilfeanträge an den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof stattgefunden, weil es je zwei richtig beschriftete Anträge gegeben habe, die jeweils außen am Kuvert falsch adressiert gewesen seien. Durch ein Versehen seiner gesetzlichen Vertretung sei der Verfahrenshilfeantrag an den Verwaltungsgerichtshof im an den Verfassungsgerichtshof adressierten Kuvert gelandet und der Verfahrenshilfeantrag an den Verfassungsgerichtshof im Kuvert an den Verwaltungsgerichtshof. Bei der Verwechslung der Kuverts handle es sich um einen minderen Grad des Versehens.
9 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.
10 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 22.4.2020, Ra 2020/14/0139 bis 0141, mwN).
11 In Hinblick auf den der gesetzlichen Vertretung unterlaufenen Fehler ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. erneutVwGH 22.4.2020, Ra 2020/14/0139 bis 0141, mwN).
12 Abgesehen davon, dass im gegenständlichen Antrag nicht vorgebracht wird, dass es sich bei der Adressierung des Verfahrenshilfeantrages „An den Verfassungsgerichtshof“ um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis handle, kann in der unrichtigen Adressierung an den Verfassungsgerichtshof anstelle des Verwaltungsgerichtshofes keineswegs ein bloßes Versehen minderen Grades erblickt werden (vgl. zu solchen Konstellationen VwGH 25.10.2013, 2013/02/0221, 0222, mwH auf VwGH 14.10.1994, 94/02/0290, 0291).
13 Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt somit keine Berechtigung zu, weshalb er nach § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
14 Sohin war es auch entbehrlich, einen Auftrag zur Behebung des dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden Mangels - dieser wurde entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht - zu erteilen. Ein solcher Auftrag erübrigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn - was hier der Fall ist - der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Mangels die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0375, mwN).
15 Über die gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachten Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird von der zuständigen Berichterin (§ 14 VwGG) gesondert entschieden.
Wien, am 20. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190394.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021