Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen des 1. A B, der 2. C D, des 3. E F und der 4. G H, alle vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2020, 1. W122 2207744-1/16E, 2. W122 2207738-1/12E, 3. W122 2207740-1/10E und 4. W122 2229315-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige des Iran. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und Eltern des Drittrevisionswerbers und der Viertrevisionswerberin. Die Erst- bis Drittrevisionswerber stellten am 4. Juni 2018 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Die Viertrevisionswerberin stellte einen solchen Antrag am 8. Jänner 2020 nach ihrer Geburt im Bundesgebiet.
2 Mit Bescheiden vom 10. September 2018 und vom 21. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge als unbegründet ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden der Revisionswerber gegen diese Bescheide nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Dabei ging es begründend - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - unter ausführlicher Darlegung beweiswürdigender Erwägungen unter anderem davon aus, dass die Revisionswerber auch nicht auf Grund ihrer erstmals in der Beschwerde vorgebrachten Konversion zum christlichen Glauben einer Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt wären. Der Erst- und die Zweitrevisionswerberin hätten sich zwar mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt, jedoch hätten sie sich nicht nachhaltig dem christlichen Glauben zugewandt, dieser Glaube sei für sie daher auch nicht identitätsstiftend.
5 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3767-3770/2020-5, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 30. November 2020, E 3767-3770/2020-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG sei von der Judikatur zur Beurteilung, ob ein Glaubenswechsel aus innerer Überzeugung vollzogen worden sei, abgewichen. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin hätten ein durchaus beachtliches Wissen über das Christentum gezeigt, bei der vom BVwG geforderten Erklärung hinsichtlich der Bedeutung der „Epiphania“ handle es sich um eine überzogene Erwartungshaltung. Auch die vom BVwG abverlangten spirituellen Gedanken über den Taufvorgang überschreiten die an die Glaubhaftmachung einer Konversion zu stellenden Anforderungen. Das BVwG habe sich mit dem Vorbringen des Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin hinsichtlich ihrer Motivation für den Glaubenswechsel sowie mit dem Vorbringen der einvernommenen Zeugin nicht entsprechend auseinandergesetzt. Das Engagement in der Kirche auch über ein Jahr nach der erfolgten Taufe spreche für einen Glaubenswechsel aus innerer Überzeugung. Bei der Annahme, der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin hätten sich für die am wenigsten einschränkende Variante christlicher Religionen entschieden, handle es sich um eine unbegründete Mutmaßung des Gerichts. Gerade aufgrund der missionarischen Versuche im unmittelbaren Lebensumfeld unter asylsuchenden Personen im Quartier der Revisionswerber wäre davon auszugehen, dass die Konversion zum Christentum im Herkunftsstaat bereits bekannt sei oder rasch bekannt sein werde. Darüber hinaus habe das BVwG zur Beurteilung der Rückkehrsituation keine Feststellungen zu der im Iran besonders grassierenden COVID-19-Pandemie getroffen und eine konkret auf die Lage der Revisionswerber bezogene Auseinandersetzung unterlassen. Der Mangel sei relevant, da bei entsprechender Berücksichtigung der aktuellen Berichte davon auszugehen wäre, dass mangels Möglichkeiten zur Deckung grundlegender Lebensbedürfnisse den Revisionswerbern eine Rückkehr derzeit nicht zumutbar sei.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revisionen nicht dargetan:
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. zum Ganzen VwGH 10.9.2020, Ra 2020/14/0402 bis 405; 9.4.2020, Ra 2020/14/0138, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/14/0192, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin verschafft, sie zu ihren Motiven hinsichtlich des behaupteten Religionswechsels sowie ihren religiösen Aktivitäten befragt. Es ist mit ausführlicher Begründung unter eingehender Würdigung der Angaben des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin sowie der einvernommenen Zeugin in einer Gesamtschau zur Auffassung gelangt, dass eine innere Konversion nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Dabei stützte sich das Bundesverwaltungsgericht unter anderem darauf, dass der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin ihre Motivation für den Glaubenswechsel nicht schlüssig haben darlegen können und im Hinblick auf oberflächliche, vage und ausweichende Antworten den Eindruck vermittelt hätten, sich nicht tiefgründig mit den Lehren des Christentums auseinandergesetzt zu haben. Dabei bezog es sowohl die von den Revisionswerbern ausgeübten religiösen Aktivitäten als auch die Schilderung des von der Zweitrevisionswerberin angegebenen „Schlüsselerlebnisses“ einer Traumerscheinung ein. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermögen die Revisionen nicht aufzuzeigen. Allein der Umstand, dass auch ein anderer als der festgestellte Sachverhalt schlüssig begründbar wäre, reicht dafür nicht aus. Mit dem bloßen Vorwurf, das BVwG habe sich mit dem Vorbringen der Zeugin nicht „entsprechend“ auseinandergesetzt, wird ebensowenig eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung dargelegt.
14 Soweit die Revisionen die Nichtberücksichtigung aktueller Länderberichte im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie rügen, machen sie Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel - wie hier Begründungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0149, mwN).
15 Diesbezüglich rügt die Revision, dass sich im angefochtenen Erkenntnis keine Ausführungen zur aktuellen Situation im Iran finden würden. Dieser Feststellungsmangel sei relevant, weil bei Berücksichtigung aktueller Berichte zur Lage im Iran davon auszugehen wäre, dass den Revisionswerbern eine Rückkehr mangels Möglichkeiten zur Deckung grundlegender Lebensbedürfnisse nicht zumutbar sei. Zumindest hätte ihre Abschiebung für (vorübergehend) unzulässig erklärt werden müssen.
16 Damit wird aber weder ausgeführt, welche auf Basis aktueller Berichte zu treffenden konkreten Feststellungen zu diesem Ergebnis der rechtlichen Beurteilung geführt hätten, noch dass eine - für die Gewährung von subsidiärem Schutz in Bezug auf die Herkunftsregion erforderliche - drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch exzeptionelle Umstände anzunehmen wäre (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/14/0456, mwN; zur Beurteilung von Auswirkungen der zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen in diesem Zusammenhang vgl. etwa VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0390, mwN).
17 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140575.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021