TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2021/02/0030

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des R in S, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwalt in 9100 Völkermarkt, Hauptplatz 24, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 23. November 2020, KLVwG-360-362/4/2020, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Beschwerdefrist und Zurückweisung der Beschwerde iA Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers gegen die Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen und die Beschwerde zurückgewiesen.

5        Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

6        Es entspricht der ständigen hg. Judikatur, dass ein berufsmäßiger Parteienvertreter die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten hat, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln, gesichert erscheint, wobei durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen ist, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Was der Wiedereinsetzungswerber in Erfüllung seiner nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht vorgenommen hat, hat er im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten. Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Behauptet der Wiedereinsetzungswerber, dass die immer zuverlässige und erfahrene Konzipientin (mit Rechtsanwaltsprüfung) des ihn vertretenden Rechtsanwaltes eine Frist einmalig nicht vermerkt habe und eine Nachkontrolle durch den Rechtsanwalt unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes der Konzipientin für die richtige Kalendierung einer Frist nicht erforderlich gewesen sei, verstößt der Vertreter auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht (Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften), wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (VwGH 27.2.2019, Ra 2019/05/0044, mwN).

7        Der Revisionswerber hat im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, Rechtsmittelfristen würden vom Sekretariat im Fristenbuch und auf der Titelseite der Entscheidung vermerkt, Rechtsmittel würden ihm zumindest eine Woche vor Ablauf der Rechtsmittelfrist vorgelegt werden und es gäbe stichprobenartige Kontrollen durch den Revisionswerbervertreter. Im vorliegenden Fall sei von seinem Konzipienten mit Rechtsanwaltsprüfung die Beschwerdefrist irrtümlich falsch berechnet worden.

8        Bei dem vom Revisionswerbervertreter vorgebrachten System kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Daher sind bereits mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt (vgl. VwGH 4.9.2020, Ra 2020/02/0187).

9        Dazu kommt, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, grundsätzlich keine Rechtsfrage ist, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2020/05/0052, mwN).

10       In den Revisionszulässigkeitsgründen wird nicht dargelegt, dass die vorliegende Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Derartiges ist auch angesichts der umfassenden Begründung des Verwaltungsgerichtes nicht ersichtlich.

11       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020030.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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