Entscheidungsdatum
27.01.2021Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2018 §137Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Schreiner-Hasberger als Vorsitzende, seine Richterin Dr. Zirm als Berichterin sowie seinen Richter Dr. Schweiger als Beisitzer über den Antrag der A. OG, vertreten durch RA, vom 12.11.2020, auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 3.11.2020, betreffend das Vergabeverfahren "Rahmenvertrag B." Los 6, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2020 durch mündliche Verkündung am 22.12.2020
zu Recht e r k a n n t:
I. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 3.11.2020 der Stadt Wien – Wiener Wohnen im Vergabeverfahren "Rahmenvertrag B." betreffend Los 6 wird stattgegeben und die Zuschlagsentscheidung zu Los 6 für nichtig erklärt.
II. Gemäß §§ 14 und 15 WVRG 2020 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von EUR 19.440,- binnen 14 Tagen zu erstatten.
III. Gemäß § 25a VwGG ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Die Stadt Wien – Wiener Wohnen führt unter der Bezeichnung "Rahmenvertrag B." ein Vergabeverfahren zum Abschluss eines Rahmenvertrags für insgesamt 8 Lose durch. Es handelt sich um ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich betreffend Dienstleistungen, wobei auch das hier maßgebliche Los 6 im Oberschwellenbereich liegt.
Auftragsgegenstand sind B. in den Objekten der Stadt Wien Wiener Wohnen gemäß einem festgelegten Wohnhäuserverzeichnis. Die Wohnhäuser sind bezirksmäßig in Lose aufgeteilt, wobei sich das Los 6 auf den …. Wiener Gemeindebezirk bezieht. Die Laufzeit beträgt pro Los 3 Jahre mit Verlängerungsoption durch die Auftraggeberin.
Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Europäischen Union, … vom 28.5.2020.
Das Ende der Angebotsfrist war am 1.7.2020, 9 Uhr. Die Antragstellerin hat rechtzeitig ein Angebot gelegt.
Die Ermittlung des Zuschlagsempfängers erfolgte je Los anhand des „Billigstbieterprinzips“. Nach den Festlegungen der Ausschreibungsunterlagen können pro Bieter maximal Zuschläge in zwei Losen erfolgen; werden Angebote für mehrere Lose abgegeben, so ist eine Präferenzreihung durch die Bieter vorzunehmen.
Am 3.11.2020 wurde der Antragstellerin durch ein Schreiben der Auftraggeberin via Vergabeplattform ANKÖ ua. mitgeteilt, dass für die Lose 5 und 6 in Aussicht genommen ist, der C.-Gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin) den Zuschlag zu erteilen, die Antragstellerin habe nicht das günstigste Angebot bzw. das Angebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis gelegt.
Mit dem am 13.11.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Nachprüfungsantrag vom 12.11.2020 begehrt die Antragstellerin nunmehr, die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin hinsichtlich Los 6 für nichtig zu erklären und der Antragsgegnerin den Ersatz der Pauschalgebühren aufzuerlegen.
Begründend führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, die Zuschlagsentscheidung sei unzureichend begründet, die Auftraggeberin habe eine vertiefte Angebotsprüfung unterlassen, die präsumtive Zuschlagsempfängerin erfülle die technische Leistungsfähigkeit nicht, außerdem habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin unangemessene, betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbare Preise angeboten; insgesamt sei das Vergabeverfahren zu widerrufen gewesen. Gleichzeitig beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Da der geschätzte Auftragswert der ausgeschriebenen Leistung für Los 6 den Schwellenwert (§ 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018) um das 20-fache übersteigt, wurde die Antragstellerin mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 17.11.2020 dazu aufgefordert, den Antrag gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO ordnungsgemäß zu vergebühren. Dieser Aufforderung ist die Antragstellerin fristgerecht nachgekommen.
Mit Schriftsatz vom 24.11.2020 erstattet die Auftraggeberin eine Stellungnahme zum Antragsvorbringen, am 30.11.2020 ebenso die präsumtive Zuschlagsempfängerin; die Antragstellerin stellte mit Schriftsatz vom 11.12.2020 die Anträge 1.) auf Akteneinsicht in die vorgelegten Ausbildungsnachweise der Mitarbeiter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie 2.) auf Einvernahme der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin namhaft gemachten Mitarbeiter zum Beweis dafür, welche Ausbildungen konkret absolviert wurden.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18.11.2020, VGW-124/087/14462/2020 wurde eine einstweilige Verfügung erlassen, die auf Antrag der Auftraggeberin mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26.11.2020, VGW-124/V/087/15002/2020 dahingehend abgeändert wurde, dass die Erteilung des Zuschlags in Los 6 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wurde.
Am 18.12.2020 fand eine mündliche Verhandlung am Verwaltungsgericht Wien statt, an der die Auftraggeberin, die Antragstellerin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin teilnahmen. Das Ermittlungsverfahren wurde am Ende der mündlichen Verhandlung geschlossen. Am 22.12.2020 brachte die Auftraggeberin einen weiteren Schriftsatz ein. Die Entscheidung wurde am 22.12.2020 – ohne Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens – mündlich verkündet.
Die Antragstellerin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin stellten einen rechtzeitigen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29a Abs. 2b und 4 VwGVG.
II. Feststellungen
Die Stadt Wien – Wiener Wohnen führt unter der Bezeichnung "Rahmenvertrag B." ein Vergabeverfahren zum Abschluss eines Rahmenvertrags für insgesamt 8 Lose durch. Es handelt sich um ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich betreffend Dienstleistungen, wobei auch das hier maßgebliche Los 6 im Oberschwellenbereich liegt.
Auftragsgegenstand sind B. in den Objekten der Stadt Wien Wiener Wohnen gemäß einem festgelegten Wohnhäuserverzeichnis. Die Wohnhäuser sind bezirksmäßig in Lose aufgeteilt, wobei sich das Los 6 auf den …. Wiener Gemeindebezirk bezieht. Die Laufzeit beträgt pro Los 3 Jahre mit Verlängerungsoption durch die Auftraggeberin.
Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Europäischen Union, … vom 28.5.2020.
Das Ende der Angebotsfrist war am 1.7.2020, 9 Uhr. Die Antragstellerin hat rechtzeitig ein Angebot gelegt.
Die Ermittlung des Zuschlagsempfängers erfolgte je Los anhand des „Billigstbieterprinzips“. Nach den Festlegungen der Ausschreibungsunterlagen können pro Bieter maximal Zuschläge in zwei Losen erfolgen; werden Angebote für mehrere Lose abgegeben, so ist eine Präferenzreihung durch die Bieter vorzunehmen.
Die der Antragstellerin via ANKÖ übermittelte Zuschlagsentscheidung vom 3.11.2020 lautet:
Grafik – nicht anonymisierbar
Die Auftraggeberin hat sämtliche für den Zuschlag in Frage kommende Angebote in allen Losen vertieft geprüft. Im hier gegenständlichen Los 6 hat die Auftraggeberin Unterlagen und Auskünfte von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nachgefordert und diese auch erhalten.
Die Kalkulation des Angebotes wurde durch Überprüfung der K3 Blätter betreffend Mittellohn sowie Nachforderung und Überprüfung von K4 und K7 Blättern vom Referat für Rahmenverträge in Zusammenwirken mit dem Bedarfsträger (Fachdezernat) überprüft:
Sämtliche Leistungsgruppen, in denen ein Aufschlag/Nachlass von größer 21% angeboten wurde, wurden vertieft geprüft. Es wurden in diesen Leistungsgruppen wirtschaftlich wesentliche Positionen definiert und für diese Positionen Detailkalkulationen in Form von K7 Blättern vom Bieter nachgefordert und überprüft. Dabei wurde von der Auftraggeberin insbesondere unter Einbeziehung von Erfahrungswerten fachkundiger Mitarbeiter und Werkmeister überprüft, ob die kalkulatorischen Grundlagen und Leistungsansätze nachvollziehbar und plausibel erscheinen.
Bei der Überprüfung der K3 Blätter wurde unter Rückgriff auf eine Aufklärung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in einem anderen Vergabeverfahren in der gegenständlichen Angebotsprüfung nachvollziehbar dokumentiert, dass die dort gegebene Aufklärung aufgrund der gleichgelagerten Sachverhalte auch für das gegenständliche Vergabeverfahren herangezogen werden kann und plausibel erscheint.
Hinsichtlich der Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Nachvollziehbarkeit der Kalkulation der „Gemeinkosten der Leistungserbringung vor Ort“ (Baustellengemeinkosten), welche im gegenständlichen Vergabeverfahren erstmals als gesonderte Position ausgeschrieben war, wurde von der Auftraggeberin der externe Sachverständige Ing. D. E. beigezogen, welcher auch die Bezugspreiskalkulation das dritte Mal für die gegenständlich ausgeschriebenen Leistungen erstellt hat. Dieser hat die angebotenen Gemeinkosten der Leistungserbringung vor Ort als nachvollziehbar und vertretbar erachtet.
Hinsichtlich der technischen Leistungsfähigkeit sehen die Ausschreibungsunterlagen als Mindestanforderung vor, dass pro Los 4 Mitarbeiter für … gemäß Beilage „Qualifizierung der namhaft zu machenden Mitarbeiter …“ der Verfahrensbestimmungen für Rahmenverträge nachzuweisen sind.
Die Beilage „Qualifizierung der namhaft zu machenden Mitarbeiter …“ sieht folgende fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten vor:
Grafik – nicht anonymisierbar
Am Ende dieser Beilage findet sich der Hinweis: „Die Gleichwertigkeit der Nachweise wird entsprechend ONR … geprüft.“
Zur Qualifikation der Mitarbeiter wurde von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin die Beilage „Qualifizierung der namhaft zu machenden Mitarbeiter …“ ausgefüllt dem Angebot beigeschlossen und sämtliche zu den jeweiligen Kenntnissen der Mitarbeiter in der Tabelle genannten Ausbildungsnachweise dem Angebot angeschlossen.
Die Auftraggeberin hat diese Qualifizierungsnachweise intern an das Fachdezernat des Bedarfsträgers übermittelt. Im Vergabeakt findet sich die bloße Rückmeldung des Bedarfsträgers, dass „die Mitarbeiter die erforderliche Qualifikation erfüllen“. Weiters findet sich im Vergabeakt eine E-Mail vom 19.11.2020 worin von der Auftraggeberin zur Prüfung der Nachweise nach der ONR … ausgeführt wird:
„Die Art und Weise, wie die Nachweise zu erbringen sind, ist in der ONR … im Abs. 5 definiert. Den Regeln der Technik entsprechend gelten externe und interne Weiterbildungen als zulässig. Das geforderte Qualitätsziel gilt jedenfalls als erreicht, wenn pro genannten Mitarbeiter mindestens 30 Stunden aus dem Bereich der Weiterbildungen erfolgreich nachgewiesen werden kann. Der Bezugszeitraum hat hierbei höchstens drei Jahre zu betragen. Als Nachweis gelten lt. ONR … Unternehmens interne Bestätigungen oder Zertifikate, Zertifizierungen von anerkannten Ausbildungsstätten und Teilnahmebestätigungen von nationalen und internationalen Seminaren/Tagungen.
Da Wiener Wohnen als Mindestanforderung keinen zertifizierten … fordert und der Bestbieter mit den übermittelten Nachweisen (Zeugnisse, Zertifikate, Bestätigungen, etc.) die im Verfahren von Wiener Wohnen gestellten Mindestanforderungen erfolgreich Nachwies, ist die Technische Leistungsfähigkeit des Bieters gegeben.“
III. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und sämtliche Feststellungen ergeben sich aus dem Vergabeakt, den Schriftsätzen des gegenständlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18.12.2020.
Der von der Auftraggeberin beigezogene Sachverständige Ing. D. E. hat in der mündlichen Verhandlung plausibel und nachvollziehbar dargelegt, wie er bei seiner sachverständigen Prüfung von Teilen der Kalkulation vorgegangen ist und zu welchen Ergebnissen er kam.
Die Nachweise betreffend Mitarbeiterqualifizierung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liegen im Vergabeakt auf. Die genauere Vorgehensweise bei der Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit konnte von der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt werden, wobei die Auftraggeberin die Mitarbeiter, die mit der Prüfung betraut waren, trotz telefonischer Aufforderung durch das Verwaltungsgericht am 14.12.2020 zur Verhandlung nicht stellig machte.
IV. Rechtliche Beurteilung
Zur Begründung der Zuschlagsentscheidung:
Gemäß § 143 Abs. 1 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, der Gesamtpreis sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen eines Unternehmers widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde.
Das BVergG 2018 sieht entsprechend den EU-rechtlichen Vorgaben somit eine Verständigungspflicht mit Begründung in Bezug auf die nicht berücksichtigten Bieter vor. Dem liegt offenkundig zugrunde, dass iSd nach der Rechtsprechung des EuGH gebotenen effektiven Rechtsschutzes Bieter, die infolge von Vergaberechtsverstößen Rechtsnachteile erleiden, nämlich indem sie nicht den Zuschlag erhalten, obgleich dies bei Einhaltung des Vergaberechts geschehen hätte müssen, in die Lage versetzt werden sollen, die sie solcherart benachteiligende Entscheidung des Auftraggebers anzufechten.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz dementsprechend voraus, dass betroffene Bieter anhand der Begründung der Entscheidung in die Lage versetzt werden, gegen die Zuschlagsentscheidung rechtzeitig eine wirksame Nachprüfung dieser Entscheidung in die Wege zu leiten (vgl. VwGH 09.04.2013, 2011/04/0173).
All dem wird die Zuschlagsentscheidung vom 3.11.2020 auch gerecht. Zum einen erfüllt sie sämtliche Vorgaben des § 143 BVergG 2018, zum anderen ist nicht zu erkennen, durch welche Information die Antragstellerin in eine „bessere“ Lage versetzt wäre. Das Angebotsöffnungsprotokoll ist der Antragstellerin bekannt, ebenso ergibt sich aus den Ausschreibungsunterlagen, dass ein Zuschlag lediglich in zwei Losen erfolgen kann. Schon anhand dieser Information ergibt sich im konkreten Fall, dass der vor ihr im Los 6 gereihte Bieter, welcher den Zuschlag in zwei anderen Losen erhalten soll, für einen Zuschlag in Los 6 nicht in Betracht kommt. Da im gegenständlichen Vergabeverfahren ausschließlich der niedrigste Angebotspreis für den Zuschlag ausschlaggebend ist, konnte die Auftraggeberin als Grund für die Ablehnung des Angebotes der Antragstellerin auch nur den höheren angebotenen Preis nennen. Der Antragstellerin war es daher unschwer möglich – und hat sie dies ja auch getan – gegen die Zuschlagsentscheidung einen begründeten Nachprüfungsantrag einzubringen.
Zur vertieften Angebotsprüfung und zur Angemessenheit der Preise:
Wie das Nachprüfungsverfahren ergeben hat, hat die Auftraggeberin eine ordnungsgemäße Angebotsprüfung hinsichtlich der angebotenen Preise durchgeführt und auffällige wesentliche Preispositionen einer vertieften Angebotsprüfung gemäß § 137 Abs. 2 und 3 BVergG 2018 unterzogen. Hinsichtlich der Baustellengemeinkosten hat sie einen externen Sachverständigen – der im Übrigen auch die Bezugspreiskalkulation erstellt hat – beigezogen, der die Preispositionen und K7 Blätter aller für den Zuschlag in Frage kommenden Bieter überprüft hat und diese als nachvollziehbar und vertretbar erachtet hat. Er hat dazu auch die von ihm konkret geprüften Positionen in Zusammenhang mit den sonstigen Preisgruppen gesetzt und die Nachvollziehbarkeit überprüft. Ebenso hat er unter Einbeziehung von unternehmensbezogenen Informationen Leistungsansätze untersucht und als realistisch beurteilt. Dies hat er auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt.
Die sonstigen angebotenen Preise der Präsumtiven Zuschlagsempfängerin sind von der Auftraggeberin überprüft und unter Einbeziehung der K3, K4 und K7-Blätter als nachvollziehbar und plausibel erachtet worden. Insbesondere wurde auch die Einhaltung der Mindestlöhne und Kollektivverträge kontrolliert, wobei die Auftraggeberin partiell auf Aufklärungen aus einem parallel laufenden Vergabeverfahren verwiesen hat, was nach § 137 Abs. 1 BVergG 2018 auch zulässig ist, da von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen ist.
All dies ist im Vergabeakt auch dokumentiert.
Zur technischen Leistungsfähigkeit:
Die Antragstellerin bringt vor, die von der Ausschreibung geforderten fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse würden nicht von acht Mitarbeitern der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erfüllt werden.
Die notwendigen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten … ließen sich nur durch Absolvierung eines entsprechenden Kurses bei einer hierfür zugelassenen Institution erlangen. Ein solcher Kurs umfasse 220 Lehreinheiten und werde mit einer Prüfung abgeschlossen. Gleichwertig zum Zertifikat … sei einzig der Abschluss der Lehre … oder die Absolvierung der Fachprüfung anzusehen – zusätzlich müsse jedoch ein zertifizierter Kurs absolviert werden.
Eine spezifische Ausbildung ausschließlich bzgl. Kenntnisse der einzelnen ÖNORMEN etc. gebe es nicht. Die Kenntnisse dieser ÖNORMEN seien Bestandteil des zertifizierten … gemäß ÖNORM ONR …. Der Antragstellerin sei aus dem Markt bekannt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht über eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern verfüge. Aus dem Wort „Mitarbeiter“ sei darüber hinaus abzuleiten, dass es sich um Dienstnehmer der präsumtiven Zuschlagsempfängerin handeln müsse.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Ausschreibungsbestimmungen bestandsfest sind und nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. Im Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an (vgl. anstatt vieler VwGH 22.03.2019, Ra 2018/04/0176).
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des VwGH sind alle Inhalte der Ausschreibungsunterlagen (Leistungsbeschreibung, Bedingungen, Kriterien usw.) so klar, genau und eindeutig zu formulieren, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Sie sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, Auslassungen und Unklarheiten gehen zu Lasten des Auftraggebers (vgl. die erläuternden Bemerkungen zum BVergG 2018 RV 69 BlgNR GP 26. 115 mwN).
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien geht schon aus dem objektiven Erklärungswert der Ausschreibung hervor, dass für die namhaft zu machenden Mitarbeiter lediglich ganz bestimmte, nämlich die sieben in der Beilage „Qualifizierung der namhaft zu machenden Mitarbeiter …“ genannten Qualifikationen, und nicht etwa eine bestimmte zertifizierte Ausbildung nachzuweisen war. Auch ist der Ausschreibung nicht zu entnehmen, dass „Zusatzqualifikationen“, über welche ein … verfügen muss, sei es eine …unterweisung oder ein Erste-Hilfe-Kurs, nachzuweisen waren, auch wenn dies für die Antragstellerin nur logisch erscheinen würde. Nur weil „…arbeiten“ durchgeführt werden sollen, ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Auftraggeberin nur zertifizierte … verlangen wollte.
Die Ausschreibung legt fest, dass die sieben genannten Qualifikationen zB mit Zeugnissen, Urkunden, Zertifikaten nachzuweisen sind und dass „die Gleichwertigkeit der Nachweise entsprechend ONR … geprüft wird.“
Nun ist der letztgenannte bestandsfeste Verweis nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zunächst nicht eindeutig: Die ONR … legt (sämtliche) Anforderungen an die Qualifikation … fest. Unter diesen Anforderungen finden sich unter Punkt 4.3. auch die Aufgaben, erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten …. Aus dieser Gesamtheit der Anforderungen …, hat die Auftraggeberin einzelne – aus ihrer Sicht für die Auftragsausführung erforderliche – Fertigkeiten und Kenntnisse ausgewählt und zu einem Teil der Ausschreibung gemacht. Die ONR … legt allerdings nicht fest, wie oder in welchem Umfang die einzelnen Kenntnisse und Fertigkeiten … nach Punkt 4.3. erlernt bzw. nachgewiesen werden müssen.
Vielmehr legt die ONR … erst in Abschnitt 5 ein bestimmtes Ausmaß an Weiterbildung fest, welches die (bereits ausgebildeten) … absolvieren müssen, um ihre Arbeit in der geforderten Qualität durchführen zu können. Dazu ist laut ONR … eine Weiterbildung im Ausmaß von 30 Stunden innerhalb der letzten drei Jahre erforderlich.
Zieht man nun die ONR … zur Gleichwertigkeitsprüfung heran, wie dies die Ausschreibungsunterlagen bestandsfest vorsehen, so kann dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nur bedeuten, dass die Auftraggeberin zu prüfen hat, ob die namhaft gemachten Mitarbeiter über Kenntnisse bzw. Fertigkeiten entsprechend der ONR … in den sieben in der Ausschreibung genannten Bereichen verfügen. Wenn dazu verschiedene Ausbildungsnachweise vorgelegt werden, muss überprüft werden, ob die absolvierten Ausbildungen die geforderten Qualifikationen und Fertigkeiten in ausreichendem Ausmaß und Umfang beinhalten.
Die Auftraggeberin konnte in der mündlichen Verhandlung für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar darlegen, wie und anhand welchen Maßstabs sie die vorgelegten Unterlagen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin überprüft hat. Aus der Dokumentation des Vergabeaktes ist lediglich ersichtlich, dass sämtliche Nachweise an den Bedarfsträger übermittelt wurden, welcher schlicht rückmeldete, dass die erforderlichen Qualifikationen nachgewiesen wurden. Die Mitarbeiter die mit der Prüfung im Einzelnen betraut waren, wurde von der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht stellig gemacht.
Wie die Gleichwertigkeitsprüfung gemäß der ONR … stattgefunden haben soll, blieb für das Verwaltungsgericht unklar. Daran ändert auch die im Vergabeakt erst nach Anhängigwerden des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens verfasste E-Mail vom 19.11.2020 nichts. Insbesondere ist aus den vorgelegten Ausbildungsinhalten der Mitarbeiter auch nicht ohne weiteres feststellbar, dass diese die in der Ausschreibung geforderten Qualifikationen allesamt erfüllen.
Eine unzureichende Dokumentation im Vergabeakt, der eine möglicherweise unzureichende Prüfung im Vergabeverfahren vorangegangen ist, kann aber im Nachprüfungsverfahren nicht saniert werden, vielmehr hat die Auftraggeberin eine – auch eine nachprüfende Kontrolle standhaltende – Aktendokumentation vorzunehmen. Die von der Auftraggeberin vorgenommene Prüfung bleibt hinter den Anforderungen des Transparenzgebotes zurück.
Zusammengefasst kann das Verwaltungsgericht die Vorgehensweise der Auftraggeberin bei der Prüfung der Qualifikationsnachweise daher nicht nachvollziehen, weshalb die Zuschlagsentscheidung betreffend Los 6 für nichtig zu erklären war.
Der am 22.12.2020 von der Auftraggeberin eingebrachte Schriftsatz wurde nach Schluss des Ermittlungsverfahrens eingebracht. Es gab für das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte, dass die Inhalte dieses Schriftsatzes von der Auftraggeberin nicht schon bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren vorgebracht hätten werden können. Die Voraussetzungen für die Wiedereröffnung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 39 AVG lagen nicht vor und hatte der Schriftsatz daher für die Entscheidung unberücksichtigt zu bleiben.
Dem Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht in die Qualifizierungsnachweise der Mitarbeiter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin war gemäß § 11 Abs. 1 WVRG 2020 nicht stattzugeben, da es sich bei der Ausbildung und Qualifizierung von Mitarbeitern eines Unternehmens um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handelt und es im Interesse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gelegen war, diese Nachweise von der Akteneinsicht auszunehmen. Das Interesse der Antragstellerin an der Offenlegung konnte demgegenüber nicht überwiegen.
Auch dem Antrag der Antragstellerin auf Zeugeneinvernahme der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin namhaft gemachten Mitarbeiter zum Beweis dafür, welche Ausbildungen konkret von diesen Mitarbeitern absolviert wurden, war nicht stattzugeben, da es sich dabei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handelt.
Zu den Pauschalgebühren
Gemäß § 14 Abs. 1 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2020 – WVRG 2020 hat der Antragsteller für Anträge gemäß § 25 Abs. 1 (Nichtigerklärung) und § 28 (einstweilige Verfügung) eine Pauschalgebühr an das Verwaltungsgericht Wien zu entrichten.
Da der geschätzte Auftragswert der ausgeschriebenen Leistung (Los 6) den Schwellenwert (§ 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018) um das 20-fache übersteigt, liegt ein Verfahren über Dienstleistungen im Oberschwellenbereich vor und war daher gemäß § 2 Abs. 2 WVPVO 2020 das Sechsfache der jeweils gemäß § 1 festgesetzten Gebühr zu entrichten. Das ist ein Betrag von EUR 12.960,- für den Nachprüfungsantrag und von EUR 6.480,- für den Antrag auf einstweilige Verfügung. Insgesamt waren daher EUR 19.440,- zu entrichten.
Da dem Antrag der Antragstellerin stattzugeben war, hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Pauschalgebühren zu ersetzen.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vertieften Angebotsprüfung und zur Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen im Einzelfall ab (vgl. etwa 18.12.2018, Ra 2018/04/0106), noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Vergabeverfahren; Zuschlagsentscheidung; Antrag auf Nichtigerklärung; Verständigungspflicht; vertiefte Angebotsprüfung; Angemessenheit; Preise; technische Leistungsfähigkeit; NachvollziehbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.123.087.14461.2020Zuletzt aktualisiert am
19.02.2021