TE Lvwg Beschluss 2020/12/9 LVwG-AV-147/004-2018

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

VwGG §46 Abs1

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch die Richterin Mag. Clodi über den Antrag des A und der B, beide ***, ***, vertreten durch C Rechtsanwälte, ***, ***, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05.11.2019 zur Zl. LVwG-AV-147/001-2018 den

BESCHLUSS

1.       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) abgewiesen.

2.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Begründung:

Mit Schriftsatz vom 20.10.2020 haben A und B, beide vertreten durch C Rechtsanwälte, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung der außerordentlichen Revison gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05.11.2019 zur Zl. LVwG-AV-147/001-2018 gestellt und gleichzeitig die außerordentliche Revision eingebracht.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05. November 2019,
Zl. LVwG-AV-147/001-2018, seitens der nunmehrigen Antragsteller Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingelegt worden sei. Die Behandlung dieser Beschwerde sei mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2020 zur Zl. *** abgelehnt worden und sei die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten worden.

Nach Einlangen des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes habe die Revisionsfrist neu zu laufen begonnen. Die Eintragung dieser Frist von 6 Wochen zur Einbringung der außerordentlichen Revision sei in der Kanzlei des Parteienvertreters D übersehen worden.

Dem Parteienvertreter D – er sei seit 05.12.1972 in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen – sei bisher noch nie ein Fehler in der Richtung passiert, dass er eine Rechtsmittelfrist missachtet hätte bzw. dass eine Rechtsmittelfrist nicht im Kanzleikalender ordnungsgemäß eingetragen worden wäre.

Der Parteienvertreter führe seine Geschäfte im Wesentlichen im Bereich des Zivilverfahrens, Verwaltungsverfahrens und Verwaltungsstrafverfahrens. Er habe demnach im Außerstreitverfahren Rekurse bzw. Revisionsrekurse einzubringen, im Zivilverfahren habe er Rekurse, Berufungen, Revisionen einzubringen, im Verwaltungsverfahren habe er Berufungen, Beschwerden, Revisionen bzw. Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof einzubringen.

Die Kanzleimitarbeiterinnen seien in jeder Weise in Bezug auf Rechtsmittelfristen und deren Dauer geschult.

Aus den Unterlagen des Parteienvertreters ergebe sich, dass der Parteienvertreter im Zeitraum ab 01.07.2020 bis Mitte Oktober 2020 36 Rechtsmittel zu verfassen gehabt habe, für die nicht erstreckbare Fristen vorgegeben gewesen seien. Das bedeute, dass im oben genannte Zeitraum, ungefähr alle zwei Tage ein Rechtsmittel einzubringen gewesen sei. In diesem Zeitraum seien eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit der Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof, eine Revision, ein Revisionsrekurs, ein Einspruch gegen die Anklageschrift beim Schöffengericht, sonstige Berufungen und Rekurse eingebracht worden. Die Situation bezüglich der Einbringung von Rechtsmitteln wäre in der Zeit vor dem 01.07.2020 gleichgelagert gewesen.

Grundsätzlich sei es so, dass Rechtsmittelfristen von der Mitarbeiterin im Büro eingetragen werden würden und dann vom Anwalt überprüft werden würden. Neben den diversen Rechtsmitteln habe der Parteienvertreter pro Woche zumindest fünf Verhandlungstermine vorzumerken und zu verrichten. Das Sekretariat des Anwaltsbüros behandle aber nicht nur die Fristen für den Anwalt D. Das Sekretariat bearbeite auch die Verhandlungstermine und Fristen für die anderen Mitglieder der Rechtsanwaltsgemeinschaft.

Für den Vertreter D sei es nicht nachvollziehbar, warum hier die Eintragung der Frist zur Vorlage der außerordentlichen Revision übersehen worden sei. Es liege hier ein noch nie dagewesener Aufmerksamkeitsfehler vor.

Die Antragsteller würden sich erlauben, auf die schon lange fast 48-jährige Rechtsanwaltstätigkeit ihres Anwalts hinzuweisen.

Grundsätzlich sei es so: Wenn eine Entscheidung einlange, werde vom Sekretariat die mögliche Rechtsmittelfrist geprüft. Diese Frist werde dann vom Sekretariat in den Kanzleikalender eingetragen. An der Entscheidung selbst werde die Eingangsstampiglie angebracht und werde weiters auf der Entscheidung selbst die mögliche Rechtsmittelfrist vom Sekretariat notiert. Sodann komme der Akt zum Anwalt und dieser überprüfe die Frist und kontrolliere die Eintragung im Kalender. Werde vom Sekretariat auf einer einlangenden Entscheidung kein Hinweis auf ein mögliches Rechtsmittel vermerkt, dann prüfe der Anwalt von sich aus die Rechtsmittelmöglichkeit und trage gegebenenfalls diese Rechtsmittelfrist im Kanzleikalender ein.

Dies sei in concreto vom Anwalt übersehen worden.

Vorgebracht werde, dass ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis in Bezug auf die rechtzeitige Einbringung der außerordentlichen Revision vorliege. Wie sich aus der hiermit gleichzeitig vorgelegten außerordentlichen Revisionsschrift ergebe, sei diese bereits mit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorbereitet gewesen. Das heißt, bei der Ausfertigung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof seien bereits alle Varianten der Rechtsmittelmöglichkeiten durchdacht gewesen. Die Bestimmung des „§ 28 Abs. 4 VwGG“ sei hinreichend bekannt sowie auch alle nur erdenklichen Rechtsmittelfristen mit allen Nuancen.

Vorgelegt wurde die Note der Stadtgemeinde *** mit Datum 07.10.2020, gesendet an E, die Tochter der Beschwerdeführer, und wurde dazu ausgeführt, dass die Stadtgemeinde *** hier Bezug nehme auf eine Aufsichtsbeschwerde, die von den Ehegatten A und B bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten gegen den Bürgermeister als Baubehörde der Stadtgemeinde *** eingebracht worden sei. Zuletzt habe es dann in dieser Note vom 07.10.2020 wörtlich geheißen:

„Das Bauvorhaben betreffend war zum Zeitpunkt unserer Stellungnahme von ihrer Familie der Verfassungsgerichtshof angerufen worden. Vom Verfassungsgerichtshof wurde die Beschwerde jedoch mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgewiesen und am 10.09.2020 wurde uns (Stadtgemeinde ***) vom LVwG mitgeteilt, dass von ihrer Familie keine außerordentliche Revision erhoben wurde, weshalb das Verfahren als abgeschlossen und die Baubewilligung als inhaltlich bestätigt gilt.“

Diese Note der Stadtgemeinde *** mit Datum 07.10.2020 sei an E, die Tochter der Beschwerdeführer, gerichtet gewesen. E habe diese Note mit Datum 07.10.2020 an den Anwalt D weitergeleitet, dies laut dem im Wiedereinsetzungsantrag beiliegenden Anhang mit Datum 12.10.2020.

Mit dem Erhalt dieser Urkunde sei dem Parteienvertreter klar gewesen, dass er die Frist zur Einbringung der außerordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht übersehen habe.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG sei einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäume und dadurch einen Rechtsnachteil erleide, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liege, hindere die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handle.

Vorgebracht werde in diesem Zusammenhang, dass falls hier dem Rechtsvertreter D ein Verschulden an der Versäumung zur Einräumung der außerordentlichen Revision zur Last zu legen sei, es sich lediglich um einen minderen Grad des Versehens handle. Auf die lange anwaltliche Tätigkeit des einschreitenden Parteienvertreters dürfe verwiesen werden.

D bestätige mit der Unterschrift auf diesem Schriftsatz unter Hinweis auf seine disziplinäre Verantwortung, dass ihm im Laufe seiner oben genannten beruflichen Tätigkeit noch nie ein Fehler in Bezug auf die Vormerkung und Einbringung eines Rechtsmittels passiert sei.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG sei der Antrag in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht zu stellen und sei die versäumte Handlung nachzuholen. Bis zur Vorlage der Revision habe über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Der gegenständliche Antrag werde daher an das Verwaltungsgericht Niederösterreich gestellt.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung wurde die versäumte Prozesshandlung seitens der Antragsteller nachgeholt und unter einem der Schriftsatz mit Datum 23.12.2019, gerichtet an den Verfassungsgerichtshof, vorgelegt. Dieser Schriftsatz enthält bereits die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof der Republik Österreich. Auf die Seiten 8 bis 14 und die dort gestellte Antragstellung wurde verwiesen.

Bereits aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05. November 2019, Zl. LVwG-AV-147/001-2018, wurde der gemeinsamen Beschwerde der B und des A, beide vertreten durch C Rechtsanwälte, ***, ***, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 06.07.2017, Zl. ***, vertreten durch F und H, Rechtsanwälte, ***, ***, betreffend Erteilung einer Baubewilligung an die Gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft „G“ eingetragene Genossenschaft mbH insofern Folge gegeben, als der Bescheid des Stadtrates in seinem Spruchpunkt 1. dahingehend abgeändert wurde, dass die Einreichpläne Nr. *** und *** vom 20.12.2016 und die Baubeschreibung vom 20.12.2016, erstellt durch I GmbH, durch den Einreichplan vom 29.03.2019, Plan Nummer ***, Lageplan/Grundrisse, erstellt durch I GmbH, den Einreichplänen vom 29.03.2019, Plan Nummer ***, Ansichten/Schnitte, erstellt durch I GmbH und die Baubeschreibung vom 29.03.2019, erstellt durch I GmbH, ersetzt wurden und diese somit zum Bestandteil der Baubewilligung erklärt wurden. Darüber hinaus wurden auch noch weitere in Spruch näher bezeichnete Unterlagen zum Bestandteil der Baubewilligung erklärt und die Auflage 3 neu gefasst.

Dieses Erkenntnis wurde den damaligen Beschwerdeführern zugestellt und haben diese fristgerecht Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Die Behandlung dieser Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2020 zur Zl. *** abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der nunmehrigen Antragsteller am 6.7.2020 zugestellt (elektronischer Hinterlegungszeitpunkt: 3.7.2020).

Aufgrund eines Schriftstückes der Stadtgemeinde *** vom 07.10.2020, das von den nunmehrigen Antragstellern an ihren Rechtsvertreter weitergeleitet wurde, hat dieser die Versäumung der Revisionsfrist bemerkt und in der Folge den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag gestellt.

Zu diesem Sachverhalt gelangt das Landesverwaltungsgericht insbesondere aufgrund der Angaben der Antragsteller selbst in ihrem Wiedereinsetzungsantrag und aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, sowie aus dem Gerichtsakt zum baubehördlichen Beschwerdeverfahren zur
Zl. LVwG-AV-147/001-2018.

Rechtlich gelangen folgende Bestimmungen zur Anwendung:

Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG idF BGBl. I Nr. 24/2020:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. […]

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Revisionsfrist

§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1.   in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung;

2.   in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG dann, wenn das Erkenntnis der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung;

3.   in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 3 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem er von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat;

4.   in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 4 B-VG dann, wenn das Erkenntnis der Schulbehörde zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem sie von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat;

5.   in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem auf Grund des Bundes- oder Landesgesetzes zur Erhebung der Revision befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem es von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.

(2) Ist das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Revision bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.

(3) Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei.

(4) Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

(5) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.

§ 30. (1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.

§ 30a. (1) Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, sind ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

(2) Revisionen, denen keiner der im Abs. 1 bezeichneten Umstände entgegensteht, bei denen jedoch die Vorschriften über die Form und den Inhalt (§§ 23, 24, 28, 29) nicht eingehalten wurden, sind zur Behebung der Mängel unter Setzung einer kurzen Frist zurückzustellen; die Versäumung dieser Frist gilt als Zurückziehung. Dem Revisionswerber steht es frei, einen neuen, dem Mängelbehebungsauftrag voll Rechnung tragenden Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten unverbesserten Revision einzubringen. […]

(9) Auf Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind die Abs. 1 und 2 sinngemäß anzuwenden.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt.

Das Verwaltungsgericht folgt hinsichtlich des Sachverhalts grundsätzlich dem Vorbringen der Wiedereinsetzungswerber. So ist davon ausgehen, dass der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2020, ***, in dem die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05. November 2019, Zl. LVwG-AV-147/001-2018, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, den Wiedereinsetzungswerbern zu Handen ihres Vertreters, am 6.7.2020 zugestellt (elektronischer Hinterlegungszeitpunkt: 3.7.2020) wurde.

Da der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, hat die Revisionsfrist mit der Zustellung dieses Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes (Juli 2020) an die Beschwerdeführer zu laufen begonnen. Die Frist zur Einbringung der außerordentlichen Revision wurde daher – wie vom Antragsteller dargestellt - versäumt, weshalb grundsätzlich die Voraussetzungen zur in Rede stehenden Antragstellung gegeben sind.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2020 haben daher A und B, beide vertreten durch C Rechtsanwälte, entsprechend der Bestimmung des § 46 Abs. 3 VwGG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung der außerordentlichen Revison gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 05.11.2019 zur Zl. LVwG-AV-147/001-2018 gestellt und gleichzeitig die außerordentliche Revision eingebracht.

 

Das Landesverwaltungsgericht ist gemäß § 46 Abs. 4 VwGG zur Entscheidung über diesen Antrag zuständig, da die ao Revision noch nicht vorgelegt wurde.

Zu prüfen sind daher die Voraussetzungen des Absatz 1 des § 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz, nämlich das Versäumen eine Frist aufgrund des Vorliegens eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses.

Der Vertreter der Antragsteller hat seinen Antrag im Wesentlichen ausschließlich damit begründet, dass er aufgrund geschäftlicher Überlastung die Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision übersehen habe.

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann.

Selbst wenn man in diesem Übersehen der Frist aufgrund von beruflicher Überlastung ein unvorhergesehenes Ereignis erkennen würde, muss noch eine weitere Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegeben sein, nämlich dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft bzw. nur ein minderer Grad des Versehens, wobei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Parteienvertreters – wie im verfahrensgegenständlichen Fall – dem der Partei gleichzuhalten ist.

Der Begriff des minderer Grad des Versehens ist ausgehend von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Ein Wiedereinsetzungswerber darf deshalb nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen zu haben.

Voraussetzung ist daher jedenfalls, dass der Antragsteller bzw. der Parteienvertreter nicht auffallend sorglos gehandelt hat. Dies bedingt, dass er nicht nur die erforderliche, sondern ihn auch nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht lässt.

An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein besonders strenger Maßstab zu legen, da eine entsprechende Fristvormerkung besonders ihnen zugemutet werden muss. Die Versäumung der Frist ist umso weniger nachvollziehbar, da vorgebracht wurde, dass die Revision bereits vorbereitet war – und der Antragstellervertreter auf seine langjährige Berufserfahrung verweist. Unzulänglichkeiten im Kanzleibetrieb, die als Ursache für die Fristversäumung überraschender Weise zutage getreten wären, werden in dem Antrag gar nicht behauptet.

Das Vorbringen, dass im relevanten Zeitraum 36 Rechtsmittel zu verfassen waren und etliche mündliche Verhandlungen zu verrichten waren, kann den Vertreter der Antragsteller ebenso nicht von seiner Pflicht entbinden, der Fristberechnung die gebührende Beachtung zu schenken. Auch großer Arbeitsdruck zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes ändert nach ständiger Rechtssprechung an dieser Pflicht nichts (vgl. VwGH 6.4.2016, Ra 2016/03/0005). Zudem ist es gerade der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes und einer Rechtsanwaltskanzlei immanent, Rechtsmittelfristen mit besonderer Sorgfalt zu behandeln.

Da dem Rechtsvertreter selbst somit ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten ist, sind die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag betreffend das in der Kanzlei etablierte Kontrollsystem nicht zielführend. Ungeachtet dessen dient das Kontrollsystem eines Rechtsanwaltes ohnehin im Wesentlichen der Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter eines Rechtsanwaltes zur Vermeidung von Fehlern, nicht jedoch der Überwachung des – die Kontrolle ausübenden – Rechtsanwaltes selbst (VwGH 6.4.2016, Ra 2016/03/0005).

 

Somit kann nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Fristversäumnis auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen ist, weshalb der gestellte Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen werden musste.

Die ordentliche Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weiters weicht die vorliegende Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer derartigen Rechtsprechung, welche ebenfalls nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage lagen ebenso nicht vor.

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; Verfahrensrecht; Wiedereinsetzung; Revisionsfrist;

Anmerkung

VwGH14.05.2021, Ra 2021/05/0025 bis 0026-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.147.004.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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