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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des P S in M, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das am 14. Juli 2020 mündlich verkündete und mit 16. Juli 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W282 2223370-1/12E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Begleitaussprüchen sowie eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionsweber, ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am 20. Juni 1986 in Österreich geboren. Er hält sich seither überwiegend, von urlaubsbedingten Abwesenheiten abgesehen, im Bundesgebiet auf. Zuletzt war ihm für den Zeitraum ab 25. Oktober 2012 der (sein unbefristetes Niederlassungsrecht dokumentierende) Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ ausgestellt worden.
2 Mit rechtskräftigem Bescheid vom 14. Oktober 2016 stellte der Landeshauptmann von Vorarlberg (mit Bezug auf die in Rn. 5 dargestellten strafgerichtlichen Verurteilungen) gemäß § 28 Abs. 1 NAG fest, dass das unbefristete Niederlassungsrecht des Revisionswerbers ende und ihm ein befristeter Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ mit einer Gültigkeitsdauer von drei Jahren ausgestellt werde. In der Folge stellte der Revisionsweber in dieser Angelegenheit keinen Verlängerungsantrag, sodass er zuletzt unbestritten über keinen Aufenthaltstitel verfügte.
3 Mit Bescheid vom 14. August 2019 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei, und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG gewährte das BFA keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab.
4 Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung (vom 14. Juli 2020) verkündeten Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass sich die Rückkehrentscheidung (nunmehr) auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG stütze und die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabgesetzt werde. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision (nach Art. 133 Abs. 4 B-VG) nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei zwischen den Jahren 2001 und 2015 vierzehn Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden. Den ersten Verurteilungen seien im Wesentlichen verschiedene Diebstähle, schwerer Diebstahl durch Einbruch, Hehlerei und Körperverletzung zu Grunde gelegen.
Im Februar 2008 habe das Landesgericht Feldkirch über ihn wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Suchtgifthandels eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt. Er habe nämlich in den Jahren 2007 und 2008 mehrere hundert Gramm Kokain an verschiedene Abnehmer verkauft sowie dazu beigetragen, dass ca. 380 Gramm Heroin bei grenzüberschreitenden Transporten nach Vorarlberg geschmuggelt worden seien. Aus dem Vollzug dieser Freiheitsstrafe sei er bedingt entlassen worden.
Im Jahr 2010 habe das Landesgericht Feldkirch über ihn, neuerlich wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Suchtgifthandels, eine zwölfmonatige Freiheitsstrafe verhängt. Er habe von Sommer 2008 bis Mitte Juni 2009 100 Gramm Heroin und 100 Gramm Marihuana verkauft sowie im selben Zeitraum 50 bis 70 Gramm Heroin und 100 Gramm Marihuana erworben und besessen. Diese Freiheitsstrafe habe er verbüßt.
Zuletzt sei der Revisionswerber, nach einer weiteren (geringfügigen) Verurteilung wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften im Jahr 2013, mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. Oktober 2015 (im Strafausspruch abgeändert durch das Oberlandesgericht Innsbruck) wegen (gemeinsam mit seinem Bruder begangenen) Suchtgifthandels zu einer fünfjährigen (zwischen März 2015 und März 2020 zur Gänze verbüßten) Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er habe vom Sommer 2013 bis zum März 2015 mit seinem Komplizen 1200 Gramm Heroin von der Schweiz nach Vorarlberg geschmuggelt, weiters - teils als Beitragstäter, teils als unmittelbarer Täter - im genannten Zeitraum mindestens 1300 Gramm Kokain, 1000 Gramm Marihuana, weitere 200 Gramm Kokain und 17 Stück Ecstasy-Tabletten an verschiedene Abnehmer verkauft und schließlich geringe Mengen an Suchtgift zum eigenen Gebrauch besessen.
Der (jedenfalls früher suchtgiftabhängige) Revisionswerber sei, so das BVwG fortgesetzt, gesund und erwerbsfähig. Er verfüge über einen Freundeskreis, spreche Deutsch auf Muttersprachenniveau und weiters (moderat ausgeprägt) Serbisch. Er sei ledig, unterhalte auch keine Lebensgemeinschaft und habe zwei (am 25. April 2007 und 8. Dezember 2011 geborene) bei der Mutter lebende Töchter. Mit diesen habe er Besuchskontakt, zahle jedoch keinen Unterhalt. Seit der Haftentlassung im März 2020 lebe er gemeinsam mit Angehörigen, nämlich der Mutter und Geschwistern. Bei der Wiederbegründung dieser Gemeinschaft habe ihm die Unrechtmäßigkeit und damit Unsicherheit seines Aufenthalts bewusst sein müssen.
Der Revisionswerber sei zwischen 2001 und 2003 als Arbeiter berufstätig gewesen, habe zwischenzeitig aber auch Arbeitslosenunterstützung und Notstandshilfe bezogen. Dies habe sich, neben tendenziell kurzfristigen Berufstätigkeiten, in den folgenden Jahren fortgesetzt. Insgesamt sei der Revisionswerber in Österreich bis zum Jahr 2014 nur rund 27 Monate lang berufstätig gewesen. Seine wirtschaftliche Integration sei also gering und der Lebensunterhalt ohne Bezug von Sozialleistungen zu keinem Zeitpunkt hinreichend gesichert gewesen.
In seiner Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG die genannten Umstände, insbesondere die lange Dauer des Aufenthalts, das Zusammenleben mit Mutter und Geschwistern, den Kontakt zu den beiden Töchtern und das nach wie vor gute Verhältnis zu deren Mutter. Gewisse Bindungen an den Heimatstaat, in dem entfernte Verwandte lebten und in dessen Sprache er sich ausreichend verständigen könne, seien zu bejahen. Kontakte zu Personen in Österreich könnten im Weg von Besuchen oder mittels Fernkommunikation aufrechterhalten werden.
Angesichts der massiven, wiederholten, zuletzt intensivierten und besonders verwerflichen Suchtgiftkriminalität sei insgesamt von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Beendigung des (mittlerweile unrechtmäßigen) Aufenthalts des Revisionswerbers gegenüber seinen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet auszugehen, sodass nunmehr - nach Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG durch das FrÄG 2018 - eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Auch die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes lägen vor. Dessen Dauer sei allerdings unter Berücksichtigung der privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers in Österreich angemessen zu reduzieren gewesen. Die vorübergehende Trennung von den Angehörigen sei auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung insbesondere weiterer Suchtgiftkriminalität in Kauf zu nehmen.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2020, E 2785/2020, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Insoweit spricht der Revisionswerber - unter Hervorhebung einzelner seinen Standpunkt unterstützender Gesichtspunkte - die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose sowie die Interessenabwägung an.
11 Beide sind jedoch im Allgemeinen, wenn sie (wie hier) in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden, nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276, Rn. 8, und VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0064, Rn. 13, mwN).
Angesichts der wiederholten einschlägigen und in der Intensität gesteigerten Rückfälle in Bezug auf Suchtmitteldelikte, die zuletzt zur Verurteilung des Revisionswerbers zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe geführt haben, kann das vom BVwG fallbezogen nach mündlicher Verhandlung und Verwertung des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber erzielte Ergebnis auch unter Berücksichtigung der langen Aufenthaltsdauer und seiner familiären Kontakte jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.
12 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang den Standpunkt vertritt, er hätte sich seit rund fünf Jahren wohlverhalten, ist dem zu entgegnen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, Rn. 11, und VwGH 4.3.2020, Ra 2020/21/0035, Rn. 11).
13 Nachdem der letzte Strafvollzug unbestritten erst im März 2020 geendet hat, kann von einer hinreichend langen Zeit des Wohlverhaltens in Freiheit fallbezogen jedenfalls keine Rede sein.
14 Soweit der Revisionswerber schließlich geltend macht, das BVwG habe „die herrschende Corona-Situation im Herkunftsland ... nicht berücksichtigt“, wird keine Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels dargelegt.
15 Der Revision gelingt es somit insgesamt nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 18. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210479.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021