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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §19 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des D A A in I, vertreten durch Mag. Paul Hechenberger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2020, I413 2199154-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 9. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit dem Bescheid vom 28. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak fest und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es - zusammengefasst und soweit für den Revisionsfall relevant - nach näherer Beweiswürdigung im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen können.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe dem Vorbringen des Revisionswerbers zu Unrecht keinen Glauben geschenkt. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht - wie auch schon die Behörde - die Entscheidung vorrangig auf vermeintliche Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und der niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt. Damit habe es gegen § 19 AsylG 2005 verstoßen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 13.5.2020, Ra 2020/20/0133 bis 0138, mwN).
9 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0120; 30.9.2019, Ra 2019/20/0455, jeweils mwN).
10 So ist es auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verhandlung durchgeführt und ist anhand näher dargelegter, nicht als unschlüssig anzusehender Überlegungen (etwa betreffend generalisierter und schematischer Antworten des Revisionswerbers, ohne detaillierte persönliche Wahrnehmungen wiederzugeben, sowie diverse Widersprüche betreffend die Ausreise und die unterschiedlichen vorgebrachten Fluchtgründe selbst) zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht allein auf die Unvereinbarkeit des Fluchtvorbringens bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gestützt, sondern auch auf weitere - zudem für sich betrachtet tragfähige - Erwägungen, die das Verwaltungsgericht aufgrund des persönlichen Eindrucks des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung und seinen dort getätigten Angaben gewonnen hat und denen die Revision nicht substantiiert entgegengetreten ist. Es erweist sich die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als unvertretbar im Sinn der dargestellten Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200420.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021