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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des M K in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2020, W240 2197010-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 8. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 13. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers, der die Abweisung seines Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausdrücklich unbekämpft ließ, wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe Begründungs- und amtswegigen Ermittlungspflichten nicht entsprochen. Es habe den Revisionswerber in der Verhandlung zu seinen Fluchtgründen nicht befragt und es sei in der Begründung der angefochtenen Entscheidung auf dessen Vorbringen zu den fluchtauslösenden Ereignissen nicht eingegangen. Das Gericht hätte betreffend die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zudem prüfen müssen, ob der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen könne, das ihn - insbesondere in Zeiten einer Pandemie - ausreichend unterstützen könne. Die Versorgungslage in den als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten afghanischen Städten sei durch das Bundesverwaltungsgericht unzutreffend gewürdigt worden. Es mangle dem angefochtenen Erkenntnis ferner an einer Beurteilung der konkreten Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die afghanische Gesellschaft. Schließlich wendet sich die Revision gegen die durch das Verwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK.
8 Sofern die Revision eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers vermisst, das dieser betreffend seinen Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erstattet hatte, genügt es darauf hinzuweisen, dass der diesen Antrag abweisende Ausspruch der Behörde infolge des eingeschränkten Anfechtungsumfangs der Beschwerde in Rechtskraft erwuchs und somit nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht war.
9 Die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0273, mwN).
10 Der Revision ist - worauf zunächst hinzuweisen ist - betreffend die im Zulässigkeitsvorbringen behaupteten Begründungs- und Ermittlungsmängel keine auf den vorliegenden Fall bezogene Relevanzdarstellung zu entnehmen. Ebenso wenig zeigt die Revision fallbezogen eine grob fehlerhafte Beurteilung der amtswegigen Ermittlungspflicht durch das Verwaltungsgericht auf. Soweit die Revision Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die afghanische Gesellschaft ins Treffen führt, die das Bundesverwaltungsgericht unzutreffend gewürdigt habe, legt sie zudem keine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar (vgl. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255; 7.9.2020, Ra 2020/18/0273, jeweils mwN).
11 Darüber hinaus handelt es sich bei der im angefochtenen Erkenntnis dargelegten Annahme des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative lediglich um eine Alternativbegründung. Von den auf die Frage der Zumutbarkeit einer solchen Fluchtalternative Bezug nehmenden Ausführungen hängt das Schicksal der Revision im vorliegenden Fall aber nicht ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat (wogegen sich die Revision inhaltlich nicht konkret wendet) im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung betreffend die Prüfung des subsidiären Schutzes nämlich die Möglichkeit der Rückkehr des Revisionswerbers in seine Herkunftsstadt Kabul bejaht, wo dieser von Kind an bis zur Ausreise aus Afghanistan bei seiner Familie gelebt habe. Bezogen auf die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, der Revisionswerber werde im Fall seiner Rückkehr nach Kabul in keine Situation geraten, die zur Verletzung des Art. 3 EMRK führte, wirft die Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/20/0359, mwN). Dass dem Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK eine revisible Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200388.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021