TE OGH 2021/1/20 3Ob207/20t

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Veröffentlicht am 20.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula in der Pflegschaftssache der minderjährigen C***** D*****, geboren am ***** 2007, in Unterhaltssachen vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirk 22, Wien 22, Simone-de-Beauvoir-Platz 6), wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters M***** L*****, vertreten durch Mag. Alexandra Rathbauer-Malcher, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2020, GZ 42 R 187/20s-54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 5. Februar 2020, GZ 7 Pu 123/19d-48, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1]            Die Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung ihrer obsorgeberechtigten Mutter.

[2]            Der Vater war zuletzt aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung vom 27. Oktober 2009 zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 240 EUR verpflichtet. Dem Kind wurden gemäß § 3, § 4 Z 1 UVG ab Jänner 2010 mit Beschlüssen des Erstgerichts vom 16. Februar 2010 und 22. Dezember 2014 Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe gewährt. Die Vorschüsse wurden mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. August 2019 ab September 2019 auf monatlich 100 EUR herabgesetzt und in dieser Höhe laufend gewährt.

[3]            Dem Kind wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 29. November 2019 gegen den Vater zur Hereinbringung des im Zeitraum 5. April 2007 bis 26. November 2019 entstandenen Unterhaltsrückstands von 16.774,04 EUR und des laufenden monatlichen Unterhalts von 100 EUR ab 1. Dezember 2019 die Gehaltsexekution bewilligt.

[4]            Dagegen richtet sich der am 11. Dezember 2019 eingebrachte Oppositionsantrag des Vaters, wonach ein Teil seiner Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum von März 2013 bis April 2019 erloschen sei. Wegen seines verminderten Einkommens und der erforderlichen medizinischen Auslagen stehe dem Kind für März und April 2013 bzw für den Zeitraum von April 2014 bis Mai 2018 nur ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 100 EUR zu, sowie von Mai 2013 bis März 2014 110 EUR, von Juni 2018 bis März 2019 120 EUR und im April 2019 210 EUR.

[5]            Die Minderjährige, die ihrerseits für die Zeit ab 1. Mai 2019 einen Antrag auf Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung stellte, stimmte dem Oppositionsantrag für die Zeit ab Jänner 2017 zu. Für den davor liegenden Zeitraum wurde Verjährung eingewandt.

[6]            Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit ab Mai 2019, was unbekämpft blieb. Gleichzeitig gab es dem Oppositionsantrag des Vaters zur Gänze Folge und sprach aus, dass dessen Unterhaltsverpflichtung von März 2013 bis April 2019 im beantragten Umfang erloschen ist. Diese Entscheidung erwuchs für die Zeit ab Jänner 2017 in Rechtskraft. Für den im Revisionsrekursverfahren noch relevanten Zeitraum bis Jänner 2017 hielt das Erstgericht fest, dass das Kind auch auf diesen Zeitraum Exekution führe. Der betriebene Betrag liege unter Berücksichtigung des geringen Einkommens des Vaters und seiner krankheitsbedingten Kosten aber nicht in seiner Leistungsfähigkeit. Es wäre unbillig, wenn der Vater keine Einwendungen gegen den in Exekution gezogenen Unterhaltsanspruch geltend machen könnte.

[7]            Das Rekursgericht gab dem auf den Zeitpunkt vor 2017 bezogenen Rekurs des Kindes statt und wies das Begehren des Vaters ab, den Unterhaltsanspruch auch im Zeitraum März bis Dezember 2016 für teilweise erloschen zu erklären.

[8]            Es verwies darauf, dass der Vater hinsichtlich der betriebenen Forderung keinen Verjährungseinwand erhoben habe. Der Oppositionsantrag betreffe nur Zeiträume, zu denen Vorschüsse gewährt worden seien, sodass ein Verjährungseinwand wegen § 26 Abs 3 UVG erfolglos gewesen wäre. Wegen § 26 Abs 3 UVG könne der Einwand der Verjährung titulierter Unterhaltsbeiträge, auf die Vorschüsse geleistet wurden, weder dem Kind noch dem Bund gegenüber geltend gemacht werden. Diese Bestimmung schütze ausschließlich den Bund. Nach der Rechtsprechung sei ein Herabsetzungs- oder Aufhebungsbegehren des Unterhaltsschuldners (ebenso wie ein Antrag des Unterhaltsgläubigers auf Neufestsetzung) mit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB limitiert, was auch für einen entsprechenden Oppositionsantrag gelte, weshalb der Enthebungsantrag abzuweisen sei. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei es schwer nachvollziehbar, warum bei länger als drei Jahre rückständigen titulierten Unterhaltsforderungen im Fall einer Unterhaltsvorschussgewährung der Einwand der Verminderung der Leistungsfähigkeit nicht zulässig sein solle. Das Rekursgericht schließe sich aber aufgrund der Rechtsprechung der Rechtsauffassung der Minderjährigen an.

[9]            Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung zum Zusammenspiel zwischen dem Ausschluss der Verjährung durch § 26 Abs 3 UVG und Einwendungen, die sich auf den identen Zeitraum beziehen, für zulässig.

[10]           Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung im stattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11]           Die Minderjährige beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12]     Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[13]           1.1 Nach gesicherter Rechtsprechung gilt die Verjährungsfrist des § 1480 ABGB nicht nur für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (RIS-Justiz RS0034969), sondern auch für Unterhaltsherabsetzungs- oder Unterhaltsaufhebungsbegehren (1 Ob 122/97s; 1 Ob 109/99g; 8 Ob 92/16m; 9 Ob 53/18m; 9 Ob 77/18s). Innerhalb dieser Frist kann gesetzlicher Unterhalt rückwirkend eingeschränkt oder aufgehoben werden, und zwar ungeachtet bereits bestehender Vereinbarungen oder gerichtlicher Entscheidungen (1 Ob 122/97s; RS0034969 [T14]).

[14]           1.2 Dass es – im Sinne der Rekursentscheidung – für die Verjährungsfrage keinen Unterschied macht, ob der Vater einen Herabsetzungsantrag oder einen Antrag nach § 35 EO stellt, trifft zu und wird auch vom Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.

[15]           2. Nach § 26 Abs 3 UVG verjährt die Pflicht des Unterhaltsschuldners zur Leistung der Unterhaltsbeiträge insoweit nicht, als auf sie Vorschüsse gewährt worden sind.

[16]           2.1 Diese Bestimmung begünstigt ausschließlich die Unterhaltsvorschüsse gewährende Republik Österreich, die hier im gesamtstaatlichen Interesse (Gemeinschaft der Steuerzahler) bei der Verjährung privilegiert ist (4 Ob 198/09k; 9 Ob 53/18m; RS0125605).

[17]           2.2 In der Entscheidung 9 Ob 53/18m wurde ein Unterhaltsherabsetzungsantrag des Unterhaltsschuldners hinsichtlich des länger als drei Jahre vor der Antragstellung zurückliegenden Zeitraums wegen Verjährung abgewiesen. In dem betroffenen Zeitraum bezog das unterhaltsberechtigte Kind durchgehend über knapp zwölf Jahre Unterhaltsvorschüsse. Der Oberste Gerichtshof hielt bei der Prüfung der Verjährung ausdrücklich fest, dass sich der Unterhaltsschuldner hier nicht auf die Bestimmung des § 26 Abs 3 UVG stützen könne. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht dieser Rechtsprechung, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob der Unterhaltsschuldner für den von § 26 Abs 3 UVG betroffenen (identen) Zeitraum noch Einwendungen gegen seine Unterhaltspflicht erheben kann. Das wurde in der zitierten Entscheidung (für den länger als drei Jahre vor dem Antrag zurückliegenden Zeitraum) verneint. Auch die angefochtene Entscheidung verwehrt dem Vater hinsichtlich der Verjährung eine auf § 26 Abs 3 UVG gestützte Begünstigung.

[18]           3.1 Die Ausführungen des Vaters, es sei nicht im Sinne einer den Grundsätzen der Billigkeit und Gleichbehandlung unterliegenden Rechtsprechung und Gesetzgebung, wenn die bevorschussten Beträge keiner Verjährung unterliegen, während ein allfälliger Herabsetzungsantrag (gemeint: Oppositionsantrag) des Vaters verjähren könne, bieten keinen Anlass, von der bisherigen Judikatur abzugehen. Diese Argumentation übersieht, dass mit § 26 Abs 3 UVG die Einbringung der zur Deckung des Unterhaltsbedarfs bereits geleisteten Unterhaltsvorschüsse gesichert werden soll. Dem UVG liegt zugrunde, dass der Staat das Gläubigerrisiko übernimmt, indem er einen nicht, schwer oder unregelmäßig durchsetzbaren Unterhaltsanspruch eines Kindes nach einem raschen Verfahren erfüllt (vgl ErläutRV 5 BlgNR 14. GP 5 ff). Durch den Unterhaltsvorschuss wird der Schuldner nur temporär und faktisch entlastet, er soll aber nicht von seiner Pflicht entbunden werden. Die mit § 26 Abs 3 UVG verbundene Begünstigung der Republik Österreich gleicht die Übernahme des Gläubigerrisikos aus.

[19]           3.2 Mit der Verjährungsregel des § 26 Abs 3 UVG ist auch keine unbillige Schlechterstellung des Vaters verbunden, zumal dieser – entgegen seinen hier aktenwidrigen Rechtsmittelausführungen – nicht erst durch das Exekutionsverfahren von der Weitergewährung des Unterhaltsvorschusses Kenntnis erlangte. So wurde ihm etwa nach dem von ihm behaupteten Eintritt der Minderung seiner Leistungsfähigkeit (März 2013) der Beschluss vom 22. Dezember 2014 auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe ebenso (persönlich) zugestellt wie zuvor der (erste) Beschluss vom 16. Februar 2010 auf Gewährung der Vorschüsse. In den von ihm nicht bekämpften Beschlüssen wurde der Vater auch darüber aufgeklärt, dass dem Gericht eine verminderte Leistungsfähigkeit unverzüglich mitzuteilen sei. Der Vater hat eine derartige Mitteilung an das Gericht (bzw einen Antrag auf Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung) bis 2019 unterlassen.

[20]           4. Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Textnummer

E130706

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00207.20T.0120.000

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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