Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*****, 2. J*****, beide vertreten durch Neumayer Walter & Haslinger Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei E***** S*****- und W*****gesellschaft mbH, zunächst berichtigt auf E***** S*****gesellschaft mbH, zuletzt berichtigt auf E***** W*****gesellschaft mbH, alle *****, alle vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 96.987,50 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und der E***** S*****gesellschaft mbH, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. November 2020, GZ 2 R 82/20y-41, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Mit ihrer gegen die E***** S*****- und W*****gesellschaft mbH gerichteten Klage begehrten die Kläger Schadenersatz aufgrund des Erwerbs von Anleihen einer mittlerweile insolventen Emittentin. Die Haftung der Beklagten stützten sie insbesondere auf deren Fehlverhalten als Abschlussprüferin bei Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2016.
[2] Die Beklagte ließ sich zunächst unter dieser Bezeichnung auf das Verfahren ein, bestritt aber in weiterer Folge ihre Passivlegitimation, weil nicht die E***** S*****gesellschaft mbH, sondern die E***** W*****gesellschaft mbH, eine eigenständige Anlagegesellschaft, Abschlussprüferin gewesen sei.
[3] Daraufhin beantragten die Kläger die Berichtigung der Parteienbezeichnung auf die E***** W*****gesellschaft mbH, von der der Prüfvermerk stamme.
[4] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und berichtigte die Bezeichnung der Beklagten auf E***** S*****gesmbH.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger Folge und berichtigte die Parteienbezeichnung der Beklagten auf E***** W*****gesellschaft mbH. Nach dem Klagevorbringen sei unzweifelhaft derjenige als beklagte Partei gemeint gewesen, der als Abschlussprüfer des genannten Jahresabschlusses agiert habe, dies sei die E***** W*****gesellschaft mbH gewesen.
[6] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mangels Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zu.
[7] Der Revisionsrekurs der (nunmehr) Beklagten sowie der E***** S*****gesellschaft mbH zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Vorauszuschicken ist, dass auch derjenige, dem im Verfahren die Parteistellung abgesprochen wurde, grundsätzlich legitimiert ist, die Überprüfung dieser Rechtsansicht zu verlangen (RIS-Justiz RS0035319; RS0107893). Sowohl die nach Auffassung des Rekursgerichts Beklagte als auch die E***** S*****gesellschaft mbH sind daher rechtsmittellegitimiert.
[9] 2. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor. Sie würde voraussetzen, dass Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RS0043347 [T1]). (Allenfalls) Unrichtige rechtliche Schlussfolgerungen begründen keine Aktenwidrigkeit (RS0043347 [T21]). Da die Zulässigkeit der Berichtigung einer Parteienbezeichnung nach § 235 Abs 5 ZPO nicht auf der Basis von Feststellungen, sondern der Klageangaben zu beurteilen ist, könnte sie nur dann vorliegen, wenn das Rekursgericht den Inhalt der Klage falsch wiedergegeben hätte, was nicht der Fall ist.
[10] 3.1. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung ist die bloße Richtigstellung einer nur falsch bezeichneten, aber eindeutig erkennbaren Partei selbst dann zulässig, wenn es dadurch zu einem Personenwechsel kommt. Ergibt sich aus der Klageerzählung eindeutig, wer der Beklagte sein sollte, sodass der in Anspruch Genommene wissen musste, wen die Klage tatsächlich betraf, liegt eine Klageänderung auch im Fall der Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts nicht vor (RS0039337; 1 Ob 107/07b). Die Judikatur verneint eine Parteiänderung selbst im Fall der Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts dann, wenn sich durch Bezugnahme etwa auf ein bestimmtes Arbeits- oder sonstiges Vertragsverhältnis oder eine Rechnung eindeutig ergibt, wer die Beklagte sein soll (1 Ob 68/04p; 1 Ob 107/07b; RS0039300). Abzustellen ist auf Angaben in der Klageerzählung, aus denen die Beklagte ableiten muss, dass sie nicht gemeint war (5 Ob 143/03w). Maßgeblich ist nicht, ob sie konkret weiß, dass eine bestimmte andere natürliche oder juristische Person gemeint ist, sondern nur, dass sie aus der Klageerzählung eindeutig erkennen kann, dass sie als Vertragspartnerin nicht in Betracht kommt und somit auch nicht von der klagenden Partei belangt werden soll (1 Ob 68/04p). Kein strenger Maßstab ist bei der Prüfung der Frage nach der Zulässigkeit der Berichtigung der Parteienbezeichnung dann anzulegen, wenn ein Rechtssubjekt mit der vom Kläger gewählten (unrichtigen) Bezeichnung gar nicht existiert (4 Ob 2340/96p).
[11] 3.2. Diese Rechtsprechungsgrundsätze hat das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ihre Anwendung auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt ist eine Frage des Einzelfalls, die grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufwirft (RS0114709). Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung (vgl RS0114709 [T1]) liegt nicht vor:
[12] 3.3. Die Revisionsrekurswerberinnen lassen außer Acht, dass entgegen ihren Behauptungen bei Klagezustellung eine Gesellschaft mit der ursprünglich genannten Firma „E***** S*****- und W*****gesellschaft mbH“ nicht (mehr) existierte. Dass jedenfalls eine Berichtigung der Parteienbezeichnung iSd § 235 Abs 5 ZPO erforderlich werde, musste den auf Beklagtenseite Handelnden daher bereits bei Klagezustellung klar sein. Ein strenger Maßstab bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Parteienberichtigung ist somit hier nicht anzulegen. Die Auffassung des Rekursgerichts, aus der
– wenngleich umfangreichen und teils schwer leserlichen – Klageerzählung ergebe sich doch eindeutig, dass die Kläger (primär) Schadenersatz von der Jahresabschlussprüferin aufgrund eines angeblich unrichtigen Prüfvermerks geltend machen, begegnet keinen Bedenken im Einzelfall. Der Umstand alleine, dass auch weitere Haftungsgrundlagen ins Treffen geführt werden, schadet nicht. Dass die Urkunde mit dem Prüfvermerk selbst, der die Firma der (nunmehr) Beklagten eindeutig aufwies, nach dem Verbesserungsauftrag nicht mit der Klage zugestellt wurde, ändert nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen nichts daran, dass aufgrund der Klageerzählung für die Revisionsrekurswerberinnen klar sein musste, dass die Klage gegen eine E***** S*****- und W*****gesellschaft mbH richtigerweise diejenige der beiden Gesellschaften betreffen sollte, von der der beanstandete Prüfvermerk des Jahresabschlusses der Emittentin tatsächlich stammte und die die „Wirtschaftsprüfung“ in ihrem Firmenwortlaut weiterhin führt. Dass der Prüfvermerk von der E***** W*****gesellschaft mbH stammt, wurde nicht bestritten.
[13] 3.4. Auf die Frage, ob die Klageerzählung dem Gebot des § 76 Abs 1 ZPO, die tatsächlichen Verhältnisse in knapper übersichtlicher Fassung gedrängt darzustellen, entsprach oder nicht, kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung allein macht einen Schriftsatz nicht zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung ungeeignet, sodass er aus diesem Grund nicht zur Verbesserung zurückgestellt oder zurückgewiesen werden kann (Konecny/Schneider in Fasching/Konecny3 II/2, § 76 ZPO Rz 3). Naturgemäß könnte eine Missachtung dieses Gebots dazu führen, dass es an der klaren und eindeutigen Erkennbarkeit der tatsächlich gemeinten Beklagten fehlt; dies kann aber nur im Einzelfall aufgrund des konkreten – allenfalls eben nicht knappen und übersichtlichen – Klagevorbringens beurteilt werden und ist hier nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des Rekursgerichts nicht der Fall. Auf die für die Auslegung von Willenserklärungen abgestellten Bestimmungen der §§ 914 f ABGB ist bei Auslegung von Prozessvorbringen – die ebenfalls grundsätzlich einzelfallbezogen ist (vgl RS0042828) – nicht abzustellen.
[14] 4. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E130707European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00224.20G.0121.000Im RIS seit
19.02.2021Zuletzt aktualisiert am
19.02.2021