TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 L516 2122478-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2122478-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Dr. Gerhard MORY, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2016, Zahl 608404001/1576458, nach mündlicher Verhandlung am 29.06.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 und § 8 Abs 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und es wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs 1 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos aufgehoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 31.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 29.01.2016 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§§ 57 und 55 AsylG“, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 29.06.2020 eine mündliche Verhandlung durch.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Punjabi sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. (NS 01.11.2012, S 1; NS 18.07.2013, S 12; Kopie öst. Führersein AS 141-143; VS 29.06.2020, S 8; VS 29.06.2020, VS Beilage)

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Ort XXXX . 2011 zog er mit seiner Familie in den sechs bis sieben Kilometer entfernt liegenden Ort XXXX welcher in der Nähe von Gujranwala und Lahore liegt. Er hat in Pakistan zehn Jahre die Schule besucht und arbeitete als Taxifahrer. (NS 01.11.2012, S 1, 2; NS 18.07.2013, S 3, 7; NS 31.01.2014, S 2)

Die Eltern und eine Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXX . Diese Schwester hat ein Masterstudium absolviert und bereitet sich gerade auf ein weiteres Bachelorstudium vor. Eine weitere Schwester ist verheiratet und lebt in Lahore, der Bruder des Beschwerdeführers studiert in Peshawar Ingenieurswesen. Die Eltern des Beschwerdeführers sind erkrankt, es geht ihnen aber sonst gut und der Vater erhält Pensionsleistungen aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Lehrer. Der Beschwerdeführer hat telefonischen Kontakt zu seiner Familie in Pakistan. (VS 29.06.2020, S 6, 7)

Der Beschwerdeführer verließ seinen Heimatort und Pakistan Anfang des Jahres 2012 und reiste über den Iran und Griechenland weiter nach Österreich. (NS 01.11.2012, S 4; NS 18.07.2013, S 13)

1.2 Zu seiner Lebenssituation in Österreich

1.2.1 Ende Oktober 2012 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich seither – bis auf einen Aufenthalt von mehreren Wochen im Frühjahr 2019 in Italien – ununterbrochen aufhält. (VS 29.06.2020, S 8, 9, 13, 14; VS 29.06.2020, VS Beilagen)

1.2.2 Seit April 2015 ist der Beschwerdeführer durchgehend nicht mehr auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Seit 04.03.2015 verfügt der Beschwerdeführer über die Gewerbeberechtigung zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern und seit 09.03.2015 zudem über die Gewerbeberechtigung als Werbemittelverteiler und ist seit 2015 selbständig erwerbstätig. Aufgrund der Auswirkungen durch Covid-19 arbeitete er temporär nur eingeschränkt und verdient damit aktuell etwa EUR 700 bis EUR 800 monatlich. Er hat jedoch vor, seine berufliche Tätigkeit bald wieder vollständig aufzunehmen. Er erwirtschaftete im Jahr 2017 einen Gewinn in Höhe von etwa EUR 28.600, derzeit bleiben ihm zwischen EUR 1.000 und EUR 2.000 monatlich übrig. Der Beschwerdeführer verfügt über einen österreichischen Führerschein der Klassen B und AM. Er hat die Kurse und Prüfungen dazu in Österreich absolviert. Für seine berufliche Tätigkeit hat er einen Kastenwagen gekauft, einen weiteren Lieferwagen geleast und er verfügt zusätzlich über einen PKW den er privat nutzt. Er ist sohin arbeitswillig, arbeitsfähig und selbsterhaltungsfähig. (GVS 29.06.2020; GISA 09.07.2020; VS 29.06.2020, S 5; VS 29.06.2020, VS Beilagen)

Er hat mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt, seine Freunde, seine Bekannte und sein soziales Netz in Österreich. Er führte ab 2017 für etwa zwei bis drei Jahre eine Beziehung mit einer polnischen Staatsangehörigen, derzeit hat er eine österreichische Freundin die ihn an den Wochenenden besucht und mit der auch intim ist. Er hat Freunde die mit ihm arbeiten. Wenn er nicht arbeitet, besucht er mitunter ein Fitnessstudio. Er ist gesund, hat jedoch beidseits ein Glaukom bzw eine glaukomatöse Papillenveränderung. (VS 29.06.2020, S 6, 11)

Der Beschwerdeführer hat bisher bei einem Sprachlehrinstitut eine Deutschprüfung auf dem Sprachniveau A2 abgelegt und weitere Deutschkurse besucht, er kann sich gut in deutscher Sprache verständigen. Er konnte die ihm in der mündlichen Verhandlung in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort verstehen und darauf auf Deutsch, spontan und verständlich, wenn auch manchmal mit Fallfehlern, antworten. (VS 29.06.2020, S 5, 6)

Er ist strafrechtlich unbescholten. (Strafregister der Republik Österreich 29.06.2020)

1.3 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst im Wesentlichen vor:

Die Familie des Beschwerdeführers habe mit einer anderen, sehr mächtigen und einflussreichen Familie große Probleme gehabt. Hauptsächlich seien sein Vater und der Beschwerdeführer selbst in den Konflikt verwickelt gewesen. Der Vater habe mit seinem Geschäftspartner, mit dem er früher gut befreundet gewesen sei, 2003/2004 in XXXX ein Geschäft für Saatgut, Öl und Produkte für die Landwirtschaft eröffnet. Der Geschäftspartner habe alleine die Geschäfte durchgeführt und auch die Buchhaltung selbst gemacht. Der Vater des Beschwerdeführers sei Lehrer gewesen und er habe auch eine Landwirtschaft gehabt. Der Beschwerdeführer habe am Anfang nichts mit dem Geschäft zu tun gehabt. Die Einkünfte aus dem Geschäft habe sich der Geschäftspartner einbehalten und dem Vater nichts davon gegeben, weshalb aus der guten Freundschaft eine Feindschaft geworden sei. Aufgrund dieser Umstände habe die Familie des Beschwerdeführers viel Geld verloren und der Beschwerdeführer habe mit seinem Vater versucht, dieses wiederzubekommen. Er und sein Vater seien deshalb auch zum Dorfvorsitzenden gegangen, dem MP (Member of Parliament, Anm), er auch über die Kaste mit dem Geschäftspartner verwandt sei. Im Monat 6 des Jahres 2011 habe es eine Versammlung im Dorf gegeben, zu der auch der Geschäftspartner eingeladen worden sei. Da seien auch Leute gekommen, die der Beschwerdeführer und sein Vater gekannt hätten. Dabei ist eine Entscheidung gegen den Geschäftspartner getroffen worden. Es sei in dieser Versammlung entschieden worden, dass die Familie des Beschwerdeführers rechtliche Schritte einleiten dürfe, wenn der Partner nicht binnen eines Monates der Familie des Beschwerdeführers das Geld gebe. Das Geld habe die Familie jedoch nicht bekommen, aber der frühere Geschäftspartner habe angefangen, die Familie zu bedrohen. Der Beschwerdeführer und sein Vater seien dann zur Polizei gegangen, zwei, drei Mal, aber passiert sei auch deshalb nichts. Der Vater habe Angst gehabt, zur Polizei zu gehen, aber der „Main Officer“ habe sie zu sich gerufen. Da der Geschäftspartner mit bewaffneten Männern zur Familie gekommen sei und sie mit dem Umbringen bedroht habe, sei die Familie 2011 auch von XXXX nach XXXX umgezogen. Auch der MP von XXXX habe ihnen zunächst zugesichert, ihnen zu helfen, habe ihnen dann aber nicht richtig geholfen. Der Geschäftspartner, namens XXXX habe ein-, zwei Mal den Vater des Beschwerdeführers persönlich bedroht, dass er den Vater und dessen Kinder umbringe. Der Beschwerdeführer habe seinen Vater nicht mehr leiden sehen können, habe dann das Haus verkauft und sei nach Österreich gekommen. Auch der Beschwerdeführer selbst sei bedroht worden, da es den Geschäftspartner gestört habe, dass er sich in den Vordergrund gesetzt habe und überall Einfluss ausgeübt habe. Der Geschäftspartner habe gesagt, dass er den Beschwerdeführer vernichten werde. Es sei kein Familienstreit, die Hauptpersonen seien er und sein Vater, sein Vater sei schon alt. Sein Vater habe inzwischen erneut versucht, mit dem Geschäftspartner zu reden und habe noch andere Männer einbezogen. Jener sei jedoch nicht damit einverstanden gewesen und es sei auch zu einer Schießerei gekommen, am 05.03.2013 bei den Wahlen. Der Vater habe zur Stimmabgabe zum Wahlamt nach XXXX gehen müssen, dort sei auf jenen geschossen worden und der Vater sei von einer Kugel des älteren Bruder des XXXX am Schienbein getroffen worden. Der Beamte im Wahllokal habe dies gemeldet und der Vater sei befragt worden. Die Dorfoberhäupter hätten gesagt haben, dass der Vater in Ruhe gelassen werden solle. Für die Gegner sei der Beschwerdeführer wichtig gewesen, nicht dessen Vater, dieser sei alt und durch die Schussverletzung behindert. Der Beschwerdeführer habe das Geschäft nach Beendigung der Schule weiterführen und so die Familie unterstützen und ernähren sollen. Das Geschäft sei die letzte Chance für die Familie gewesen, weshalb die Mutter ihren Goldschmuck verkauft habe und auch alles andere sei in das Geschäft investiert worden. Inzwischen liege die Schwierigkeit in der Aufrechterhaltung der Ehre, da die Verwandtschaft des Beschwerdeführers gesagt habe, dass er entweder das Geld wiedererlangen müsse oder sich selbst oder die Gegner umbringen solle. Seine Eltern hätten ihm gesagt, dass sie keinen Konflikt wollen. Für ihn selbst sei es eine Schande gewesen, es gehe eigentlich um die Ehre. Die Gegner hätten gesagt haben, dass sie den Beschwerdeführer umbringen würden, da er der Einzige sei, der so viele Fragen stelle. Den Gegnern sei bekannt, wo die Familie des Beschwerdeführers wohne. Die Geschwister seien nicht gefährdet, da der Beschwerdeführer der Älteste sei. Der Bruder wohne weit weg in einem Hostel und besuche die Eltern alle ein bis zwei Monate für einen Tag. Der Vater sei inzwischen alt und krank und halte sich heraus. (NS 18.07.2013, S 3-11; VS 29.06.2020, S 14-20)

Zum Beleg seiner Angaben legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu einem Kauf eines Hauses, zu einem Verkauf eines Hauses, zu einer Dorfversammlung im Juni 2011 bzw Juni 2013 sowie einen First Information Report vom 11.05.2013 vor (Klarsichthülle im Akt des BFA, AS 123).

1.4 Zur Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Antragsgründe und Rückkehrbefürchtung

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren dazu, dass es einen Streit mit dem Geschäftspartner des Vaters gegeben habe und dass die Familie des Beschwerdeführers von diesem um das in das neugegründete Geschäft investierte Geld betrogen worden sei, ist glaubhaft. Nicht glaubhaft ist hingegen das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er vor seiner Ausreise aus Pakistan aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Geschäftspartner einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt gewesen sei oder er bei einer Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer solchen Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

1.5. Zur Lage in Pakistan

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sicherheitslage allgemein

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiöskonfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt 16.5

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab.

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019). Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).

Religionsfreiheit

Laut Volkszählung 2017 sind 96,28 % der ca. 207 Millionen Einwohner Pakistans muslimisch, 1,59 % Christen, 1,6 % Hindus, 0,22 % Ahmadi, 0,25 % gelistete Kasten („scheduled castes“) und 0,07 % gehören einer anderen Religion an (PBS 2017b). CIA World Factbook gibt an, dass von den Muslimen ca. 85-90 % Sunniten und 10-15 % Schiiten sind (CIA 5.2.2019); USDOS geht anhand der Volkszählung 1998 davon aus, dass 75 % der muslimischen Bevölkerung offiziell als Sunniten und 25 % als Schiiten geführt werden. Weitere Religionsgemeinschaften sind Zoroastrier, Bahai, Sikh, Buddhisten, und kleinere Gruppen wie Kalasha, Kihal und Jainisten. Minderheitenvertreter schätzen die Anhängerzahl der religiösen Minderheiten auf 6-10 Millionen Menschen (USDOS 29.5.2018).

Artikel 227 der Verfassung besagt, dass alle Gesetze mit den Regeln des Islam konform sein müssen, wobei der Artikel auch Schutz der Rechte von Nicht-Muslimen vorsieht (Pakistan Constitution 1973/2016; vgl. USDOS 29.5.2018). Die Verfassung verbietet Diskriminierung in religiösen Bereichen (USDOS 29.5.2018). Am 28.11.2018 wurde Pakistan vom USAmerikanischen Außenministerium in Bezug auf Religionsfreiheit als besonders besorgniserregendes Land („Country of Particular Concern under the International Religious Freedom Act of 1998“) eingestuft, da systematische, ständige und schwerwiegende Verletzungen der Religionsfreiheit von staatlicher Seite durchgeführt oder toleriert werden (USDOS 11.12.2018).

Die Lage der religiösen Minderheiten - vor allem Christen und Hindus sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat nicht als Muslime anerkannt werden -, ist weiterhin schwierig. Viele sind Zwangsarbeit ausgesetzt und leben in Schuldknechtschaft. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen vor allem gegen Schiiten, Ahmadis und Christen, aber auch gegen gemäßigte Sunniten und Muslime, die nicht einer konservativen Islam-Auslegung folgen, wie die Sufis, aus (AA 1.2.2019). Das Antreten von extremistischen religiösen Parteien im Wahlkampf 2018 führte zu vermehrten Bedrohungen und verhetzender Sprache gegenüber religiösen Minderheiten (USCIRF 4.2019). [Anmerkung: Für eine detaillierte Lagebeschreibung der unterschiedlichen religiösen Gruppen siehe die Abschnitte 16.1, 16.2, 16.3, 16.4]

Laut PIPS wurden im Jahr 2018 bei insgesamt 16 religiös oder konfessionell motivierten Terroranschlägen 59 Menschen getötet (PIPS 1.2019 S 53, 59); im Jahr 2017 gab es 26 religiös oder konfessionell motivierte Terroranschläge mit insgesamt 87 Toten (PIPS 7.1.2018 S 60, 68).

Die umstrittene Blasphemie-Gesetzgebung sieht für Gotteslästerung die Todesstrafe vor, die allerdings im Zusammenhang mit diesem Delikt noch nie vollstreckt wurde (AA 21.8.2018). Die Blasphemiegesetze werden diskriminierend gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und andere Mitglieder religiöser Minderheiten angewendet (USDOS 13.3.2019) und gemäß Interessenvertretungen sind Mitglieder religiöser Minderheiten überproportional von der Anwendung der Blasphemiegesetze betroffen (USDOS 29.5.2018). [Anmerkung: Für mehr Informationen zur Blasphemiegesetzgebung siehe Abschnitt 16.5]

Christen

Laut Ergebnis der pakistanischen Volkszählung 2017 sind 1,59 % der ca. 207 Millionen Einwohner Christen [Anm.: ca. 3,3 Millionen]. Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung ist in Punjab (2,31 %) und in Islamabad (4,07 %) am höchsten (PBS 2017b). Etwa 60 % von ihnen sind Katholiken und 40 % gehören protestantische Konfessionen an (AA 21.8.2018). Etwa 90 % der Christen leben im Punjab, davon ca. zwei Millionen im Raum Lahore-Faisalabad und eine halbe Million im übrigen Punjab. Große christliche Gemeinden gibt es u.A. auch in Karatschi (UKHO 9.2018).

Es gibt keine speziellen Gesetze, die Christen diskriminieren (UKHO 9.2018). Im Unterschied zu den Ahmadis sind Christen in der Regel frei in der öffentlichen Ausübung ihres Glaubens, insoweit aber verwundbarer, als sie fast ausschließlich der wirtschaftlichen Unterschicht angehören. Es gibt so gut wie keine christliche Mittelschicht, dafür eine breite Unterschicht, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlägt. Viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten leben in ausbeuterischen und schuldknechtschaftlichen Arbeitsverhältnissen. Auf dem Lande befindet sich die Mehrzahl der Christen als einfache Pächter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern; kleine Landbesitzer leben häufig in rein oder überwiegend christlichen Siedlungen. Während die Mehrzahl der pakistanischen Christen aus der Armut nicht herauskommt, versucht die kleine christliche Oberschicht vielfach, das Land zu verlassen (AA 21.8.2018).

Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der christlichen Minderheit ist nicht konfliktfrei. Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt ist verbreitet (AA 21.8.2018). Christen aus unteren sozioökonomischen Schichten sind größerer Diskriminierung ausgesetzt als jene aus höheren (UKHO 9.2018).

Auch infolge zunehmender radikalislamischer Strömungen besteht ein wachsender Druck auf christliche Gemeinden. Christen werden immer wieder Opfer radikalislamischer Gewalt (AA 21.8.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Jahr 2018 kam es insgesamt zu zwei terroristischen Anschlägen auf Christen, bei denen sechs Menschen ums Leben kamen. Beide Anschläge fanden im April in Quetta statt und wurden vom Islamischen Staat begangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018).

Die Polizei versagt oft darin, Mitglieder der religiösen Minderheiten, u.a. Christen, vor Angriffen zu schützen aber es gibt auch Verbesserungen in der Professionalität der Polizei und Beispiele, dass lokale Behörden Minderheitenangehörige auch unter großem persönlichen Risiko vor Diskriminierung und Gewalt schützen konnten (USDOS 13.3.2019). Zu speziellen Anlässen wie Versammlungen und Prozessionen werden seit 2013 von der Polizei präventive Schutzmaßnahmen ergriffen, was das Risiko von Gewalt zwar nicht eliminiert, aber reduziert hat. Die Polizei schützt auch christliche Enklaven in den Großstädten. Insgesamt erscheint der Staat sowohl willig als auch fähig, Christen effektiv zu schützen (UKHO 9.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)

Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Grundversorgung

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a). Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten.

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sozialbeihilfen

Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).

In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).

Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

(Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan (1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA bzw dem Bundesasylamt (BAA) und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Die Identität steht aufgrund des vorgelegten österreichischen Führerscheines (VS 03.06.2020, VS Beilage) fest (zur Identitätsfeststellung mittels eines österreichischen Führerscheins siehe VwGH 16.11.1988, 88/02/0113).

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, zu seiner beruflichen Tätigkeit, zu seinen Familienangehörigen in Pakistan sowie zu seinem Aufenthalt in seinen beiden Heimatorten und seiner Ausreise und Reisebewegung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.

2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)

Seine Angaben zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation, seiner erlaubten Erwerbstätigkeit und zu seinen sozialen Kontakten erwiesen sich als widerspruchsfrei, sie wurden durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis seiner bereits gesetzten Integrationsschritte (GISA Auszug, Werkvertrag, Spediteursvertrag, Auftragsrahmenvertrag, Jahresabschlüsse, Unterlagen betreffend seine Fahrzeuge, Deutschkursbesuchsbestätigungen und Deutschprüfungsbestätigung) belegt und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern. Der Beschwerdeführer konnte sich gut in deutscher Sprache verständigen, wie sich in der Verhandlung zeigte, wo er in der Lage war, die ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen sofort zu verstehen und darauf auf Deutsch, spontan und verständlich, wenn auch manchmal mit Fallfehlern, zu antworten. Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem unverdächtigen Strafregisterauszug.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, wurde aufgrund seiner diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung festgestellt, wonach er gesund sei, lediglich Allergietropfen einnehme und wegen Augenproblemen zu einem Facharzt weitergeleitet worden sei (VS 29.06.2020, S 4, 8) sowie dem vorgelegten Befundbericht (VS 29.06.2020, VS Beilage). Insofern der Beschwerdeführer gegenüber dem BAA angegeben hat, mit Hepatitis C infiziert worden zu sein, er geglaubt habe, seine Nieren würden versagen, dass er im Spital gewesen sein und dass es ihm gesundheitlich schlecht gegangen sei (NS 18.07.2013, S 9), so hat er all diese Umstände in der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) vorgebracht, weshalb davon auszugehen ist, dass die damaligen gesundheitlichen Probleme aktuell nicht bzw nicht mehr bestehen; sie wurden auch nicht bescheinigt.

2.3 Zur Begründung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz und zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit (oben 1.3 und 1.4)

2.3.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BAA (AS 91-121; 131-139) sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Protokoll OZ 10), die alle in der Sprache Punjabi durchgeführt wurden.

2.3.2 Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Familie einen Streit mit dem Geschäftspartner des Vaters gehabt habe und dass die Familie des Beschwerdeführers von diesem um das in das neugegründete Geschäft investierte Geld betrogen worden sei, ist deshalb glaubhaft, da der Beschwerdeführer in allen Befragungen diesbezüglich dem Sinn nach gleiche Angaben gemacht hat. Er hat jedoch keine wortgleichen Angaben abgegeben, weshalb ein einstudierter Vortrag auszuschließen war. Es sind auch keine wesentlichen Unstimmigkeiten oder Widersprüche im Vorbringen hinsichtlich des Betruges hervorgekommen, weshalb dieses, zumal es auch sonst schlüssig ist, glaubhaft gemacht werden konnte.

2.3.3 Die Feststellungen, wonach es nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Pakistan aufgrund der vorgebrachten Probleme einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt gewesen sei oder er bei einer Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt einer solchen Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, war aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen:

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass der Geschäftsmann seines Vaters sehr mächtig sei und dessen Kaste eine sehr große, weit verbreitete Kaste sei, diese Leute viel Macht hätten und der Beschwerdeführer und seine Familie politisch gesehen sehr schwach und ohne Hilfe seien, er nicht fähig sei, jenen zu entgegnen (VS 29.06.2020, S15, 14). Dem widerspricht jedoch zunächst das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Dorfgemeinschaft zu Gunsten des Beschwerdeführers und seine Familie und gerade gegen den Geschäftsmann entschieden habe (BFA NS 18.07.2013, S 5) was wohl nicht möglich gewesen wäre, wäre der Geschäftsmann tatsächlich so einflussreich, wie vom Beschwerdeführer behauptet. Das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer und sein Vater keine Hilfe erhalten habe, kann demnach nicht den Tatsachen entsprechen.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst damit, dass sein Vater von dessen Geschäftspartner betrogen worden sei und dass der Beschwerdeführer selbst, da vor allem er das Geld einfordern habe wollen, Probleme mit jenem Geschäftspartner gehabt habe und von diesem bedroht worden sei.

Der Beschwerdeführer begründet dabei die besondere Gefährdung seiner Person damit, dass der Geschäftspartner ihm gesagt, er, der Beschwerdeführer, sei jetzt so vordergründig und übe überall Einfluss aus, und der Geschäftspartner ihn vernichten werde und umbringen, weil er der Einzige aus seiner Familie sei, der so viele Fragen stelle, er wichtig für jene gewesen sei, nicht sein Vater (BFA NS 18.07.2013, S 8; VS 29.06.2020, S 15, 17).

Diese Begründung erweist sich jedoch als nicht schlüssig, gab der Beschwerdeführer im Verfahren doch an, dass der Vater des Beschwerdeführers an dem Geschäft beteiligt war und der Beschwerdeführer selbst nichts damit zu tun hatte, und auch der Vater öfter mit dem Beschwerdeführer gemeinsam bei der Polizei gewesen sei und versucht habe, das unterschlagene Geld, zurückzubekommen und der Vater auch nach der Ausreise des Beschwerdeführers weiter versucht habe, mit den Gegnern zu reden und auch noch andere Männer einbezogen habe (BFA NS 18.07.2013, S 4: „Wir sind deswegen zum Dorfvorsitzenden gegangen“; BFA NS 18.07.2013, S 6: „Ich bin auch gegangen mit meinem Vater zur Polizei“, NS 18.07.2013, S 9: „Mein Vater hat erneut versucht, mit ihnen zu reden und er hat noch andere Männer einbezogen“; VS 29.06.2020, S 19: „Wir waren zwei, drei Mal bei der Polizei“). Auch in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der Dorfversammlung, mit welchem der Gegner verpflichtet worden sei, das Geld an die Familie des Beschwerdeführers zurückzuzahlen (AS 123), ist lediglich der Name des Vaters des Beschwerdeführers angeführt und nicht jener des Beschwerdeführers selbst (NS 18.07.2013, S 11). Daraus ergibt sich, dass demnach auch der Vater des Beschwerdeführers selbst um das investierte Geld gekämpft hat und somit auch dieser vom Gegner nach wie vor derselben Bedrohung ausgesetzt sein müsste, wie sie der Beschwerdeführer für seine eigene Person befürchtet.

Der Beschwerdeführer selbst gab auch vor dem BFA an, dass jener Geschäftspartner seinen Vater zwei Mal persönlich bedroht habe, diesen – und dessen Kinder (also auch alle Geschwister des Beschwerdeführers – umzubringen (BFA NS 18.07.2013, S 6). Aufgrund dessen erweist sich die Erklärung des Beschwerdeführers dafür, dass sein Vater schon alt und auch krank sei und diesem deshalb nichts geschehe (zB VS 29.06.2020, S 16) als unschlüssig, zumal der Vater laut Angaben des Vaters noch nach der Ausreise des Beschwerdeführers allein versucht hat, mit den Gegnern zu reden und dabei auch noch andere Männer einbezogen haben soll (BFA NS 18.07.2013, S 9).

Der Vater des Beschwerdeführers, seine Mutter und eine Schwester des Beschwerdeführers leben jedoch nach wie vor in XXXX , in derselben Stadt, in der auch der Beschwerdeführer selbst vor seiner Ausreise gelegt hat und in der sich auch das Geschäft befindet, an dem der Vater des Beschwerdeführers beteiligt war. Diese Schwester hat ein Masterstudium absolviert und bereitet sich aktuell auf ein weiteres Bachelorstudium vor. Eine weitere Schwester ist verheiratet und lebt in Lahore, der Bruder des Beschwerdeführers studiert gegenwärtig in Peschawar Ingenieurswesen und besucht die Eltern in XXXX ungefähr alle ein bis zwei Monate. Die Eltern des Beschwerdeführers sind erkrankt, es geht ihnen aber gut und der Vater erhält Pensionsleistungen aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Lehrer. (VS 29.06.2020, S 6, 7, 15). Dies wäre nicht möglich, würde eine derartige Bedrohung bestehen, wie sie vom Beschwerdeführer behauptet wird.

Aus diesem Grund ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr zu seinen Familienangehörigen zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sein wird, da – wie zuvor dargelegt – nicht erkennbar ist, dass in seinem Fall die Gefahr entscheidend größer ist, als im Fall seiner in Pakistan lebenden Familienangehörigen und insbesondere seines Vaters.

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, dass sein Vater im Jahr 2013 bei seiner Stimmabgabe bei einer Wahl angeschossen worden sei (BFA NS 18.07.2020, S 9), ist zum einen letztlich nicht nachzuweisen, weshalb der Vater tatsächlich angeschossen wurde, und zum anderen hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, dass sein Vater oder irgendjemand anderer von seinen Familienangehörigen seit jenem einen Vorfall im Jahr 2013 inzwischen angegriffen oder bedroht worden wäre. Es gab demnach seit über sieben Jahren keinen Vorfall mehr, obwohl den Gegnern bekannt ist, wo die Familie des Beschwerdeführers lebt (VS 29.06.2020, S 16). Auch dies spricht gegen eine aktuelle Verfolgungsgefahr im Falle des Beschwerdeführers.

Soweit der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorbrachte, dass es für ihn „eigentlich […] um unsere Ehre“ gehe und es für den Beschwerdeführer „eine Schande“ gewesen sei und er es „nicht einfach akzeptieren“ habe können (VS 29.06.2020, S 15), und diese Situation für ihn emotional belastend ist, erweist sich dies als menschlich nachvollziehbar und verständlich, zumal die von ihm in der Verhandlung geäußerte Hoffnung, das Geschäft übernehmen und damit seine Familie ernähren zu können (VS 29.06.2020, S 18), durch den Betrug des Geschäftspartners enttäuscht wurde.

Wie jedoch soeben dargelegt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er vor seiner Ausreise aus Pakistan einer Bedrohung und Verfolgung von erheblicher Intensität ausgesetzt war und er einer solchen Gefahr bei einer Rückkehr nach Pakistan zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

2.4. Zur Lage in Pakistan (oben 1.5)

Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Pakistan vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist diesen ihm vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 06.03.2020 zur Kenntnis gebrachten Länderinformationen nicht entgegengetreten. Die Feststellungen betreffend die Lage zur Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums und der Weltgesundheitsorganisation.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, dass der Asylwerber im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2 Fallbezogen gehört der Beschwerdeführer der Volksgruppe der Punjabi und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Er kommt aus der Region Lahore/Gujranwala in der Provinz Punjab und er verließ Pakistan im Jahr 2012.

3.2.1 Ausgehend von der festgestellten Ländersituation in Pakistan gilt die Sicherheitslage in der Provinz Punjab, der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, als gut. Der Beschwerdeführer gehört keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an die einem erhöhten Gefährdungsrisiko hinsichtlich bewaffneter Übergriffe oder unterdrückter Verhältnisse ausgesetzt ist. Die Eltern und die Schwestern leben nach wie vor dort bzw in jener Region von wo der Beschwerdeführer vor einigen Jahren ausgereist ist und allen Familienmitgliedern geht es gut.

3.2.2 Etwaige aktuelle persönliche Gefährdungsmerkmale ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht: seine Furcht, bei einer Rückkehr individuell bedroht und verfolgt zu sein, wurde im Rahmen der Beweiswürdigung als nicht glaubhaft erachtet. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat, zu seinen Familienangehörigen, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

3.3 Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.4 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)

3.5 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH - zum Vorliegen eines reales Risikos iSd Art 3 MRK ausgesprochen, dass diese Voraussetzung nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") erfüllt ist. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert sich der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs 1 Z 2 Asyl 2005 an Art 15 lit c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der EuGH erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. (VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068)

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.5). Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es ist daher nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört zu keiner Risikogruppe; es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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