TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 L516 2141971-1

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2141971-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2016, 1078439105-150878275/BMI_NOE_RD, nach mündlicher Verhandlung am 30.06.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 55 Abs 2 FPG vier (4) Wochen beträgt.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 17.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 30.06.2020 eine mündliche Verhandlung durch, welcher der Beschwerdeführer ohne seine Vertretung teilnahm. Die belangte Behörde erschien nicht.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Volksgruppe der Punjabi sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. (EB NS S 1, 3; VS 30.06.2020 Beilage Kopie CNIC)

Er stammt aus dem Ort XXXX im District Sialkot in der Provinz Punjab. Er besuchte in Pakistan zehn Jahre die Schule. Seine Eltern und vier Geschwister lebten jedenfalls zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA am 04.05.2016 in Pakistan im Heimatort des Beschwerdeführers. Laut seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat er seit 2018 oder 2017 keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen (EB NS S 1, 3; NS 04.05.2016, AS 67; VS 30.06.2020, S 10)

Der Beschwerdeführer verließ Pakistan im Jahr 2008, 2009 oder im Juni 2010 und reiste zunächst über die Türkei nach Griechenland, wo er im Mai 2012 einen Asylantrag stellte, der von den griechischen Behörden zur Gänze abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer blieb dann noch bis Juni 2015 in Griechenland und reiste dann über weitere Länder nach Österreich. (NS EB 19.07.2015, S 4; NS EV 04.05.2016, AS 71; VS 30.06.2020, S 6; VS 30.06.2020 Beilage 6/3 und 6/4)

1.2 Zu den Lebensverhältnissen in Österreich

Im Juli 2015 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich gestützt auf das vorläufige Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz seit nunmehr rund fünf Jahren ununterbrochen aufhält. Er ist nach wie vor auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er ist arbeitswillig und arbeitsfähig. Er hat keine Einstellungszusage. Er hat in Österreich Freunde gefunden, mit denen der Beschwerdeführer seine Zeit verbringt und denen er auch hilft, wenn sie etwas brauchen. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschprüfung absolviert, kann sich aber flüssig in einfachen Sätzen auf Deutsch verständigen und er verstand auch die ihm in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch gestellten Fragen ohne Probleme. Er ist strafrechtlich unbescholten. (IZR, GVS, VS 30.06.2020, S 6; Strafregister der Republik Österreich)

1.3 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er hat sich vor neun Monaten die Schulter gebrochen, die inzwischen verheilt ist. Da seither seine Schulter hin und wieder beim Heben von Gewichten über 5 Kilogramm auskugelt und er auch beim Schwimmen Probleme hatte, wird derzeit ärztlich abgeklärt, ob seine Schultern gleich hoch sind (VS 30.06.2020, S 4).

1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz - zusammengefasst - vor:

In der Einvernahme vor dem BFA am 04.05.2016 führte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz – zusammengefasst – aus, dass er in der Schule einen Lehrer gehabt habe, welcher Angehöriger der Ahmadi gewesen sei. Jener Lehrer sei im Jahr 2006 oder 2007 von Mitgliedern der Ahl-e- Sunnat getötet worden. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkt in der Schule gewesen und der Lehrer sei vor seinen eigenen Augen erschossen worden. Er sei damals nicht mehr klein gewesen, er glaube er sei 12 oder 13 Jahre gewesen. Es sei sehr schlimm gewesen, es sei viel geschossen worden und die Hälfte der Klasse sei ohnmächtig gewesen. (NS EV 04.05.2016, S AS 67, 69, 71) Der Beschwerdeführer habe sehr viele Freunde aus seiner Klasse, die auch Ahmadi seien und habe viel mit diesen unternommen. Er habe viele Bücher über die Ahmadi gelesen und sei auch zwei oder drei Mal in der Ahmadi-Moschee gewesen und habe dort das Freitagsgebet verrichtet. Hier sei er von einem Imam namens XXXX gesehen worden, der seither hinter ihm her sei (NS EV 04.05.2016, S AS 67, 69). Der Beschwerdeführer selbst sei ja nicht Ahmadi gewesen, er habe nur Freunde, die Ahmadi seien. Der Imam habe aber gedacht, er sei Ahmadi. Er sei mehrmals verprügelt worden und habe die Schule aufgeben müssen. (NS EV 04.05.2016, S AS 67, 69) Er sei deswegen dann nach Karachi gereist und habe später Pakistan verlassen. (NS EV 04.05.2016, S AS 71)

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrbefürchtung – zusammengefasst – aus, dass er aus einer sunnitischen Familie stamme und sein Lehrer in seiner Schule ein Ahmadi gewesen sei. Der Lehrer sei versetzt und anschließend umgebracht worden. Die Familie des Beschwerdeführers habe den Verdacht gehabt, dass der Beschwerdeführer von jenem Lehrer etwas über die Ahmadi gelernt habe und es habe dazu auch eine pakistanische polizeiliche Anzeige (FIR) gegeben, worin der Beschwerdeführer als Zeuge genannt sei. Im Jahr 2008 sei er nach Griechenland gekommen. Er sei nach Österreich gekommen und Ahmadi geworden. Als seine Familie davon erfahren habe, habe sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Der Imam, dessen Madrasse im Nachbardorf seiner Eltern sei, sei zu jene nach Hause gekommen und habe seine Familie bedroht, sie umzubringen. Jener habe auch zwei Mal auf ihr Haus geschossen. Der Vater des Beschwerdeführers habe ihn enterbt. Zu dem FIR gebe er an, dass sein Lehrer umgebracht worden sei und der Beschwerdeführer auch am Vorfallsort anwesend gewesen sei. Der Lehrer habe in der Schule unterrichtet. Der Lehrer sei verheiratet gewesen, habe aber keine Kinder gehabt, und habe deshalb eine zweite Frau heiraten wollen, weshalb der Schwager des Lehrers jenen mit einer weiteren Person mit einer Axt umgebracht habe. Der Beschwerdeführer sei in jenem FIR als Zeuge genannt. Der Beschwerdeführer sei nach dem Tod des Lehrers geflüchtet und nach Griechenland gegangen, da er im FIR als Zeuge genannt worden sei. Er habe in Griechenland als Ahmadi einen Asylantrag gestellt. Hier in Österreich habe er auch einen Freund, der Ahmadi sei. Eigentlich sei er schon in Pakistan ein Ahmadi gewesen, das gleiche habe er in Griechenland angegeben. Tatsächlich sei er in Österreich konvertiert. Er besuche die Ahmadi-Moschee und nehme an Versammlungen teil. Er könne nicht nach Pakistan zurück, da er von seinen Eltern enterbt worden sei und auf Konversion zu den Ahmadi stehe die Todesstrafe. (VS 30.06.2020, 6)

Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung insbesondere folgende Dokumente vor: Dokumente über sein Asylverfahren in Griechenland, seinen am 15.12.2009 in Griechenland ausgestellten und bereits abgelaufenen pakistanischen Personalausweis, Kopien eines FIR und eine eidesstattliche Erklärung (Affidavit), Allgemeine Informationen über die Ahmadi und deren Verfolgung, Lichtbilder über ein Gebäude in Pakistan mit Einschusslöchern (VS 30.06.2020, Beilagen 1-7)

1.5 Zur Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens und Gefährdung bei einer Rückkehr nach Pakistan

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er wegen einer ihm unterstellten Konversion zu den Ahmadi vor seiner Ausreise verfolgt worden sei und er bei seiner Rückkehr aufgrund seiner inzwischen tatsächlich erfolgten Konversion zu den Ahmadi verfolgt werde, ist nicht glaubhaft. Es ist auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Österreich zu den Ahmadi konvertiert ist. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.6 Zur Lage in Pakistan

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

Sicherheitslage allgemein

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Sicherheitslage - Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Polizei

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).

Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).

Grundversorgung und Wirtschaft

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).

Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).

Sozialbeihilfen

Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).

Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).

Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).

Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).

Medizinische Versorgung

In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).

In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019).

Dokumente

Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). NADRA ist für die Ausstellung unterschiedlicher Ausweisdokumente zuständig (NADRA o.D.). Über 96 % der Bürgerinnen und Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise (PI 1.2019). Die National Identity Card (NIC) wird für Staatsbürger über 18 Jahre ausgestellt und ist mit einer einzigartigen 13-stelligen Personennummer versehen (NADRA o.D.). Die 2012 eingeführte Smart National Identity Cart (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen (PI 1.2019). Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019; vgl. NADRA o.D.).

Weitere durch NADRA ausgestellte Dokumente sind die Pakistan Origin Card (POC) für ausländische Staatsbürger, die früher pakistanische Staatsangehörige waren bzw. deren Eltern oder Großeltern pakistanische Staatsbürger sind oder waren; National Identity Card for Overseas Pakistanis (NICOP) für Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit Doppelstaatsbürgerschaft; Child Registration Certificates (CRC) für alle Personen unter 18 Jahren (NADRA o.D.).

Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten (ÖB 10.2018). Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden (AA 21.8.2018; vgl. ÖB 10.2018).

Weit verbreitet sind außerdem gefälschte akademische Diplome, Bankunterlagen, Übereinkünfte, Referenzen und Eigentumsnachweise (IRB 14.1.2015; vgl. ÖB 10.2018). Es ist problemlos möglich, ein (Schein-) Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. „First Information Report“ oder Haftverschonungsbeschluss) formal echt sind. Auch ist es möglich, religiöse Fatwen gegen sich selbst fälschen oder erstellen zu lassen bzw. Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen. Die Ausführungen und Erklärungen zu einer geltend gemachten Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen halten einer Nachforschung vor Ort häufig nicht stand (AA 21.8.2018).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

(Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)

In Pakistan wurden bei rund 200 Millionen Einwohner laut Situation Report 147 der WHO bis zum 15.06.2020 insgesamt 144.478 von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 2.729 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

(Beweisquelle: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports)

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. In der Verhandlung legte er einen pakistanischen Personalausweis (CNIC) im Original. Auch wenn dieser im Jahr 2019 abgelaufen ist, steht dadurch für das Bundesverwaltungsgericht die Identität des Beschwerdeführers fest.

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, seiner Berufstätigkeit, sowie zu seinen Familienangehörigen in Pakistan vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.

Zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Pakistan machte er unterschiedliche Angaben, vor dem BFA nannte er dazu die Jahre 2008 bzw 2009, bei der Verhandlung das Jahr 2008 und in Griechenland gab er bei seiner Befragung zu seiner Ausreise das Jahr 05.06.2010 an (zu letzterem siehe VS 30.06.2020 Beilage 1/3 (Seite 4 jenes Protokolls, oben).

2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)

Seine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation, erwiesen sich in der mündlichen Verhandlung als kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern (IZR, ZMR, GVS, Strafregister).

2.3 Zum Gesundheitszustand

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den kohärenten und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung.

2.4 Zum Vorbringen und mangelnden Gefährdung im Falle der Rückkehr (oben 1.4 – 1.5)

2.4.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben.

2.4.2 Die Feststellungen dazu, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und seiner Rückkehrbefürchtung nicht glaubhaft ist sowie zu einer mangelnden Gefährdung seiner Person im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan (oben 1.5) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

Die Angaben des Beschwerdeführers, die er einerseits vor dem BFA gemacht hat und jene, die er in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, lassen sich in wesentlichen Punkten nicht in Einklang bringen.

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem BFA am 04.05.2016 an, dass jener Lehrer von Mitgliedern der Ahl-e Sunnat getötet worden sei, weil jener Lehrer Ahmadi gewesen sei, und der Lehrer vor den Augen des Beschwerdeführers erschossen worden sei (NS EV 04.05.2016, AS 67, 71). Dazu in Widerspruch stehend gab er in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf den von ihm erstmals in der Verhandlung vorgelegten FIR, in dem er ausschließlich als Zeuge aufscheint, einerseits an, dass der Lehrer von dessen eigenen Schwager umgebracht worden sei und zudem entgegen den ursprünglichen Angaben des Beschwerdeführers nicht wegen der Zugehörigkeit des Lehrers zu den Ahmadi, sondern weil er eine zweite Ehefrau ehelichen habe wollen, da die Ehe mit der ersten Frau, der Schwester jenes Schwagers, kinderlos geblieben sei. (VS 30.06.2020 S 8; VS 30.06.2020 Beilage FIR). Andererseits gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung auch an, dass der Lehrer mit einer Axt erschlagen worden sei (VS 30.06.2020 S 8; VS 30.06.2020 Beilage FIR), was sich nicht mit seinen Angaben vor dem BFA in Einklang bringen lässt, wonach der Lehrer vor den Augen des Lehrers erschossen worden sei und es viel geschossen worden sei (NS EV 04.05.2016, AS 67, 71). Damit ist ein wesentliches Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubhaft, da anzunehmen wäre, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich ein annähernd gleichbleibendes Vorbringen im Laufe seines Verfahrens erstattet hätte, wenn dies den Tatsachen entsprochen hätte.

Der Beschwerdeführer hat den FIR erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegt, ohne darzulegen, weshalb ihm die Vorlage nicht schon Jahre früher möglich war, obwohl er bereits vom BFA aufgefordert worden war, seine Beweismittel vorzulegen. Aus diesem Grund, aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen über die Erlangbarkeit von falschen und gefälschten Dokumenten ist daher bei einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass auch der FIR selbst nicht echt und nicht authentisch ist.

Der Beschwerdeführer war auch nicht in der Lage, annähernd schlüssige und gleichbleibende Angaben zum Vorfallszeitpunkt zu machen. So gab er vor dem BFA an, der Lehrer sei in seiner Schulzeit während der Stunden in der Klasse erschossen worden und er sei damals 12 oder 13 Jahre gewesen, was sich nicht mit seinen Angaben vereinbaren lässt, wonach er 1987 geboren sei und insgesamt zehn Jahre die Schule besucht habe (NS EV 04.06.2016 AS 67, 71, 69) Von einer erfolgten Versetzung des Lehrers hat der Beschwerdeführer vor dem BFA nicht gesprochen. Während er vor dem BFA somit noch Schüler jenes Lehrers gewesen sein will, gab er in der Verhandlung erstmals an, dass jener Lehrer in eine andere Schule versetzt worden sei und der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt kein Schüler mehr von jenem Lehrer gewesen sei, nur hingegangen sei, um ihn zu treffen (VS 30.06.2020, S 10).

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem BFA am 04.05.2016 an, dass er selbst „ja nicht Ahmadi“ sei, ihm dies nur unterstellt werde (NS EV 04.06.2016 AS 69). In einer schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers an das BFA wurde dann ausgeführt, dass der Beschwerdeführer „aufgrund [s]einer Zugehörigkeit zu der religiösen Gemeinschaft der Ahamdis“ in Pakistan einer Verfolgung ausgesetzt sei (Stellungnahme vom 25.10.2016, AS 103). In der Beschwerde vom 07.12.2016 erfolgte wiederum keine Festlegung, ob der Beschwerdeführer nun konvertiert sei oder nicht, sondern wurde eine Bedrohung vorgebracht „weil er angeblich auch Ahmadi“ sei, sowie ausgeführt, es sei „nicht von primärer Bedeutung, ob der BF sich selbst als Angehöriger der Ahmadi sieht oder „nur“ mit ihnen sympathisiert“ (Beschwerde 07.12.2016, S 3, 16), was nicht zu erwarten gewesen wäre, wäre er zu jenem Zeitpunkt tatsächlich bereits konvertiert.

In der mündlichen Verhandlung brachte er vor, dass er 2016 in Österreich Ahmadi geworden sei. Er sei „eigentlich“ bereits in Pakistan Ahmadi gewesen und habe das gleiche in Griechenland angegeben. Er habe in Griechenland auch im Jahr 2012 Asyl erhalten (VS 30.06.2020, S 7, 8-9). Das Vorbringen, dass er im Asylverfahren in Griechenland seinen dortigen Antrag mit der Zugehörigkeit oder Sympathie zu den Ahmadi begründet hat ist jedoch unrichtig; ebenso unrichtig ist, dass er 2012 in Griechenland Asyl erhalten habe. Dies ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer selbst in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu seinem griechischen Asylverfahren. Laut dem Einvernahmeprotokoll der griechischen Behörden vom 23.05.2015 hat der Beschwerdeführer zu der Frage, weshalb er Pakistan verlassen habe, dort angegeben, dass er sein Land verlassen habe und nach Griechenland gekommen sei um zu arbeiten und dass sein Leben ist nicht in Gefahr, wenn er zurückkehren müsse.“ Die griechischen Behörden haben den Antrag mit Entscheidung vom 30.06.2012 zur Gänze abgewiesen, kein Asyl, keinen subsidiären Schutz und auch keinen humanitären Status gewährt und darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer laut seinen Angaben sein Land nur aus finanziellen Gründen verlassen habe (VS 30.06.2020 Beilage 6/3 und 6/4 (Protokoll und Entscheidung der griechischen Behörde). Das gegenteilige Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung entspricht somit nicht den Tatsachen.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, in Österreich im Jahr 2016 – nach Erlassung des gegenständlichen angefochtenen Bescheides – tatsächlich zu den Ahmadi konvertiert zu sein. Der seit Beschwerdeerhebung rechtsfreundlich vertreten Beschwerdeführer hat diese Konversion jedoch bis zu Beginn der mündlichen Verhandlung und somit über einen Zeitraum von über vier Jahren nicht im Beschwerdeverfahren vorgebracht. Einen Grund dafür nannte er nicht. In der mündlichen Verhandlung gab er dann zunächst an, dass er bereits „richtig“ konvertiert sei, brachte dann aber bei näherer Befragung an, dass er doch noch nicht offiziell konvertiert sei, sondern dies erst nach Abschluss des Asylverfahrens erfolgen werde (VS 30.06.2020, S 10, 11). Dazu befragt, wie er seinen Glauben in Österreich lebe, gab er an, dass er normal lebe, ohne Stress, und zählte dann auf, was Ahmadi formal in Pakistan alles verboten ist, beispielsweise Gebetsaufrufe oder Missionierungen, ohne jedoch darzulegen, was er von davon praktiziere und was ihm aus welchem Grund wichtig ist. Er gab auch an, dass er mehrmals zu Versammlungen in Österreich gegangen sei, ohne dafür konkrete Beispiele zu nennen. Er gab auch an, manchmal zu spenden, aber keine Spendenbelege zu erhalten (VS 30.06.2020, S 10, 11). Der Beschwerdeführer legte auch sonst keine Bescheinigungsmittel für seine Glaubensbetätigung in Österreich vor, beispielsweise Lichtbilder und Zeitungsberichte über Versammlungsteilnahmen und Teilnahme an öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie etwa dem jährlichen Straßenreinigungsritual der Ahmadi, an denen er teilgenommen hätte und wie sie in Beschwerdeverfahren auch von Konvertiten bereits mehrfach vorgelegt werden konnten (zB BVwG 17.04.2019, L516 1422590-3/12E oder 18.06.2019, 1423010-3/21E). Aufgrund dieser widersprüchlichen und unkonkreten Ausführungen des Beschwerdeführers ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Österreich ernsthaft und aus innerer Überzeugung zu den Ahmadi konvertiert ist. Vor diesem Hintergrund ist daher die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegte eidesstattliche Erklärung des Vaters (Affidavit) zur Bestätigung des Vorbringens des Beschwerdeführers als Gefälligkeitsbescheinigung zu werten.

Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotos eines Hauses mit Einschusslöchern belegen ebenso wenig eine individuell konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers, zumal der Beschwerdeführer zu diesen auch keine näheren Angaben machte und ein Zusammenhang zu seinem Vorbringen nicht verifizierbar war.

Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen ist es somit nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise wegen einer ihm unterstellten Konversion zu den Ahmadi verfolgt wurde und es ist auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in Österreich ernsthaft und aus innerer Überzeugung zu den Ahmadi konvertiert ist.

2.4.3 Zur allgemeinen Lage in Pakistan ist auszuführen, dass fallbezogen der Beschwerdeführer aus keiner der regionalen Problemzonen, sondern aus dem östlichen Punjab stammt. Auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen (oben 1.6) kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso kann auf Grundlage dieser Feststellungen die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse als zumutbar angenommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt ist und eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, in der sich die Beschaffung der Mittel zum Lebensunterhalt auch als schwieriger darstellen könnte als in Österreich, zumal auch die Arbeitsplatzchancen als nicht befriedigend bezeichnet werden können. Es geht jedoch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervor, dass die Lage für alle Personen ohne Hinzutreten von besonderen Umständen dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre. Es ist somit auch aus diesem Umstand keine unmittelbare persönliche Existenzbedrohung des Beschwerdeführers in Pakistan ersichtlich, zumal er auch noch relativ jung und arbeitsfähig ist.

Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre.

2.5 Zur Lage in Pakistan (oben 1.6)

Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist den mit Parteiengehör vom 06.03.2020 (OZ 4) in das Verfahren eingeführten Quellen nicht substantiiert entgegengetreten. Die Feststellungen betreffend die Lage zur Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums und der Weltgesundheitsorganisation.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.3 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)

3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)

3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.6). Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer gehört zu keiner Risikogruppe (siehe oben 1.6); es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, insbesondere in dessen Herkunftsregion, möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.

3.7 Da Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes – derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

3.8 Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Pakistan abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

3.9 Zusammenfassend finden sich somit keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Gefährdungssituation im Sinne des § 8 AsylG 2005 ausgesetzt wäre. Es kann daher dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werden.

3.10 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Zu einem Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 57 AsylG)

3.11 Fallbezogen liegen nach dem festgestellten Sachverhalt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 AsylG für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit einem Jahr geduldet noch ist eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen zu erteilen; schließlich hat der Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft gemacht, Opfer von Gewalt geworden zu sein sowie, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.12 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wegen Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem § 57 AsylG wird daher insoweit abgewiesen.

Zur Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan (§ 52 FPG; § 9 BFA-VG)

3.13 Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung dieser Maßnahme gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG 2014 (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.14 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hält sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in Österreich im Juli 2015 gestützt auf das vorläufige Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz ununterbrochen auf. Es handelt sich um sein erstes Asylverfahren. Er ist nach wie vor auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er ist nicht erwerbstätig, verfügt auch über keine eine Einstellungszusage. Er hat in Österreich Freunde gefunden, mit denen der Beschwerdeführer seine Zeit verbringt und denen er auch hilft, wenn sie etwas brauchen. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschprüfung absolviert, kann sich aber flüssig in einfachen Sätzen auf Deutsch verständigen und er verstand auch die ihm in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch gestellten Fragen ohne Probleme. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Im gegenständlich zu beurteilenden Fall kann die vom Beschwerdeführer erreichte und zuvor dargestellte Integration während seines bisherigen Aufenthalts letztlich in einer Gesamtbetrachtung nicht als außergewöhnlich bewertet werden. Zwar befindet sich der Beschwerdeführer bereits fünf Jahre in Österreich, sodass der hier gegebenen Aufenthaltsdauer durchaus ein verstärktes Gewicht beigemessen wird. Allerdings hat der Beschwerdeführer demgegenüber in dieser Zeit, nur verhältnismäßig geringe integrationsbergründenden Schritte gesetzt. Es bestehen auch keine hinreichend starke Nahebeziehung zu in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Personen und keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich. Er verfügt über keinen aufrechten Aufenthaltstitel; sein bisheriger Aufenthalt stützte sich ausschließlich auf das Asylrecht. Er hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Pakistan verbracht und wurde dort auch sozialisiert. Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass selbst bei einem etwa acht Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ein Fremder dadurch nicht gehindert ist, sich wieder eine existenzielle Grundlage im Herkunftsland aufzubauen (VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162).

3.15 Demgegenüber stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen, sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber. Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK und unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes erweisen sich die individuellen Interessen des Beschwerdeführers iSd Art 8 Abs 1 EMRK nicht als so ausgeprägt, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gegenständlichen Verfahrens und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

3.16 Es kann daher im gegenständlich zu beurteilenden Fall des Beschwerdeführers die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer für unzulässig erklärt und keine Aufenthaltsberechtigung erteilt werden.

3.17 Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs 9 iVm § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig wäre.

3.18 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides, mit der die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan bekämpft wurde, wird daher insoweit ebenso abgewiesen.

Spruchpunkt II

Zur Ausreisefrist (§ 55 FPG)

3.19 Mit einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 55 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, die in der Regel 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides beträgt. Besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, hat er selbst nicht behauptet.

3.20 Am 17.04.2020 wurde jedoch im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung der Europäische Kommission mit von ihr unter Mitwirkung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) als Orientierungshilfe für die Mitgliedstaaten ausgearbeiteten Hinweisen zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung veröffentlicht (Mitteilung der Europäischen Kommission, COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung (2020/C 126/02); Amtsblatt der EU, C 123/12).

Die Kommission weist darin unter anderem darauf hin, das aufgrund der erheblichen Beschränkungen bei gewerblichen Flügen und der restriktiven Maßnahmen, die von Drittländern in Bezug auf die Einreise aus Europa eingeführt wurden, Drittstaatsangehörige, gegen die eine zur Rückkehr verpflichtende Entscheidung mit einer Frist für die freiwillige Ausreise ergangen ist, einer solchen Entscheidung möglicherweise trotz bester Anstrengungen und Absichten nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen können. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, von der in Artikel 7 Absatz 2 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Frist für die freiwillige Ausreise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, der Dauer und der Art der restriktiven Maßnahmen sowie der Verfügbarkeit von Beförderungsmitteln in dem Bestimmungsdrittstaat um einen angemessenen Zeitraum verlängern.

3.21 In Österreich wurden die Ausgangsbeschränkung, die von der österreichischen Bundesregierung im Umgang mit dem Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2) angeordnet worden waren, inzwischen wieder aufgehoben. Es zeigt sich jedoch, dass nach wie vor nicht sofort mit Wegfall dieser Beschränkung sämtliche Hindernisse beseitigt wurden, die einer freiwilligen Ausreise entgegenstehen, und insbesondere die zuständigen Behörden, Beratungseinrichtungen, Vertretungsbehörden, und gewerblichen Flugbetreiber etc erst allmählich wieder ihren Betrieb und Personenverkehr ausweiten; dies weiterhin unter organisatorischen und logistischen Vorsichtsmaßnahmen, sodass Verzögerung bei der Bearbeitung die Folge sein werden.

Bei Berücksichtigung dieser Umstände wird ein Zeitraum von vier Wochen es dem Beschwerdeführer jedenfalls ermöglichen, sich an das BFA und die für eine Rückkehrhilfe eingerichteten Beratungsstellen zu wenden und eine Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und seine ernsthafte Bereitschaft, freiwillig zurückkehren zu wollen, zum Ausdruck zu bringen. Sollte sich im Zuge dessen herausstellen, dass für die freiwillige Ausreise ein längerer Zeitraum als die hier festgesetzten vier Wochen erforderlich ist, besteht für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, gemäß § 55 Abs 3 FPG an das BFA einen Antrag auf Verlängerung der Ausreisefrist zu stellen (vgl VwGH16.05.2013, 2012/21/0072).

3.22 Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides wird daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG insoweit stattgegeben, als gemäß § 55 Abs 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 4 (vier) Wochen beträgt.

Zu B)

Revision

3.23 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.24 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Fristverlängerung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Pandemie Resozialisierung Rückkehrentscheidung Scheinkonversion Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L516.2141971.1.00

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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