TE Bvwg Beschluss 2020/7/28 L508 2139039-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L508 2139039-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2017, XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 27.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung am nächsten Tag gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er aus Angst vor den Taliban Pakistan verlassen habe. In Parachinar würden derzeit die Taliban herrschen und täglich Bombenanschläge verüben. Parachinar liege an der Grenze zu Afghanistan und deshalb würden täglich die Taliban nach Pakistan kommen. Dies sei sein Fluchtgrund.

3. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 24.08.2016 legte der BF dar, dass es an seinem Wohnort Krieg und Selbstmordattentate gebe. Es gäbe dort die Taliban. Diese würden andere töten. Er habe als Tischler gearbeitet und einen eigenen Betrieb gehabt. Er sei jedoch von den Taliban bedroht worden und habe deshalb seinen Laden verkaufen müssen. Danach sei er als Gelegenheitsarbeiter tätig gewesen. Sein Dorf XXXX sei in der Grenznähe zu Afghanistan. Sein Vater sei dort Dorfältester gewesen. Für Schiiten sei es unmöglich nach Peschawar oder nach Islamabad zu reisen. Auf den Weg dorthin werde man befragt und durchsucht. Werde dann festgestellt, dass er Schiite sei, werde er festgenommen und getötet. Die Schiiten würden sich selbst bei Trauerzeremonien schlagen, weswegen sie Narben auf den Rücken haben würden, so auch der BF. Er mache sich Sorgen um seine Kinder und seine Frau und hoffe, dass ihnen nichts passiert. Vor ein paar Tagen sei das Trinkwasser einer Schule vergiftet worden und viele Kinder seien betroffen gewesen. In der Nacht würden in seinem Dorf an verschiedenen Plätzen Mienen vergraben. Wenn man tags darauf spazieren gehe, würden diese explodieren. Dabei würden Menschen sowie Tiere getötet. Sie haben wissen wollen, wer diese Mienen vergraben habe und deshalb im Dorf eine Art Nachtwache ausgemacht. Eines nachts sei eine Gruppe von Leuten gekommen, welche diese Mienen vergraben haben wollen. Der BF und die anderen hätten daraufhin auf diese Gruppe geschossen, woraufhin diese zurückgeschossen hätten. Dabei seien ein paar Leute dieser Gruppe ums Leben gekommen. Beim Betrachten der Toten am nächsten Tag, hätten sie herausgefunden, dass unter den Toten auch Taliban und Leute von der Regierung gewesen seien. Das Leben des BF sei deshalb in Gefahr gewesen. Sein Vater habe ihm gesagt, er müsse fliehen, weil er sonst eines Tages von den Taliban getötet werden würde. Ihre Gegner seien jedoch nicht nur die Taliban, sondern auch die Regierung. Ein Leben dort sei deshalb unmöglich. Ein Freund von ihm habe ihm dann geholfen über die Grenze nach Afghanistan zu fliehen.

4. Mit dem als „Bescheid“ betitelten Schriftstück des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2016 wollte die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abweisen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

5. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2017 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde der Beschluss damit, dass die bescheidverfassende Referentin noch über keine Approbationsbefugnis verfügt habe. Da der von einer nicht approbationsbefugten Bediensteten unterschriebene Bescheid der Behörde, der die Bedienstete diene, nicht zugerechnet werde, sei er absolut nichtig. Die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde habe sich somit gegen einen Nichtbescheid gerichtet, weswegen diese als unzulässig zurückzuweisen sei.

6. Mit Schreiben vom 05.03.2017 übermittelte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu Pakistan.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Asylrelevanz des Vorbringens.

8. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524) verwiesen.

9. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

?        Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

?        Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

?        Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhaltes dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1.1. Der Beschwerdeführer brachte als seinen fluchtauslösenden Grund vor, seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, da er von den Taliban bedroht worden sei.

Vom Beschwerdeführer wurden zu Beweiszwecken bzw. zur Untermauerung seines Vorbringens mehrere Dokumente, teils in Englisch, teils in Urdu, in Vorlage gebracht. So werden im Bescheid bei der Aufzählung der von der belangten Behörde herangezogenen Beweismittel neben einer Deutschkursbestätigung auch jeweils in Kopie ein Brief von Anjuman-e-Hussania, eine Heiratsurkunde, mehrere Zeitungsartikel, ein Personalausweis seiner Mutter und abermals eine Heiratsurkunde angeführt (BS 15). Die vom Beschwerdeführer vorgelegten fremdsprachigen Dokumente haben jedoch im bisherigen Verfahren keinerlei Berücksichtigung gefunden.

Zunächst ist festzuhalten, dass es letztlich unklar bleibt, ob es sich bei jenem Dokument auf AS 113 um die Heiratsurkunde des BF handelt welche dieser nachreichen wollte, zumal dieses pakistanische Dokument keiner Übersetzung zugeführt wurde.

Ohne eine Übersetzung der Dokumente oder Schreiben in die deutsche Sprache zu veranlassen und sich im Ermittlungsverfahren mit diesen in Vorlage gebrachten Beweismitteln auseinanderzusetzen bzw. im Rahmen einer Einvernahme dem Beschwerdeführer eine Möglichkeit einzuräumen, sich zu den in Vorlage gebrachten Beweismitteln umfassend zu äußern, traf die belangte Behörde sogleich eine Sachentscheidung.

Obwohl die belangte Behörde die Übersetzung der vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Beweismittel in die deutsche Sprache nicht veranlasst hat, kam sie im Verfahren offenbar zum Ergebnis, dass die in Vorlage gebrachten Urkunden nicht zum Beweis einer tatsächlichen Bedrohung des Beschwerdeführers gereichen.

Da es die belangte Behörde unterlassen hat, die in fremder Sprache in Vorlage gebrachten und für die Beurteilung der Rechtssache relevanten Bescheinigungsmittel in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen, war ihr jedoch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen unmöglich, sodass der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch insoweit die Grundlage entzogen ist.

Indem die belangte Behörde nähere Nachforschungen zum Inhalt der vorgelegten Bescheinigungsmittel und überhaupt deren Übersetzung in die deutsche Sprache unterlassen hat, wurden im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass bspw. viele ähnliche solcher „Bedrohungsbestätigungen“ wie sie der BF vorgebracht hat, auch mit ähnlichem Wortlaut von zahlreichen anderen Asylwerbern aus Parachinar, Pakistan vorgelegt werden, aber dennoch erweist sich das Ermittlungsverfahren der Behörde als grob mangelhaft, wenn sie sich mit den vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar ausreichend auseinandersetzt. Tatsächlich wurde das vorgelegte Dokumentationsmaterial lediglich formal als Beweismittel angeführt, in der Folge jedoch ignoriert bzw. die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und behördlichen Schreiben unberücksichtigt gelassen. Die vorgelegten Dokumente sind nun zweifelsfrei zu kennzeichnen, sodass nachvollziehbar ist, um welche Dokumente es sich konkret handelt. Soweit die Dokumente, was im gegenständlichen Fall anzunehmen ist, für die Beurteilung des vorliegenden Antrages auf internationalen Schutz entscheidungsrelevant sind, sind sie auch zu übersetzen. In der entsprechenden Erörterung der Unterlagen ist jedenfalls anzuführen, worum es sich bei den fremdsprachigen Schriftstücken handelt und warum den damit verbundenen Inhalten Beweiskraft hinsichtlich des Vorbringens des Erstbeschwerdeführers zukommt oder nicht. Eine Übersetzung eines jeden einzelnen Zeitungsartikels wird jedoch nicht notwendig sein, wenn sich nach näherer Befragung des BF ergibt, dass darin nichts für das Asylverfahren relevante steht.

Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln sowohl in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität als auch in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer realen Gefahr, inwiefern eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Pakistan für den Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Pakistan für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten oder der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Bereits diese grobe Mangelhaftigkeit im Ermittlungsverfahren reicht aus, den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.2.1.2. Ergänzend ist noch festzuhalten, dass sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt darüber hinaus aus folgenden zusätzlichen Gründen als mangelhaft erweist:

Der Beschwerdeführer brachte als seinen fluchtauslösenden Grund vor, seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben, da er von den Taliban bedroht worden sei. Bedroht sei er deshalb geworden, weil er nicht damit einverstanden gewesen sei, dass die Taliban den Weg, welcher durch sein Dorf nach Afghanistan führe, benützen. Dies sei so weit gegangen, dass er sogar seinen Tischlerbetrieb verkaufen habe müssen. Darüber hinaus habe sich eines nachts ein Vorfall ereignet, bei dem er, gemeinsam mit anderen Personen aus der Nachbarschaft, auf eine Gruppe von Personen, welche versuchten in seinem Dorf Mienen zu legen, geschossen habe und manche getötet worden seien. Es habe sich danach herausgestellt, dass darunter auch Taliban und Leute von der Regierung gewesen seien. Aus Angst vor der Taliban sowie der Regierung habe er Pakistan verlassen müssen, da er ansonsten getötet werden würde.

Die belangte Behörde erachtete nun im Rahmen der getroffenen Feststellungen die vom BF dargelegten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates als nicht glaubhaft. Dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung zukünftig im Falle einer Rückkehr nach Pakistan zu befürchten hätte, habe demnach nicht festgestellt werden können.

Dem BFA ist zwar zuzugestehen, dass es durchaus berechtigte Zweifel geben mag, dass sich diese persönlichen Erlebnisse, wie vom BF geschildert, tatsächlich so ereignet haben, jedoch kann dem bekämpften Bescheid dennoch nicht in ausreichend schlüssiger Weise entnommen werden, weshalb sich das Vorbringen als unglaubwürdig darstellt und warum dem Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt wird. Dies vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass einerseits das Vorbringen zum Ausreisgrund des BF durch die vom BFA herangezogenen Länderdokumentationsunterlagen teilweise eine Bestätigung fand und andererseits dem Vorbringen des Beschwerdeführers grundsätzlich Asylrelevanz (vgl. die seitens des BFA getroffenen Länderfeststellungen) beizumessen wäre.

Die belangte Behörde bezieht sich im Rahmen der Beweiswürdigung vor allem darauf, dass zwischen der Bedrohung durch die Taliban und der Ausreise des BF zwei Jahre liegen würden. Diese beweiswürdigenden Argumente der belangten Behörde erweisen sich jedoch in Zusammenhang mit dem Vorfall, bei welchem der BF auf unbekannte Leute geschossen habe und einige davon gestorben seien, als nicht haltbar (BS 100). So wird in nachvollziehbarer Weise moniert, dass der BF „bereits vor zwei Jahren von den Taliban aufgrund dieser angeblichen Schießerei und aufgrund des Besitzes einer Tischlerei bedroht worden“ sei. Tatsächlich brachte der BF in der Einvernahme vor der belangten Behörde jedoch zum Ausdruck, dass eine Bedrohung durch die Taliban nur aufgrund des Streites mit dem Weg durch ihr Dorf stattgefunden habe. Diese Drohungen hätten ca. zwei Jahre vor seiner Ausreise stattgefunden. Dass es auch nach der Schießerei zu einer Bedrohung gekommen wäre, hat der BF nicht dargetan, vielmehr gab er an nach dem Vorfall mithilfe eines Freundes Pakistan verlassen zu haben. Ob sich nun diese Schießerei im selben Jahr wie die Bedrohungen durch die Taliban zugetragen habe, hätte jedenfalls weitere Ermittlungen seitens der belangten Behörde erfordert, zumal sich weder im bekämpften Bescheid noch im Verwaltungsakt ausreichende Belege dafür finden. Im Zuge der Stellungnahme zu den Länderfeststellungen machte der Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass die Schießerei erst später stattgefunden habe, nämlich kurz vor seiner Ausreise. Auch warum es überhaupt zu der Bedrohung durch die Taliban gekommen sei versuchte der BF zu erklären, und wies nochmals auf die Haltung von ihm und seinem Vater hin, wonach diese dagegen gewesen seien, dass die Taliban den Weg durch ihr Dorf benützen, sowie auf dessen politische Position (AS 399). Das BFA lies das in Vorlage gebrachte Schreiben völlig unberücksichtigt und führte in der Beweiswürdigung lediglich aus, dass es nicht ersichtlich sei, warum der BF bedroht worden sei. Darüber hinaus ging die belangte Behörde weiterhin davon aus, dass sich der angebliche Vorfall mit dem Schusswechsel zwei Jahre vor der Ausreise aus Pakistan zugetragen habe. Bezugnehmend auf die Stellungnahme des BF führte die belangte Behörde lediglich aus, dass sich diese nur zu einem kleinen Teil auf die Länderfeststellungen bezogen habe und zum großen Teil jedoch auf seine Integrationsbemühungen und seine – bereits durch die Einvernahme bekannten – Gründen zur Ausreise bezogen hätte (AS 509). In einer Gesamtschau wird die belangte Behörde jedenfalls weitere Ermittlungen (etwa im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme) zur behaupteten Haltung des BF und dessen Vater bzw. gesetzten Maßnahmen gegen die Benutzung der Straße durch die Taliban zu führen haben sowie zu der Frage, wann sich der angebliche Schusswechsel zugetragen habe.

Die schlichte Unglaubwürdigkeitsbegründung vermag jedenfalls eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung nicht zu ersetzen. Woraus sich der Schluss ergibt, dass das Fluchtvorbringen nicht der Wahrheit entspricht, ist dem Bescheid letztlich nicht schlüssig zu entnehmen, sodass das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen kann, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde; dies vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers grundsätzlich Asylrelevanz beizumessen wäre.

Die belangte Behörde führte darüber hinaus in der Beweiswürdigung aus, der BF habe einerseits angegeben, dass seine gesamte Familie in Gefahr sei, andererseits aber auch, dass sich seine gesamte Familie in Pakistan befinde und diese ohne nennenswerte Probleme dort leben könnten (BS 100). Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen, gab doch der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 24.08.2016 an, dass sich die Bedrohungen lediglich gegen ihn, seinen Vater und seinen Bruder gerichtet hätten. Darüber hinaus sei sein Vater festgenommen worden und befinde sich jetzt im Gefängnis, was einem Leben ohne nennenswerte Probleme widerspricht.

In einer Gesamtschau hat sich die belangte Behörde somit im Wesentlichen in ihrer individuellen Beweiswürdigung in Bezug auf das Verhalten des Beschwerdeführers auf nicht nachvollziehbare spekulative Annahmen gestützt, welche sich zum Teil auch als aktenwidrig erweisen. Es handelt sich bei der Beweiswürdigung des Bundesamtes zum überwiegenden Teil um bloße Spekulationen und Mutmaßungen sowie auch um Aktenwidrigkeiten, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen.

Es ergibt sich des Weiteren schon aus den Feststellungen der belangten Behörde in Verbindung mit dem notorischen Erkenntnisstand des Bundesverwaltungsgerichtes, dass Menschen (und deren Familien) in Pakistan, besonders in den ehemaligen FATA-Gebieten, sehr wohl Repressionen von den Taliban ausgesetzt sein können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers erscheint daher auch nicht von vornherein als unmöglich.

Das BFA übersah auch, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, „wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen“.

§ 60 AVG wird durch die Feststellung allein, das Vorbringen einer Partei sei unglaubwürdig, nicht Rechnung getragen, sondern nur dann, wenn die Behörde mit tragfähigen Argumenten aufzeigt, warum sie diese Auffassung vertritt (VwGH 30.09.2004, Zl. 2002/20/0599). Schließlich genügt es nicht, dass die Behörde ihre Beweiswürdigung auf isolierte Überlegungen stützt, die zumindest zum Teil nicht ungeeignet erscheinen, zur Lösung beizutragen, die aber für sich allein und ohne Bedachtnahme auf den Gesamtkontext des Vorbringens, ohne Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Partei und ohne Auseinandersetzung mit der aktuellen Berichtslage betreffend Vorfälle der behaupteten Art nicht ausreichen, um die Entscheidung nachvollziehbar zu begründen (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Insgesamt wird daher im gegenständlichen Fall den Anforderungen an eine Bescheidbegründung im Sinne der § 58 und § 60 AVG nicht entsprochen.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde folglich nicht ausreichend ermittelt und ist dem BVwG, ohne derartige Ermittlungsergebnisse, eine sachgerechte Beurteilung des Antrages des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der damit verbundenen Beschwerde nicht möglich. Auch in diesem Sinne erweist sich das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde daher als mangelhaft.

2.2.2. Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es sich im vorliegenden Fall mit den in Vorlage gebrachten Beweismitteln nicht auseinandergesetzt hat und diese weder eine Übersetzung noch einer näheren Erörterung mit dem BF (allenfalls einer Überprüfung) unterzogen hat, ferner keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat und sich auch die getroffene Beweiswürdigung als nicht haltbar erweist. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend auseinanderzusetzen haben und werden sämtliche vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Beweismittel entsprechend zu würdigen sein. Das BFA wird jedenfalls eingehende Ermittlungen zum Fluchtvorbringen des BF sowie den in Vorlage gebrachten Unterlagen – gegebenenfalls auch durch Erhebungen vor Ort - zu tätigen haben. Des Weiteren wird nach ergänzender Einvernahme des Beschwerdeführers und nach Heranziehung entsprechender aktueller und individueller Herkunftslandquellen, die Glaubwürdigkeit des BF bzw. die Glaubhaftigkeit des fluchtrelevanten Vorbringens des Beschwerdeführers zu beurteilen und anschließend auf dieser Basis einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen sein. Dass Vorbringen ähnlich dem geschilderten im Einzelfall durchaus Asylrelevanz zukommen kann, ist evident.

Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.

Zur Frage der Glaubwürdigkeit und auch zur Erörterung der Ländersituation wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren eine ergänzende Einvernahme des Antragstellers sowie ein ergänzendes Ermittlungsverfahren hinsichtlich der individuellen Situation des Beschwerdeführers aufgrund der behaupteten Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban durchzuführen haben.

Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.

2.2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.3. Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Aktenwidrigkeit Begründungsmangel Beweiswürdigung Einvernahme Ermittlungspflicht Fluchtgründe Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Übersetzung Urkundenüberprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2139039.2.00

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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