TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 L524 2143904-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L524 2143904-1/49E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika Sanglhuber LL.B. über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RAe Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.12.2016, Zl. 1095710008-151818977/BMI-BFA_TIROL_RD:

A) beschlossen:

Das Verfahren betreffend die Spruchpunkte I. und II. wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. wird stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 05.10.2016 wurde die Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.

Mit Bescheid des BFA vom 15.12.2016, Zl. 1095710008-151818977/BMI-BFA_TIROL_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019, L524 2143904-1/20E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.02.2020, Ro 2019/01/0007, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2020 zog die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides des BFA zurück.

Die Beschwerdeführerin heiratete am XXXX den schwedischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX . Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hat sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen und verfügt seit 25.09.2018 über eine Anmeldebescheinigung gemäß NAG. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte haben eine gemeinsame Tochter, XXXX , geb. XXXX , die schwedische Staatsangehörige ist. Die Tochter der Beschwerdeführerin verfügt über eine Anmeldebescheinigung gemäß NAG wegen ihrer Angehörigeneigenschaft (zum Vater) in gerader absteigender Linie. Die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und die Tochter leben in einem gemeinsamen Haushalt.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Einreise in Österreich, zur Antragstellung auf internationalen Schutz, zum angefochtenen Bescheid, zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.02.2019 und zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.02.2020 ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Bescheid des BFA und den genannten Erkenntnissen.

Die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 11.08.2020.

Die Heirat mit einem schwedischen Staatsangehörigen ergibt sich aus der Heiratsurkunde. Die Feststellungen zum Ehegatten und zur Tochter der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der vorgelegten Reisepasskopie des Ehegatten, den Anmeldebescheinigungen und einem ZMR-Auszug.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Einstellung des Verfahrens betreffend die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides (Antrag auf internationalen Schutz):

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Die Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG und Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 7 VwGVG, K 6). Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen ist, so dass die Einstellung des betreffenden Verfahrens – in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang – auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Rz 20 zu § 7 VwGVG).

Die Zurückziehung der Beschwerde ist unwiderruflich, da es sich dabei um eine einseitige, verbindliche Prozesserklärung handelt. Die Zurückziehung der Beschwerde hat ausdrücklich und unmissverständlich zu erfolgen, so dass keine Zweifel über diese Prozesserklärung verbleiben. Bestehen Zweifel über den Inhalt der Erklärung, ist nachzufragen, was die Erklärung zum Ausdruck bringen soll. Besondere Formvorschriften sind für die Zurückziehung der Beschwerde nicht normiert, so dass dafür auch eine mündliche Erklärung der Partei (etwa in einer Verhandlung) ausreicht, eine schriftliche Dokumentation dieser Prozesserklärung ist jedoch geboten (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 7 VwGVG, K 7 bis K9).

Die Zurücknahme einer Berufung (nunmehr: Beschwerde) wird mit dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist – mangels einer aufrechten Berufung – die Pflicht der Berufungsbehörde zur Entscheidung weggefallen und das Berufungsverfahren ist einzustellen (vgl. VwGH 25.07.2013, 2013/07/010 unter Hinweis auf VwGH 23.10.1987, 87/17/0193). Ob die Partei zu dem Zeitpunkt, da sie die Zurückziehung der Berufung (nunmehr: Beschwerde) erklärte, anwaltlich vertreten war oder nicht, spielt für die Wirksamkeit der Prozesserklärung im Hinblick auf § 10 Abs. 6 AVG keine Rolle (vgl. VwGH 18.11.2008, 2006/11/0150).

Die Beschwerdeführerin erklärte in ihrem Schriftsatz vom 11.08.2020, dass sie die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des BFA zurückziehe. Das Verfahren war daher einzustellen.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung und Frist für die freiwillige Ausreise):

Die Beschwerdeführerin ist seit XXXX mit einem schwedischen Staatsangehörigen verheiratet, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat und über eine Anmeldebescheinigung verfügt. Die Beschwerdeführerin ist damit gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 und Z 15 FPG begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 54 Abs. 5 AsylG gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstückes – und damit auch die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 AsylG – nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Eine inhaltliche Prüfung hat daher zu unterbleiben (vgl. VwGH 16.07.2020, Ra 2019/21/0304). Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann auch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. VwGH 16.07.2020, Ra 2019/21/0304; 15.03.2018, Ra 2018/21/0014; 31.08.2017, Ra 2017/21/0133). Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. war daher stattzugeben und diese ersatzlos zu beheben.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

begünstigte Drittstaatsangehörige Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Rechtsanschauung des VwGH Teileinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2143904.1.00

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten