TE Bvwg Beschluss 2020/11/2 W238 2230669-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

AlVG §33
AlVG §38
AlVG §7
AlVG §9
VwGG §30 Abs2

Spruch

W238 2230669-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK über den Antrag des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz, der gegen den Beschluss des Bundesverwaltungs-gerichtes vom 14.09.2020, W238 2230669-1/8E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des AMS Wien Esteplatz vom 15.01.2020 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe vom 07.01.2020 gemäß § 33 Abs. 2 iVm §§ 38, 7, 9 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitswilligkeit keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 26.07.2019 (Einstellung der Leistung mit Bescheid vom 14.08.2019) keine nachhaltige Beschäftigung aufgenommen habe, weshalb Arbeitswilligkeit nach wie vor nicht bestehe.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.03.2020 gemäß §§ 33 Abs. 2, 38, 7, 9 Abs. 1 iVm § 14 VwGVG und § 56 AlVG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.

2. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.09.2020, W238 2230669-1/8E, wurde die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

3. Mit am 21.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schriftsatz brachte die revisionswerbende Partei eine außerordentliche Revision gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.09.2020 ein. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes aus:

„Die Notstandshilfe des BF wurde mit Bescheid des AMS vom 14.08.2019 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 04.11.2019 ab 26.07.2019 eingestellt, weil nach Ansicht des AMS die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitswilligkeit beim BF nicht mehr gegeben war. Der BF hat gegen die Einstellung seiner Leistung eine Beschwerde an das BVwG erhoben und infolge der aufschiebenden Wirkung dieser Beschwerde wurde die Notstandshilfe in Höhe von € 25,73 täglich bis zum Höchstausmaß am 06.01.2020 weiter ausbezahlt.

Der BF hat den Fortbezug der Notstandshilfe ab 07.01.2020 beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des AMS vom 15.01.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 27.03.2020 mangels Arbeitswilligkeit abgewiesen. Das BVwG hat mit dem angefochtenen Beschluss die Entscheidungen des AMS aufgehoben. Das BVwG hat in diesem Beschluss (systematisch verfehlt) unter Punkt 2 des Beschlusses (Beweiswürdigung) festgestellt, dass der BF sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung (auf Fortbezug der Notstandshilfe) als auch im Zeitpunkt dieser Entscheidung als arbeitswillig anzusehen ist. Unter Punkt 3.8 - Ergebnis weist das BVwG explizit darauf hin, dass das AMS nach § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist und dem BF (daher) die Notstandshilfe nicht erneut unter Hinweis auf seine mangelnde Arbeitswilligkeit verwehrt werden darf, es sei denn es käme im Zeitpunkt der Erlassung eines neuen Bescheides zu einer Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Umstände.

Die Bindung an die Rechtsansicht des BVwG hat zur Folge, dass das AMS beginnend mit 07.01.2020 die Notstandshilfe für weitere 52 Wochen (§ 35 Abs. 1 AIVG) zuerkennen und sogleich zumindest bis 30.09.2020 in Höhe von insgesamt € 6.895,64 (268 Tage á 25,73) nachzahlen müsste und selbst dann, wenn sich in dem beim BVwG zu Zl. W121 2226608-1 anhängigen Verfahren herausstellt, dass der BF mangels Arbeitswilligkeit ab 26.07.2019 keinen Anspruch auf Notstandshilfe hat, eine Rückforderung der ab 07.01.2020 ausbezahlten Notstandshilfe ausgeschlossen wäre.

Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG kann ein Leistungsbezieher nämlich grundsätzlich nur dann zum Rückersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet werden, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Im konkreten Fall würde die Nachzahlung auf Grund der nach Ansicht des AMS allerdings unzutreffenden Rechtsansicht erfolgen und scheiden somit die oben angeführten Rückforderungstatbestände aus.

Es bestünde auch keine Verpflichtung zum Rückersatz der ausschließlich wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gewährten Leistung (§ 25 Abs. 1 letzter Satz AIVG), weil die Notstandshilfe ab 07.01.2020 nicht auf Grund der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, sondern eben auf die Annahme der Arbeitswilligkeit des BF durch das BVwG zurückzuführen wäre.

Im Ergebnis wäre dem BF die Notstandshilfe für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weiter zu gewähren und würde es sich dabei um keinen provisorischen, sondern einen endgültigen Bezug handeln, weil selbst bei einem für den BF negativen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Ermangelung eines diesbezüglichen Tatbestandes keine Rückforderung möglich wäre.

Aus diesem Grunde, aber auch im Hinblick darauf, dass in der beim BVwG zu Zl. W121 2226608-1 anhängigen Rechtssache eine diametral entgegengesetzte Beurteilung der Arbeitswilligkeit des BF nicht unmöglich erscheint, überwiegen die öffentlichen Interessen an einer letztendlich rechtskonformen Auszahlung der Notstandshilfe die Interessen des Mitbeteiligten an einer raschen, möglicherweise rechtswidrigen, jedenfalls aber irreversiblen Nachzahlung der Notstandshilfe für einen mehrere Monate umfassenden Zeitraum.“

4. Der Beschwerdeführer hat zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb der ihm gesetzten Frist eine Stellungnahme abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch bei Amtsrevisionen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung möglich.

Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um eine Entscheidung nach § 28 Abs. 3 VwGVG. Durch eine solche Entscheidung werden subjektive Rechte, etwa auf Zuständigkeit der Behörde, an welche die Sache verwiesen wurde, oder auf Beachtung der im Bescheid der Berufungsbehörde ausgesprochenen Rechtsansicht gestaltet; auch ein solcher Bescheid ist daher einem Vollzug im Sinne einer Umsetzung in die Wirklichkeit zugänglich und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. die zu § 66 Abs. 2 AVG ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. VwGH 02.04.2013, AW 2013/07/0002 mit weiteren Verweisen). Im vorliegenden Fall hätte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zur Folge, dass die Behörde einen Ersatzbescheid (in Bindung an die im Beschluss vom 14.09.2020 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes) vorerst nicht erlassen dürfte.

3. Die revisionswerbende Partei führte zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen aus, die Bindung an die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes habe zur Folge, dass das AMS beginnend mit 07.01.2020 die Notstandshilfe für weitere 52 Wochen (§ 35 Abs. 1 AIVG) zuerkennen und sogleich zumindest bis 30.09.2020 in Höhe von insgesamt € 6.895,64 (268 Tage á 25,73) nachzahlen müsste. Eine Rückforderung der ab 07.01.2020 ausbezahlten Notstandshilfe wäre jedoch selbst dann ausgeschlossen, wenn sich herausstellen würde, dass der Beschwerdeführer mangels Arbeitswilligkeit ab 26.07.2019 (doch) keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Stellungnahme zum Aufschiebungsantrag. Darin führte er zusammengefasst aus, dass es seinerseits keine Arbeitsverweigerung gegeben habe; vielmehr habe sein Berater beim AMS die Zusammenarbeit verweigert, ihm unpassende bzw. nicht aktuelle Stellenangebote übermittelt und sich zudem rassistisch geäußert. Dennoch sei es über drei Jahre zu keinem Beraterwechsel gekommen. Es gebe keinen Grund, warum er dafür bestraft werden sollte. Abschließend ersuchte der Beschwerdeführer um Auszahlung der „dringend erwarteten Notstandshilfe“. Dies begründete er damit, dass er (vor vier Tagen) eine Exekution von Wiener Wohnen erhalten habe, wonach er seine Wohnung innerhalb von 14 Tagen verlassen müsse.

Dem AlVG ist das Rechtsinstitut einer vorläufigen, jederzeit widerruflichen und rückforderbaren Leistung fremd. Wenn man mit der revisionswerbenden Partei davon ausgeht, dass die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgrund der Erlassung eines (bei Bejahung der Arbeitswilligkeit sowie der weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung der Notstandshilfe) stattgebenden Ersatzbescheides dazu führen würde, dass dem Beschwerdeführer beginnend mit 07.01.2020 Notstandshilfe für 52 Wochen zuzuerkennen und bis 30.09.2020 in Höhe von insgesamt € 6.895,64 nachzuzahlen wäre, so wäre dies kein provisorischer Bezug, sondern ein endgültiger, der nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert werden könnte, wobei ein bestimmter (für den Beschwerdeführer negativer) Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens jedenfalls keinen Rückforderungsgrund darstellen würde. Damit würde aber das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in unzulässiger Weise bereits im Provisorialverfahren vorweggenommen (vgl. etwa VwGH 04.02.2004, AW 2003/08/0046; 16.06.2010, AW 2010/08/0037).

Der Beschwerdeführer hielt den von der revisionswerbenden Partei genannten Interessen an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine ihm drohende Delogierung entgegen. Er hat es jedoch unterlassen, sein Vorbringen zu bescheinigen und durch genaue Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu konkretisieren (VwGH 28.09.2005, AW 2005/08/0037).

Aus diesen Erwägungen war dem Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung außerordentliche Revision wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W238.2230669.1.01

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten