Entscheidungsdatum
11.12.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W135 2234711-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.06.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2020 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin gehört seit 30.10.2018 dem Personenkreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) an (festgestellte Gesundheitsschädigung: primär chronisch progrediente Multiple Sklerose mit depressiver Begleitsymptomatik). Ihr wurde am 08.08.2019 ein unbefristeter Behindertenpass ausgestellt, in welchem ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ausgewiesen ist.
Am 19.09.2019 brachte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass ein. Dabei gab sie an, dass sie an primär progredienter Multipler Sklerose leide. Ihr Zustand verschlechtere sich trotz medikamentöser Therapie und regelmäßiger Physio- und Psychotherapie. Vor der Diagnose im Jänner 2016 sei die Beschwerdeführerin öfters schwer gestürzt und habe sich Bänderrisse im Knöchel, einen Rippenbruch und Pneumothorax zugezogen. Seit der Diagnose sei sie vorsichtiger und es sei zu keinen weiteren schweren Verletzungen gekommen. Seit Jänner 2019 gehe die Beschwerdeführerin mit einem Gehstock, es komme häufig zu stürzen, kleinen Verletzungen mit Abschürfungen und blauen Flecken. Wenn sie müde sei – die Beschwerdeführerin sei schnell erschöpft – sei sie bei jedem Schritt sturzgefährdet. Außerdem leide die Beschwerdeführerin am Uthoff-Syndrom. Bei großer Hitze könne sie sich besonders schlecht bewegen und könne das Haus zu Fuß kaum verlassen. Technisch habe die Beschwerdeführerin alle Möglichkeiten ausgereizt: die Wohnungsfenster seien beschattet, ein Klimagerät und eine Kühlweste würden ihr Erleichterung verschaffen. Es lasse sich als berufstätige Mutter jedoch nicht immer verhindern, dass sie überhitze und dann fallgefährdet sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei für die Beschwerdeführerin sehr gefährlich. Sie leide an einer progredienten Erkrankung, welche sich nicht bessern werde.
Die Beschwerdeführerin begehrte zuvor am 05.09.2019 die Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG. Im Rahmen des Neufestsetzungsverfahrens gab die belangte Behörde ein neurologisches Sachverständigengutachten in Auftrag, in welchem auch die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt wurde. Das auf einer persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin am 22.11.2019 basierende Gutachten vom 21.01.2020 lautet auszugsweise wie folgt:
„Anamnese:
Vorgutachten 02/2019 GdB 50%
Vorgutachten 07/2017 GdB 30%
Es besteht eine primär chronisch progrediente Encephalitis disseminata - Neufestsetzungsantrag
Derzeitige Beschwerden:
Das Gehen ist schlechter geworden, sie ist im XXXX bei XXXX in Betreuung, hat Physio- und Psychotherapie. Sie klagt über eine Fatique-Syndrom und eine Sturzhäufigkeit. Manchmal zieht sie sich heftige Verletzungen zu.
Dokumentiert: Krankenhaus XXXX 25.9. um 19.50 Uhr: cont. omni sin; Krankenhaus XXXX 4.1.2019 um 19.30 Uhr: Vlc supraorbit. sin
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Rituximab 2x pro Jahr, Ramipril, Sertralin 50mg, Spasmolyt, Anafranil, Mirtazapin, Amlodipin, CBD-Tropfen
Hilfsmittel: Einpunktstock
Sozialanamnese:
Ledig, ein Sohn, Sozialarbeiterin bei der XXXX 30 Stunden pro Woche mit teilweise Telearbeitsplatz
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr. XXXX , Allgemein Medizin, 16.9.2019:
Bei der Pat. ist eine zunehmende Gangunsicherheit mit gehäuften Stürzen zu attestieren. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist aus medizinischer Sicht nicht zu empfehlen und mit einem hohen Sturz- und Verletzungsrisiko verbunden.
Entlassungsbrief XXXX 16.11.2019: anlässlich Rituximab-Gabe , Diagnosen PPMS, arterielle Hypertonie, Blasenentleerungsstörung, Zystenniere. Nebenbem: kein Neuro-Status dokumentiert.
Letztmaliger Arztbrief RZ XXXX vom 12.2.2019; EDSS 4,5
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Ernährungszustand:
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
HN: Visus korrigiert, sonst unauff., HWS frei
OE: Rechtshändigkeit, MER stgl. mittellebhaft, diskret li betont, VdA mit geringem Pronieren li, grobe Kraft li KG 4-5, re unauff., Tonus li geringgradig erhöht im Vergleich zu re,
UE: MER li betont lebhaft auslösbar,KHV li dysmetrisch ataktisch (leichtgradig), re nur diskret dysmetrisch, Tonus li leichtgradig erhöht, Bab. angedeutet pos.,
Gesamtmobilität – Gangbild:
Gang: ausreichend schnell und sicheres freies Gangbild, jedoch geringgradig Hinken und Schleifen der linken OE am Boden
Stand: unauff., geringgradig unsicher bei Augenschluss, Ausgleichsschritt möglich, jedoch etwas zeitverzögert
Status Psychicus:
Pat. klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, keine prod. Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, von der Stimmung etwas depressiv, beids. jedoch ausreichend affizierbar, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration uneingeschränkt, berichtet Fatique-Syndrom
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Primär chronisch progrediente Multiple Sklerose, Begleitdepression
Unterer Rahmensatz da Blasenentleerungsstörung sowie erhöhte Ermüdbarkeit berichtet, jedoch ausreichend sichere Gehfähigkeit, bei geringer bis mäßiger Gangablaufstörung
04.08.02
50
2
Hypertonie,
--
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 im GdB nicht angehoben da kein maßgeblich ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden 1: Anhand der vorliegenden Unterlagen bzw. der hierorts durchgeführte neurolog. Untersuchung kann im Vergleich zum Vorgutachten vom 21.2.2019 keine kalkülsrelevante Verschlechterung festgestellt werden.
Leiden 2 ist wird neu eingestuft.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
keine Änderung
??
Dauerzustand
??
Nachuntersuchung
Frau XXXX kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:
? JA ?NEIN“
…
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? keine; es besteht eine merkliche jedoch keine ausgeprägte Gangstörung. Der Antragswerberin ist es möglich, fallweise unter Benützung einfacher Hilfsmittel, ausreichend kurze Wegstrecken (300 bis 400 Meter) zurückzulegen, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in sich bewegenden öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht maßgeblich beeinträchtigt. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht ausreichend begründbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein.“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 24.03.2020 wurde der Beschwerdeführerin in Wahrung des Parteiengehörs das Gutachten vom 21.01.2020 zur Kenntnis gebracht.
Am 26.03.2020 brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den KOBV, auch einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) bei der belangten Behörde ein und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
Mit Schreiben des KOBV vom 28.04.2020 wurde zum Sachverständigengutachten vom 21.01.2019 Stellung genommen und vorgebracht, dass das Gutachten im November 2019 erstellt worden und dabei die mit dem Antrag vom 24.03.2020 vorgelegten Befunde unberücksichtigt geblieben seien. Die Beschwerdeführerin sei wieder im Krankenhaus, weil sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert habe. Derzeit sei eine Selbstkatheterisierung erforderlich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin öffentliche Verkehrsmittel benützen können soll. Sie sei in ihrer Fortbewegung stark eingeschränkt, habe beim Gehen eine „Spurbreite“, sei unkontrolliert und sturzgefährdet. Insbesondere bei Zurücklegen von Gehstrecken ermüde die Beschwerdeführerin, die Ermüdung führe dazu, dass der Gang noch unkontrollierter und „torkeliger“ werde und eine große Gefahr für die Beschwerdeführerin darstelle. Es werde daher beantragt, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen.
Dem Schriftsatz des KOBV ist ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 05.02.2020 beigelegt, in welchem sie im Wesentlichen Folgendes vorbringt: Die Beschwerdeführerin sei in ihrer Fortbewegung stark eingeschränkt, sie könne ihre Füße nicht mehr hochheben, kippe leicht zur Seite und habe beim Gehen eine ziemliche „Spurbreite“. In Räumen stütze sie sich oft mit den Händen an Tischen und Türrahmen ab. Sie könne die Bewegungen nicht mehr gut kontrollieren und abbremsen, beim Umdrehen oder beim Blick in die andere Richtung gerate sie leicht aus dem Gleichgewicht. Der Gehstock, den die Beschwerdeführerin benütze, helfe manchmal beim Stabilisieren. Zunehmend seien jedoch auch ihre Hände eingeschränkt und das Festhalten des Stocks erfordere Konzentration und manchmal mehr Kraft als sie zur Verfügung habe. Die Beschwerdeführerin ermüde sehr rasch, nach einer Gehstrecke von ca. 300 m werde ihr Gang sehr unkontrolliert und „torkelig“. Eine kleine Pause sei wichtig, bringe jedoch nicht volle Kraft und Konzentration zurück. Die am Tag zurückgelegten Strecken summierten sich und am Nachmittag sei die Beschwerdeführerin schon „sehr wackelig auf den Beinen“. Die Beschwerdeführerin arbeite 30 Stunden in der Woche, ihre Tätigkeit umfasse auch Außendienste. Sie stürze häufig, was meist nur blaue Flecken und Abschürfungen zur Folge habe, sie müsse aber zunehmend auch ärztlich versorgt werden, wie zuletzt im Jänner 2020 mit einer Rissquetschwunde über dem Auge, die genäht werden musste. Bereits im Vorgutachten sei der Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. eingeschätzt worden, was für das Entgegenkommen ihres Arbeitgebers sehr wichtig gewesen sei. Dass die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel der Beschwerdeführerin zumutbar sei, könne nur für die erste Fahrt des Tages gelten. Im erschöpften Zustand falle es der Beschwerdeführerin schwer, eine alte Straßenbahngarnitur zu besteigen und sich gut festzuhalten, wenn die Straßenbahn voll sei. Sie miete mittlerweile nicht nur bei ihrer Wohnung einen Parkplatz, sondern auch im Büro, was der Beschwerdeführerin die Berufstätigkeit weiterhin ermögliche, sie aber finanziell stark einschränke. Behindertenparkplätze benützen zu dürfen, würde ihren Alltag beträchtlich erleichtern.
Mit Schreiben des KOBV vom 12.05.2020 wurde der Patientenbrief vom 22.04.2020 nach einem stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 06.04.2020 bis 22.04.2020 (Aufnahmegrund: Fieberhafter Harnwegsinfekt) vorgelegt.
Die belangte Behörde gab in weiterer Folge ein aktenmäßiges Sachverständigengutachten bei dem zuvor befassten Facharzt für Neurologie in Auftrag, welches am 02.06.2020 erstellt wurde und wie folgt lautet:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
VGA 22.11.2019; primär chron. progrediente Multiple Sklerose, Begleitdepression, 50%, Hypertonie 10%, Gesamt GdB 50%
Die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als nicht ausreichend begründbar angesehen.
Nunmehr Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung.
Im Vergleich zum Vorgutachten neu vorliegende Befunde:
Befund Innere Medizin, XXXX , 20.3.2019, Nierenambulanz:
Befundbesprechung bei ADPKD.
RR daheim nicht gemessen, zuletzt am 22.11.2018 24 Std. RR-Messung. Hier wurde Amlodipin auf 10 mg 0-0-1 erhöht und Doxazosin begonnen. Doxazosin bisher nicht eingenommen. Bei unspezifischen Beschwerden untertags wird eine zusätzliche Tablette Amlodipin eingenommen.
Procedere: Amlodipin weiter, Amlodipin nicht mehr bei Bedarf. Sollten weiterhin tagsüber Beschwerden bestehen, Start mit Ramipril, RR Protokoll führen und in 1 Monat erneute Vorstellung zur RR Einstellung.
Tolvaptan: dzt. wegen bereits bestehender dysfunktionaler Miktion (Blasenspasmen bei MS) non-vult.
Procedere: Wiedervorstellung in 1 Monat, dzt. Tolvaptan non-vult, Verschreibung von Novalgin und Ramipril
Ärztliche Bestätigung, Neurologie Spezialambulanz, 22.10.2018:
Diagnose: primär progrediente Multiple Sklerose
Trotz Therapieversuch mit Rituximab ist es im letzten Jahr zu einer signifikanten Verschlechterung des Gehens, der chron. Müdigkeit sowie der neurogenen Blasenstörung gekommen.
ORIGINAL
Neuro-Status Auszug: HN unauffällig, li. Hand KG 4, Feinmotorik li. reduziert, gering re. betonte Spastik, MER re. vor li. lebhaft, PSR li. vor re., Babinski bds. pos., Gang: spastisch ataktisches Gangbild mit einer max. Wegstrecke ohne Pause von 300m. Blase: Urgeinkontinenz
Stationärer Patientenbrief Neurologie XXXX , 15.1.2018:
Aufnahmegrund: 3. Rituximab-Gabe bei primär progredienter MS
Entlassungsbrief Reha-Klinik Wien XXXX 11.2.2019, Hauptdiagnosen primär: progrediente MS, ED 2016, Therapie mit Rituximab, EDSS 4,5
Auszug: ...ist zum Entlassungszeitpunkt ohne Hilfsmittel mobil, Stufen können am Handlauf hinauf und hinunter alternierend bewältigt werden. Ebenso konnte eine leichte Verbesserung des Gangbildes, Steigerung der Gangsicherheit, sowie eine Verlängerung der Gehstrecke erreicht werden. ....war bisher zweimal mit gutem Erfolg auf Rehab, zunehmend eingeschränkte Wegstrecke aktuell 300 bis 400 Meter, vor einem halben Jahr ca. 600 Meter, hat Stock, dieser aktuell noch nicht wirklich verwendet. 30 Stunden pro Woche berufstätig, bemerkt Einschränkungen bei Konzentration, diese vor allem in langen Besprechungen.
Neuro-Status-Auszug: Hand li eingeschränkt einsetzbar, distal betonte Parese links, Ellbogenflexion li KG 4+, Pronation li 4+ Supination li 4+, Handgelenk Extension li 4+, Handgelenk Flexion li 4+, Radialabduktion li 4+, Ulnarabduktion li 4+, Fingergelenksextension li 4, Flexion li 4+, Fingergelenke Spreizen li 4-, FNV dysmetrisch li, Feinmotorik li beeinträchtigt, Tonus li spastisch erhöht,
UE: Hüftgelenk Extension li 4-, Hüftgelenk Abduktion, Flexion und Adduktion li 4, Kniegelenk Extension li sowie Flexion li 4, Sprunggelenk Dorsalextension li 4+, Plantarflexion li 4+, Pronation li 4+, Supination li 4+, Gangbild spastisch li, freies Stehen unauff., 2 Min. Gehtest 138 Meter,
Nachgereichter Befund:
XXXX Urologie, Aufnahme vom 6.4. bis 22.4.2020, Aufnahmegrund: fieberhafter Harnwegsinfekt
Es wurde E.coli gefunden und eine Antibiose eingeleitet sowie eine Durchuntersuchung gestartet, eine Untersuchung des ableitenden Harntraktes inkl. TTE zum Endokarditisausschluss durchgeführt. Weiters wurde eine Harnleiterschiene sowie ein Katheter gesetzt und am 20.4. wieder entfernt. Ebenso wurde die Antibiose abgesetzt.
Entlassung 22.4.: fieberfrei und im verbesserten Allgemeinzustand.
In der Anamnese wird beschrieben, dass die Patientin bei bekannter Multiple Sklerose seit ca. 6 Wochen Selbstkatheterisierung, ca 2x tgl. mit 200ml Restharn durchführt.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:
- Ramipril 2,5mg - Sertralin 50mg 1-0-0 - Mirtazapin 15mg 0-0-1 - CBD Extrakt 5% 0-0-5 - Magnesium Verla
ORIGINAL
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
primär chronisch progrediente Multiple Sklerose mit Begleitdepression, chronic fatigue Syndrom und urge Symptomatik
2
arterielle Hypertonie
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine Änderung
??
Dauerzustand
??
Nachuntersuchung
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine; in den neu vorgelegten Befunden finden sich keine Hinweise auf eine Verschlechterung des Gangbildes im Vergleich zum Vorgutachten vom 22.11.2019. Es besteht nach wie vor eine merkliche, jedoch nicht ausgeprägte Gangstörung, der AW ist es möglich, fallweise unter Benützung einfacher Hilfsmittel (Einpunktstock) ausreichend kurze Wegstrecken (300-400m) selbständig zurückzulegen, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht maßgeblich beeinträchtigt, die Greif- und Haltefunktion der oberen Extremitäten ist ausreichend erhalten. Die in der Anamnese des rezenten Aufenthaltes auf der Urologie des XXXX wegen fieberhaftem Harnwegsinfekt beschriebene Selbstkatheterisierung mit einer Frequenz von ca. 2x täglich, stellt per se und auch im Zusammenhang mit den vorbeschriebenen Funktionseinschränkungen keine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dar. Eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit nicht ausreichend begründbar
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein.“
Ohne dass der Beschwerdeführerin Parteiengehör zum aktenmäßigen Sachverständigengutachten vom 02.06.2020 gewährt wurde, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.06.2020 der am 19.09.2019 eingebrachte Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Sachverständigengutachten vom 21.01.2020 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin seien vom ärztlichen Sachverständigen überprüft und es sei festgestellt worden, dass es zu keiner Änderung der Sachlage gekommen sei. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens würden als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden, sei der Antrag abzuweisen gewesen. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das Aktengutachten vom 02.06.2020 übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch den KOBV, mit Schriftsatz vom 20.07.2020 das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung an einer primär chronisch progredienten Multiplen Sklerose an massiv eingeschränkter Gehfähigkeit leide. Es komme schon bei kürzeren Gehstrecken um die 200 m zu einer massiven Ermüdung, was dazu führe, dass die Beschwerdeführerin dann sehr sturzgefährdet sei. Die Situation habe sich in den letzten Wochen und Monaten derart verschärft, dass von anfangs wöchentlichen Stürzen nunmehr von einer Sturzfrequenz von fast täglichen Stürzen gesprochen werden müsse. Dabei komme es zu einem unkontrollierten Wegsinken der Beine. Die geschilderte Problematik lasse sich kaum in einem Untersuchungsraum bei einer ca. zehnminütigen Untersuchung objektivieren. Die Beschwerdeführerin könne für kurze Zeit vieles unter optimalen Bedingungen noch ausführen, jedoch komme es ab einer Gehstrecke von 200 bis 300 m zu den genannten Problemen und stürzen. Weiters leide die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Grunderkrankung nunmehr auch vermehrt an Harnwegsinfekten, welche mehrere Wochen andauerten und wäre ihr auch aufgrund dieser Problematik eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Es werde daher der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass stattzugeben. Mit der Beschwerde wurde ein physiologischer Befund vom 14.07.2020 vorgelegt.
Der Beschwerde ist weiters ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 13.07.2020 beigelegt, in welchem sie zunächst im Wesentlichen ihr Vorbringen im Schreiben vom 05.02.2020 wiederholt. Darüber hinaus bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die Dynamik ihrer Erkrankung nicht verstanden worden sei: Sie könne vieles für kurze Zeit unter optimalen Bedingungen, was aber für viele alltägliche Anforderungen nicht mehr ausreiche. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei nur mehr manchmal (ausgeruht, kühles, nicht zu kaltes Wetter, kurze Wegstrecken) möglich. Sowohl am beruflichen als auch am privaten Leben könne sie seit ca. zwei Jahren nur mittels ihres Autos teilhaben. Sie habe einmal in der Wochen Physiotherapie, einmal Psychotherapie, sei bereits dreimal in Rehabilitation gewesen, bekomme im XXXX zweimal jährlich die einzige medikamentöse Therapie, die es für ihre Form der MS gebe. Trotzdem schreite die Erkrankung voran. Auch bei Autofahrten müsse die Beschwerdeführerin längere Strecken zum und vom Parkplatz bewältigen, was in der heißen Jahreszeit sehr schwierig für sie sei.
Mit Schreiben des KOBV vom 31.07.2020 wurde ein Befund eines Facharztes für Neurologie vom 27.07.2020 vorgelegt, in welchem festgehalten wird, dass es seit 2017 zu einer fortlaufenden Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin gekommen sei. Die Beschwerdeführerin könne mittlerweile auch kurze Strecken nur mehr mit einem Stock gehen, ab etwa 100 m benötige sie zwei Stöcke.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und die neu fortgelegten Befunde dem zuvor befassten Facharzt für Neurologie zur Beurteilung vor. In seiner Stellungnahme vom 13.08.2020 führt der Sachverständige Folgendes aus:
„Stellungnahme Beschwerdevorentscheidung:
Vorgutachten 22.11.2019: primär chronisch progrediente MS, Begleitdepression, GdB 50 %; Hypertonie GdB 10%, Gesamt-GdB 50%. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als nicht ausreichend begründbar angesehen.
Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung mit Aktengutachten vom 2.6.2020: Funktionseinschränkung: primär chronisch progrediente MS mit Begleitdepression, chronic fatique-Syndrom und Urge-Symptomatik. 2. arterielle Hypertonie. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde als nicht ausreichend begründbar angesehen. .....es besteht eine merkliche jedoch nicht ausgeprägte Gangstörung, der AW ist es möglich fallweise unter Benützung einfacher Hilfsmittel (Einpunktstock) ausreichend kurze Wegstrecken (200 bis 400 Meter) selbstständig zurückzulegen. .....die in der Anamnese des rezenten Aufenthaltes auf der Urologie des XXXX wegen fieberhaften Harninfektes beschriebene Selbstkatheterisierung mit einer Frequenz von 2x täglich stellt auch im Zusammenwirken mit den vorbeschriebenen Funktionseinschränkungen keine maßgebliche Behinderung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel dar.
Es wird via KOBV mit 20.7.2020 schriftlich Beschwerde eingereicht: .....kommt schon bei kürzen Gehstrecken um die 200 Meter zu einer Ermüdung und führt dies dazu, dass die BF dann sehr sturzgefährdet ist. ... dass von anfangs wöchentlichen Stürzen nun von einer Sturzfrequenz von fast täglichen Stürzen gesprochen werden muss. .....kann aufgrund ihrer Erkrankung vieles für kurze Zeit unter optimalen Bedingungen auch ausführen, jedoch kommt es ab Gehstrecken von 200 bis 300 Meter zu den oben genannten Problemen und Anhäufung von Stürzen.
Physiotherapeutischer Befund hinsichtlich Gehfähigkeit und Sturzgefahr von Frau XXXX , Physiotherapeutin, Bobath-Instruktiorin 14.7.2020: ....seit März 2019 regelmäßig einmal pro Woche zur Therapie. ....ihr Hauptproblem ist die deutlich reduzierte Gehfähigkeit, bedingt durch die Ataxie, Schwäche/Hypotonie in den Beinen, rechts mehr als links. Zusätzlich wird die Kontrolle der Beine durch Spontanbabinski und unkontrollierte spastische Kontraktionen beeinträchtigt. Insgesamt leidet Frau XXXX unter der erhöhten Ermüdbarkeit (Fatique). Die Gehstrecke beträgt max. 500 Meter, derzeit geht sie mühevoll mit einem Handstock um die anderen Hände frei zu haben. Danach benötigt sie eine längere Pause.
Sie wird sehr unsicher, die Beine stabilisieren das Körpergewicht nicht mehr verlässlich, dadurch steigt die Sturzgefahr massiv. Sie stürzt mindestens einmal pro Woche. Meine Empfehlung ......wäre, dass sie mit zwei Stöcke bzw Krücken außer Haus geht um die Häufigkeit der Stürze zu reduzieren.
Beschwerde der AW schriftlich 13.7.2020:
.....Die Diagnose war 2016 im XXXX , meine Gehfähigkeit ist mittlerweile stark eingeschränkt, ....die MS äußerst sich bei mir darin und in einer schnellen Auflösbarkeit von Reflexen. Ich knicke bei Reizen an den Füßen leicht ein, besonders wenn ich barfuß bin. Ich gehe mit einem Gehstock und bin überwiegend mit dem Auto unterwegs. Auch bei kleinen Gehstrecken um die 200 Meter ermüde ich rasch und bin sehr sturzgefährdet. Bisweilen musste ich jedoch auch im Unfallkrankenhaus versorgt werden. Besonders schwierig ist es für mich wenn es heiß ist oder ich gerade an einem Harnwegsinfekt leide. .....ich kann vieles für kurze Zeit unter optimalen Bedingungen, das reicht jedoch für viele alltägliche Anforderungen nicht mehr aus. Je anstrengender der Tag ist umso weniger Kraft bleibt für alltägliche Erledigungen. Mit öffentlichen Verkehrsmittel wäre es mir nicht mehr möglich das Büro zu erreichen, die Gehstrecke dorthin beträgt ca. 500Meter egal von welcher U-Bahn ich komme. ....
Beantwortung:
Es werden seitens der Antragswerberin nochmals ausführlich die Beschwerden, die eingeschränkte Gehstrecke, speziell an warmen Tagen geschildert. Seitens der betreuenden Physiotherapeutin wird eine deutlich reduzierte Gehfähigkeit bedingt durch Ataxie, Schwäche, Hypertonie in den Beinen beschrieben. "Ihre Gehstrecke beträgt max. 500 Meter, derzeit geht sie mühevoll mit einem Handstock ". Die weiter oben zitierte Beschwerdeauflistung durch die Antragswerberin bzw. des KOBV und der physiotherapeutiche Befund von Frau Jelitsch mit der Angabe einer max. Gehstrecke von 500 Metern mit Einpunktstock, ist nicht geeignet eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend zu begründen.
Der AW ist es möglich unter Benützung einfacher Hilfsmittel (Einpunktstock) ausreichend kurze Wegstrecken (300 bis 400 Meter) selbstständig, ausreichend schnell zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht maßgeblich beeinträchtigt.
Insgesamt sind daher die vorgebrachten Argumente, unter Berücksichtigung der eingereichten Befunde, nicht geeignet, das bereits vorhandene Begutachtungsergebnis zu entkräften, welches daher auch aufrechterhalten wird.“
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.06.2020, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass abgewiesen worden war, ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Begründend verwies die belangte Behörde auf die wegen der erhobenen Beschwerde durchgeführte ärztliche Begutachtung, welche ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die gutachterliche Stellungnahme vom 13.08.2020 übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 28.08.2020 beantragte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den KOBV, fristgerecht die Vorlage ihrer Beschwerde vom 20.07.2020 an das Bundesverwaltungsgericht und brachte ergänzend zum Beschwerdevorbringen vor, dass der mit Schriftsatz vom 31.07.2020 vorgelegte Befund des behandelnden Neurologen vom 27.07.2020 nicht berücksichtigt worden sei.
Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2020 zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht gab am 02.10.2020 ein auf einer persönlichen Untersuchung basierendes ärztliches Sachverständigengutachten in Auftrag und ersuchte um die Beantwortung folgender Fragen:
„1) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
2) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
3) Liegen erhebliche Einschränkungen der oberen Extremitäten vor, welche sich insbesondere auf die Fähigkeit in ein Verkehrsmittel ein- bzw. auszusteigen sowie sich beim Betrieb in einem solchen anzuhalten, auswirken?
4) Es wird um Stellungnahme zum Vorbringen im Vorlageantrag, Aktenseite 49, ersucht und dabei auch insbesondere auf die vorgebrachte erhöhte Müdigkeit und dadurch bedingte höhere Sturzgefahr einzugehen und zu beurteilen, inwiefern sich diese auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel auswirken könnten.
5) Es wird erbeten zu beurteilen, ob der Beschwerdeführerin das Zurücklegen einer Gehstrecke von zumindest 300-400 Meter und ein Überwinden von Niveauunterschieden, welche sich bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln notwendigerweise ergeben, möglich ist.
Dabei wird um Berücksichtigung des vorgelegten Befundes des behandelnden Neurologen Dr. Logisch vom 27.07.2020 (Aktenseite 41) ersucht.
Ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung des physiotherapeutischen Befundes vom 14.07.2020 (Aktenseite 35), des neurologischen Befundes vom 27.07.2020 (Aktenseite 41) sowie des Ärztlichen Entlassungsberichtes vom 31.08.2020 (Aktenseiten 66-73) eine vom bisherigen Ergebnis abweichende Beurteilung?“
In seinem Gutachten vom 04.11.2020 führt der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Arzt für Allgemeinmedizin nach einer persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin am 03.11.2020 Folgendes aus:
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist mit der Einschätzung aus 02/2019 nicht einverstanden und wendet ein, dass aufgrund der neurologischen Erkrankung (Encephalitis disseminata) eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung vorläge.
allgemeine Krankengeschichte (durchgemachte Erkrankungen und stattgehabte Operationen):
Operationen: Kreuzbandplastik rechtes Kniegelenk 1996 im XXXX mit zufriedenstellendem Ergebnis nach Sportunfall, derzeit kein Behandlungserfordernis, stabiler Bandapparat,
Multiple Sklerose seit 2016 nachgewiesen, die ersten Beschwerden sind jedoch schon seit 2005 in Form von Wahrnehmungsstörungen, imperativem Harndrang und imperativen Stuhldrang aufgetreten, es besteht zwar derzeit die Möglichkeit die Harnblase spontan zu entleeren, jedoch muss sich die Beschwerdeführerin immer wieder katheterisieren, um dem dauernden Harndrang entgegenzuwirken. Es besteht keine Stuhlinkontinenz und kein Erfordernis zur Anwendung von Inkontinenzbehelfen.
Die Diagnosestellung der Multiplen Sklerose erfolgte durch den neurologischen Facharzt mittels Magnetresonanzuntersuchung und Liquorpunktion im XXXX 2016. Laut behandelndem neurologischen Facharzt XXXX besteht eine progrediente Form der Erkrankung. Eine Therapie mit Rituximab wurde 2017 etabliert (es traten Nebenwirkungen wie Fieber auf, auch banale Infekte wie Harnwegsinfekte häuften sich unter der Therapie). Aus diesem Grund ist es fraglich, ob die Behandlung, die bis 03/2020 angewendet wurde auch weiterhin fortgesetzt werden soll,
Es besteht eine Peroneusläsion rechts. Der behandelnde neurologische Facharzt hat eine Peroneusschiene rechts verordnet. Zuletzt befand sich die Beschwerdefìihrerin in einem Rehabilitationsaufenthalt im Reha-Zentrum XXXX über 4 Wochen 09/2020. Dort wurde eine physikalische Therapie angewendet, welche jedoch keine wesentliche Besserung des Beschwerdebildes bewirkt hat. Es besteht weiterhin eine ausgeprägte Gangunsicherheit mit häufigen Stürzen und Verletzungen wie 01/2019 an der linken Augenbraue und 04/2019 mit Erstversorgung im UKH XXXX . Die Häufigkeit der Stürze variiert je nach Witterung und Allgemeinzustand, wobei bei Hitze eine Häufung bis zu dreimal täglich auftritt; im besten Fall dreimal pro Monat. Es wird ein Stock als Gehhilfe verwendet (trotz dieser Gehhilfe auch Sturzneigung, wobei die Beschwerdeführerin berichtet, dass sie sich wiederholt die Hose zerrissen habe und blaue Flecke an der Haut davongetragen habe). Es wird Vetren Gel angewendet.
Als zusätzliches Beschwerdebild gibt die Beschwerdeführerin ein Fatiguesyndrom an, welches schon nach 2 Stunden Tätigkeit bemerkbar wird. Es sind Ruhephasen erforderlich, wobei sich die Beschwerdeführerin am Arbeitsplatz hinlegen muss. Nach dieser Ruhephase tritt wieder Besserung ein. Die Beschwerdeführerin gibt an, einen Tag Telearbeit pro Woche verrichten zu können (dann können auch die Gegenmaßnahmen gegen das Fatiguesyndrom besser angewendet werden).
Es besteht eine Begleitdepression mit Erfordernis einer antidepressiven Therapie mit Sertralin 50 1-0-0, Mirtazepin 15 0-0-1, Anafranil 75 1-0-0, Psychotherapie wird einmal wöchentlich in einer Gruppentherapie angewendet. Diese Behandlung fiihrt zu Besserung des psychiatrischen Beschwerdebildes.
Weiters besteht eine Zystenniere mit hochgradiger Niereninsuffizienz (der letzte GFR aus 10/2020 beträgt 1 1,92 ml/Min. (>90)) und ein Erfordernis einer dauernden Antibiose mit Motrim. Durch diese Nierenfunktionsstörung tritt auch eine zusätzliche Belastungsstörung auf. Es besteht eine renale Hypertonie, die seit 4 Jahren mit Carvedilol 12,5 1-0-1 behandelt wird. Früher wurde Ramipril angewendet, das jedoch wegen ACE-Hemmer-Husten abgesetzt werden musste. Die weitere antihypertensive Therapie besteht aus Amlodipin 10 0-0-1. Unter dieser Therapie besteht eine stabile Kreislaufsituation. Durch die hochgradige Niereninsuffizienz bestehen zusätzlich Schwächegefiihl und Erschöpfungszustände,
Nikotin: O (bis 2005 20/d), Alkohol: O, P: l ,
derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund steht die ausgeprägte Gangataxie und die beinbetonte neurologische Ausfallssymptomatik an den Extremitäten, welche sich besonders durch die rechtsbetonte Peroneusläsion verifizieren lässt.
Die Beschwerdefiihrerin berichtet glaubhaft über stattgehabte Stürze mit Verletzungen im Gesicht und zerrissene Kleidung nach Sturz und ein ausgeprägtes Fatiguesyndrom, welches wiederholte Ruhephasen sowohl am Arbeitsplatz (die Beschwerdeftihrerin muss sich über 2 Stunden hinlegen) als auch zu Hause während der Telearbeit erforderlich macht, um halbwegs arbeiten zu können,
Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel:
Sertralin 50 1-0-0, Mirtazepin 15 0-0-1, Anafranil 75 1-0-0, Carvedilol 12,5 1-0-1, Amlodipin 10 0-0-0-1, Spasmolyt Drg. 0-0-1, Motrim 100 ½-0-0, Magnesium verla 1-0-0, Nephrotrans
840 mg 1-1-1,
Sozialanamnese:
Beruf: Sozialarbeiterin, in diesem Beruf derzeit tätig, jedoch mit reduzierter
Wochenstundenzahl 30 h/Woche, letzter längerer Krankenstand 03/2020 über 4 Wochen wegen fieberhaftem Harnwegsinfekt,
ledig, ein Kind im Alter von 15 Jahren, das im gemeinsamen Hausverband lebt (Schüler), alleinerziehende Mutter,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
l) neurologischer Befundbericht des neurologischen Facharztes Prof. Dr. XXXX vom 27.07.2020 mit Bestätigung der Diagnose "primär progrediente Multiple Sklerose" trotz Therapie mit Rituximab seit 2017 fortlaufende Verschlechterung, Zustand nach Urosepsis 04/2020 mit Verschlechterung der Ataxie,
2) neurologischer Befund der Reha-Klinik Wien XXXX vom 3 mit
Hauptdiagnosen: primär progrediente Multiple Sklerose (Erstdiagnose 2016), Therapie mit Rituximab, EDSS: 5,0
3) physiotherapeutischer Bericht vom 16.07.2020 erstellt durch XXXX in XXXX mit Empfehlung von 2 Stützkrücken, um die Häufigkeit der Stürze zu reduzieren, wobei auch Kraftminderung der Arme/Hände und damit verbundener Einschränkung bei der Verwendung von Gehhilfen zu einer weiteren Reduktion der Gehstrecke flihrt,
4) eJournal der klinischen Abteilung Rir Nephrologie und Dialyse des XXXX vom
15.10.2020/Diagnosen: hochgradige Niereninsuffizienz mit metabolischer Azidose und Kreatinin vom 4,01 mg% (0,5-0,9) sowie GFR von 1 1,92 ml/Min. (>90), Proteinurie und Leukurie,
klinischer Untersuchungsbefund:
mäßig guter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand,
Körpergröße: 167cm, Körpergewicht: 58 kg, Blutdruck: 135/90mmHg,
Kopf: Zähne saniert, Gleitsichtbrille, blande querverlaufende Narbe nach Rissquetschwunde über der linken Augenbraue, keine signifikanten neurologischen Ausfälle im Gesicht, Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten O. B.,
Thorax symmetrisch,
Cor: rhythmisch, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,
Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, sonorer Klopfschall,
Wirbelsäule: frei beweglich, seichte rechtskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand: 20cm,
Abdomen: in Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar,
Nierenlager: beidseits nicht klopfempfindlich,
obere Extremitäten: Gelenke passiv frei beweglich, doch merkbare Störung der Extrapyramidalmotorik an beiden Händen mit Thenaratrophie und Muskelatrophie am
Handrücken an beiden Händen, Reduktion der groben Kraft beidseits, Pinzettengriffmöglich, Gebrauchsfähigkeit beider Hände wenn auch mit eingeschränkter grober Kraft erhalten,
untere Extremitäten: Hüft- und Kniegelenke frei beweglich, am rechten proximalen ventralen Unterschenkel längsverlaufende blande Narbe nach Kreuzbandplastik, fester Bandapparat beider Kniegelenke, spastische Störung an beiden Beinen mit erhöhtem Muskeltonus, Peroneusläsion beidseits rechts > links, inkompletter Fallfuß rechts, indurierte Ödeme an beiden Unterschenkeln links > rechts, Umfang des rechten Unterschenkels: 32cm (links: 33,5cm), Babinski rechts indifferent und links positiv,
Gesamtmobilität, Gangbild:
deutlich unsicheres spastisches Gangbild, Zehen- und Fersengang nicht möglich, Einbeinstand nur links mit Hilfe möglich, rechts nicht möglich, mit Einpunktstock deutlich eingeschränkte Gehleistung mit objektivierbarer Sturzneigung,
Status psychicus:
zeitlich und örtlich orientiert, depressive Grundstimmung, affizierbar, keine signifikanten kognitiven Einbußen ermittelbar,
Diagnoseliste:
l) Encephalitis disseminata mit beinbetonter spastischer Tetraparese; inkludiert Begleitdepression, Fatiguesyndrom und Blasenentleerungsstörung,
2) Zystenniere mit hochgradiger Niereninsuffizienz; inkludiert renale Hypertonie,
Beantwortung der Fragen:
ad l) Es liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor, die durch die Grundkrankheit der Encephalitis disseminata bedingt sind und eine wesentliche Beeinträchtigung der Gehleistung bewirken, sodass die sichere Fortbewegung maßgeblich beeinträchtigt ist.
ad 2) Aufgrund der angeführten dauernden Gesundheitsschädigungen unter lf. Nr. l) und 2) liegt eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor.
ad 3) Es liegen erhebliche Einschränkungen der oberen Extremitäten mit Muskelatrophie und Reduktion der groben Kraft vor, welche sich insbesondere auf die Fähigkeit in einem Verkehrsmittel ein- bzw. auszusteigen sowie sich beim üblichen Betrieb in einem solchen anzuhalten, auswirken.
ad 4) Die im Vorbringen im Vorlageantrag Aktenseite 49 geltend gemachte erhöhte Müdigkeit und dadurch bedingte höhere Sturzgefahr lässt sich aufgrund vorliegender Befunde und im klinischen Status nachvollziehen, wobei die höhere Sturzgefahr eine sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gewährleistet.
ad 5) Der Beschwerdeführerin ist das Zurücklegen einer Gehstrecke von zumindest 300-400 m und ein sturzfreies Überwinden von Niveauunterschieden aufgrund der dauernden Gesundheitsschädigungen nicht zumutbar,
Der vorgelegte neurologische Befund des behandelnden Neurologen Dr. Logisch vom 27.07.2020 (Aktenseite 41) wurde eingesehen und deckt sich mit dem hierorts erhobenen klinischen Befund und daraus resultierenden Schlussfolgerungen.
Der physiotherapeutische Befund vom 14.07.2020 (Aktenseite 35), der neurologische Befund vom 27.07.2020 (Aktenseite 41) sowie der ärztliche Entlassungsbericht vom 31.08.2020 (Aktenseite 66-73) wurden eingesehen und deckt sich mit der im Gutachten ermittelten beinbetonten Tetraparese mit Gangstörung.
Der anlässlich der hierorts durchgeführten Untersuchung vorgelegte rezente internistische Befund des XXXX vom 15.10.2020 unterliegt zwar der Neuerungsbeschränkung, enthält jedoch relevante Informationen über den aktuellen Stand der hochgradigen Niereninsuffizienz (Kreatininspiegel >4,0 mg% und glomerulären Filtrationsrate 1 1,92 ml/Min. bei einem
Referenzwert von >90 ml/Min.), welche ebenso wie die Grunderkrankung der Multiplen Sklerose eine wesentliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bewirkt und sohin das ausgeprägte Fatiguesyndrom erklären lässt.
Schlussfolgerung:
Die von der Beschwerdeführerin durch ihre Vertreterin vorgebrachten Einwendungen wurden eingesehen (siehe Aktenseite 48-50). Insbesondere auf Basis des rezenten klinischen Befundes vom 03.11.2020, bei dem eine maßgebliche Mobilitätseinbuße verifiziert werden konnte, ist die gefahrlose Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dauerhafter Mobilitätseinschränkung und ausgeprägter Belastungsstörung mit Fatiguesyndrom durch die unter lf. Nr. 1) und 2) angeführten Behinderungen nicht zumutbar.
Die abweichende Beurteilung gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung aus 02/2019 und dem aktenmäßigen Vergleichsgutachten aus 06/2020 ergibt sich durch die Verschlimmerung des neurologischen Leidens mit objektivierbarer Verschlechterung der Gehleistung.
Aus heutiger Sicht ist mit keiner signifikanten Befundbesserung zu rechnen und sohin ist ein Dauerzustand anzunehmen und eine Nachuntersuchung entbehrlich.“
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.
Die Beschwerdeführerin, vertreten durch den KOBV, brachte mit Schreiben vom 25.11.2020 vor, dass mit dem Sachverständigengutachten der bisher von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Zustand bestätigt werde. Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist berufstätig und gehört dem Personenkreis der begünstigten Behinderten an. Sie ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses, in welchem ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. ausgewiesen ist.
Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende dauerhafte Funktionseinschränkungen vor:
1. Encephalitis disseminata (Multiple Sklerose) mit beinbetonter spastischer Tetraparese; inkludiert Begleitdepression, Fatiguesyndrom und Blasenentleerungsstörung
2. Zystenniere mit hochgradiger Niereninsuffizienz; inkludiert renale Hypertonie
Die Beschwerdeführerin leidet an einer Multiplen Sklerose mit primär progredienten Verlauf (PPMS). Aufgrund der laufenden Verschlechterung dieser Erkrankung liegen bei der Beschwerdeführerin mittlerweile erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor, die eine wesentliche Beeinträchtigung der Gehleistung bzw. der Gangsicherheit bewirken, sodass die sichere Fortbewegung maßgeblich beeinträchtigt ist. Die in der Gesundheitsschädigung 1. inkludierte erhöhte Müdigkeit (Fatiguesyndrom), bedingt eine höhere Sturzgefahr, aufgrund welcher eine sichere Fortbewegung in fahrenden öffentlichen Verkehrsmitteln und ein sturzfreies Überwinden von Niveauunterschieden nicht gewährleistet werden kann. Die Sturzneigung liegt trotz der Benützung eines Einpunktstockes vor.
Der Beschwerdeführerin ist das Zurücklegen einer Gehstrecke von zumindest 300-400 m und somit auch das Erreichen öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar.
Es liegen auch erhebliche Einschränkungen der oberen Extremitäten mit Muskelatrophie und Reduktion der groben Kraft vor, welche sich insbesondere auf die Fähigkeit in ein Verkehrsmittel ein- bzw. auszusteigen sowie sich beim üblichen Betrieb in einem solchen anzuhalten, auswirken.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin aufgrund der vorliegenden erheblichen Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten nicht mehr zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin dem Personenkreis der begünstigten Behinderten nach dem BEinstG angehört und einen unbefristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. besitzt, basieren auf dem Akteninhalt, insbesondere dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 20.09.2019 (Seite 60 des Verwaltungsaktes).
Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin aktuell vorliegenden dauernden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachten, welches den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht und von diesen nicht bestritten wurde.
Dass die Beschwerdeführerin an einer primär progredienten multiplen Sklerose (PPMS) leidet, welche durch eine voranschreitende Behinderung gekennzeichnet ist und mit einer zunehmenden Beeinträchtigung der Gehfähigkeit einhergeht, ergibt sich zudem aus den zahlreichen von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Befunden. Die festgestellten Auswirkungen dieser dauerhaft vorliegenden Funktionseinschränkung bzw. Gesundheitsschädigung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich ebenfalls auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten, welches einen aktuellen klinischen Untersuchungsbefund, insbesondere hinsichtlich der unteren und oberen Extremitäten sowie der Gesamtmobilität und des Gangbildes enthält.
Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf Basis des klinischen Befundes und in Zusammenschau mit den im Verfahren vorgelegten medizinischen Befunden sind für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar. Die Mobilität der Beschwerdeführerin hat seit der letzten persönlichen Begutachtung im November 2019 eine maßgebliche Verschlechterung erfahren (das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin konnte vom Sachverständigen auf Basis des klinischen Befundes verifiziert werden), die Gehleistung der Beschwerdeführerin ist deutlich eingeschränkt, das Gangbild ist unsicher und spastisch.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte, insbesondere mit dem Fatiguesyndom in Zusammenhang stehende, Sturzneigung trotz der Verwendung eines Hilfsmittels in Form eines Einpunktstockes konnte objektiviert werden. Die laufende Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin und der aktuell erhobene klinische Befund des Sachverständigen, mit dem Ergebnis, dass im Vergleich zur letzten persönlichen Begutachtung am 22.11.2019 eine Verschlimmerung des neurologischen Leidens mit objektivierbarer Verschlechterung der Gehleistung eingetreten ist, wird auch mit dem nunmehr berücksichtigten Befund des behandelnden Neurologen vom 27.07.2020 gestützt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen insgesamt keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des nunmehr vorliegenden, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachtens vom 04.11.2020. Dieses wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A)
Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.
Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.
Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Die in Ausübung dieser Ermächtigung erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert.
Der für die hier begehrte Zusatzeintragung relevante § 1 Abs. 4 Z 3 der zitierten Verordnung hat folgenden Wortlaut:
„§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. ...
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche E