Entscheidungsdatum
06.11.2020Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z3Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Säumnisbeschwerde der Frau A. B. vom 17.08.2020 betreffend Petition C., den
BESCHLUSS
gefasst:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
BEGRÜNDUNG
Mit Eingabe vom 28.11. 2019 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Präsidenten des Wiener Landtages eine ausdrücklich auf das Gesetz über Petition in Wien idF LGBl. Nr. 38/2019 gestützte Petition samt Beilagen unter dem Titel:
„C., … bis durch einen Umweltbericht …, die Beurteilung des Gesundheitsrisikos für die Bevölkerung … abgeschlossen ist, damit beurteilt werden kann, ob die Planung … mit …, der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, vereinbar ist.“
Mit Schreiben vom 4.2.2020 wurde der Beschwerdeführerin von der Magistratsabteilung 65 als für Petitionen zuständige Abteilung des Magistrates der Stadt Wien unter Bekanntgabe der zur Petition der Beschwerdeführerin erfolgten Stellungnahmen der Fachabteilungen Magistratsabteilung 64 und 21A, mitgeteilt, dass ihr Anliegen nicht die Formalvoraussetzungen des Gesetzes über Petitionen in Wien erfülle. Aus dem Petitionstext ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine Zuständigkeit des Landes Wien bzw. der Gemeinde Wien, weder in Gesetzgebung noch in Vollziehung.
Dem hielt die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 11.2.2020 abschließend entgegen, ihr Schreiben, mit welchem sie die Petition eingereicht habe, sei ein zu erledigendes Anbringen im Sinne des § 13 AVG.
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 65, setzte daraufhin die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20.3.2020 in Kenntnis, dass sich auch nach neuerlicher Überprüfung die Rechtsansicht des Magistrates bezüglich der Unzulässigkeit der eingebrachten Petition nicht verändert habe. Dem Ersuchen um bescheidmäßige Erledigung des Anbringens könne nicht entsprochen werden, da die Bestimmungen des Wiener Petitionsgesetzes keine Rechtsgrundlage für eine bescheidmäßige Erledigung im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG beinhalten.
Darauf replizierte die Beschwerdeführerin, dass sie mit dieser Erledigung ihrer Petition nicht einverstanden sei, da sie einen Missstand in der Vollziehung der Wiener Landesgesetze aufgezeigt habe und sie es für verwunderlich erachte, dass die für diesen Missstand zuständigen Dienststellen ihre Unzuständigkeit erklärten. Gleichzeitig kündigte sie eine Säumnisbeschwerde und Sachverhaltsdarstellung wegen vermuteten Amtsmissbrauches an.
Am 21.6.2020 langte die mit Schriftsatz vom 17.6.2020 datierte, auf Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG gestützte Säumnisbeschwerde bei der belangten Behörde ein, in der die Beschwerdeführerin wie folgt begehrt und begründet:
„Begehrt wird:
1. Das Landesverwaltungsgericht Wien wolle gemäß § 5 (1) AVG 1991 feststellen, dass die Kompetenz für die Umweltprüfung Landessache ist.
2. Das Landesverwaltungsgericht Wien wolle in der Sache selbst entscheiden und
a. Die für eine Umweltprüfung zuständige Magistratsabteilung des Bundeslandes Wien veranlassen, dass diese in Entsprechung meines mit Schreiben vom 28.11.2019 gestellten Begehrens, eine Umweltprüfung …, unter Zugrundelegung der Bauordnung für Wien, durchführt und
b. mir in diesem Verfahren die Parteistellung gemäß § 8 AVG und im Sinne der „Äarhus-Konvention“, zuerkennen.
3. Das Landesverwaltungsgericht Wien wolle zur Klärung eventuell noch offener Sach- und Rechtsfragen eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.
Rechtzeitigkeit:
Die Petition wurde mit Schreiben vom 28.11.2019 per Post eingeschrieben an die Adresse des Präsidenten des Wiener Landtages aufgegeben und ist am 13. Dezember 2019 bei der MA 65 (Petitionen) eingelangt.
Seit dem Einlangen am 13.12.2019 bei der MA 65, sind mehr als 6 Monate vergangen, ohne dass die MA 65 eine bescheidmäßige Erledigung meines Antrages um Umweltprüfung nachgekommen ist. Die Säumnisbeschwerde ist daher rechtzeitig unzulässig.“
Die Säumnisbeschwerde wurde dem Verwaltungsgericht Wien am 23.9.2020 vorgelegt.
Diese Feststellungen gründen sich auf das Parteienvorbringen im Zusammenhalt mit dem vorgelegten Akt.
Dazu wurde erwogen:
Gemäß Art. 11 erster Satz StGG steht jedermann das Petitionsrecht zu.
Das Gesetz über Petitionen in Wien normiert:
„§ 1. (1) Petitionen, die
1. von mindestens 500 Personen unterfertigt sind, die zum Zeitpunkt der Einbringung das 16. Lebensjahr vollendet und im Gebiet der Stadt Wien ihren Hauptwohnsitz haben, und
2. eine Angelegenheit der Verwaltung der Gemeinde einschließlich der Bezirke betreffen,
sind vom Gemeinderatsausschuss für Petitionen und BürgerInneninitiativen (Petitionsausschuss) zu behandeln. In der Petition ist eine Person als Einbringerin bzw. Einbringer zu benennen und eine Zustelladresse anzugeben, unter der diese Person geladen werden kann.
(2) Petitionen im Sinne dieses Gesetzes sind schriftlich (in Papierform oder elektronisch) beim Magistrat einzubringen. Werden sie elektronisch eingebracht, hat die Identifikation und Authentifizierung der Einbringerin bzw. des Einbringers und der Personen, die die Petition elektronisch unterstützen, mit der Bürgerkarte zu erfolgen. Die Unterstützungserklärungen in Papierform müssen mit dem Titel der Petition sowie der Originalunterschrift, dem Vor- und Familien- bzw. Nachnamen, dem Geburtsdatum und der Adresse des Hauptwohnsitzes der Unterstützerin bzw. des Unterstützers versehen sein.
(3) Der Magistrat hat die Voraussetzungen, unter denen Petitionen Online eingebracht und unterstützt werden können, im Internet zu veröffentlichen.
(4) Die Abgabe von Unterstützungserklärungen ist bis zum Ablauf eines Jahres ab Einbringen einer Petition möglich.
§ 2. (1) Die für Petitionen zuständige amtsführende Stadträtin bzw. der für Petitionen zuständige amtsführende Stadtrat hat die Petition unter Anschluss einer begründeten Empfehlung, ob die Petition die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 erfüllt, an den Petitionsausschuss weiterzuleiten.
(2) Die Zusammensetzung und Nominierung der Mitglieder des Petitionsausschusses richtet sich nach § 50 der Wiener Stadtverfassung.
(3) Der Petitionsausschuss kann, auch wenn noch keine 500 Personen die Petition unterstützt haben, darüber entscheiden, ob die Petition die Voraussetzung nach § 1 Abs. 1 Z 2 erfüllt. Petitionen, welche die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 erfüllen, hat der Petitionsausschuss unter Berücksichtigung der sitzungsfreien Zeit ohne Verzug in Behandlung zu nehmen. Im Zuge der Behandlung kann er
1. die Behandlung begründet abschließen;
2. eine Stellungnahme der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters, des zuständigen Mitglied des Stadtsenates, eines anderen Ausschusses, einer Bezirksvorsteherin oder eines Bezirksvorstehers, einer Bezirksvertretung, der Volksanwaltschaft oder einer sonst hievon betroffenen Stelle einholen;
3. die Einbringerin bzw. den Einbringer zur schriftlichen oder mündlichen Erläuterung des Inhaltes der Petition einladen. Die Einbringerin bzw. der Einbringer kann auf Wunsch auch mit einer Begleit- bzw. Vertrauensperson zur Sitzung des Petitionsausschusses erscheinen. Kommt die Einbringerin bzw. der Einbringer, oder eine von ihr bzw. ihm benannte Vertretung einer entsprechenden Einladung nicht nach, ist der Petitionsausschuss nicht verpflichtet, die Petition weiter zu behandeln; auf diese Rechtsfolge ist in der Einladung hinzuweisen;
4. eine Empfehlung über die weitere Vorgangsweise beschließen. In diesem Fall ist die Empfehlung unter Anschluss der Petition an das zuständige Organ der Gemeinde weiterzuleiten.
(3a) Die vom Petitionsausschuss eingeforderten Stellungnahmen gemäß Abs. 3 Z 2 sind zeitgleich mit der Versendung der Tagesordnung für die betreffende Sitzung des Petitionsausschusses im Internet zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten in Stellungnahmen ist nur insoweit zulässig, sofern deren Kenntnis für das Verständnis des Inhalts der Stellungnahme zwingend erforderlich ist.
(4) Nach Behandlung im Petitionsausschuss ist die Petition durch die für Petitionen zuständige amtsführende Stadträtin bzw. den für Petitionen zuständigen amtsführenden Stadtrat schriftlich gegenüber der Einbringerin bzw. dem Einbringer zu beantworten. Der Petitionsausschuss ist über die Beantwortung in Kenntnis zu setzen. Die Beantwortungen sind im Internet zu veröffentlichen.
§ 3. Die für Petitionen zuständige amtsführende Stadträtin bzw. der für Petitionen zuständige amtsführende Stadtrat hat einmal jährlich über die Behandlung der abgeschlossenen Petitionen dem Gemeinderat zu berichten. Der Bericht ist im Internet zu veröffentlichen.
Für Petitionen, die die Voraussetzungen nach Art. I § 1 Abs. 1 Z 1 erfüllen und eine Angelegenheit der Gesetzgebung oder Verwaltung des Landes Wien zum Inhalt haben, gilt Art. I mit der Maßgabe sinngemäß, dass an die Stelle der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters die Landeshauptfrau bzw. der Landeshauptmann, an Stelle des Stadtsenates die Landesregierung und an die Stelle der zuständigen amtsführenden Stadträtin bzw. des zuständigen amtsführenden Stadtrates das zuständige Mitglied der Landesregierung tritt, Empfehlungen an das zuständige Organ des Landes weiterzuleiten sind und über die Behandlung der eingebrachten Petitionen dem Landtag zu berichten ist (Verfassungsbestimmung).“
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Entsprechend Art. 132 Abs. 3 B-VG kann wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.
Zufolge § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Nach § 9 Abs. 2 Z 3 VwGVG ist in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG belangte Behörde jene Behörde, die den Bescheid nicht erlassen hat.
Gemäß Abs. 5 leg. cit. ist bei Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als belangte Behörde die Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache begehrt wurde. Ferner ist glaubhaft zu machen, dass die Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 abgelaufen ist.
Unter Petitionen versteht man Anträge allgemeiner Art an die Organe der Gesetzgebung oder Vollziehung, die die Erlassung bestimmter genereller Anordnungen oder die Abstellung bestimmter rechtlicher Zustände begehren (vgl. VfSlg 4065, 6131, 6441). Dies ist im Gesetz über Petitionen in Wien näher ausgestaltet. Einen Rechtsanspruch auf Erlassung der gewünschten Anordnung bzw. auf besondere Verfahren zur Durchführung beinhaltet das Petitionsrecht nicht (vgl. dazu VfGH 25.06.2009, B 2358/07).
Fehlt es aber bereits an einer Verpflichtung einer Behörde mit Bescheid über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag abzusprechen, wurde keine Entscheidungspflicht verletzt und es scheidet die Erhebung einer Säumnisbeschwerde jedenfalls aus, weswegen – ohne näher zu erörtern, ob eine Zuständigkeit des Landes Wien oder der Gemeinde Wien vorliegt – spruchgemäß zu entscheiden war; demgemäß konnte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Säumnisbeschwerde; Zulässigkeit; Petition; EntscheidungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.014.11865.2020Zuletzt aktualisiert am
18.02.2021