TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/14 W139 2233092-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.10.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §166
BVergG 2018 §167
BVergG 2018 §172
BVergG 2018 §193 Abs1
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §249 Abs2 Z1
BVergG 2018 §249 Abs2 Z9
BVergG 2018 §249 Abs3
BVergG 2018 §249 Abs4
BVergG 2018 §250 Z4
BVergG 2018 §251 Abs1
BVergG 2018 §251 Abs2
BVergG 2018 §253 Abs1
BVergG 2018 §254 Abs1
BVergG 2018 §254 Abs2
BVergG 2018 §254 Abs3
BVergG 2018 §254 Abs5
BVergG 2018 §255 Abs1
BVergG 2018 §255 Abs2
BVergG 2018 §255 Abs3
BVergG 2018 §299
BVergG 2018 §301 Abs1
BVergG 2018 §302 Abs1 Z2
BVergG 2018 §302 Abs3
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs2
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §347
BVergG 2018 §365
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
BVergG 2018 §78
BVergG 2018 §82
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W139 2233092-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Vorsitzende sowie DI DR. Sabine RÖDLER als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und Dr. Manfred MÜLLNER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite über den Antrag XXXX , vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Gauermanngasse 2, 1010 Wien, auf Nichtigerklärung betreffend das Vergabeverfahren „Kraftwerk Obervellach II/Hauptbaulos Bau inkl Druckrohrleitung (Verfahren ID: 38957)“ der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur AG, Nordbahnstraße 50, 1020 Wien, vertreten durch XXXX , Jasomirgottstraße 6/5, 1010 Wien:

A)

Der Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge die Ausscheidenentscheidung vom 07.07.2020 für nichtig erklären“, wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.



Text


Begründung:

I.       Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

1. Am 16.07.2020 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 07.07.2020, verbunden mit einem Antrag auf Akteneinsicht, einem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie einem Antrag auf Gebührenersatz.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Auftraggeberin habe am 18.10.2019 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (Zahl 2019/S 202-492784) eine Bekanntmachung betreffend einen Bauauftrag im Sektorenbereich „Kraftwerk Obervellach II/Hauptbaulos Bau inkl. Druckrohrleitung“ veröffentlicht. Das Vergabeverfahren werde als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich durchgeführt. Die Antragstellerin habe nach erfolgreicher Bewerbung um die Teilnahme am Vergabeverfahren ein frist- und formgerechtes Erstangebot abgegeben. Am 03.06.2020 habe eine mündliche Verhandlung mit der Auftraggeberin stattgefunden. Die Frist zur Abgabe der Letztangebote habe am 10.06.2020 geendet. Die Antragstellerin habe ein frist- und formgerechtes Letztangebot vorgelegt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX sei über die XXXX ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet worden XXXX Zum Sannierungsverwalter sei XXXX , bestellt worden. Der Sanierungsverwalter habe der Auftraggeberin mit Schreiben vom 23.06.2020 mitgeteilt, dass er in Kenntnis der Angebotslegung XXXX sei und die für die Fortführung des Unternehmens XXXX erforderliche Finanzierung gesichert sei. XXXX habe der Auftraggeberin mit Schreiben vom 26.06.2020 den von ihr mit XXXX am 28.10.2019 abgeschlossenen ARGE-Vorvertrag übermittelt und ihr mitgeteilt, dass ein Ausscheiden von XXXX bzw eine Auflösung des Vorvertrages aufgrund des eröffneten Sanierungsverfahrens nicht erfolgt sei, vielmehr habe XXXX die volle Einhaltung des Vorvertrages und eine unveränderte Durchführung des Auftrages im Auftragsfalle beschlossen. Darüber hinaus habe die Antragstellerin der Auftraggeberin mehrere Unterlagen zum Nachweis der unverminderten Eignung, insbesondere der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von XXXX vorgelegt. Insbesondere die Plausibilisierung der Fortführungsrechnung durch XXXX sei vorgelegt worden und der Kreditvertrag der XXXX mit XXXX vom XXXX sei der Rechtsvertretung der Auftraggeberin zur Verfügung gestellt worden.

Gleichwohl habe die Auftraggeberin der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.07.2020 mitgeteilt, dass ihr Angebot gemäß § 302 Abs 1 Z 2 und Abs 3 BVergG iVm § 249 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 ausgeschieden würde. Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung damit begründet, dass XXXX nicht die erforderliche Sicherheit für die Erfüllung der (gesamten) vertraglichen Pflichten bieten würde und daher - unter Berufung auf deutsche Rechtsprechung, allerdings ohne Angabe von Belegstellen - kein Ermessen bestünde, sondern sie zum Ausscheiden verpflichtet sei. Es bestünden zwar positive Signale, die Risiken/Unsicherheiten würden jedoch für das Ausscheiden bzw den Ausschluss sprechen.

Dazu habe die Auftraggeberin ausgeführt, dass zwar ein Sanierungsplan vorliege, dem der Gläubigerausschuss bereits zugestimmt habe, die Auftraggeberin habe aber keine Sicherheit, dass der Sanierungsplan endgültig angenommen und erfüllt würde. Weiters sei auch über XXXX ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet worden. Die Gesellschafterin XXXX und Solidarschuldnerin für den Kredit bei der XXXX hätte ein KSV-Rating von XXXX . Die von XXXX nachgewiesene Finanzierung sei unbeachtlich, da dieser Kreditvertrag außerordentliche Kündigungsrechte vorsehe und nur XXXX laufe. Außerdem würde die dieser Finanzierung zugrundeliegende „aufschlussreiche Analyse“ und „ausführliche Plausibilisierung“ der Fortführungsrechnung durch XXXX einen Disclaimer enthalten. Aus diesen Gründen sei das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden, darüber hinaus würde das Rating von XXXX ein Ausscheiden „ohne Ermessensspielraum“ begründen und zudem bestünde auch ein Rückstand bei der Sozialversicherung.

Der Zuschlag sei bislang nicht erteilt worden, das Vergabeverfahren sei bislang auch nicht widerrufen worden.

Die Antragstellerin habe durch die Abgabe ihres Teilnahmeantrages sowie der Angebote ihr Interesse am Erhalt des Auftrages bekundet, sie habe ihr fortgesetztes Interesse durch die Einbringung des gegenständlichen Nachprüfungsantrages bestätigt. Durch das rechtswidrige Ausscheiden ihres Angebotes sei ihr ein im frustrierten Aufwand für die Teilnahme am Vergabeverfahren, insbesondere für die Ausarbeitung des Angebots, sowie ein in externen notwendigen Rechtsberatungskosten liegender Schaden entstanden. Durch die Ausscheidensentscheidung entgehe der Antragstellerin die Möglichkeit zum Abschluss des Vertrages und Erzielung des aus dem gegenständlichen Vertrag zu lukrierenden Gewinns und Deckungsbeitrages zu den Fixkosten. Zudem seien die Mitglieder der antragstellenden Bietergemeinschaft seit Jahren führende Unternehmen in diesem Bereich, die weltweit tätig seien und vergleichbare Aufträge erbracht hätten. Sie hätten ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse am Abschluss des gegenständlichen Auftrags, weil es sich hierbei um ein wichtiges Referenzprojekt für zukünftige Vergabeverfahren handle. All diese Nachteile und Schäden seien nur durch die Nichtigerklärung der rechtswidrigen Ausscheidensentscheidung 07.07.2020 zu verhindern. Die Antragstellerin bezeichnete die Rechte, in denen sie sich verletzt erachte.

Zur Rechtwidrigkeit der Ausscheidensentscheidung führte die Antragstellerin Folgendes aus:

Gemäß § 254 Abs 1 BVergG 2018 sei ein Unternehmen bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes grundsätzlich vom Vergabeverfahren auszuschließen. Diese Grundregel gelte jedoch nicht, wenn die Voraussetzungen des § 249 Abs 4-6 BVergG 2018 vorliegen würden, oder der Unternehmer glaubhaft mache, dass er trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt:

Die Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft für die Durchführung des Auftrages sei hinreichend. Trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens könne der Auftraggeber gemäß § 249 Abs 4 BVergG 2018 vom Ausschluss absehen „wenn die Leistungsfähigkeit des Unternehmers für die Durchführung des Auftrages ausreicht“. Die Auftraggeberin habe den Ausschluss damit begründet, dass XXXX „nicht die notwendige Sicherheit für die Erfüllung der (gesamten) vertraglichen Pflichten biete“. Diese Beurteilung müsse jedoch - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - in Hinblick auf die Bietergemeinschaft insgesamt erfolgen und dürfe sich nicht isoliert auf ein Mitglied oder jedes Mitglied der Bietergemeinschaft beziehen.

Das ergebe sich bereits aus dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So habe der EuGH in ständiger Rechtsprechung zu fakultativen Ausschlussgründen judiziert, dass „nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, die von den Mitgliedsstaaten oder der öffentlichen Auftraggeberin im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie aufgestellten Regeln, wie etwa die Regeln zur Festlegung der Bedingungen für die Anwendung von Art 57 der RL, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung der mit dieser RL verfolgten Ziele erforderlich ist.“

Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar, zumal in beiden Fällen dem Ausschluss eines Unternehmens eine Ermessensentscheidung zugrunde liege. Ziel des Vergaberechts sei die Sicherstellung des größtmöglichen Wettbewerbs. Diesem Ziel diene ua die Möglichkeit für Unternehmer, sich zu einer Bietergemeinschaft zusammen zu schließen, und damit ihre Ressourcen zu bündeln. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange daher, dass sich die Beurteilung gem. § 249 Abs 4 BVergG 2018 auf die gesamte Bietergemeinschaft beziehe und nicht isoliert nur auf das sich in einem Sanierungsverfahren befindliche Mitglied einer Bietergemeinschaft. Dies lege im Übrigen auch bereits der Gesetzeswortlaut nahe, seien doch nach der Legaldefinition „Unternehmer“ unter diesem Begriff auch Bietergemeinschaften zu verstehen. Zudem würde die von der Auftraggeberin vertretene Auffassung § 249 Abs 4 BVergG 2018 jeglichen Anwendungsbereich nehmen, wenn die Leistungsfähigkeit isoliert für das sich in einem Sanierungsverfahren befindliche Mitglied der Bietergemeinschaft beurteilt würde und dabei insbesondere darauf gestützt werden könnte, dass die Annahme und tatsächliche Erfüllung des Sanierungsplanes nicht gesichert sei. Denn Wesen einer Bietergemeinschaft sei der Zusammenschluss mit solidarischer Verpflichtung zur gemeinsamen Erbringung eines Auftrags. Gerade bei Unternehmen, die sich in einem Sanierungsverfahren befinden würden, sei die Annahme bzw tatsächliche Erfüllung des Sanierungsplanes kein geeignetes Kriterium, zumal das Insolvenzverfahren bereits mit der gerichtlichen Bestätigung des Sanierungsplanes - und folglich stets vor vollständiger Zahlung durch den Unternehmer - ende. Da dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, mit dem neu geschaffenen § 249 Abs 4 BVergG 2018 eine inhaltsleere Bestimmung normiert zu haben, könne der Auffassung der Antragsgegnerin auch aus diesem Grund nicht gefolgt werden.

Darüber hinaus ergebe sich eine wesentliche Einschränkung des Ermessensspielraumes des Auftraggebers durch die Insolvenzordnung und den darin normierten Gläubigerschutz. § 21 Abs 1 IO würde bestimmen, dass der Insolvenzverwalter bei zweiseitig verbindlichen Verträgen entweder anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten könne. Dem entgegen stehende Vereinbarungen seien unwirksam. Gemäß § 25b Abs 1 IO könnten sich die Vertragsteile nicht auf Vereinbarungen berufen, durch die die Anwendung der §§ 21 bis 25a IO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt würde. Gemäß § 25b Abs 2 IO sei die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, außer in den Fällen des § 20 Abs 4 IO unzulässig. In den Erläuterungen werde dazu präzisiert: „Wenn keine sonstigen Gründe für eine Vertragsauflösung vorliegen, soll das bloße Faktum der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dafür nicht ausreichen.“

Damit würde der Gesetzgeber verhindern, dass sich Vertragspartner an der Insolvenz anderer Unternehmen zu Lasten der Gläubiger des insolventen Unternehmens bereichern, indem sie den insolventen Vertragspartner aus allen gewinnbringenden Verträgen hinauskündigen. Vielmehr könne der Insolvenzverwalter entscheiden, welche Verträge er erfülle und welche nicht. Mehr als die vollständige Vertragserfüllung könne daher auch ein öffentlicher Auftraggeber nicht verlangen. Daher müsse sich der Auftraggeber damit begnügen, dass die Leistungsfähigkeit zur Ausführung des gegenständlichen Verfahrens hinreiche. Darüberhinausgehende Bedingungen, etwa die Annahme eines Sanierungsplanes, dürfe der Sektorenauftraggeber bei sonstiger Unwirksamkeit weder festlegen noch fordern, sonst würde er den gesetzlichen Gläubigerschutz aushebeln bzw unterlaufen.

Würde einem Auftraggeber - wie von der Antragsgegnerin vertreten - über die Prüfung der Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft gemäß § 249 Abs 4 BVergG 2018 hinausgehend ein Recht zum Ausschluss des Bieters zukommen, wäre dies ein im Sinne des § 25b Abs 2 IO unzulässiges Rücktrittsrecht zulasten der Gläubiger. Sofern die Voraussetzungen gem. § 249 Abs 4 BVergG 2018 gegeben seien, dürfe somit nach nationalem Recht ein Auftraggeber einen Unternehmer nicht ausschließen. Ein Ermessensspielraum des Auftraggebers bestehe daher insofern nicht. Die „Kann“-Bestimmung in § 249 Abs 4 BVergG 2018 sei in Zusammenschau mit § 25b IO iV § 21 IO daher insofern als „Muss“-Bestimmung auszulegen, als der Auftraggeber bei Vorliegen der Leistungsfähigkeit des Bieters bzw der Bietergemeinschaft zur Ausführung des Auftrages von einem Ausschuss gemäß § 249 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 absehen müsse. Damit verbleibe zum Schutz der Gläubiger die Möglichkeit der Entscheidung des Insolvenzverwalters, den zweiseitig verbindlichen Auftrag auszuführen.

Sei die Bietergemeinschaft hinreichend leistungsfähig iSv § 249 Abs 4 BVergG 2018, dürfe ein Ausschluss daher aufgrund der Bestimmungen der Insolvenzordnung nicht erfolgen. Die hinreichende Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft liege im vorliegenden Fall schon deshalb vor, weil das zweite Mitglied der Bietergemeinschaft, XXXX , solidarisch zur Leistungserbringung verpflichtet sei und gegenüber der Antragsgegnerin ausdrücklich erklärt habe, den Vorvertrag vollständig einzuhalten und im Auftragsfall den Auftrag unverändert durchzuführen.

Darüber hinaus sei der Auftraggeberin durch den Sanierungsverwalter von XXXX bestätigt worden, dass die Finanzierung für die Fortführung des Unternehmens gesichert sei. Dazu sei insbesondere die plausibilisierte Fortführungsprognose von XXXX vorgelegt worden, worin XXXX ein positives Betriebsergebnis errechnet werde. Die Insolvenzquote sei durch freie Altforderungen gedeckt. Das Finanzierungserfordernis sei auf ca EUR XXXX geschätzt worden, wobei zusätzliche Sicherheiten in der Höhe von EUR XXXX kurz- bis mittelfristig verfügbar seien.

Nicht zuletzt auf Basis dieser Plausibilisierung der Fortführungsrechnung sei XXXX von der XXXX ein Kredit in Höhe von XXXX gewährt worden, wobei dieser Kreditbetrag ausweislich der Fortführungsrechnung kaum benötigt werden würde. Es liege daher, ungeachtet des über XXXX eingeleiteten Insolvenzverfahrens, jedenfalls eine hinreichende Leistungsfähigkeit iSd § 249 Abs 4 BVergG 2018 vor.

Indem die Antragsgegnerin ihre Beurteilung isoliert auf XXXX bezogen und verkannt habe, dass die Vorgaben des Gläubigerschutzes aufgrund der Insolvenzordnung den Ermessensspielraum gemäß § 249 Abs 4 BVergG 2018 stark beschränken, sei die vorliegende Ausscheidensentscheidung rechtswidrig. Die Auftraggeberin habe folglich das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt bzw den im Sinne des Gesetzes tatsächlich vorhandenen Ermessensspielraum überschritten. Denn hätte die Auftraggeberin die Beurteilung rechtskonform vorgenommen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bietergemeinschaft für die Durchführung des Auftrages hinreichend leistungsfähg sei. Die Voraussetzungen des § 249 Abs 4 BVergG 2018 seien daher gegeben.

Bei Heranziehung der richtigen Beurteilungsgrundlagen und unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Vorgaben hätte die Antragsgegnerin die gegenständliche Ausscheidensentscheidung nicht getroffen bzw hätte diese nicht getroffen werden dürfen, sodass dies für den Ausgang des Verfahrens wesentlich sei.

Weiters führte die Antragstellerin aus, dass selbst wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangen würde, dass ein Ausschlussgrund vorgelegen sei, sei die gegenständliche Ausscheidensentscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet, da die Antragsgegnerin entgegen § 254 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 keine Prüfung vorgenommen habe, ob die Antragstellerin dessen ungeachtet zuverlässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH komme dem Auftraggeber bei dieser Beurteilung kein Ermessen zu. „Diese RL führt nämlich insbesondere dadurch eine Neuerung ein, dass in ihrem Art 57 Abs 6 der Mechanismus der Abhilfemaßnahmen (self-cleaning) verankert sei. Dieser Mechanismus, der auf Wirtschaftsteilnehmer Anwendung finde, die nicht durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ausgeschlossen sind, soll einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in Art 57 Abs 4 der RL 2014/24 genannten Situationen befindet, dazu veranlassen, Nachweise dafür zu erbringen, dass die von ihm ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. Werden solche Nachweise für ausreichend befunden, so darf der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nicht von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.“

Ein automatischer Ausschluss, der einem Bieter die Möglichkeit nehme, gemäß Art 57 Abs 6 der RL 2014/24 nachzuweisen, dass er zuverlässig sei, sei unzulässig. Indem die Antragsgegnerin diese Beurteilung unterlassen habe, sei die vorliegende Entscheidung rechtswidrig; die Angebotsprüfung der Antragsgegnerin sei in diesem Zusammenhang unvollständig, da der Antragstellerin die Einschätzung der Antragsgegnerin nicht vorgehalten worden sei und ihr keine Möglichkeit zur Stellungnahme bzw Darlegung, dass die Zuverlässigkeit sehr wohl gegeben sei, eingeräumt worden sei.

Bei richtiger Beurteilung hätte die Antragsgegnerin aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine erfolgreiche Selbstreinigung erfolgt sei: XXXX habe einen defizitären Geschäftsbereich XXXX , aufgrund dessen das Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei, gehabt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe XXXX selbst beantragt; XXXX habe mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Sanierungsplan vorgelegt. Die Schließung des defizitären Geschäftsbereiches sei mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom XXXX bewilligt worden. XXXX habe daher die iSd § 254 BVergG 2018 erforderlichen Maßnahmen getroffen.

Ergänzend habe die Auftraggeberin ausgeführt, dass durch die Insolvenzeröffnung das XXXX von XXXX auf XXXX geändert worden sei und ein Rückstand bei der Sozialversicherung bestehe, sodass auch aus diesem Grund ein Ausscheiden zwingend sei. Gemäß Pkt.12.3.1.13. der Bewerbungsunterlagen müssten der Bewerber bzw Bieter bzw alle Mitglieder der Bewerber- bzw Bietergemeinschaft „für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine entsprechende Bonität, welche kein erhöhtes Risiko ergibt (z.B. Rating an Hand des KSV max. 399), haben.“

In der Ausschreibung werde als Eignungsanforderung damit nach dem objektiven Erklärungswert festgelegt, dass eine Bonität verlangt werde, welche kein erhöhtes Risiko ergebe. Nur beispielhaft werde darin ein bestimmtes KSV-Rating genannt. Ein KSV-Rating werde von der Ausschreibung nicht zwingend gefordert. Die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit könne daher auch mittels anderer Nachweise belegt werden, sofern ein vergleichbares Niveau wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu einem Rating von zumindest 399 sichergestellt werde. Damit sei das Ausscheiden der Antragstellerin ausschließlich auf Grund des KSV-Ratings nicht zulässig.

Selbst wenn ein solches KSV-Rating vorgesehen worden sei, hätten gemäß § 255 Abs 2 BVergG 2018 geeignete alternative Nachweise vorgelegt werden können. Dies entspreche auch der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. In diesem Sinn habe der VwGH entschieden, dass als mögliche alternative Unterlagen etwa eine Liste über die vergebenen öffentlichen Aufträge, Bestätigungen vom Finanzamt und Gebietskrankenkasse, Auskunft des KSV sowie der Hausbank in Betracht kommen würden, wenn diese Unterlagen hinsichtlich ihrer Aussagekraft einem nachgewiesenen KSV-Rating gleichwertig seien.

Wie die Auftraggeberin mit dem Wort „naturgemäß“ selbst in der Ausscheidensentscheidung indiziert habe, werde bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch - unabhängig von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Unternehmers - das KSV Rating auf XXXX geändert. Es liege daher in diesem Fall ein berechtigter Grund vor, weshalb ein Unternehmer nicht den Nachweis eines KSV-Ratings erbringen könne.

Die Antragsgegnerin hätte daher prüfen müssen, ob ihr von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen geeignete alternative Nachweise für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seien und dies bei richtiger Beurteilung bejahen müssen. Insbesondere der Kreditvertrag XXXX bescheinige das Vorliegen der Kreditwürdigkeit und ein aus Sicht der Bank nicht überdurchschnittliches Ausfallsrisiko von XXXX . Die tatsächliche Kreditgewährung habe daher, insbesondere in Zusammenschau mit der ihr zugrundeliegenden Fortführungsrechnung eine zumindest gleichwertige Aussagekraft zu einem Rating, das eine bloß theoretische Auskunft für die Beurteilung der Bonität und Kreditgewährung sei.

Hinsichtlich des in der Ausscheidensentscheidung angesprochenen Rückstands bei der Sozialversicherung sei darauf hinzuweisen, dass dieser Ausschlussgrund nur bei fälligen Forderungen erfüllt sei und selbst in diesem Fall bei Vorliegen einer verbindlichen Vereinbarung von einem Ausschluss Abstand zu nehmen sei. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sei dieser Ausschlussgrund hinsichtlich XXXX nicht erfüllt: XXXX habe die Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum inklusive Jänner 2020 vollständig entrichtet, was aus der vorgelegten Bestätigung der Österreichischen Gesundheitskasse hervorgehe. Für die nachfolgenden Monate habe XXXX wie der Großteil aller Unternehmen in Österreich die gesetzliche Möglichkeit zur Stundung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund von COVID-19 in Anspruch genommen. Demnach seien die Beiträge für Februar, März und April 2020 automatisch gestundet worden und seien erst zum 15.01.2021 zu entrichten. Die Beiträge für Mai waren bis XXXX zu entrichten, sodass bis XXXX kein Verzug vorgelegen sei und daher mit dem Auszug vom 06.06.2020 keine fehlende Zuverlässigkeit dargetan werden könne.

Die allgemeine gesetzliche Stundung sei einer verbindlichen Vereinbarung gleichwertig, weshalb die Voraussetzungen des § 249 Abs 5 Z 1 BVergG 2018 erfüllt seien. Zudem sei festzuhalten, dass in praktisch jedem Insolvenzfall eines Unternehmens mit physischen Mitarbeitern ein Rückstand bei der Sozialversicherung vorliegen würde aus diesem Grunde habe der Gesetzgeber die Bestimmung des § 249 Abs 4 BVergG 2018 festgelegt. Daraus ergebe sich, dass ein Rückstand bei der Sozialversicherung kein Grund sein könne, dessen Anwendbarkeit auszuschließen. Ein aus diesem Grunde erfolgter Ausschluss eines Bieters bei hinreichender Leistungsfähigkeit des Unternehmers sei auch aus Gläubigerschutzerwägungen gemäß § 25b IO unzulässig.

Selbst wenn der Ausschlussgrund entgegen der Auffassung der Antragstellerin bejaht werden könne, hätte die Antragsgegnerin auch in diesem Zusammenhang bei rechtskonformer Vorgehensweise der Antragstellerin ihre Einschätzung vorhalten, ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen angemessener Frist gewähren müssen und anhand der eingelangten Stellungnahmen und Nachweise beurteilen müssen, ob die Eignung der Antragstellerin gem. § 249 Abs 5 BVergG 2018 sowie § 254 BVergG 2018 nachgewiesen worden sei.

2. Mit Stellungnahme vom 28.07.2020 führte die Auftraggeberin folgendes aus: Mit Bekanntmachung vom 18.10.2019 zu 2019/S 202-492784 habe die Auftraggeberin das Vergabeverfahren „Kraftwerk Obervellach II/Hauptbaulos inkl Druckrohrleitung“ eingeleitet. Es handele sich um einen Bauauftrag, der im Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip durchgeführt werde. Nach dem Projektzeitplan seien die Fertigstellung aller Bauteile mit April 2023, das Gesamtbauende und die Übergabe mit dem 11.08.2023 festgelegt.

Im gegenständlichen Vergabeverfahren hätte sich unter anderen die Antragstellerin beteiligt. Für den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit habe die XXXX ein Referenzprojekt eingebracht, der Anteil der Leistungen von XXXX in der Bietergemeinschaft für den Leistungsbereich XXXX betrage circa XXXX der Gesamtleistung. Dieser Leistungsbereich sei in der Ausschreibung als kritische Leistung definiert, die der Auftragnehmer selbst zu erbringen habe und nicht auf Subunternehmer übertragen dürfe.

XXXX Bewerber seien zur Angebotslegung in der zweiten Stufe aufgefordert worden, aufgrund des vorgenommenen Shortlistings auf Basis der in der Ausschreibung festgelegten Zuschlagskriterien seien in weiterer Folge nunmehr die Bieter mit den besten XXXX Angeboten zu den weiteren Verhandlungsgesprächen und zur Abgabe eines last and best Offers (LBO) eingeladen worden. Die LBO seien bis zum 10.06.2020 elektronisch abzugeben gewesen. Die Antragstellerin sei aufgrund ihres LBO unter Zugrundelegung der Zuschlagskriterien an XXXX Stelle gereiht worden.

Mit Bekanntmachung vom XXXX sei beim Landesgericht XXXX das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über XXXX eröffnet worden. Mit Bekanntmachung vom XXXX sei zu XXXX über ein weiteres Unternehmen aus der XXXX , gleichfalls das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet worden.

Gemäß § 250 BVergG habe die Eignung im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung grundsätzlich zum Zeitpunkt des Ablaufs der Teilnahmeantragsfrist vorzuliegen und dürfe in der Folge im weiteren Vergabeverfahren nicht mehr verloren gehen.

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stelle grundsätzlich einen Ausschlussgrund gemäß § 249 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 und einen Ausscheidensgrund gem. § 302 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 wegen mangelnder Eignung dar. § 249 Abs 4 BVergG 2018 räume einen Ermessensspielraum ein; ein Sektorenauftraggeber könne von einem Ausschluss Abstand nehmen, wenn die Leistungsfähigkeit eines Unternehmers für die Durchführung des Auftrages ausreiche.

Der Vorstand der Auftraggeberin habe diese Ermessensentscheidung zum Wohle der Gesellschaft zu treffen um Chancen und Risiken auf Grundlage angemessener Informationen gegeneinander abzuwiegen, um nicht der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig zu werden. Rund drei Wochen nach Insolvenzeröffnung mit Fremdverwaltung sei noch eine hohe Unsicherheit gegeben gewesen, die es zu berücksichtigen gegolten habe. Dabei müsse auch das wirtschaftliche und rechtliche Risiko der Neuausschreibungspflicht im Falle des Scheiterns der Sanierung berücksichtigt werden.

Die Auftraggeberin sei der Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände nachgekommen, dies zeige die ausführliche Dokumentation im vorgelegten Vergabeakt. Sie habe neben den allgemeinen zugänglichen Informationen auch alle ihr, von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Unterlagen, in ihrer Beurteilung berücksichtigt und sachgerecht abgewogen.

Die Auftraggeberin beziehungsweise ihre rechtliche Vertretung habe im Zeitraum vom 23.06.2020 bis zum 01.07.2020 ein kontradiktorisches Prüfungsverfahren mit dem Masseverwalter XXXX durchgeführt. Dabei sei ihnen die Möglichkeit eingeräumt worden, Aufklärungsfragen zu beantworten und alle relevanten Unterlagen zur Beurteilung der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit vorzulegen. Wie der Vergabeakt zeige, seien unter anderem die Plausibilisierung der Fortführungsrechnung durch die XXXX sowie der Kreditvertrag der XXXX vorgelegt, sowie mündlich und telefonisch Aufklärungsfragen beantwortet worden. Insofern sei der Vorwurf im Nachprüfungsantrag, dass die Auftraggeberin der Antragstellerin keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe, nicht richtig.

Zur Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung führte die Auftraggeberin aus, dass nach Durchführung des kontradiktorischen Verfahrens und sorgfältiger Prüfung aller relevanten Umstände die Auftraggeberin die sachlich begründete Ermessensentscheidung getroffen habe, die Antragstellerin mangels Zuverlässigkeit und finanzieller sowie wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit vom gegenständlichen Vergabeverfahren auszuscheiden.

Da in Österreich zur Ermessensausübung im Falle der Insolvenz bislang noch keine Judikatur vorliege, habe sich die Auftraggeberin dabei an der deutschen Rechtsprechung orientiert, weil nach deutschem Vergaberecht der Ausschluss wegen Insolvenz schon seit längerem als fakultativer Ausschlussgrund normiert sei. Die Überprüfungskompetenz des Gerichts bei einer Ermessensentscheidung der Auftraggeberin sei darauf beschränkt, zu überprüfen, ob der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und berücksichtigt worden sei, oder ob sachfremde Erwägungen eingeflossen seien.

Zum Vorliegen der Zuverlässigkeit führte die Auftraggeberin aus, dass die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag verkenne, dass es sich bei der Insolvenz und Ermessensentscheidung der Auftraggeberin nicht um eine Frage der finanziellen sowie wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern um die Frage der Zuverlässigkeit handle und vermische diese beiden Eignungsanforderungen. Nach ständiger Entscheidungspraxis des VwGH müsse die Zuverlässigkeit bei einer Bietergemeinschaft bei allen Mitgliedern gegeben sein. Dementsprechend habe die Auftraggeberin die Frage der Zuverlässigkeit für jedes einzelne Mitglied der Bietergemeinschaft zu beurteilen. Eine Addition der Zuverlässigkeit, wie sie von der Antragstellerin vorgenommen werde, sei auch nach aktueller Rechtslage nicht zulässig; darauf verweise auch der Gesetzgeber in den Erläuterungen zu § 82 BVergG 2018.

Zudem würden die bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen festlegen, dass der Bewerber oder die Bieter bzw alle Mitglieder der Bewerber- beziehungsweise Bietergemeinschaft die berufliche Zuverlässigkeit gemäß § 249 Abs 1 und 2 BVergG 2018 besitzen müssten.

Bei der Prüfung jedes einzelnen Mitgliedes der Bietergemeinschaft habe die Auftraggeberin gemäß § 254 BVergG 2018 so vorzugehen, dass sie die Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit des Unternehmers anhand der verlangten Nachweise und eingeholten Auskünfte vorzunehmen habe. Liege ein Ausschlussgrund vor, so sei der Unternehmer mangels Zuverlässigkeit vom Vergabeverfahren auszuschließen, es sei denn er erfülle die Voraussetzungen des § 249 Abs 4 bis 6 BVergG 2018 oder der Unternehmer mache glaubhaft, dass er trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig sei.

Der einzige Unterschied zur Rechtslage nach dem Bundesvergabegesetz 2006 bestehe darin, dass der schon bisher anerkannte Konnex zwischen Insolvenz und finanzieller sowie wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nunmehr vom Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 80 Sektorenrichtlinie iVm Art 57 Vergaberichtlinie intensiviert worden sei. Anders als im Bundesvergabegesetz 2006, wo die Eröffnung eines in Insolvenzverfahrens in jedem Fall zum Ausschluss geführt habe, habe ein Auftraggeber nunmehr im Fall einer Insolvenz zu prüfen und im Rahmen seines Ermessens zu beurteilen, ob nicht dennoch die Leistungsfähigkeit für die Durchführung des Auftrags ausreiche, wodurch die Zuverlässigkeit des fraglichen Unternehmers gegeben sei.

Ganz allgemein lasse sich aus der deutschen Judikatur ableiten, dass je stärker die verbleibenden Unsicherheiten der Erfüllung der künftigen vertraglichen Verpflichtungen, einschließlich der Mängelbehebung seien, desto mehr spreche dies für den Ausschluss. Ergebe die Prognose der Vergabestelle, dass der betroffene Unternehmer aufgrund seiner konkreten Situation nicht die notwendige Sicherheit für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten biete, sei die Auftraggeberin „im Sinn einer Ermessensentscheidung auf Null“ verpflichtet, das Angebot auszuschließen, weil das Vergaberecht den Grundsatz aufstelle, dass ein Auftrag nur an leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden dürfe. Ungeachtet dessen dürfe auch die Risikobereitschaft der Auftraggeberin eine Rolle spielen. Es sei nicht sachwidrig, dass die Risikobereitschaft zugunsten des insolventen Bieters eine höhere sei, je größer die Differenz zum nächsten günstigeren Bieter sei. Nach der deutschen Rechtsprechung sei eine Ausscheidensentscheidung selbst dann nicht zu beanstanden, wenn die Auftraggeberin trotz Verabschiedung des Insolvenzplans eine ermessensgetragene Entscheidung treffe, bei der alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden. Trotz Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften verstoße die Entscheidung der Auftraggeberin nicht gegen ihren Ermessensspielraum.

Ungeachtet dessen, dass jedes Mitglied der Bietergemeinschaft zuverlässig sein müsse, reiche die Solidarhaftung in der Bietergemeinschaft allein nicht aus, um das damit verbundene Risiko für die Auftraggeberin „abzufangen“. Die von XXXX erbrachten Leistungen seien „kritische“ Leistungen, die – auch im Fall, dass die Insolvenz scheitere – nicht von Dritten erbracht werden dürften und von XXXX nicht erbracht werden könnten. Für diesen Leistungsteil habe die XXXX auch die erforderliche Eignungsreferenz eingebracht. Aus heutiger Sicht sehe sich die Auftraggeberin bei Scheitern der Insolvenz der XXXX dann einer wesentlichen Vertragsänderung gegenüber, die durch XXXX nicht entsprechend abgesichert werden habe können. Die damit verbundenen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken mussten in die Ermessensentscheidung einfließen. Eine Neuausschreibungspflicht führe für die Auftraggeberin zu erheblichen Mehrkosten, Zeitverzug und (schwierigen) Abgrenzungsfragen der Gewährleistung sowie zur Frage der Wirtschaftlichkeit des Projekts, die damit in Frage gestellt werden würde. Auch insofern habe der Vorstand die Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft nur für den Ausschluss des Angebots treffen können.

Zur Möglichkeit einer Selbstreinigung bei Insolvenz führte die Auftraggeberin aus, dass wenn ihr die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag zur Last lege, sie habe ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt, die erfolgreiche Selbstreinigung gemäß § 249 BVergG 2018 darzulegen, so übersehe die Antragstellerin, dass im Falle der Insolvenz diese gerade nicht zur Anwendung gelange. Schon der Wortlaut des § 254 Abs 1 Satz BvergG 2018 spreche davon, dass zum Nachweis der Zuverlässigkeit bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes gemäß § 249BVergG 2018 entweder die Prüfung der Leistungsfähigkeit oder die Selbstreinigung zum Tragen komme, was im systematischen Zusammenhang mit den einzelnen Ausschlussgründen anzuwenden sei.

Insofern würden auch die Gesetzesmaterialien zum inhaltsgleichen § 83 BVergG 2018 darauf verweisen, dass hinsichtlich § 78 Abs 1 Z 2 und 3 aufgrund der Möglichkeit der Abstandnahme vom Ausschluss gem. § 78 Abs 3 eine Selbstreinigung nicht notwendig und im Kontext des vorliegenden Paragraphen auch nicht vorstellbar sei.

Die in § 254 Abs 2 bis 5 BVergG 2018 genannten Maßnahmen zur Glaubhaftmachung der Selbstreinigung würden sich ausschließlich auf strafbare Handlungen und Verfehlungen beziehen. Die Meinung des österreichischen Gesetzgebers decke sich auch mit der deutschen Meinung zur vergleichbaren Bestimmung. Im Übrigen habe die Auftraggeberin in ihrer Ermessens Entscheidung sehr wohl inhaltlich berücksichtigt, dass sich das Unternehmen in Zukunft wieder auf seine Kernkompetenzen beschränken würde und dabei weiterhin in den Bereichen XXXX tätig sein werde. Weiters sei berücksichtigt worden, dass der für die Insolvenz verantwortliche Unternehmensbereich XXXX geschlossen worden sei.

Die Antragstellerin sehe eine wesentliche Einschränkung des Ermessensspielraums des Auftraggebers durch die Insolvenzordnung und den darin normierten Gläubigerschutz, insbesondere durch § 21 Abs 1 IO und § 25b IO. Dabei verkenne die Antragstellerin, dass die von ihr herangezogenen Bestimmungen auf den gegenständlichen Fall keine Anwendung finden würden. Die Antraggeberin habe sich aber auch mit diesem Thema eingehend in ihrer Prüfung auseinandergesetzt. Aus zivilrechtlicher Sicht seien Bieter- und Arbeitsgemeinschaften Gesellschaftlichen bürgerlichen Rechts (GesbR), denen gem. § 1175 Abs 2 ABGB keine eigene Rechtspersönlichkeit zukomme. Träger von Rechten und Pflichten seien daher die Gesellschafter, nicht jedoch die Arbeitsgemeinschaft selbst, sodass jedes Mitglied der Bietergemeinschaft das Angebot zu legen habe.

§ 21 IO regle im Allgemeinen die Erfüllung von zweiseitigen Rechtsgeschäfte und lege fest, dass ein zweiseitiger Vertrag von dem Schuldner und dem anderen Teil zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt werde, so könne der Insolvenzverwalter entweder anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.

Gegenständlich sei aber bis lang noch kein Vertrag abgeschlossen worden, sodass § 21 IO auch nicht einschlägig sei. Vielmehr habe bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nur ein Angebot vorgelegen; in diesem Falle komme § 26 Abs 3 IO zur Anwendung, der laute: „An Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden sind, ist der Insolvenzverwalter nicht gebunden.“

In der insolvenzrechtlichen Literatur werde die Meinung vertreten, dass die Masse an frühere Angebote des Gemeinschuldners nicht gebunden sei. Vor Einleitung des Insolvenzverfahrens abgegebene Angebote würden erlöschen und könnten aber natürlich in der Insolvenz erneuert werden. Im Hinblick auf die vorgesehene Ermessensentscheidung des Auftraggebers sei diese zivilgerichtliche Einordnung bei der vergaberechtlichen Beurteilung außer Betracht gelassen worden. Dies deshalb, da bei einer anderen Betrachtung der Auftraggeber niemals eine positive Ermessensentscheidung zu Gunsten des insolventen Bieters treffen könnte und die gesetzliche Ermessensausübung de facto ohne Anwendungsbereich wäre.

Aufgrund dieser harmonisierten Auslegung des BVergG und der IO habe die Auftraggeberin den Masseverwalter auch um Stellungnahme zum Angebot gebeten, der iS des § 26 Abs 3 IO die Bindung an das Angebot erklärt habe. Dies bedeute jedoch nicht, dass auch die Auftraggeberin verpflichtet sei, den Vertrag abzuschließen. Vielmehr obliege der Abschluss des Vertrags der Ermessensentscheidung der Auftraggeberin. Die Ermessensentscheidung habe jedoch trotz positiver Aspekte nicht zu einer positiven Beurteilung der Zuverlässigkeit geführt, weshalb das Angebot auszuscheiden gewesen sei.

Wenn die Antragstellerin ins Treffen führe, das Ziel des Bundesvergabegesetzes der größtmögliche Wettbewerb sei, so sei das richtig. Gleichzeitig sei die Auftraggeberin in jeder Situation im Ausschreibungsverfahren an die Grundsätze des Vergaberechts gebunden, wonach sie nur an geeignete, nämlich zuverlässige, befugte und leistungsfähige Unternehmen vergeben dürfe.

Zu den Rückständen bei der Sozialversicherung brachte die Antragstellerin vor, die Auftraggeberin habe ihr zu Last gelegt, Sie habe ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme beziehungsweise zum Nachweis der Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Rückstände bei der Sozialversicherung in Höhe von rund XXXX nicht eingeräumt. Davon habe Abstand genommen werden können, weil die Zuverlässigkeit bereits aus den bisher genannten Gründen nicht gegeben sei. Eine weitere Aufklärung zu diesem Thema hätte nur unnötigen Aufwand bei der Antragstellerin verursacht.

Zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führte die Auftraggeberin aus, dass in den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefordert werde, dass Bewerber beziehungsweise Bieter beziehungsweise alle Mitglied der Bewerber- beziehungsweise Bietergemeinschaft die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an entsprechende Bonität, welche kein erhöhtes Risiko ergebe (z.B. Rating anhand des KSV max 399 habe). Auch hier komme eine Substitution durch die XXXX aufgrund der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen nicht in Betracht. Richtig sei, dass das KSV – Rating maximal 399 nur beispielhaft aufgezählt worden sei und der Bieter gemäß § 255 Abs 2 BVergG 2018 den Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch durch Vorlage jedes anderen vom Sektorenauftraggeber für geeignet erachteten Nachweises erbringen könne. Richtig sei auch, dass der VwGH alternative Nachweismittel grundsätzlich zulasse.

Der von der Auftraggeberin vorliegend verlangte Nachweis eines bestimmten KSV-Ratings als Bonitätsauskunft diene der Information der Auftraggeberin über das haftende Eigenkapital des Bieters. Dies könne nach Ansicht der Auftraggeberin mit dem vorgelegten Kreditvertrag nicht nachgewiesen werden, weil sich daraus nicht das geforderte Eigenkapital der XXXX ergebe. Aus dem Kreditvertrag würden sich insbesondere die Besicherungen ergeben, die von der XXXX gestellt worden sei und deren Rating durch die Insolvenz der XXXX zum aktuellen Zeitpunkt XXXX betrage. Außerdem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Bank durch außerordentliche Kündigungsrechte entsprechend abgesichert habe.

Ein internes Bankenrating für die XXXX habe die XXXX jedoch nicht vorlegen wollen. Insofern sei auch der Vorwurf, man habe die Antragstellerin auch damit nicht konfrontiert, unrichtig. Insofern sei das Angebot der Antragstellerin auch aus dem Grund der mangelhaften finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszuscheiden gewesen.

3. Mit Replik vom 11.08.2020 führte die Antragstellerin Folgendes aus: Die Auffassung der Antragsgegnerin, sie hätte ein „kontradiktorisches Prüfungsverfahren“ durchgeführt, sei unrichtig. Die Antragsgegnerin habe in den Bewerbungsgrundlagen bestandsfest die Modalitäten der Informationsübermittlung festgelegt und darin sowohl für Bieter als auch für den Auftraggeber den (einzigen) Weg für die rechtsgültige Übermittlung von Informationen normiert. Über diesen Weg habe weder ein Vorhalt noch eine Aufforderung zur Stellungnahme oder ein Austausch von Informationen im Vorfeld der angefochtenen Ausscheidensentscheidung stattgefunden. Eine ausschreibungskonforme Vorgehensweise, wie es die Vergabegrundsätze verlangen würden, sei hinsichtlich der herangezogenen Ausschlussgründe nicht erfolgt. Es sei ebenfalls nicht den gesetzlich vorgegebenen Modalitäten an die Verfahrenskommunikation entsprochen worden. Das Abweichen von der ausschreibungs- und gesetzeskonformen Vorgehensweise sei jedoch relevant, zumal nur bei rechtskonformem Vorgehen, Unternehmer Handlungen dem Auftraggeber eindeutig zuordnen sowie entsprechend ihr eigenes Handeln danach ausrichten könnten. Eine derartige Verletzung der gesetzlichen und selbst normierten Vorgehensweise führe zu einer Aushöhlung der Bieterrechte und des Wesens des Vergaberechts, zumal gegenständlich auch keine Personenidentität der beteiligten Personen bestanden habe.

Nicht zuletzt habe die von der Auftraggeberin gewählte Vorgangsweise zudem eine unzureichende Dokumentation des Vergabeverfahrens bewirkt. Das Stützen der Antragsgegnerin auf ,,mündliche und telefonische" Auskünfte zeige deutlich, dass es nicht möglich gewesen sei, nachzuvollziehen, ob eine ordnungsgemäße Prüfung stattgefunden und die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe. Durch die bisherige korrekte Vorgehensweise der Antragsgegnerin in diesem Verfahren habe sie ein berechtigtes Vertrauen der Antragstellerin, dass diese Vorgehensweise beibehalten werde, erzeugt. Die Antragsgegnerin habe über die Vergabeplattform am 25.06.2020 mitgeteilt, dass bereits mit dem Sanierungsverwalter Kontakt aufgenommen worden sei und er um eine Stellungnahme zum gegenständlichen Angebot und zur Prognose der Leistungsfähigkeit sowie zur Glaubhaftmachung der Zuverlässigkeit der Gemeinschuldnerin gebeten worden sei. Weiters sei darin ausgeführt worden, dass diese Antworten bereits vorliegen würden. XXXX sei aufgefordert worden zum Fortbestand bzw zur Weiterführung der ARGE/BIEGE über die Vergabeplattform Stellung zu nehmen. Daher habe die Antragstellerin davon ausgehen können, dass Informationen hinsichtlich der Eignung der XXXX bereits ausreichend vorgelegt worden seien. Auch habe die Antragstellerin auf Basis der Beilage ./10 darauf vertrauen dürfen, dass verbindliche Auskünfte bzw Aufforderungen weiterhin über die Vergabeplattform (mit entsprechender Frist zur Beantwortung) erfolgen würden.

Auch in inhaltlicher Hinsicht sei kein (ausreichender) Vorhalt erfolgt. Ein ,,kontradiktorisches Prüfungsverfahren" habe nicht stattgefunden. Die Antragstellerin habe mit der Einreichung des Teilnahmeantrags die geforderten Eignungsnachweise ordnungsgemäß erbracht und sei dementsprechend zur zweiten Verfahrensstufe zugelassen worden. Sofern sich die Antragsgegnerin nunmehr darauf berufen sollte, dass die Eignung entgegen der von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten ausreichenden Eignungsnachweise - zwischenzeitlich verloren gegangen sei und sie deshalb vom Vergabeverfahren auszuschließen sei, hätte sie diesen Umstand und die Gründe dafür der Antragstellerin inhaltlich ausreichend bestimmt vorhalten und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Glaubhaftmachung, dass sie nicht auszuschließen sei, geben müssen. Dies zähle zu den elementaren Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots. Diese Gründe hätten in der Aufforderung „im Detail“ mitgeteilt werden müssen. Gegenständlich sei der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt, weder von der Antragsgegnerin noch von deren Rechtsvertreterin, ein beabsichtigter Ausschluss aus dem Vergabeverfahren mitgeteilt worden. Auch sei die Antragstellerin nicht aufgefordert worden, ausreichende Unterlagen vorzulegen, mit der Konsequenz, sie werde andernfalls ausgeschlossen, noch sei ihr ausdrücklich die Gelegenheit zur Selbstreinigung gegeben worden. Mangels entsprechenden Vorhalts habe die Vorgehensweise der Antragsgegnerin die Vergabegrundsätze verletzt, sodass die gegenständliche Ausscheidensentscheidung daher bereits aus diesem Grund rechtswidrig sei.

Die Antragsgegnerin vertrete in ihrer Stellungnahme die Auffassung, die Antragstellerin hätte in ihrem Nachprüfungsantrag die Eignungsanforderungen der Zuverlässigkeit sowie der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vermischt. Dieser Vorwurf sei aus Sicht der Antragstellerin jedoch nicht nachvollziehbar, zumal in besagtem Kapitel des Nachprüfungsantrags die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit überhaupt nicht adressiert worden sei. Nach Ansicht der Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme sei bei hinreichender Leistungsfähigkeit für die Durchführung des Auftrags die Zuverlässigkeit des fraglichen Unternehmens gegeben. Damit verkenne die Antragsgegnerin jedoch den Begriff der „hinreichenden Leistungsfähigkeit“ und die Bedeutung von § 249 Abs 4 BVergG 2018, wonach „der Sektorenauftraggeber von einem Ausschluss gemäß Abs 2 Z 1 und 2 Abstand nehmen kann, wenn die Leistungsfähigkeit des Unternehmers für die Durchführung des Auftrages ausreicht.“ Diese Bestimmung sei in Umsetzung der Vergaberechtlinien normiert worden, darin stehe: „Ungeachtet des Unterabsatzes 1 Buchstabe b [„befindet sich in einem Insolvenzverfahren"] können die Mitgliedstaaten verlangen oder die Möglichkeit vorsehen, dass der öffentliche Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in jenem Buchstaben genannten Situationen befindet, nicht ausschließt, wenn der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung der geltenden nationalen Vorschriften und Maßnahmen betreffend die Fortführung der Geschäftstätigkeit in den Situationen nach Buchstabe b festgestellt hat, dass der fragliche Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, den Auftrag zu erfüllen." § 249 Abs 4 BVergG 2018 sei vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund auszulegen. Ziel und Zweck dieser Bestimmung sei trotz Vorliegens eines Ausschlussgrundes (und damit trotz grundsätzlich fehlender Eignung (Zuverlässigkeit)) die Auftragsvergabe an einen Bieter zuzulassen, wenn dieser in der Lage wäre, den gegenständlichen Auftrag zu erfüllen. Damit werde sichergestellt, dass der bloße Umstand eines eingeleiteten Insolvenzverfahrens nicht zum Ausschluss führe, wenn die Erfüllung des Auftrags aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten nicht in Frage stehe. Die Beurteilung von § 249 Abs 4 BVerG 2018 sei daher, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin, von der Beurteilung der Zuverlässigkeit eines einzelnen Mitglieds der Bietergemeinschaft zu trennen.

Es sei folglich auch die hinreichende Leistungsfähigkeit für die Durchführung des Auftrags nicht isoliert für jedes einzelne Mitglied der Bietergemeinschaft, sondern für die Bietergemeinschaft insgesamt zu betrachten, zumal sich die Mitglieder der Bietergemeinschaft zur gemeinsamen Leistungserbringung verpflichten würden. Eine andere Ansicht würde den Sinn und Zweck von § 249 Abs 4 BVergG 2018 konterkarieren, zumal das Wesen einer Bietergemeinschaft in der Bündelung von Ressourcen bestehe und von einzelnen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft, nicht verlangt werde, jeweils Sicherheit für die vollständige Erfüllung eines gesamten Auftrags zu bieten. Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, dass die hinreichende Leistungsfähigkeit iSd § 249 Abs 4 BVergG 2018 isoliert für das jeweilige Mitglied der Bietergemeinschaft vorliegen müsse, widerspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Damit würde in ungerechtfertigter Weise derselbe Maßstab für Unternehmen, die sich als (Einzel-)Bieter an einer Ausschreibung beteiligen, zur Anwendung gelangen, wie für Mitglieder einer Bietergemeinschaft. Nach ständiger Rechtsprechung dürften jedoch insbesondere die ,,Regeln zur Festlegung der Bedingungen für die Anwendung von Art. 57 der Richtlinie, nicht über das hinausgehen […], was zur Erreichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele erforderlich ist.“ Es wäre daher gegenständlich zu prüfen gewesen, ob die antragstellende Bietergemeinschaft insgesamt für die Durchführung des Auftrags hinreichend leistungsfähig iSd § 249 Abs 4 BVergG 2018 sei. Die Antragsgegnerin habe lediglich XXXX isoliert betrachtet und die vorliegende Entscheidung daher mit Rechtswidrigkeit belastet.

Die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass es für die Entscheidung iSd § 249 Abs 4 BVerG 2018 maßgeblich sei, wie stark die Unsicherheiten der Erfüllung der künftigen vertraglichen Verpflichtungen seien. Neue Gründe habe sie in der Stellungnahme vom 28.07.2020 nicht vorgebracht. Die Antragsgegnerin habe mit der mangelnden Sicherheit der tatsächlichen Annahme und Erfüllung des Sanierungsplans ein untaugliches Kriterium für ihre Entscheidung herangezogen. Zum Vorhalt der Antragsgegnerin, dass auch nach formalem Abschluss des Insolvenzverfahrens ein Ausschluss auf Basis des Ausschlussgrunds der Insolvenz erfolgen könne, werde hingewiesen, dass ein solcher Ausschluss eine unzulässige Erweiterung der taxativ geregelten Ausschlussgründe und damit rechtswidrig wäre. Die Antragsgegnerin stütze ihre gegenteilige Ansicht auf die deutsche Rechtsprechung, welche deutlich mache, warum die deutsche Rechtslage nicht mit der Österreichischen vergleichbar sei, da anders als nach österreichischem Recht, die Verabschiedung und gerichtliche Bestätigung eines Sanierungsplans nicht zwingend ein Insolvenzverfahren beende.

Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin ebenfalls als nachteilig gewerteten Laufzeit des Kreditvertrags XXXX Die Vertragslaufzeit sei daher vielmehr positiv zugunsten von XXXX zu werten.

Betreffend das Sanierungsverfahren der konzernverbundenen XXXX werde ergänzend darauf hingewiesen, dass dies keine Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Mitarbeiter von XXXX habe. Das erforderliche Personal stehe weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung. Die plausibilisierte Fortführungsrechnung erwartete sinkende Fixkosten lediglich aufgrund der personalen Konsequenzen aus der Schließung des Unternehmensbereichs „ XXXX “. Die sonstigen, insbesondere für den gegenständlichen Auftrag relevanten Unternehmensbereiche seien davon unberührt. Dem Verweis der Antragsgegnerin, dass die Solidarhaftung in der Bietergemeinschaft nicht ausreichend wäre und die Antragsgegnerin bei Scheitern der Sanierung mit einer wesentlichen Vertragsänderung und folglich Neuausschreibungspflicht konfrontiert wäre, werde entgegengehalten, dass zulässige Vertragsänderungen gemäß § 365 Abs 3 Z 3 BVergG 2018 alle Arten von Unternehmensumstrukturierungen erfassen würden, insbesondere auch hinsichtlich der Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft. Ein Wechsel von Mitgliedern einer Arbeitsgemeinschaft müsse aus teleologischen Gründen im selben Umfang zulässig sein, wie ein Wechsel des (einzigen) Auftragnehmers. Selbst eine im Rahmen des Sanierungsverfahrens durchgeführte Abspaltung oder Übertragung des Unternehmensbereiches von XXXX bedeute nicht zwangsläufig eine wesentliche Vertragsänderung. Das Risiko einer Neuausschreibungspflicht bzw einer wesentlichen Vertragsänderung sei zudem kein für die vorliegende Konstellation spezifisches Risiko, sondern bestehe allgemein im Zusammenhang mit jedweder Form gesellschaftsrechtlicher Änderungen. Auch dieser Umstand stelle daher keinen Grund für die Nicht-Erfüllung von § 249 Abs 4 BVergG 2018 dar.

Darüber hinaus sei der erfolgreiche Abschluss des Sanierungsverfahrens anhand der vorgelegten detaillierten Prognoserechnung plausibilisiert worden. In der Prognoserechnung sei kein Zweifel an der Fortführbarkeit des Unternehmens geäußert worden.

Im Übrigen würde die Auffassung, dass bei einer Bietergemeinschaft, in welcher der mit Abstand überwiegende Leistungsteil von XXXX zu erbringen wäre, dieses Unternehmen solidarisch mit dem zweiten Mitglied der Bietergemeinschaft, das sich in einem positiv prognostizierten Sanierungsverfahren befinde, eine mögliche Neuausschreibung aufgrund des derzeitigen Sanierungsverfahrens die Anwendung von § 249 Abs 4 BVergG 2018 verhindere, dieser Bestimmung jeglichen Anwendungsbereich nehmen. Ein solcher Wille, eine gesetzliche Bestimmung ohne Anwendungsbereich zu schaffen, könne dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sei aufgrund der solidarischen Pflicht von XXXX zur Leistungserbringung und der Erklärung dieses Mitglieds der Bietergemeinschaft gegenüber der Antragsgegnerin, den Vorvertrag vollständig einzuhalten und im Auftragsfall den Auftrag unverändert durchzuführen, die für die Durchführung des Auftrags hinreichende Leistungsfähigkeit iSd § 249 Abs 4 BVergG 2018 gegeben. Wie im Nachprüfungsantrag ausführlich dargelegt worden sei, werde das Ermessen eines Auftraggebers im Fall von § 249 Abs 4 BVergG 2018 durch die Insolvenzordnung und den Gläubigerschutz dahingehend eingeschränkt, dass bei Vorliegen einer hinreichenden Leistungsfähigkeit vom Ausschluss abzusehen wäre und insofern kein Spielraum verbleibe. Das BVwG sei daher in seiner vollumfänglichen Überprüfungskompetenz nicht beschränkt. Die von der Antragsgegnerin herangezogenen Gründe für die Verneinung von § 249 Abs 4 BVergG 2018 seien, wie zuvor sowie im Nachprüfungsantrag ausgeführt, nicht einschlägig; vielmehr sei die Bietergemeinschaft für die Durchführung des Auftrags hinreichend leistungsfähig, sodass die Durchführung des Auftrags somit ungeachtet des laufenden Sanierungsverfahrens von XXXX gesichert sei. Die Antragsgegnerin hätte daher bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise vom Ausschluss abzusehen gehabt.

Die Antragsgegnerin habe die Prüfung isoliert auf XXXX bezogen und nicht geprüft, ob die Bietergemeinschaft insgesamt für die Durchführung des Auftrags hinreichend leistungsfähig sei. Sie habe untaugliche Kriterien für die Beurteilung herangezogen, das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt und nicht den erforderlichen Sachverhalt ermittelt, welcher Informationen zur Bietergemeinschaft insgesamt und folglich auch zum zweiten Mitglied der Bietergemeinschaft gefordert hätte. Im Übrigen sei der Antragstellerin auch diese Einschätzung nicht vorgehalten worden. Sie sei nicht konkret zur Vorlage aller relevanten Unterlagen aufgefordert worden, damit die Antragsgegnerin über eine ausreichend fundierte Entscheidungsgrundlage verfüge.

Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Möglichkeit der Selbstreinigung gemäß § 254 BVergG 2018 nicht zur Anwendung käme, sei unrichtig und widerspreche der ständigen Rechtsprechung des EuGH (EuGH 11.06.2020, C-472/19, Vert Marine): „Folglich ergibt sich aus dem Wortlaut von Art 38 Abs 9 der Richtlinie 2014/23, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, außer in dem in UnterAbs 3 dieser Bestimmung genannten Fall [Anm: rechtskräftige Festlegung eines bestimmten Ausschlusszeitraums], den Nachweis ergriffener Abhilfemaßnahmen erbringen kann, um trotz des Vorliegens eines der in Art. 38 Abs 4 und 7 der Richtlinie 2014/23 genannten Ausschlussgründe, [...] seine Zuverlässigkeit zu belegen.“

Unternehmer hätten somit ein Recht auf Glaubhaftmachung einer erfolgreichen Selbstreinigung, sodass die Anwendbarkeit von § 254 BVergG 2018 bereits aufgrund des Prinzips der unionsrechtskonformen Interpretation geboten sei. Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof bereits vor innerstaatlicher Umsetzung der Vergaberichtlinien 2014 die unmittelbare Anwendbarkeit der Möglichkeit der Selbstreinigung im Falle eines Insolvenzverfahrens anerkannt (VwGH 26.06.2019, Ra 2018/04/0161): „Nach Art. 57 Abs 6 der Richtlinie 2014/24/EU kann jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer der in den Absätzen 1 und 4 genannten Situationen (somit etwa nach Abs 4 Buchst. b in einem Insolvenzverfahren) befindet, Nachweise dafür, erbringen, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsteilnehmers ausreichen, um trotz des Vorliegens eines einschlägigen Ausschlussgrundes seine Zuverlässigkeit nachzuweisen. [...] Die Regelung räumt dem Unternehmer einen Anspruch ein, der inhaltlich unbedingt ausgestaltet und auch hinreichend genau formuliert ist.“

Eine Selbstreinigung sei daher auch im Falle eines Insolvenzverfahrens möglich. In diesem Sinn sei auch § 254 Abs 1 BVergG 2018 so auszulegen, wonach ein Unternehmer bei Vorliegen „eines Ausschlussgrundes gemäß § 248 Abs 1 oder § 249 Abs 1 oder 2 [...] mangels Zuverlässigkeit vom Vergabeverfahren auszuschließen, es sei denn, die Voraussetzungen des § 249 Abs 4 bis 6 liegen vor oder der Unternehmer macht glaubhaft, dass er trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig ist.“ Zu den zitierten Erläuterungen der Antragsgegnerin werde auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach diese unerheblich seien, sofern sie nicht im Gesetz Niederschlag gefunden hätten. Diese Interpretation sei gerade dann zwingend geboten, wenn der Ausschlussgrund der fehlenden Zuverlässigkeit auch nach rechtskräftiger Beendigung erfüllt sei. Andernfalls würde die Auffassung der Antragsgegnerin zu einem zeitlich unbegrenzten, automatischen Ausschluss dieses Unternehmers von Vergabeverfahren führen, was nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unzulässig sei. Bei einem Insolvenzverfahren habe der Auftraggeber daher sowohl zu prüfen, ob § 249 Abs 4 BVergG 2018 erfüllt sei, als auch die Möglichkeit zur Glaubhaftmachung der erfolgreichen Selbstreinigung gemäß S 254 BVergG 2018 einzuräumen. Die Antragsgegnerin habe keine diesbezügliche Prüfung vorgenommen und der Antragstellerin auch nicht die Möglichkeit dazu eingeräumt.

In der Stellungnahme vom 28.07.2020 habe die Antragsgegnerin ausgeführt, dass sie die zukünftige Beschränkung von XXXX auf seine Kernkompetenzen, die Schließung des für die Insolvenz verantwortlichen Unternehmensbereiches XXXX und die XXXX , berücksichtigt habe. Ausgehend davon teile die Antragsgegnerin offensichtlich die Ansicht, dass diese Umstände zu einem positiven Ergebnis geführt hätten, wenn sie sie im Rahmen der Selbstreinigung gemäß § 254 BVergG 2018 beurteilt worden wären. Da § 254 BVergG 2018 zur Anwendung komme, wäre die Antragsgegnerin bei entsprechender Anwendung dieser Bestimmung zum Ergebnis gelangt, dass XXXX die erforderlichen Maßnahmen iSd § 254 BVergG 2018 getroffen habe. XXXX habe selbst einen Insolvenzantrag gestellt, einen Sanierungsplan vorgelegt, eine Fortführungsrechnung erstellt und diese von einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überprüfen lassen und folglich die die Schließung des einzigen defizitären Unternehmensbereichs XXXX veranlasst, XXXX , einen Kredit für einen Überbrückungszeitraum aufgenommen, um die Fortführung und erfolgreiche Sanierung sicherzustellen, und zudem eine laufende Kontrolle und Evaluierung der wirtschaftlichen Entwicklung durch diese Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit wöchentlichen Berichten eingerichtet, um ein lückenloses Monitoring sicherzustellen. Die Antragsgegnerin hätte folglich die Antragstellerin bei rechtskonformer Vorgehensweise gemäß § 354 BVergG 2018 nicht ausscheiden dürfen. Ermessen der Antragsgegnerin habe in dieser Hinsicht nicht bestanden. Die vorliegende Ausscheidensentscheidung sei daher rechtswidrig und mangels sonstiger Ausscheidensgründe für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin bestreite in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten