Entscheidungsdatum
27.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L518 2177345-2/5E
L518 2177345-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Salzburg, vom 28.1.2020, Zl. OB: XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen und aufgrund des ermittelten Sachverhaltes festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG nicht vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden „BF“ bzw. „bP“ genannt) beantragte mit Schreiben vom 3.10.2019, am 8.10.2019 bei der belangten Behörde (folglich „bB“ bezeichnet) einlangend, die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass und brachte zur Untermauerung seines Vorbringens ein Konvolut von ärztlichen Schreiben in Vorlage.
Am 19.11.2019 wurde der BF von Dr. XXXX , FA für Chirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin, klinisch untersucht und erbrachte das am 22.11.2019 vidierte Gutachten im Wesentlichen nachstehendes Ergebnis:
Anamnese:
Es liegt ein Antrag zur Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises vor. Die Untersuchung findet um 19.11.2019 in der Zeit von 11:00-11:30 statt. Das Gutachten wird nach den Richtlinien der EVO, den vorliegenden Befunden und einer eingehenden klinischen Untersuchung erstellt.
Die im Antrag angeführten Erkrankungen bzw. Diagnose zur Gewährung der Unzumutbarkeit:
1.) Anpassungsstörung.
2.) Chronisches Schmerzsyndrom.
3.) Degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk.
4.) Harninkontinenz.
Gesamtgutachten (EVO), 24.09.2018, Arzt für Allgemeinmedizin, Unzumutbarkeit nicht gewährt. Das Gesamtgutachten wurde aufgrund eines chirurgischen-und neurologischen Gutachtens erstellt.
Diagnosen:
1.) Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung und Neigung zur Somatisierung.
2.) Chronisches Schmerzsyndrom-Ganzkörperschmerz ohne wesentliches anatomisches Substrat.
3.) Degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk mit Bewegungseinschränkung und Schmerzsymptomatik.
Operation: Hernia inguinalis mit 12 Jahren.
2015: Arbeitsunfall-Patient gibt an, dass er von einem Auto erfasst wurde. Dabei erlitt er eine Prellung des Kopfes, Zerrung der Hals-und Brustwirbelsäule sowie eine Beckenprellung links. Unterlagen über Behandlungen liegen nicht vor.
Derzeitige Beschwerden:
Der Patient kommt mit seiner Gattin und einer Stützkrücke zur Untersuchung. Die Gehstrecke wird mit 100 m angegeben-1 Stockwerk kann er mit Handlauf überwinden. In den letzten Monaten sei er 1x gestürzt. Seit dem Unfall (2015) habe er Schmerzen in der LWS, in beiden Hüftgelenken sowie Kopfschmerzen (Hinterkopf). Die Beschwerden seit dem letzten Gutachten (2018) haben sie nicht verbessert. Die Beine würden "auslassen". Er habe eine ausgeprägte Müdigkeit und Schlaflosigkeit. Schmerzen werden auch in der rechten Schulter mit Bewegungseinschränkung berichtet. Er beziehe angeblich Pflegegeld der Stufe 2, Unterlagen sind im Akt nicht aufliegend. Patient kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Grundsätzlich habe er keine Stelle am Körper die nicht schmerzt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Sertralin, Atarax, Mirtaron,, Nozinam, 2 mal/Monat Psychotherapie, 1 Stützkrücke,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Gesamtgutachten (EVO), 24.09.2018, Arzt für Allgemeinmedizin, Unzumutbarkeit nicht gewährt. Das Gesamtgutachten wurde aufgrund eines chirurgischen-und neurologischen Gutachtens erstellt.
Ambulanzbericht, 10.02.2017, XXXX , Abteilung für Psychiatrie.
Diagnosen:
1.) Anpassungsstörung.
2.) Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang.
3.) Somatisierungsstörung
Sonstiges:
Der Patient ist nicht mehr in der Lage den Stadtbus zu lenken.
Arztbrief, 25.01.2017, Facharzt für Orthopädie.
Diagnosen:
1.) Chronische Schultergelenksentzündung bds. bei acromialem Impingement beider Schultern-Komplette Ruptur der SSP rechts (5mm) mit Erguss der Bursa-Partielle Ruptur der Supraspinatussehne Iinks.
2.) Unteres Zervicalsyndrom.
3.) St.p. Diskusprolaps C5/C6 mit C6-Bedrängung Iinks.
4.) Allergisches Exanthem auf Arzneimittel.
Ärztliche Bestätigung, 25.09.2019, Facharzt für Psychiatrie.
Auszug:
Herr XXXX berichtet, dass er nunmehr seit 01.04.2019 vorerst für 12 Monate in Berufsunfähigkeitspension ist. Dieser Umstand hat, wie zu erwarten, zu einer deutlichen Besserung der Gesamtsituation geführt. Es ist zwar nach wie vor eine deutliche Somatisierungstendenz gegeben, allerdings sind die Zwangsgedanken und der Grübelzwang eindeutig auf ein erträgliches Maß gebessert. Auf Nachfrage berichtet Herr XXXX , dass er in der Nacht zwar 2 bis 3 mal aufwache, er schlafe jedoch nach relativ kurzer Zeit wieder ein. Auch in einem Ambulanzbericht von 03.09.2019, unterfertigt von Dr. XXXX , wird von einer Stabilisierung des Zustandes berichtet, jedoch noch nicht von einer Symptomfreiheit. Diesen Eindruck kann auch ich im heutigen Gespräch gewinnen.
Fachärztliche Bestätigung, Facharzt für Orthopädie, 17.04.2019.
Auszug:
Herr XXXX ist hierorts bei mir seit 14.09.2007 in Behandlung und seit langem bekannt. Er leidet an Problemen seines Bewegungsapparates, besonders der Halswirbelsäule und des cervicothoracalen Überganges, aber auch der Brustwirbelsäule, Schultern, zeitweise auch der Lendenwirbelsäule. Die Ursache seiner Leiden sind naturgemäße Überlastungen, aber auch Probleme die seinen Gemütszustand betreffen. Seine Beschwerden sind als chronisch bzw. chronisch-rezidivierend einzustufen, technische Hilfsmittel sind aus orthopädischer Sicht zur Zeit nicht erforderlich. Eine befristete positive Erledigung für die Führerscheingruppe 1 ist aus orthopädischer Sicht möglich. Die Befristung ist deshalb zu machen, da sich degenerative Veränderungen im Laufe des Lebens nicht bessern.
Arztbrief, XXXX , 03.09.2019, Abteilung für Psychiatrie.
Diagnosen:
1.) Anpassungsstörung.
2.) Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang.
3.) Somatisierungsstörung.
Auszug:
Der Patient kommt heute zur Kontrolle. Das Zustandsbild ist dzt. stabil, jedoch kann weiterhin keine Symptomfreiheit erzielt werden. Der Schlaf wechselhaft, belastend v.a. die immer wiederkehrenden starken Kopfschmerzen.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Altersgemäßer Allgemeinzustand.
Klinischer Status – Fachstatus:
Der Patient bricht die klinische Untersuchung aufgrund der Schmerzsymptomatik ab. Begründet wird dies, dass er am ganzen Körper Schmerzen habe und er die Bewegung der Gelenke nicht aushalte.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Die Gesamtmobilität wird anamnestisch vom Patienten mit 100 m angegeben. Einbeinstand beiderseits nicht möglich. Zehen-und Fersengang beiderseits nicht durchführbar. Das Gangbild ist rechtshinkend aber sicher.
Status Psychicus:
Patient allseits orientiert. Antrieb deutlich vermindert. Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich nicht gegeben.Duktus kohärent. Derzeit keine pathologischen Denkinhalte vorhanden. Depressive Symptomatik mit Antriebslosigkeit und sozialen Rückzug. Freud-und Lustlosigkeit. Zwangsgedanken und Grübeln-Anpassungsstörung-Somatisierungsstörung.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung und Neigung zur Somatisierung.
2
Chronisches Schmerzsyndrom-Ganzkörperschmerz ohne wesentliches anatomisches Substrat.
3
Degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk mit Bewegungseinschränkung und Schmerzsymptomatik.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten haben sich keine wesentlichen Veränderungen im gesundheitlichen Gesamtzustand ergeben. Im Vordergrund steht nach wie vor die Depression und das chronische Schmerzsyndrom. Es besteht eine hochgradige Somatisierungstendenz. Ein anatomisches Substrat für die angegebenen Schmerzen ist nicht vorliegend. Im Arztbrief vom 08.01.2019, Facharzt für Orthopädie, wird ein Zervikalsyndrom, BWS-Blockierung und ein St.p Diskusprolaps C5/C6 mit Bedrängung der Nervenwurzel von C6 links angegeben. Eine Erklärung für das bestehende Schmerzsyndrom kann daraus nicht abgeleitet werden.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Seit dem Unfall im Jahre 2015 ist eine progrediente Schmerzstörung vorhanden. Es gibt keine Unterlagen über die erlittenen Verletzungen und allfälliger Therapien. Es liegen auch keine Unterlagen über ein anatomische Substrat für die derzeit bestehende Symptomatik vor. Warum der Patient nur eine Gehstrecke von 100 m unter Zuhilfenahme einer Stützkrücke zurücklegen kann, entzieht sich der gutachterlichen Kenntnis. Eine klinische Untersuchung wird vom Patienten abgebrochen. So wie im Vorgutachten, kann die Indikation zur Ausstellung der Unzumutbarkeit bzw. Eintragung eines Parkausweises nicht gestellt werden. Das angebliche "Auslassen" der Beine ist nicht nachvollziehbar, da keine degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat vorliegen. Aus medizinischen Gründen ist daher die Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises derzeit weiterhin nicht indiziert.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Derzeit liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor, die laut den Richtlinien der EVO zu einer Ausstellung eines Parkausweises führt. Auch eine laufende Chemo-und Radiotherapie ist keine Indikation zur Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises.
Gutachterliche Stellungnahme:
Der Patient ist nach wie vor in der Lage eine Gehstrecke von 300-400 m zurückzulegen. Auch das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ist für den Patienten nicht erheblich eingeschränkt. Ebenso ist die Standfestigkeit, zur gefahrlosen Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich reduziert. Wie oben erwähnt, liegen keine erheblichen degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat vor.
Mit Schreiben vom 26.11.2019 wurde der BF gem. § 45 Abs. 3 AVG vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit zur Stellungnahme in Kenntnis gesetzt.
Nach erfolgter Stellungnahme durch den BF traf der Sachverständige im Wesentlichen nachstehende gutachterliche Stellungnahme:
Einspruch zum Parteiengehör, 15.01.2020.
Ich erhebe Einwendung gegen das Parteiengehör des Sozialministeriumservice, Landesstelle
Salzburg betreffend „Abweisung der Unzumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel " vom 26.11.2019, da ich einen neuen Befund vorlegen kann.
Fachärztliche Bestätigung, 13.01.2020, Facharzt für Orthopädie.
Auszug:
Mein Patient Herr XXXX leidet seit vielen Jahren an Problemen seines Bewegungsapparates, die sich in den letzten Jahren vehement verschlechtert haben. Der Patient geht nun mittlerweile mit zwei Stützkrücken, auch seine seelische Situation hat sich verschlechtert. Vornehmlich leidet er unter Problemen seiner Wirbelsäule und hat hier eine Bedrängung der
Nervenwurzel C6 links durch einen Bandscheibenvorfall C5/C6 von 4 mm. Das trägt unter anderem zu seiner Gangunsicherheit bei. Zudem hat er degenerative Erkrankungen auch in der Lendenwirbelsäule, eine massive Blockierung der Hüftgelenke links sowie eine Kreuz/Darmbeingelenkreizung links mit pseudoradikulärer Ausstrahlung zur Hüfte. Aufgrund der sich verschlechterten Gangbildes des Patienten ist aus orthopädischer Sicht zu empfehlen, ihm die Möglichkeit eines privilegierten Parkens auf einem Behindertenparkplatz einzuräumen, da er aufgrund seiner Situation derzeit nicht mehr in der Lage ist, längere Gehstrecken zu bewältigen.
Gutachterliche Stellungnahme (27.01.2020).
Bei der klinischen Untersuchung ab 19.11.2019 hat der Patient die Untersuchung abgebrochen. Er gab an, dass er die Funktionsprüfung der Gelenke aufgrund der Schmerzen nicht aushalte. Eine aussagekräftige Funktionseinschränkung konnte daher nicht festgestellt werden. Bildgebende Diagnostik und Behandlungen aufgrund seines Arbeitsunfalles liegen nicht vor. Im Vordergrund der Beschwerden liegt nach wie vor die psychische Problematik (Depression/Somatisierungsstörung) und nicht hochgradige Veränderungen am Bewegungsapparat. Die vorgelegte Fachärztliche Bestätigung ergibt keine zusätzliche Information. Um die Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises zu gewähren, müsste eine ausreichende bildgebende Diagnostik vorliegend. Außerdem müsste der Patient eine ausreichende Mitarbeit bei der klinischen Untersuchung zeigen. Wenn schon eine Untersuchung aus Schmerzgründen nicht möglich ist, so sollte zumindest eine ausreichende bildgebende Diagnostik und Befunde vorliegen, die die Schmerzen plausibel erscheinen lassen. Unter den genannten Begründungen ist die Ausstellung eines Parkausweises nicht zu gewähren.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Seit dem Unfall im Jahre 2015 ist eine progrediente Schmerzstörung vorhanden. Es gibt keine Unterlagen über die erlittenen Verletzungen und allfälliger Therapien. Es liegen auch keine Unterlagen über ein anatomische Substrat für die derzeit bestehende Symptomatik vor. Warum der Patient nur eine Gehstrecke von 100 m unter Zuhilfenahme einer Stützkrücke zurücklegen kann, entzieht sich der gutachterlichen Kenntnis. Eine klinische Untersuchung wird vom Patienten abgebrochen. So wie im Vorgutachten, kann die Indikation zur Ausstellung der Unzumutbarkeit bzw. Eintragung eines Parkausweises nicht gestellt werden. Das angebliche "Auslassen" der Beine ist nicht nachvollziehbar, da keine degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat vorliegen. Aus medizinischen Gründen ist daher die Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises derzeit weiterhin nicht indiziert.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Derzeit liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor, die laut den Richtlinien der EVO zu einer Ausstellung eines Parkausweises führt. Auch eine laufende Chemo-und Radiotherapie ist keine Indikation zur Eintragung der Unzumutbarkeit bzw. Ausstellung eines Parkausweises.
Gutachterliche Stellungnahme:
Der Patient ist nach wie vor in der Lage eine Gehstrecke von 300-400 m zurückzulegen. Auch das Ein-und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ist für den Patienten nicht erheblich eingeschränkt. Ebenso ist die Standfestigkeit, zur gefahrlosen Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich reduziert. Wie oben erwähnt, liegen keine erheblichen degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat vor.
Mit im Spruch bezeichnetem Bescheid wurde der Antrag des BF abschlägig entschieden.
Dagegen erhob der BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen dahingehend, kaum 100m gehen zu können, was mit der Stellungnahme von Dr. XXXX vom 12.2.2020 bestätigt wird, und ersucht um neuerliche Überprüfung seines Antrages.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 12.10.2020 wurde die Verwaltungsangelegenheit der Gerichtsabteilung L517 abgenommen und der nunmehr erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung erfüllt.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das eingeholte Sachverständigengutachten sowie die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. XXXX , FA für Chirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin, vom 22.11.2019 bzw. 27.1.2020 schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.
Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).
Bei Beurteilung der Frage, ob eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist, war vor allem auch zu prüfen, wie sich die bei der bP gegebene dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0242).
Wie der VwGH in seinem am 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3 ergangenen Erkenntnis bestätigte, kann der tatsächlich gegebenen Infrastruktur in diesem Sinne, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, aber nur im Hinblick auf die entscheidende Beurteilung der Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigungen, und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Bedeutung zukommen, weil der VwGH im gegenständlich zitierten Erkenntnis - der hg. Judikatur folgend - wiederholend zum Ausdruck gebracht hat, dass es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit, „nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen Wohnung und der nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel“ ankommt (vgl. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013, mwN).
Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung.
Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Die im Rahmen des Parteiengehörs bzw. der Beschwerdeschrift erhobenen Einwände waren nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, zu entkräften. Neue entscheidungsrelevante fachärztliche Aspekte wurden nicht vorgebracht. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeschrift auf die in Vorlage gebrachte Stellungnahme von Dr. XXXX verweist, war festzustellen, dass weder der ärztliche Befund, welcher dem Grunde nach mit dem Gutachten im Einklang steht, noch das ärztliche Schreiben, in welchem ausgeführt wird, dass der BF angegeben habe, kaum 100m gehen zu können, kein Substrat enthält, um dem Gutachten substantiiert entgegenzutreten. Vielmehr wird einerseits die im Gutachten getroffenen diagnostischen Ergebnisse bestätigt bzw. die Angaben des BF wiedergegeben. Die Ausführungen des Sachverständigen, dass es, um ein entsprechendes Gutachten erstellen zu können, entweder der Mitwirkung des BF bedarf oder einer objektivierbaren, bildgebenden Diagnostik bedarf, vermag das Vorbringen in der Beschwerdeschrift nicht zu entkräften.
Auch war den Vorbringen und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die von der bP eingebrachte Beschwerde enthält – wie oben ausgeführt - kein substanzielles Vorbringen, welches die Einholung eines weiteren Gutachtens erfordern würde und mangelt es dieser darüber hinaus an einer ausreichenden Begründung für die behauptete Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides (VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030-5).
Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen abzugehen.
Das Sachverständigengutachten, die gutachterliche Stellungnahme und die Stellungnahme bzw. die Beschwerdeschrift wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Gemäß diesem Gutachten liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vor, zumal keine Unterlagen über ein anatomisches Substrat für die derzeit bestehende Symptomatik vorliegen und vermag auch die Angabe des BF, lediglich 100m zurücklegen zu können, nicht verifiziert werden. Auch das behauptete Auslassen der Beine ist aus Sicht des Sachverständigen nicht nachvollziebar, liegen doch keine degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates vor. Aus medizinischen Gründen ist die Eintragung der Unzumutbarkeit nicht indiziert.
Der Sachverständige gelangt zu dem Ergebnis, dass dr BF nach wie vor in der Lage ist, eine Gehstrecke von 300 bis 400 m zurückzulegen und ist auch das Ein- und Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel für den BF nicht erheblich eingeschränkt. Auch die Standfestigkeit zur gefahrlosen Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich reduziert, da keine erheblichen degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat vorliegen.
Angemerkt wird, dass es dem BF frei steht, einen neuen Antrag einzubringen und aktuelle bildgebende Befunde beizubringen bzw. an der Gutachtenserstellung beizutragen.
Soweit seitens der bB das Parteiengehör verletzt wurde (durch Nichtvorhalten der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme), ist festzuhalten, dass die Verletzung des Parteiengehörs in diesem Einzelfall – bei ansonsten ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren – durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde (allenfalls nach Akteneinsicht) in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl für viele: VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299). Es ist jedoch auch festzuhalten, dass durch diese Feststellung die bB nicht generell vom ihrer Obliegenheit das Parteiengehör zu wahren, entbunden wird.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der Mangel des Parteiengehörs wird im Beschwerdeverfahren durch die mit der Beschwerde gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (vgl. VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).
Eine im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).
Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).
Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter „neuen Tatsachen“ jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP „neue Tatsachen“ vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.
Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.
Die Nichtvornahme eines Parteiengehörs wird in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führen, außer wenn die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben hätte.
Aufgrund der obigen Ausführungen deckt sich die Ansicht des BVwG grundsätzlich mit der Rechtsprechung des VwGH betreffend mangelhaftes Parteiengehör. Wie eingangs ausgeführt, sieht der VwGH das Parteiengehör nicht verletzt, wenn die bP im Berufungsverfahren die rechtliche Möglichkeit besitzt, Stellung zu nehmen. Unter dem Aspekt der mit 01.07.2015 in Kraft getretenen Neuerungsbeschränkung ist dies aber nicht mehr gewährleistet.
Im gegenständlichen Fall wurde der bP die gutachterliche Stellungnahme vom 27.1.2020 nicht zur Kenntnis gebracht. Damit wurde das Recht auf Parteiengehör verletzt und der bP in Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung (im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgebrachte „neue Tatsachen“ sind nicht zu berücksichtigen) jedwede Möglichkeit eines Vorbringens genommen, was in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führt. Da die bP aber im Zuge der Einbringung der Beschwerde keine neuen entscheidungsrelevanten Beweismittel vorgebracht bzw. ein substantiiertes Vorbringen erstattet hat, hätte hier die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben. Schlussfolgernd führte hier die Möglichkeit, im Beschwerdeverfahren zu obigem Gutachten Stellung zu nehmen, zur Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen
Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a. VwGH vom 24.09.2003, 2003/11/0032; VwGH vom 21.08.2014, Ro 2014/11/0023-7).
Wie der VfGH in seinem Beschluss vom 24.09.2018, E 2304/2018, festgestellt hat, ist es nicht in gesetzwidriger Weise unsachlich, wenn der Verordnungsgeber für die Bewertung des Gesamtgrades der Behinderung – statt einer Addition der einzelnen Beeinträchtigungen – auf die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander abstellt. Durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen wird sichergestellt, dass