RS Vfgh 2020/11/24 E3765/2020

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch dreijährige Untätigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach Durchführung einer Verhandlung und Setzung einer knapp einwöchigen Frist zur Stellungnahme zu Länderberichten und zwischenzeitlichen Änderungen des Privat- und Familienlebens betreffend die Abweisung eines Antrags eines Staatsangehörigen des Iraks auf internationalen Schutz

Rechtssatz

Das BVwG hat am 04.05.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Anschließend hat es über drei Jahre keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt. Auf entsprechende Eingaben des Beschwerdeführers vom 02.05.2018, vom 06.09.2018 und vom 06.11.2019, in denen er sich über den Fortgang des Verfahrens erkundigt und damit seine Bereitschaft zur Mitwirkung am Verfahren bekundet hat, hat das BVwG nicht reagiert. Mit Schreiben vom 04.09.2020 (zugestellt am 07.09.2020) hat das BVwG dem Beschwerdeführer ein aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation übermittelt, eine Frist zur Stellungnahme bis zum 14.09.2020 eingeräumt und den Beschwerdeführer gleichzeitig ersucht, allfällige, sein Privat- und Familienleben betreffende Änderungen seit Erlassung des angefochtenen Bescheides mitzuteilen und entsprechende Bescheinigungsmittel vorzulegen. Zwei Tage nach Ablauf dieser Frist hat das BVwG - unter Verweis darauf, dass der Beschwerdeführer keine Stellungnahme abgegeben hat - das angefochtene Erkenntnis erlassen.

Das BVwG hat, nachdem es nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung über drei Jahre aus ausschließlich ihm selbst zuzurechnenden Gründen untätig geblieben ist, eine knapp einwöchige Frist für eine Stellungnahme eingeräumt. In dieser hätte der Beschwerdeführer zu einer mehr als dreijährigen Entwicklung Stellung nehmen und entsprechende Bescheinigungsmittel für allfällige relevante Änderungen vorlegen müssen. In einem solchen Zusammenhang erweist sich die eingeräumte Frist als dermaßen kurz, dass sie den Anforderungen, denen ein Ermittlungsverfahren aus gleichheitsrechtlicher Sicht zu genügen hat, in einer Weise widerspricht, die dem Unterlassens eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und einem Ignorieren des Parteivorbringens überhaupt gleichkommt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren, Fristen, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3765.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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