RS Vfgh 2020/11/24 E1377/2020

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Niederlassungs- und AufenthaltsG (NAG) §2 Abs1 Z15, §11, §43a Abs1 Z2
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung einer "Niederlassungsbewilligung Künstler" mangels Berücksichtigung einer zulässigen Haftungserklärung; eigenständiger Unterhaltsbegriff bei Künstlern erfordert Prüfung, ob deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist

Rechtssatz

Der VfGH hat bereits in seiner E v 11.06.2018, E4360/2017, ausgesprochen, dass §43a Abs2 NAG zweifelsfrei festlegt, dass eine Haftungserklärung sowohl bei unselbständigen Künstlern als auch bei selbständigen Künstlern zulässig ist. Gemäß §43a Abs1 Z2 NAG soll eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" nur jenen selbständigen Künstlern gewährt werden, deren künstlerische Tätigkeit eine gewisse Intensität erreicht; dies nimmt der Gesetzgeber an, wenn der Unterhalt durch das Einkommen gedeckt ist. Da §43a Abs2 NAG die Abgabe einer Haftungserklärung für zulässig erklärt, bleibt - wird eine Haftungserklärung für einen selbständigen Künstler abgegeben - hinsichtlich der Intensität der Tätigkeit lediglich zu prüfen, ob die Tätigkeit des Drittstaatsangehörigen überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist.

Der VwGH hat in seiner E v 09.09.2020, Ra 2020/22/0121, Folgendes ausgeführt: Die besondere Erteilungsvoraussetzung des §43a Abs1 Z2 NAG, wonach der Unterhalt durch das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit gedeckt sein solle, verweise nicht auf die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des §11 Abs2 Z4 bzw Abs5 NAG betreffend ausreichende Unterhaltsmittel (deren Vorliegen sich an den Richtsätzen des §293 ASVG orientiere). §11 Abs5 und §43a Abs1 Z2 NAG verfolgten unterschiedliche Ziele und das Erfordernis der Unterhaltungsdeckung iSd §43a Abs1 Z2 NAG sei unabhängig von §11 Abs5 NAG zu beurteilen. Im Rahmen des §43a Abs1 Z2 NAG sei somit zu prüfen, ob die Tätigkeit des Drittstaatsangehörigen überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt sei. Dieses aus künstlerischer Tätigkeit erwirtschaftete Einkommen müsse grundsätzlich geeignet sein, den Unterhalt des Drittstaatsangehörigen zu decken, es sei jedoch nicht an den Richtwerten des §293 ASVG zu messen und eröffne einen Spielraum, um allenfalls eine ungleiche Intensität der künstlerischen Tätigkeit aus besonderen Gründen berücksichtigen zu können.

Das Verwaltungsgericht Wien (VGW - LVwG) hat seine Entscheidung ausschließlich damit begründet, dass das Einkommen des Beschwerdeführers seinen gemäß §11 Abs5 NAG iVm §293 ASVG berechneten Unterhalt nicht decke, da auf Grund dieser Berechnung ein monatliches Einkommen von € 1.255,28 nachzuweisen sei. Es handle sich bei dem Erfordernis, dass der Unterhalt durch das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit gedeckt werden müsse, um eine besondere Erteilungsvoraussetzung, die nicht durch eine Haftungserklärung substituiert werden könne. Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Haftungserklärung sei daher unbeachtlich und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Dabei verkennt das VGW jedoch die Rechtslage entsprechend der oben dargestellten Rechtsprechung des VfGH und VwGH. Demnach ist der Unterhaltsbegriff des §43a Abs1 Z2 NAG nicht im Sinne des Unterhalts iSd §11 Abs5 NAG zu verstehen. Das VGW hätte sich daher mit der Intensität der künstlerischen Tätigkeit auseinanderzusetzen gehabt und prüfen müssen, ob die Tätigkeit des Drittstaatsangehörigen überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist sowie ob besondere Gründe vorliegen, die im Rahmen des - bei §43a Abs1 Z2 NAG bestehenden - Spielraumes zu berücksichtigen sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenrecht, Unterhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E1377.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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