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E000 EU- Recht allgemeinNorm
BAO §24 Abs1 litdBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des F in S, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. Oktober 2017, Zl. RV/7103986/2015, betreffend Rückerstattung der Kapitalertragsteuer 2013 und 2014, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine in den USA ansässige Investmentgesellschaft, wurde im Jahr 2001 errichtet. Sie ist eine sogenannte „Series“ - das heißt ein eigenständiges Teilvermögen - eines in den USA (Delaware) ansässigen Trusts, der aus insgesamt sieben „Series“ besteht. Nach US-amerikanischem Recht (Delaware Statutory Trust Act, 12 Del. C. §§ 3801 ff) gilt der Trust als eigenständige juristische Person, die klagen und geklagt werden kann. Er ist nach US-amerikanischem Recht zivilrechtlicher Eigentümer des Teilvermögens, das der Revisionswerberin zuzurechnen ist, und die Revisionswerberin ist - laut deren Angaben in den Anträgen auf Erstattung der Quellensteuer - wirtschaftliche Eigentümerin dieses Teilvermögens. Jede „Series“ bildet einen eigenen Rechnungskreis und ist nach US-amerikanischem Recht eine steuerpflichtige Körperschaft. Der Steuerpflicht unterliegen alle in- und ausländischen Einkünfte einschließlich der Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen. Die Zurechnung von Einkünften an die Anteilsinhaber setzt eine Ausschüttung voraus (keine Durchgriffsbesteuerung). Für „Series“ besteht in den USA eine Steuerbegünstigung: Sofern sie mindestens 90% der steuerpflichtigen Einkünfte (ohne realisierte Wertsteigerungen) ausschütten, sind sie berechtigt, die Ausschüttung steuerlich abzusetzen. Dadurch kann die zu zahlende US-Bundeseinkommensteuer auf bis zu null reduziert werden. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts hat die Revisionswerberin 2013 und 2014 eine Vollausschüttung vorgenommen, sodass keine US-Bundeseinkommensteuer zu entrichten war.
2 Aufgrund von Portfoliobeteiligungen an zwei österreichischen börsenotierten Aktiengesellschaften wurden im Kalenderjahr 2013 Dividenden in Höhe von 387.679 € und im Kalenderjahr 2014 Dividenden in Höhe von 1,436.901 € an die Revisionswerberin ausgeschüttet. Die ausschüttenden Gesellschaften behielten die 25%ige Kapitalertragsteuer ein und führten diese an das Finanzamt ab. Die einbehaltene Quellensteuer hat im Jahr 2013 96.920 € und im Jahr 2014 359.225 € betragen.
3 Über Antrag der Revisionswerberin setzte das Finanzamt - auf Grundlage des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, BGBl. III Nr. 6/1998 - die Kapitalertragsteuer auf 15% herab und erstattete der Revisionswerberin den Differenzbetrag. Die Rückerstattung hat für das Jahr 2013 38.768 € und für das Jahr 2014 143.690 € betragen.
4 Mit weiteren - auf § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 gestützten - Anträgen begehrte die Revisionswerberin die Rückerstattung der verbleibenden Quellensteuer für die Jahre 2013 (58.152 €) und 2014 (215.535 €). Zur Begründung führte sie auf das Wesentliche zusammengefasst aus, § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 sei zwar vom Wortlaut her nur auf beschränkt Steuerpflichtige, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe bestehe, anwendbar, unter Berücksichtigung des Unionsrechts - insbesondere der unionsrechtlichen Judikatur zur Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV - sei jedoch auch Rechtsträgern aus Drittstaaten eine Möglichkeit zur Beantragung einer Rückzahlung von entrichteten Quellensteuern zu gewähren.
5 Das Finanzamt wies die Anträge ab und führte zur Begründung aus, die Revisionswerberin sei nicht berechtigt, eine Rückzahlung der Kapitalertragsteuer von Inlandsdividenden zu begehren, weil sie nicht im EU/EWR-Raum ansässig sei.
6 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde und beantragte deren unmittelbare Vorlage an das Bundesfinanzgericht.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gegen die Abweisungsbescheide des Finanzamtes als unbegründet ab.
8 Strittig sei - so das Bundesfinanzgericht - die Rechtsfrage, ob die Dividendeneinkünfte, für die Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei, der Revisionswerberin oder deren Anteilsinhabern zuzurechnen seien. Davon hänge die Beurteilung ab, ob die Revisionswerberin oder ihre Anteilsinhaber - soweit sie die materiellen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 erfüllten - berechtigt seien, die Rückzahlung der Quellensteuer zu beantragen.
9 Da das DBA-Recht keine Regeln über die Einkünftezurechnung enthalte, habe die Zurechnung von Einkünften im Quellenstaat nach dem nationalen Recht des Quellenstaats zu erfolgen. Hierbei seien die Sonderregelungen des Investmentfondsgesetzes 2011 (InvFG 2011) maßgeblich. Die §§ 2, 46, 186 Abs. 1 und § 188 InvFG 2011 normierten, dass die Erträge aus Einkünften im Sinne des § 27 EStG 1988 eines Kapitalanlagefonds beim Anteilsinhaber steuerpflichtige Einnahmen seien. Die der Revisionswerberin zugeflossenen Inlandsdividenden seien nach diesen Bestimmungen direkt den Anteilsinhabern zuzurechnen. Diese seien die Schuldner der österreichischen Quellensteuer.
10 Die spezielle Einkünftezurechnung habe ihren Grund darin, dass ein Investmentfonds nur ein Vehikel sei, um eine risikogestreute, professionell gemanagte Kapitalveranlagung einer zu einer Veranlagungsgemeinschaft gebündelten Anzahl von Anlegern zu erreichen. Das Fondsvermögen behalte jedoch weiterhin seinen wirtschaftlichen Zweck, zu Gunsten der Anleger und nicht zu Gunsten des Fonds veranlagt zu werden. In der dem Steuerrecht immanenten wirtschaftlichen Betrachtungsweise werde daher im InvFG 2011 bestimmt, dass für die steuerrechtliche Zurechnung der Kapitalerträge durch das Vehikel des Investmentfonds durchzugreifen sei, und zwar gleichgültig, ob es sich um einen Inlands- oder Auslandsfonds handle und welche Rechtsform der Fonds habe („same business same rules“).
11 Ein Kapitalanlagefonds wie die Revisionswerberin könne daher auf Grund der eindeutigen innerstaatlichen Rechtslage niemals ein Steuerrechtssubjekt sein, auch wenn er in seinem Ansässigkeitsstaat als Steuerrechtssubjekt gelte.
12 Die Dividendenzurechnung an die Anteilsinhaber habe zur Folge, dass diese und nicht der körperschaftlich organisierte Investmentfonds (die Revisionswerberin) unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 Anspruch auf die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer hätten.
13 Diese Ausführungen zur nationalen Rechtslage würden von der Revisionswerberin grundsätzlich geteilt. Sie moniere jedoch eine Unionsrechtswidrigkeit durch das im InvFG 2011 normierte Durchgriffsprinzip bei ausländischen Investmentgesellschaften („corporate funds“). Die unionsrechtskonforme Abgabenvollziehung erfordere, dass der steuerrechtliche Durchgriff durch die Revisionswerberin unterbleibe und die Abschirmwirkung ihrer körperschaftlichen Organisation (Trust) genauso anerkannt werde, wie dies bei einer inländischen Kapitalgesellschaft (insbesondere einer GmbH) der Fall sei.
14 Die unionsrechtliche Kritik richte sich gegen die unterschiedliche Anknüpfung und Reichweite des steuerrechtlichen Durchgriffs bei inländischen und ausländischen Investmentvermögen gemäß §§ 186 und 188 InvFG 2011, die sich aus der Systematik des InvFG entwickelt habe. Die Definition des inländischen Investmentfonds erfolge nämlich formalrechtlich (§ 1 InvFG 2011), während der ausländische Investmentfonds nach wirtschaftlichen Kriterien bestimmt werde, sodass dieser Begriff erheblich weitreichender sei. Die unterschiedliche Anknüpfung wirke sich bei vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften (z.B. Holdings oder Private-Equity- und Venture-Capital-Investitionen) aus, die im Inlandsfall nicht von der formalen Definition des InvFG 2011 erfasst seien, sodass es hier nicht zum Durchgriff auf die Gesellschafter komme, während auf Grund der materiellen Anknüpfung im vergleichbaren Auslandsfall die Einkünfte den Gesellschaftern direkt zugerechnet würden.
15 Bei der Revisionswerberin handle es sich jedoch um einen frei handelbaren Publikumsfonds, der vorwiegend in europäische börsenotierte Aktien investiere und im Ansässigkeitsstaat einer Finanzmarktaufsicht - nach einem dem europäischen und nationalen Aufsichtsrecht vergleichbaren Regelwerk - unterliege. Ihr Fondsmanagement erfolge nach den gleichen Grundsätzen und Investitionskriterien wie dasjenige eines gleichnamigen in Luxemburg zugelassenen Investmentfonds. Die Tätigkeit entspreche in allen wesentlichen Belangen (Anlegerschutz, Informationspflichten, insbesondere Prospektpflicht, Halbjahres- und Jahresberichte, zulässige Geschäftstätigkeit, Wirksamkeit der Aufsicht und Kontrolle) einem inländischen Investmentfonds und damit einem „Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW) im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG.
16 Die Revisionswerberin sei objektiv mit einem inländischen Investmentfonds vergleichbar. Als Vergleichspaar für die Beurteilung einer steuerrechtlichen Diskriminierung sei daher nicht die steuerrechtliche Behandlung einer inländischen Kapitalgesellschaft heranzuziehen, sondern die eines inländischen Investmentfonds. Diese auf die übereinstimmende Situation abstellende Vergleichspaarbildung werde im EuGH-Urteil Emerging Market Series of DFA Investment Trust Company, C-190/12, eindeutig bestätigt. Danach seien ein dem amerikanischen Aufsichtsrecht unterliegender Investmentfonds, ein OGAW im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG und ein polnischer Investmentfonds miteinander objektiv vergleichbar. Diese Gebilde befänden sich auf Grund der Ähnlichkeiten bei der Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit und beim Tätigkeitsfeld in einer vergleichbaren Situation, sodass eine nachteilige steuerliche Behandlung des in den USA ansässigen Investmentfonds (Versagung einer Steuerfreiheit) nicht gerechtfertigt sei.
17 Die Frage, ob eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft gegenüber einer inländischen Kapitalgesellschaft steuerlich benachteiligt werde, stelle sich auf Grund der vorrangigen situativen Vergleichbarkeit der Revisionswerberin mit einem inländischen Investmentfonds (OGAW) nicht. Im konkreten Fall liege auch keine steuerliche Benachteiligung vor, weil die Revisionswerberin von ihrem Wahlrecht auf Einkommensteuerbefreiung Gebrauch gemacht habe. Ein Besteuerungsverzicht des Quellenstaates würde in jenen Fällen zu einer Nicht- oder Niedrigbesteuerung führen, in denen der Ansässigkeitsstaat der Anteilsinhaber (das seien nicht nur die USA) die ausgeschütteten Fondserträge nicht oder nur niedrig besteuere.
18 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 135/2013 habe der Gesetzgeber versucht, die unionsrechtliche Problematik zu beheben, die sich durch die unterschiedliche Definition der in- und ausländischen Investmentfonds ergebe. Die Gesetzesänderung gelte für Geschäftsjahre nach dem 29. Juni 2013 und sei somit für das Streitjahr 2014 anzuwenden. Die vorstehenden Ausführungen behielten auch für die geänderte Rechtslage im Geschäftsjahr 2014 ihre Gültigkeit. Die Revisionswerberin sei ein ausländischer Kapitalanlagefonds, der inhaltlich den wesentlichen Kriterien eines OGAW entspreche, und nur darauf komme es an.
19 Die Bestimmung des § 188 Abs. 1 Z 1 InvFG 2011 idF BGBl. I Nr. 135/2013 „als ausländische Kapitalanlagefonds gelten OGAW, deren Herkunftsmitgliedstaat nicht Österreich ist“, sei keineswegs so zu verstehen, dass darunter nur OGAW fielen, die in einem Mitgliedstaat der EU niedergelassen oder zugelassen seien. Entsprechend dem Sinn dieser Norm werde damit auch jeder in einem Drittstaat ansässige Investmentfonds erfasst, der - wie die Revisionswerberin - nach seinem Gesamtbild den wesentlichen Kriterien eines OGAW entspreche.
20 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil zur Frage der Antragsberechtigung von Investmentfonds in der Rechtsform einer Körperschaft zur KESt-Rückerstattung gemäß § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
21 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 Gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 sind Körperschaften, die im Inland weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz (§ 27 BAO) haben, mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 1 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Als Körperschaften gelten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einer inländischen juristischen Person vergleichbar sind, nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen.
24 § 21 KStG 1988 in der für die Jahre 2013 und 2014 geltenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, lautet auszugsweise:
„§ 21. (1) Bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 1 gilt folgendes:
[...]
1a. Beschränkt Steuerpflichtigen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ansässig sind, ist die Kapitalertragsteuer für die von ihnen bezogenen Einkünfte gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 lit. a, b und c des Einkommensteuergesetzes 1988 auf Antrag zurückzuzahlen, soweit die Kapitalertragsteuer nicht auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Ansässigkeitsstaat angerechnet werden kann. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis zu erbringen, dass die Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise nicht angerechnet werden kann.“
25 Nach § 186 Abs. 1 erster Satz InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 waren die ausgeschütteten Erträge aus Einkünften im Sinne des § 27 EStG 1988 abzüglich der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines Kapitalanlagefonds beim Anteilinhaber steuerpflichtige Einnahmen.
26 Gemäß § 188 erster Satz InvFG 2011 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2011 waren die Bestimmungen des § 186 InvFG 2011 auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solcher galt gemäß § 188 zweiter Satz InvFG 2011, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist.
27 Mit dem Alternativen Investmentfonds Manager-Gesetz (AIFMG), BGBl. I Nr. 135/2013, wurden u.a. die §§ 186 und 188 InvFG 2011 novelliert. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes wurde die Erlassung des AIFMG zum Anlass genommen, die steuerliche Behandlung von Investmentfonds an die geänderten regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen und die Besteuerung ausländischer Investmentfonds den Vorgaben des Unionsrechts entsprechend neu zu regeln. Dazu solle zunächst die investmentfondsspezifische transparente Besteuerungssystematik bei inländischen Kapitalanlagefonds - das sind OGAW und AIF - unabhängig von der Rechtsform zur Anwendung kommen. Auch die Besteuerung ausländischer Kapitalanlagefonds solle angepasst werden. Abweichend von der bisherigen Rechtslage solle bei der Definition des ausländischen Kapitalanlagefonds zunächst formal angeknüpft werden. Daher sollten OGAW und AIF unabhängig von der Rechtsform generell als ausländische Kapitalanlagefonds eingestuft werden. Darüber hinaus solle für ausländische Strukturen, die keine AIF oder OGAW sind, eine materiell-wirtschaftliche Anknüpfung zur Verhinderung von Gestaltungsmodellen in Niedrigsteuerländern greifen (ErlRV 2401 BlgNR 24. GP 26 f).
28 Die §§ 186 und 188 InvFG 2011 in der für das Streitjahr 2014 geltenden Fassung des AIFMG, BGBl. I Nr. 135/2013, lauten auszugsweise:
„§ 186. (1) Die ausgeschütteten Erträge aus Einkünften im Sinne des § 27 des Einkommensteuergesetzes 1988 abzüglich der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen eines
1. Kapitalanlagefonds oder eines
2. AIF im Sinne des AIFMG, dessen Herkunftsmitgliedstaat Österreich ist, ausgenommen AIF in Immobilien im Sinne des AIFMG,
sind beim Anteilinhaber steuerpflichtige Einnahmen.
[...]
§ 188. (1) Die Bestimmungen des § 186 sind auch auf ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solche gelten:
1. OGAW, deren Herkunftsmitgliedstaat nicht Österreich ist;
2. AIF im Sinne des AIFMG, deren Herkunftsmitgliedstaat nicht Österreich ist, ausgenommen AIF in Immobilien im Sinne des AIFMG;
3. jeder einem ausländischen Recht unterstehende Organismus, unabhängig von seiner Rechtsform, dessen Vermögen nach dem Gesetz, der Satzung oder tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist, wenn er nicht unter Z 1 oder 2 fällt und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt:
a) Der Organismus unterliegt im Ausland tatsächlich direkt oder indirekt keiner der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer.
b) Die Gewinne des Organismus unterliegen im Ausland einer der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer, deren anzuwendender Steuersatz um mehr als 10 Prozentpunkte niedriger als die österreichische Körperschaftsteuer gemäß § 22 Abs. 1 KStG 1988 ist.
c) Der Organismus ist im Ausland Gegenstand einer umfassenden persönlichen oder sachlichen Befreiung.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Veranlagungsgemeinschaften in Immobilien im Sinne des § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes.“
29 Mit BGBl. I Nr. 70/2014 (in Kraft getreten am 12. August 2014) wurde der in § 188 Abs. 1 Z 2 InvFG 2011 verwendete Begriff „Herkunftsmitgliedstaat“ durch den Begriff „Herkunftsstaat“ ersetzt. Laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollte mit dieser Änderung „klargestellt werden, dass auch Nicht-EU-AIF als ausländische Kapitalanlagefonds gelten“ (vgl. ErlRV 176 BlgNR 25. GP 7).
30 Die Revisionswerberin hat - mit auf § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 gestützten Anträgen - die Rückerstattung von Quellensteuer für die Jahre 2013 und 2014 begehrt. Dies setzt voraus, dass es sich bei ihr (einer „Series“ eines nach US-amerikanischem Recht errichteten Trusts) um eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft handelt, die als solche Schuldnerin der (zunächst) einbehaltenen Kapitalertragsteuer war. Denn nur dem Schuldner der einbehaltenen Kapitalertragsteuer steht - bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen - deren Rückerstattung zu.
31 Aus der Sicht des österreichischen Steuerrechts ist daher vorrangig zu prüfen, ob die Revisionswerberin ein Rechtsgebilde ist, das Subjekt der Steuer auf das Einkommen sein kann, oder ob dies von vornherein ausgeschlossen ist. Diese Prüfung erfolgt nach dem so genannten Typenvergleich, der - auch vor dem Hintergrund der Regelung des § 1 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 - für die Einordnung ausländischer Gesellschaftsformen in das Gefüge des KStG und EStG anzustellen ist.
32 Beim Typenvergleich kommt es darauf an, ob das ausländische Rechtsgebilde nach seinem im Ausland geregelten rechtlichen Aufbau und seiner wirtschaftlichen Stellung in seinen wesentlichen Strukturmerkmalen einer österreichischen Körperschaft entspricht (vgl. Hohenwarter-Mayr in Lang u.a., KStG2, § 1 Tz 65).
33 Der erste Schritt des Typenvergleichs besteht darin, die gesellschaftsrechtliche Struktur des konkreten ausländischen Rechtsgebildes zu ermitteln. Danach wird das ausländische Rechtsgebilde in seiner konkreten Ausgestaltung mit dem Typus jener inländischen Körperschaft verglichen, die dem ausländischen Gebilde (am ehesten) ähnlich ist (vgl. Hohenwarter-Mayr, a.a.O, § 1 Tz 65a; Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG § 1 Tz 264; VwGH 23.6.2009, 2006/13/0183, VwSlg. 8452/F; siehe auch BFH 20.8.2008, I R 34/08).
34 Sollte die Revisionswerberin nach österreichischem Steuerrecht als Körperschaft zu werten sein, ist in einem nächsten Schritt die Frage nach der Einkünftezurechnung zu beantworten. Soweit es um Passiveinkünfte in Form von Kapitaleinkünften geht, wird die Einkünftezurechnung mit der Frage des wirtschaftlichen Eigentums am Kapitalvermögen zusammenhängen (siehe dazu etwa VwGH 25.2.2015, 2011/13/0003; 25.3.2015, 2012/13/0033).
35 Sollte keine Vergleichbarkeit mit einer Körperschaft bestehen und sollten zudem die Voraussetzungen für die Zurechnung der Einkünfte an die beteiligten natürlichen Personen nicht vorliegen, ist es auch möglich, dass der Trust als Zweckvermögen iSd § 3 KStG 1988 eingestuft wird (vgl. VwGH 20.9.1988, 87/14/0167; Pinetz in Lang u.a., KStG2, § 3 Tz 21; Hohenwarter-Mayr, a.a.O., § 1 Tz 68a).
36 Nur wenn der Typenvergleich zu dem Ergebnis führt, dass die Revisionswerberin nach österreichischem Steuerrecht mit einer Körperschaft vergleichbar oder als Zweckvermögen iSd § 3 KStG einzustufen ist, und wenn die Einkünfte nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkünftezurechnung solche der Revisionswerberin sind, stellt sich die Frage nach der Anwendung des § 188 InvFG 2011. Dabei geht es dann darum, ob (erst) die Vorschriften des InvFG 2011 eine Zurechnung der hier in Rede stehenden Einkünfte an die hinter der Revisionswerberin stehenden natürlichen Personen bewirken.
37 Für diesen Fall ist auf das Erkenntnis vom 12. September 2018, Ra 2017/13/0027, zu verweisen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zu § 188 InvFG 2011 in der bis 2013 geltenden Fassung (und zur inhaltlich gleichartigen Bestimmung des § 42 InvFG 1993) zum Ausdruck gebracht hat, dass diese Regelung im Konflikt mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit steht, soweit eine inländische Körperschaft gegenüber einer gleichartigen ausländischen Einrichtung bevorzugt wird, weil sie ein Körperschaftsteuersubjekt ist, während die gleichartige ausländische Einrichtung als transparent behandelt wird (vgl. auch VwGH 11.9.2020, Ra 2020/13/0006). Für den gegenständlichen Revisionsfall bedeutet dies: Wenn einer österreichischen Körperschaft Kapitalerträge zuzurechnen sind, bei einem (gegebenenfalls) mit der Körperschaft vergleichbaren Trust hingegen die Zurechnung an ihn im Ergebnis durch § 188 InvFG 2011 untersagt und die Transparenz dieses Gebildes angeordnet wird, so beschränkt diese Schlechterstellung des ausländischen Gebildes die Kapitalverkehrsfreiheit. Wenn kein Rechtfertigungsgrund für diese Beschränkung vorliegt, ist die Bestimmung des § 188 InvFG 2011 als verdrängt anzusehen.
38 Anderes gilt für das Jahr 2014, zumal mit dem AIFMG, das für Geschäftsjahre von Kapitalanlagefonds gilt, die nach dem 21. Juli 2013 beginnen, die Besteuerung ausländischer Investmentfonds den Vorgaben des Unionsrechts entsprechend neu geregelt worden ist. § 186 Abs. 1 InvFG 2011 wurde dahingehend geändert, dass die investmentfondsspezifische transparente Besteuerungssystematik bei inländischen Kapitalanlagefonds - das sind OGAW und AIF - unabhängig von deren Rechtsform zur Anwendung kommt. Auch die Besteuerung ausländischer Kapitalanlagefonds wurde angepasst, indem in § 188 Abs. 1 InvFG 2011 bei der Definition des ausländischen Kapitalanlagefonds nunmehr OGAW und AIF unabhängig von der Rechtsform als ausländische Kapitalanlagefonds eingestuft werden.
39 Österreichische Körperschaften, die materiellrechtlich ein OGAW oder AIF sind, werden demnach seit 2014 gleich behandelt wie ausländische OGAW oder AIF und die in § 188 Abs. 1 Z 3 InvFG 2011 näher definierten ausländischen Strukturen, die keine OGAW und AIF sind. Im fortzusetzenden Verfahren wird für das Jahr 2014 - nach Durchführung des Typenvergleichs - daher auch zu prüfen sein, ob es sich bei der Revisionswerberin um einen AIF oder um eine der besagten Strukturen handelt (ein OGAW kann mangels Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorliegen). Dazu wird angemerkt, dass es für das Vorliegen eines ausländischen AIF - entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt - keiner diesbezüglichen Qualifikation durch eine Aufsichtsbehörde bedarf (vgl. Bodis/Polivanova-Rosenauer in Bollenberger/Kellner (Hrsg.), InvFG - Investmentfondsgesetz, 1. Aufl., § 188 Rz 15 f).
40 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesen Gründen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
41 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
42 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Jänner 2021
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2018130003.J00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021