Index
L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt VorarlbergNorm
AVG §18 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache 1. des Dkfm. Dr. W I, 2. des P I, 3. der Mag. B I und 4. der E S, alle in L und alle vertreten durch Dr. Henrik Gunz, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Ebnergasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 7. September 2020, LVwG-318-36/2020-R15, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Marktgemeinde L; mitbeteiligte Partei: M L in L, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (in der Folge: LVwG) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde L. vom 12. März 2020, mit welchem der mitbeteiligten Partei gemäß näher bezeichneter Bestimmungen des Baugesetzes die Baubewilligung für eine Planabweichung bei einem Mehrfamilienhaus auf einem näher genannten Grundstück der KG L. erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher unter der Überschrift „V. Revisionspunkte“ ausgeführt wird, die revisionswerbenden Parteien erachteten sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihren subjektiven Rechten auf „Entscheidung durch eine zuständige Behörde“, „Einhaltung des straßengesetzlichen Mindestabstandes des Bauprojektes der mitbeteiligten Partei gem. § 43 (Vlbg.) StrG (vormals § 36 StrG)“ und „ein faires Verfahren nach Art. 6 MRK“ verletzt.
3 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten.
4 Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet (vgl. etwa VwGH 3.8.2020, Ra 2020/06/0136, mwN).
5 Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich.
6 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien in den ausdrücklich bezeichneten Revisionspunkten gegenständlich in ihrem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt erachten, übersehen sie, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung dieses Rechtes gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen ist (vgl. für viele etwa VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0099, 5.5.2020, Ra 2020/07/0031, oder auch 3.12.2019, Ra 2019/02/0214, jeweils mwN).
7 Zu dem von den revisionswerbenden Parteien weiters geltend gemachten Recht auf „Einhaltung des straßengesetzlichen Mindestabstandes des Bauprojektes der mitbeteiligten Partei gem. § 43 (Vlbg.) StrG (vormals § 36 StrG)“ legen die revisionswerbenden Parteien nicht dar, in welchem konkreten, ihnen im vorliegenden Bauverfahren nach dem Baugesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Recht sie verletzt seien (vgl. bereits zu der von ihnen selbst angeführten Bestimmung des § 36 Vorarlberger Straßengesetz, LGBl. Nr. 8/1969, VwGH 22.2.1996, 96/06/0015).
8 Es verbleibt somit als Revisionspunkt die behauptete Verletzung im Recht „auf Entscheidung durch eine zuständige Behörde“ und die Revisionszulassungsbegründung ist nur insoweit zu prüfen (vgl. dazu etwa VwGH 15.5.2020, Ra 2019/05/0316, oder auch 1.8.2019, Ra 2017/06/0192).
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung im Recht auf Entscheidung durch eine zuständige Behörde bringen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zusammengefasst vor, gemäß § 53 Abs. 2 Vorarlberger Gemeindegesetz dürften der Bürgermeister und der Vizebürgermeister nicht Mitglied der Berufungskommission sein, weshalb der Vizebürgermeister den Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde L. nicht unterschreiben und genehmigen hätte dürfen. Es liege ein „Nichtbescheid“ vor (Verweis auf VwGH 20.4.2020, Ra 2019/06/0136), weshalb das LVwG den Berufungsbescheid hätte aufheben und die Beschwerde zurückweisen müssen. Zudem lasse sich weder dem Bescheid der Berufungskommission, noch dem angefochtenen Erkenntnis entnehmen, „wer überhaupt Mitglied der entscheidenden Berufungskommission der Marktgemeinde L. war bzw. in welcher Konstellation hier entschieden wurde“.
13 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für den Revisionsfall schon insofern nicht aufgezeigt, als es in der Zulässigkeitsbegründung der Revision erstmals erstattet wurde und ihm damit das aus § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG ableitbare Neuerungsverbot entgegensteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das Vorliegen grundsätzlicher Rechtsfragen nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. etwa VwGH 2.4.2020, Ra 2020/06/0058, mwN).
14 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage im Bundesland Vorarlberg bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Ausfertigung von Beschlüssen der Berufungsbehörde durch den Bürgermeister bzw. in dessen Vertretung durch den Vizebürgermeister in Anwendung des § 66 Abs. 1 lit. d Gemeindegesetz als Erlassung eines sogenannten „Intimationsbescheides“ als rechtlich unbedenklich anzusehen ist (vgl. hierzu etwa VwGH 15.10.1998, 98/06/0154, 18.6.2003, 2000/06/0178, oder auch 23.10.2007, 2003/06/0190, jeweils mwN). Dass sich für den Revisionsfall aus der gemäß § 53 Abs. 4 Gemeindegesetz (aufgehoben durch die Novelle LGBl. Nr. 34/2018) für die Berufungskommission der Marktgemeinde L. erlassenen Geschäftsordnung Anhaltspunkte für eine gegenteilige Beurteilung ergeben könnten (siehe dazu etwa VwGH 26.9.2002, 2001/06/0024 oder auch 20.3.2003, 2001/06/0095), legen die revisionswerbenden Parteien nicht dar. Dem Zulässigkeitsvorbringen, es seien die Mitglieder der Berufungskommission im Bescheid nicht erkennbar, ist schließlich zu entgegnen, dass dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich ist (vgl. VwGH 20.2.1997, 97/06/0026, mwN). Der gegenständliche Berufungsbescheid verweist auf S. 1 darauf, dass er auf einem Beschluss der Berufungskommission der Marktgemeinde L. vom 14. Jänner 2020 beruht; die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführte Entscheidung zu Ra 2019/06/0136 erging zu einem nicht vergleichbaren Sachverhalt, in welchem aus dort näher genannten Gründen der dort gegenständlichen erstinstanzlichen Entscheidung keine Bescheidqualität zukam.
15 Die Revision erweist sich damit aus den genannten Gründen als unzulässig und war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Jänner 2021
Schlagworte
Zurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020060296.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021