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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag WienNorm
BauO Wr §71Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der E S und 2. des J S, beide in W und beide vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1. Oktober 2020, VGW-111/067/5135/2020-9 und VGW-111/V/067/5136/2020, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. Februar 2020, mit welchem deren nachträglich gestelltes Ansuchen auf Bewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) für einen PKW-Verkaufsplatz mit 42 PKW-Abstellplätzen, ein Blockhaus und ein mobiles WC auf näher genannten Grundstücken in Wien abgewiesen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen (1.). Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (2.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht hierzu nach Darstellung des Verfahrensganges sowie von Rechtsvorschriften, soweit im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision relevant, zusammengefasst aus, für die in Rede stehende Liegenschaft mit einer näher genannten Grundstücksadresse in Wien sei im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung „Grünland, ländliche Gebiete“ mit der besonderen Festsetzung „BB 3“ festgelegt. Auf den mit „BB 3“ bezeichneten Flächen sei nach dieser Verordnung je Betriebseinheit die Errichtung von Wohngebäuden mit einer maximalen Gebäudehöhe von 7,5 m und einer bebauten Grundfläche von maximal 250 m² zulässig. Die zur Errichtung gelangenden Gebäude dürften maximal drei Geschoße (zwei Hauptgeschoße, ein Dachgeschoß) aufweisen; der Abstand der Wohngebäude von der Straßenfluchtlinie dürfe 50,0 m nicht überschreiten. Nach der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Bauansuchen ein einheitliches Projekt und als solches insgesamt zu bewilligen oder zu versagen. Gemäß § 6 Abs. 1 BO seien ländliche Gebiete für land- und forstwirtschaftliche oder berufsgärtnerische Nutzung bestimmt und dürften in ländlichen Gebieten nur Bauwerke errichtet werden, die landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder berufsgärtnerischen Zwecken dienen und das betriebsbedingt notwendige Ausmaß nicht überschritten. Hierzu gehörten auch die erforderlichen Wohngebäude; zulässig sei ferner die Errichtung von Bauwerken, die öffentlichen Zwecken dienen. Die revisionswerbenden Parteien hätten lediglich eine Bewilligung nach § 71 BO beantragt; für die Beurteilung eines solchen Ansuchens sei zu untersuchen, ob vom Bauwerber für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung angeführte oder aus seinem Vorbringen im Zusammenhang mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare besondere Gründe vorlägen, weil andernfalls eine Abstandnahme von den Vorschriften in keinem Fall als gerechtfertigt angesehen werden könnte (Hinweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Dass die gegenständlich projektierten PKW-Abstellplätze nicht der nach § 6 Abs. 1 BO zulässigen Nutzung für ländliche Gebiete entsprächen, sei, auch vor dem Hintergrund, dass lediglich eine Bewilligung nach § 71 BO beantragt worden sei, unstrittig. Das Baubewilligungsansuchen sei von den revisionswerbenden Parteien dahingehend begründet worden, dass die verfahrensgegenständliche Grundfläche nach dem heutigen Stand der landwirtschaftlichen Maschinen nicht rationell zu bewirtschaften sei, weshalb das Grundstück einer anderen Nutzung zugeführt werden solle. Damit sei jedoch für sich nicht dargetan, dass die Grundfläche nicht etwa auch einer berufsgärtnerischen Nutzung, respektive einer nicht maschinellen widmungsgemäßen Nutzung zuführbar wäre. Der Umstand, dass angrenzende bzw. naheliegende Grundflächen nicht landwirtschaftlich, sondern als Container-Abstellplätze genutzt würden, wofür keine Bewilligung nach der BO erwirkt worden sei, zeige für sich keinen besonderen Grund für eine Abstandnahme von § 6 Abs. 1 BO auf. Auch erhelle sich kein Grund, der für die Notwendigkeit der widmungswidrigen Nutzung der verfahrensgegenständlichen Grundfläche gerade zu Zwecken der projektierten PKW-Abstellplätze spreche. In Ermangelung eines begründeten Ausnahmefalles, der für die Zulässigkeit einer widmungswidrigen Nutzung durch die projektierten PKW-Abstellplätze spreche, könne eine Abstandnahme von § 6 Abs. 1 BO nicht als gerechtfertigt angesehen werden.
3 In den Zulässigkeitsgründen der vorliegenden, dagegen erhobenen Revision bringen die revisionswerbenden Parteien zusammengefasst vor, das angefochtene Erkenntnis weise wesentliche Begründungsmängel auf, indem das Verwaltungsgericht nur auf die Widmungswidrigkeit abgestellt und sich „in keiner Weise“ damit auseinandergesetzt habe, dass eine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung aufgrund der Konfiguration und geringen Grundstücksgröße nicht möglich und der geplanten Nutzung als Autoabstellplatz bzw. Autoverkaufsplatz seitens genannter Magistratsabteilungen nicht widersprochen worden sei. Gegenüber dem Grundstück der Revisionswerber lägen ebenfalls Grundstücke, die nicht der gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Nutzung dienten, sondern als Containerabstellplatz verwendet würden. Das Verwaltungsgericht habe lediglich auf die Bestimmung des § 6 Abs. 1 BO verwiesen; werde die Versagung einer Bewilligung nach § 71 BO nicht begründet, würden „Rechte der Bewilligungswerber auch dann verletzt, wenn sich sein Bauansuchen nicht ausdrücklich auf eine Bewilligung nach § 71 bezieht“.
4 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgezeigt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Erteilung einer Bewilligung im Sinne des § 71 BauO ist eine Ermessensentscheidung. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Das Gericht ist verpflichtet, in der Begründung seiner Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. VwGH 29.4.2015, Ra 2015/05/0021, mwN).
9 Diesen Anforderungen ist das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis, in welchem es nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausreichend nachvollziehbar dargelegt hat, aus welchen Gründen kein sachlich begründeter Ausnahmefall im Sinne des § 71 BO vorliege, nachgekommen. Entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision liegt der Versagungsgrund für die Bewilligung nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht in der Widmungswidrigkeit für sich, sondern darin, dass die revisionswerbenden Parteien besondere sachliche Gründe für eine Anwendung des § 71 BO nicht dargetan haben (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 15.5.2014, 2012/05/0083, 30.4.2013, 2010/05/0159, oder auch 23.2.2010, 2008/05/0176, jeweils mwN). Dieser Beurteilung des Verwaltungsgerichtes treten die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht substantiell entgegen. Im Übrigen trifft es nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht zu, dass seitens aller von der belangten Behörde dem Verfahren beigezogener Magistratsabteilungen positive Stellungnahmen zum Projekt abgegeben worden seien. Mit dem Hinweis der revisionswerbenden Parteien auf einen Containerabstellplatz auf einem Nachbargrundstück ist für die Revision insofern nichts gewonnen, als entscheidungswesentlich einzig der hier ermittelte Sachverhalt und die Widmung der in Rede stehenden Liegenschaft ist (vgl. etwa VwGH 24.6.2009, 2008/05/0240). Das Zulässigkeitsvorbringen schließlich, es würden im Falle einer mangelhaften Begründung Rechte der Bewilligungswerber auch dann verletzt, wenn sich ihr Bauansuchen „nicht ausdrücklich auf eine Bewilligung nach § 71“ BO beziehe, ist angesichts der ebenso unbestritten gebliebenen Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, die revisionswerbenden Parteien hätten ausschließlich eine Bewilligung nach der genannten Gesetzesbestimmung beantragt - und der damit übereinstimmenden Angabe der revisionswerbenden Parteien in der Revision selbst - nicht nachvollziehbar.
10 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Jänner 2021
Schlagworte
Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050240.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021