TE Vwgh Beschluss 2021/1/13 Ra 2020/05/0239

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Veröffentlicht am 13.01.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §2 Abs1
VVG §4 Abs1
VVG §4 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der H GmbH in S, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6. Oktober 2020, LVwG-2020/34/1310-34, betreffend Vorauszahlung der Kosten von Ersatzvornahmen in Angelegenheiten nach dem AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 15.10.2020, Ra 2020/05/0178, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 31.8.2020, Ra 2020/05/0160 und 0161, mwN).

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (in der Folge: LVwG) wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 30. April 2020, mit welchem ihr gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG die Vorauszahlung der Kosten für die Durchführung von rechtskräftig angeordneten Ersatzvornahmen betreffend die Räumung der Anlage der revisionswerbenden Partei auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG S. vorgeschrieben worden war, nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit der Maßgabe teilweise Folge gegeben, dass die Höhe der Kostenvorauszahlung auf einen näher bezeichneten Betrag reduziert und dafür eine Leistungsfrist von zwei Wochen vorgeschrieben wurde (1.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (2.).

6        In den zur Zulässigkeit der Revision vorgebrachten Gründen führt die revisionswerbende Partei aus, sie habe nach Rechtskraft der angeordneten Ersatzvornahme „den Entfernungsbescheiden entsprechend“ Abfälle von der Betriebsanlage entfernt. Dennoch sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 2020 die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme aufgetragen worden. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sei der Kostenbetrag zwar deutlich reduziert worden, weil „seit dem Erkenntnis vom 9. Dezember 2019“ mehr als die Hälfte der betroffenen Abfallmengen durch die Revisionswerberin entsorgt worden sei. § 4 VVG unterliege den allgemeinen Grundsätzen des Vollstreckungsverfahrens im Sinne der §§ 1 und 2 leg. cit.; nach § 2 Abs. 1 leg. cit. sei jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden. Ziel des Vollstreckungsverfahrens sei es, den rechtmäßigen Zustand herzustellen; wenn sich im Zuge der Androhung der Ersatzvornahme bzw. nach Anordnung der Ersatzvornahme „der Verpflichtete selbst um die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bemüht“, sei ein weiterer Vollzug des Vollstreckungsverfahrens nicht erforderlich und entspreche der Kostenvorauszahlungsauftrag nicht mehr den Anforderungen, das gelindeste zum Ziel führende Mittel anzuwenden. Zur Frage, „ob gemäß § 4 Abs 2 VVG die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme dem Grundsatz des § 2 VVG entspricht, jeweils das gelindeste zum Ziel führende Mittel anzuwenden“, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

7        Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8        Gemäß dem die Ersatzvornahme regelnden § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Gemäß § 4 Abs. 2 VVG kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

9        Gemäß § 2 Abs. 1 VVG haben die Vollstreckungsbehörden bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse an dem Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

10       Nach den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis sind alle drei Erkenntnisse des LVwG (jeweils vom 9. Dezember 2019) betreffend die Anordnung der Ersatzvornahme zur Räumung der Anlage der revisionswerbenden Partei rechtskräftig; dies wird von der revisionswerbenden Partei nicht bestritten. Auch den Ausführungen des LVwG, wonach sich der Zustand auf der in Rede stehenden Anlage nach wie vor laufend ändere, indem nicht nur Abfälle entfernt, sondern trotz eines Anlieferverbotes immer wieder Abfälle angeliefert würden, tritt die revisionswerbende Partei nicht entgegen; sie behauptet insbesondere auch nicht, den in den Titelbescheiden enthaltenen Aufträgen vollständig nachgekommen zu sein.

11       In Anbetracht des klaren Wortlautes des § 4 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 leg. cit. geht damit das Zulässigkeitsvorbringen, es sei ein weiterer Vollzug des Vollstreckungsverfahrens nicht erforderlich und entspreche der Kostenvorauszahlungsauftrag nicht mehr den Anforderungen, das gelindeste zum Ziel führende Mittel anzuwenden, „wenn sich der Verpflichtete selbst um die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes bemühe“, ins Leere. Ist der Verpflichtete dem im Titelbescheid enthaltenen Auftrag nicht vollständig nachgekommen und folglich eine rechtskräftig angeordnete Ersatzvornahme hinsichtlich des durch den Verpflichteten nicht erfüllten Teiles des Auftrages weiterhin durchzuführen, besteht das „gelindeste Mittel“ gemäß § 2 Abs. 1 VVG nach der klaren Rechtslage nicht darin, vom weiteren Vollzug des Vollstreckungsverfahrens gänzlich abzusehen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird daher mit dem genannten Zulässigkeitsvorbringen im Zusammenhang mit der gegenständlichen Verpflichtung zur Kostenvorauszahlung, in der das LVwG nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens auf die geänderten Verhältnisse auf der Anlage der revisionswerbenden Partei im Hinblick auf die zwischenzeitliche Entfernung eines Teiles der Abfälle Bedacht genommen und den vorgeschriebenen Betrag entsprechend der zeitnah eingeholten Kostenschätzung der Bundesaltlastensanierungsgesellschaft m.b.H. reduziert hat, nicht aufgeworfen.

12       Im Übrigen besteht entgegen der in der Zulässigkeitsbegründung aufgestellten Behauptung, es liege „zur Frage, ob gemäß § 4 Abs 2 VVG die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme dem Grundsatz des § 2 VVG entspricht“, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Schonungsprinzip“ gemäß § 2 Abs. 1 VVG im Zusammenhang mit Kostenvorauszahlungsaufträgen nach § 4 Abs. 2 VVG (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2017/05/0220, 26.2.2015, 2011/07/0155, 19.12.2013, 2011/03/0173, 5.9.2013, 2013/09/0063, 24.1.2013, 2011/06/0184, 24.11.2008, 2008/05/0179, 12.10.2007, 2006/05/0293, 20.10.2005, 2003/06/0191, oder auch bereits 7.11.1995, 95/05/0260, jeweils mwN). Dass von der revisionswerbenden Partei gegenständlich ein höherer Kostenvorschuss verlangt wird, als zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahmen erforderlich ist, oder dem LVwG sonst ein relevanter Verfahrensmangel bei der Berechnung über die Kosten der Ersatzvornahmen unterlaufen wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt.

13       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Jänner 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050239.L00

Im RIS seit

08.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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